Mutterkuhhalter sind aufgrund der geringen Erlössituation zu einer sparsamen Wirtschaftsweise gezwungen. Zusätzliche Kosten, wie zum Beispiel für die Getreidezufütterung der Kälber, sind nur bei einer Leistungssteigerung mit kostendeckenden Erlösen zu rechtfertigen. Für die Absicherung der Kosteneffizienz ist nicht nur entscheidend, ob, sondern auch ab welchem Zeitpunkt mit der Zufütterung begonnen wird.
Zur Prüfung der Effekte der Zufütterungsdauer wurde in der Lehr- und Versuchsanstalt für Tierzucht und Tierhaltung in Groß Kreutz (LVAT) in Brandenburg über drei Jahre eine Untersuchung mit Kühen der Rasse Uckermärker und ihrer weiblichen Nachzucht durchgeführt. Dazu wurde ein in der Nähe der Tränkwasserversorgung installierter elektronischer Kraftfutterautomat genutzt, der mit Getreideschrot bestückt wurde. Mit dem Auftrieb auf die Sommerweide wurden die Kälber nach Gewicht, Alter und Lebenstagszunahmen in zwei identische Gruppen eingeteilt und mit Transponderhalsbändern für den Kraftfutterabruf ausgestattet. Bei einem Durchschnittsalter von 86 Tagen begann die Zufütterung für die Kälber der Kontrollgruppe. Der Futteranspruch für die Kälber der Versuchsgruppe wurde zirka sechs Wochen später freigeschaltet.
Futteraufnahme individuell
Das einbezogene Tiermaterial und die Kennzahlen zur Futteraufnahme sind in der Tabelle 1 zusammengestellt. Die maximale Getreideaufnahme pro Tag war auf 6 kg begrenzt. 30 Kälber nutzten das Futterangebot nicht oder sehr selten (Gesamtfutterabruf unter 10 kg) und wurden nicht in die Auswertung einbezogen. An den Schwankungsbreiten der abgerufenen Gesamtfuttermenge erkennt man große tierindividuelle Unterschiede. Der hohe Anteil von Tagen, an denen kein Automatenbesuch dokumentiert wurde, zeugt von einer unregelmäßigen Nutzung des Futterangebotes. Die Kälber suchten den Futterautomaten hauptsächlich auf, wenn sich die Herde in unmittelbarer Nähe der Tränke befand. In regenreichen Zeiten und auf weiter entfernten Flächen verkürzte sich der Aufenthalt an Tränkeinrichtung und Kraftfutterautomat. Der Weideumtrieb auf eine neue Teilfläche hatte ebenfalls einen verringerten Kraftfutterabruf zur Folge.
So war das Wachstum
Die Lebendmasseentwicklung der Kälber während der Weideperiode zeigt die Tabelle 2. Statistisch gesicherte Differenzen zwischen den beiden Gruppen wurden nur bei der täglichen Zunahme im Untersuchungszeitraum ermittelt. Daraus resultierte eine um 6 kg höhere Zuwachsleistung bei den Kälbern der Kontrollgruppe.
Von den 53 im Betrieb verbliebenen Tieren wurden 26 Färsen für die Reproduktion selektiert und 27 Färsen zur Weitermast aufgestallt. Die erfassten Merkmale der weiteren Entwicklung dieser Tiere sind den Tabellen 3 und 4 zu entnehmen.
Zwischen beiden Gruppen sind zum Zeitpunkt der Jährlingswägung keine Differenzen feststellbar. Auch das Erstkonzeptionsgewicht der Reproduktionsfärsen wurde von den Tieren beider Gruppen gleichzeitig erreicht. Das Erstkalbealter aller bisher abgekalbten Färsen lag bei 24 Monaten. Bei der Auswertung der zur Mast verwendeten Färsen erreichten die Tiere der Kontrollgruppe tendenziell geringfügig höhere Tageszunahmen und eine bessere Fleischklasseneinstufung.
Um zu erkennen, wie sich die 30 Kälber ohne Kraftfutteraufnahme entwickelt haben, wurden diese außerhalb der Versuchsauswertung gesondert betrachtet. Tabelle 5 gibt einen Überblick.
Beim Vergleich mit den Daten aus Tabelle 2 fällt auf, dass die Kälber ohne Kraftfutterabruf am Beginn der Untersuchung etwas schlechter entwickelt waren. Zum Ende der Weidesaison sind die Differenzen in der Gewichtsentwicklung zu den Kälbern mit Kraftfutterabruf deutlich erkennbar. In den ersten vier Wochen nach dem Absetztermin und der Aufstallung lagen die täglichen Zunahmen 150 g unter den Werten der Versuchsgruppe. Die Tiere waren häufiger von Erkrankungen des Atemwegssystems betroffen, was zu einem erhöhtem Behandlungs- und Betreuungsaufwand führte. Am Ergebnis dieser Auswertung ist erkennbar, dass eine Zufütterung der Saugkälber auf der Weide für die Tiergesundheit und Optimierung der Wachstumsleistung vorteilhaft ist.
Wirtschaftliche Betrachtung
Für 1 dt Kraftfutter wurden Kosten von 34 € kalkuliert. Diese setzen sich zusammen aus dem Getreide (inklusive Schroten), den Arbeitserledigungskosten und den Kosten für den Futterautomaten (siehe Abbildung).
Tabelle 6 gibt einen Überblick zum Futteraufwand und den ermittelten Kosten für die Zusatzfütterung der beiden Gruppen.
Die Differenz im Kraftfutterverbrauch der Kontrollgruppe von 18,3 kg pro Tier ergibt 6,23 € höhere Verfahrenskosten. Durch die um 6 kg höhere Zuwachsleistung der Tiere in der Kontrollgruppe mit einem Mehrerlös von 6 € pro Tier werden die Kosten knapp gedeckt. Ökonomisch sind beide Gruppen gleich zu bewerten. Für eine nachhaltige und ressourcensparende Produktion ist die kürzere Zufütterungsdauer zu bevorzugen. Die Effekte des Zufütterungsbeginns variierten aber zwischen den Untersuchungsjahren und sind immer abhängig vom Futterverbrauch und der Zuwachsdifferenz zwischen den Gruppen.
Bei der wirtschaftlichen Betrachtung der Kälber ohne Kraftfutterabruf wird Folgendes deutlich: Diese Kälber hätten infolge des geringeren Zuwachses während der Weideperiode 15 beziehungsweise 9 € weniger Verkaufserlös im Vergleich zur Kontroll- und Versuchsgruppe erzielt. Durch die Einsparung der Verfahrenskosten für das Getreideangebot wäre der Verzicht auf Zufütterung wirtschaftlicher. Das gelingt aber nur, wenn der Anteil untergewichtiger Kälber niedrig gehalten wird. Durch die angewandte Preisbildung beim Absetzkälberverkauf nach Gewichtsklassen sind die Einkommensverluste bei einem Gewicht unter 200 kg am höchsten. Von den 30 Kälbern ohne Kraftfutterabruf lag das Gewicht nur bei drei Kälbern (10 %) geringfügig unter 200 kg.
Fazit
Die Entscheidung, ob und ab wann eine Getreidezufütterung der Kälber auf der Weide vorteilhaft ist, hängt von den Standortbedingungen, Witterungsverhältnissen und dem Betriebsmanagement ab. Die Getreidezufütterung kann eine wirtschaftliche Option sein, wenn dadurch der Anteil zu leichter Kälber unter 200 kg zum Absetzzeitpunkt gesenkt wird. Das ist bei langen Abkalbezeiträumen mit nur einem Absetzzeitpunkt, einem hohen Jungkuhanteil, vielen Zwillingsgeburten, Futtermangel und schlechten Futterqualitäten zu erwarten. Bestätigt haben sich die positiven Effekte einer Zufütterung auf die Gesundheit der Tiere mit weniger Umstellungsproblemen nach dem Absetzen. Die Leistungsdefizite der nicht oder später zugefütterten Tiere während der Weideperiode wurden bei der Aufzucht und Mast im eigenen Betrieb weitestgehend kompensiert.