Im vollen Saal diskutieren – das schien bei den Unwägbarkeiten durch Corona nicht sinnvoll für die traditionelle „Begegnung Dorf und Kirche“. So entschieden sich die Kreisbauernverbände (KBV) Stormarn und Segeberg und der Kirchenkreis Plön-Segeberg bei der Planung der 56. Folge für ein neues Format: Sie luden Landwirte und Kirchenleute zum Besuch auf landwirtschaftlichen Höfen ein.
Wie kann mehr Tierwohl bezahlbar werden? Sind wir Mitverursacher von Ernährungsnotständen in der Welt? Wie werden behördliche Auflagen kontrolliert? Was ist mit dem Insektensterben? Von solcher Vielfalt waren die Themen bei dem Hoftermin in Bad Oldesloe-Rethwischfeld bis hin zur Frage: „Wie können wir Sie als Landwirte unterstützen?“ Der Kreis der Teilnehmenden war mit 15 Leuten eher klein auf dem Hof von Johannes Scherrer, die Diskussion umso intensiver und mit hoher Detaildichte.
Schweine und Weizen in Rethwischfeld
„Fragen Sie nur weiter, umso mehr fällt mir ein!“, ermunterte der 35-jährige Landwirt die Runde, und das wurde rege genutzt, sodass der Marsch zum jeweils nächsten Besichtigungsort fast ins Hintertreffen geriet. Nacheinander besuchte man den gerade geleerten Schweinestall (Platz für 1.500 Mastschweine, 4.000 im Jahr), die Getreidesilos, die Maschinenhalle und das Weizenfeld (520 ha Acker). Friedrich Klose, Vorsitzender des KBV Stormarn, und Lennart Butz, Geschäftsführer des KBV Segeberg, ergänzten aus dem Fundus ihres Fachwissens und ihrer Erfahrungen.
„Im Moment bleibt etwas über, aber die Futterkosten werden weitersteigen“, gab Scherrer zur Situation der Schweinepreise bereitwillig Auskunft und wies darauf hin: „In Spanien haben sie einen Bruchteil der Auflagen.“ Propst Dr. Daniel Havemann wollte das so nicht stehen lassen: „Die Auflagen sind auch sinnvoll. Man kann nicht nur sagen: ,Lass uns mal machen!‘“ Ihm leuchte allerdings ein, dass der Landwirt Planbarkeit für sein Unternehmen brauche.
„Wäre es nicht sinnvoll, weniger Fleisch zu verzehren, aber mehr dafür zu bezahlen?“, fragte eine Pastorin. Friedrich Klose verneinte. „Das funktioniert nicht in der Breite. Der Tierwohlpreis wird schon jetzt nicht im Laden bezahlt.“ – „Die Menschen haben jetzt alle weniger Geld in der Tasche“, brachte es Scherrer auf den Punkt und prognostizierte: „Das Bedürfnis, satt zu werden, wird wieder stärker in den Fokus rücken.“
Das leitete über zum Thema Ernährungssicherheit, besonders angesichts des Ukraine-Krieges. Klose strich heraus, dass Getreideanbau in unserem Land den Weltmarkt entlaste. Deutschland habe im Trockenjahr 2018 „die Ukraine leer gekauft. Wenn wir uns erlauben, die Erträge hier zu reduzieren, schaden wir anderen Menschen auf der Welt, die dadurch hungern“. Scherrer ergänzte: „Mit weniger Auflagen könnten wir hier bis zu 20 Prozent mehr Weizen produzieren.“
„Das war ganz toll, weil man viel mehr ins Gespräch gekommen ist“, resümierte KBV-Vorsitzender Klose in der Abschlussrunde bei Kartoffelsuppe. Als „offene Diskussion ohne Rechtfertigungszwang“ empfand es Propst Havemann.
Rinder und Hühner in Bargteheide
Wohlfühlatmosphäre auf dem Betrieb von Hauke Ruge (34) in Bargteheide, den er gemeinsam mit Ehefrau, Vater und Bruder bewirtschaftet. Bei Sonnenschein zwischen Kühen und frei laufenden Hühnern auf der Weide fand der zweite Teil des Treffens „Dorf und Kirche“ statt. Die Realität auf dem Ökobetrieb ist aber weit entfernt von Bullerbü. 60 Milchkühe mit Nachzucht und rund 300 Legehennen werden auf dem Betrieb gehalten – am Stadtrand von Bargteheide sind ideale Bedingungen für Direktvermarktung. Davon konnten sich die Teilnehmer – Pastoren, LandFrauen, Verbrauchervertreter und Landwirte – einen Eindruck verschaffen. Der Kuhstall mit Melkroboter, die Milchtankstelle und der Automat für den Verkauf von Eiern und Fleisch entsprechen allem, was sich der Verbraucher wünscht.
In der Hochphase von Corona standen die Kunden nachmittags Schlange – der Einkauf war auch in Zeiten des Lockdowns ein willkommenes Event. Man sah frei laufende Hühner, Kälber bei der Ammenkuh und wie die Milch direkt aus dem Milchtank abgefüllt wurde. Doch der Boom scheint ein Ende zu haben. Die Kunden halten sich wieder merklich zurück. Die Anzahl der Legehennen wurde bereits reduziert. Und die Meierei holt nunmehr die Biomilch vom Hof ab. Inflationsangst und die wiedererlangten Freiheiten in der Freizeit haben zu einem deutlichen Umsatzrückgang geführt.
Warum stimmen Anspruch und Wirklichkeit des Verbraucherverhaltens nicht überein? „Wir brauchen mehr Ehrlichkeit in unseren Forderungen“, formulierte Pastor Wolfgang Stahnke von der Verwaltung des Kirchenkreises Plön-Segeberg. Wer nur fordere, ohne selbst entsprechend zu handeln, verhalte sich heuchlerisch. Landwirt Hauke Ruge stimmte dem zu. Immer mehr Auflagen und Dokumentationen ohne einen Mehrwert in der Produktion belasten den jungen Landwirt. Die Gesellschaft bestelle eine Leistung, für die sie nur bedingt bereit sei zu zahlen. „Selbst im Biobereich sollen wir unter deutschen Standards zu Weltmarktpreisen anbieten“, so Ruge. Das sei nicht möglich, und daher fordert er auch eine eindeutige Herkunftskennzeichnung für alle Produkte.
Neben dem ökonomischen Druck berichteten die anwesenden Landwirte auch von einem zunehmenden emotionalen Druck, der auf den Betriebsleitern und ihren Familien laste. Betriebliche Entscheidungen wie der Bau eines Schweinestalls, die vor zehn oder 15 Jahren noch als richtig und zukunftsweisend begrüßt wurden, würden heute infrage gestellt. Wer „nur“ den gesetzlichen Standard erfülle, bewege sich am Rande der Legalität, postulierte ein Teilnehmer. Was aber, wenn der Verbraucher nur Haltungsstufe 1 kauft, obwohl er Stufe 4 oder 5 fordert? „Wir brauchen mehr Ehrlichkeit im eigenen Handeln“, war dann auch der Schlusssatz des informativen Vormittags, der auch hier bei einem Teller Kartoffelsuppe endete.




