In den Holstenhallen in Neumünster drehte sich am ersten Adventswochenende alles um Trakehner Pferde: Hengstkörung, Auktionen und die Auswahl der Jahressiegerstute standen auf dem Programm. Dafür waren Aussteller und Züchter aus allen Teilen Deutschlands, aber auch aus den USA, Australien und ganz Europa ins verschneite Neumünster gefahren.
Mit Standing Ovations feierten die Trakehner am Sonnabendnachmittag ihren Siegerhengst Kap Verde. Dieser habe sich während der drei Trakehner Hengstmarkttage bei jedem Auftritt als „König der Holstenhallen“ präsentiert, so Zuchtleiter Neel-Heinrich Schoof. Souverän, taktsicher in allen Grundgangarten und von erlesener Bewegungsgüte strahle der Sohn des Helium. „Es ist schwierig, bei so einem Hengst sachlich zu bleiben“, gestand Dr. Hans-Peter Karp, Körkommissar und stellvertretender Vorsitzender der Körkommission, ohne sein Strahlen zu verbergen. „Kap Verde ist etwas ganz Besonderes. Er vereint Adel, Ausstrahlung, Lockerheit und Gleichgewicht. Der Hengst ist eine Erscheinung.“
Die Mutter des Hengstes, die Staatsprämien- und Prämienstute Kreta von Ivernel, ist ein echtes Nordlicht. Geboren in Tasdorf, Kreis Plön, stammt sie aus der Zucht der ehemaligen Verbandspräsidentin Petra Wilm. Ausstellerin Jill Mieleszko-Vekens aus Paderborn hatte das Hengstfohlen im Alter von drei Tagen auf Facebook entdeckt und spontan erworben. Denn mit einem Hengstfohlen des Trakehner Vererbers Helium hatte sie bereits beste Erfahrungen gemacht: 2020 brachte sie den Siegerhengst Rheinglanz nach Neumünster, den sie ebenfalls als Fohlen gekauft hatte. Dass sie mit Kap Verde eine weitere Siegerschärpe mit nach Hause nehmen würde, hätte sie sich allerdings nicht träumen lassen.
Das Hengstfohlen wuchs im Familienbetrieb mit Großpferde- und Ponyzucht auf, war „ein Kumpeltyp, der immer weiß, wann er sich präsentieren muss“. Den Coup, mit gleich zwei in Neumünster ausgestellten Hengsten auch zwei Sieger zu stellen, hat vor Jill Mieleszko-Vekens tatsächlich noch niemand geschafft. Für sie, ihren Ehemann und die kleine Tochter ging es nach der Auktion direkt auf die Autobahn, denn am nächsten Tag hatten sie noch zwei Hengste bei der Körung in Westfalen zu laufen. „Das sind ja aber Luxusprobleme“, räumte Frederik Vekens ein. Im nächsten Jahr wollen sie wiederkommen, „dann mit zwei Hengsten aus dem ersten Jahrgang von Rheinglanz“.
Qualitätsvoller Jahrgang
Der Sieger krönte einen außergewöhnlich qualitätsvollen Körjahrgang. „Die Vielfalt des Trakehner Pferdes ist in diesem Jahr besonders gut dokumentiert“, begeisterte sich Karp. So seien auch alte, bereits verloren geglaubte Linien wieder vertreten gewesen. Ein Beispiel dafür ist der Hengst Göteborg, der von Graciela und Thomas Bruch aus dem Saarland in Weißrussland entdeckt und gekauft wurde. Er ist einer der letzten Vertreter der Cancara-Linie, die in der deutschen Zucht ausgestorben war. Mit seinem frisch gekörten Sohn Tschaikowsky geht es jedoch nun weiter.
Insgesamt hatten sich 42 Anwärter der Körkommission gestellt, zum Auftakt am Donnerstag traditionsgemäß auf dem Pflaster. Neu waren die Minustemperaturen und die funkelnde Schneedecke, bewährt die zahlreichen Zuschauer. „Bei herrlichem Wetter haben wir Trakehner Hengste gesehen, die sich hervorragend in Szene gesetzt haben und mit schwungvoller Bewegungsmechanik überzeugen konnten“, freute sich Schoof über die erste der drei Disziplinen der Körung.
Am Freitagvormittag zeigten die Youngsters dann ihr Talent im Freispringen, am Sonnabend präsentierten sich alle Hengste beim Freilaufen in der großen Halle. Mit der Verkündung der Körurteile schlug schon am Sonnabendnachmittag die Stunde der Wahrheit. Die gekörten Hengste wurden ausgewählt und der Siegerhengst wurde proklamiert. Die Kommission zeigte sich mehr als zufrieden mit dem Körjahrgang.
Insgesamt erhielten 19 Hengste das Go für den Weg zum künftigen Vatertier. Die besten sechs Hengste wurden zusätzlich mit dem Prämientitel ausgezeichnet, aus ihren Reihen rekrutierten sich der Sieger sowie der erste und zweite Reservesieger: Times Square von Integer, ein imposantes Beschälermodell aus der Zucht der Niedersächsin Madlen Mager und im Besitz von Bernhard Langels aus Sachsen-Anhalt, und Kairouan von Schwarzgold, ein herrlicher Typ mit moderner Bewegungsmechanik, überzeugten die Körkommission auf ganzer Linie.
Aus der Zucht von Madlen Mager stammt außerdem der beste Springhengst, der Schimmel Tiago. Sein Vater Cook du Midour AA war in schweren Springen auf internationalem Niveau erfolgreich. Auch der gekörte Hengst mit dem höchsten Spezialblutanteil erhält bei der Trakehner Körung traditionell einen Sonderpreis, dieser ging in diesem Jahr an Ataman, einen Sohn des Vollblutarabers Pagur ox. Bester in Schleswig-Holstein gezogener Hengst wurde Bahrain von Arian Shah ox aus der Zucht und dem Besitz von Corinna Knaack-Lindemann aus Bad Oldesloe. Gekört wurde auch Wie Gold aus dem Besitz von Silke Bunte und Nicole Derlin aus Hoffeld, Kreis Rendsburg-Eckernförde.
Auktion mit Superlativ
Für einige Hengste war das Abenteuer Holstenhalle mit der Körung noch nicht zu Ende. Um 20 Uhr begann die Auktion und der Auftakt stand wie üblich dem Siegerhengst zu. Kap Verde kam mit schwarz-rot-goldener Siegerschärpe in die Halle und Auktionator Hendrik Schulze-Rückamp gab richtig Gas. Es entbrannte ein Bieterduell, wie es die Pferdestadt Neumünster seit vielen Jahren nicht erlebt hat. Auf den Rängen wechselte atemlose Stille mit frenetischem Applaus, als die Gebote in die Höhe kletterten, bevor bei 350.000 € der Hammer fiel.
Künftig wird der Ausnahmehengst im Dressurstall Meggle bei München zu Hause sein. Dort hatte man bereits im Vorjahr den Trakehner Siegerhengst ersteigert, der seine Besitzer so begeistert, dass er jetzt einen weiteren Spitzenhengst als Stallnachbarn erhält. 350.000 € sind der höchste je bei den Trakehnern erzielte Auktionspreis.
Das zweithöchste Gebot des Abends erhielt mit 54.000 € Honnery von Integer. Der ebenfalls gekörte Hengst wurde auf Sylt von Jürgen Altmiks gezogen. Dicht darauf folgte der Prämienhengst Alle Farben, ein Sohn des in schweren Springen erfolgreichen Hengstes Tecumseh aus der Zucht von Margret Sander aus Sachsen. Der hochbeinige Prämienhengst gefiel mit kraftvollem Freispringen und einem elastischen Bewegungsablauf, der auch dressurorientierte Interessenten ansprach, und erzielte 50.000 €.
„Wir hatten eine grandiose Auktion mit zahlreichen Kunden aus dem In- und Ausland. Die dressur-, spring- und vielseitigkeitsorientierten Pferde waren in hohem Maße gefragt und gingen vielfach in professionelle Hände zur sportlichen Förderung“, fasste Schoof die abschließende Hengstauktion zusammen. Zehn gekörte Hengste kamen zur Auktion und erzielten einen Durchschnittspreis von 72.100 €. Die 13 nicht gekörten Hengste wechselten zum Durchschnittspreis von 15.346 € die Besitzer.
Standing Ovations für die Siegerin
Zur Auswahl der Jahressiegerstute sind jährlich die besten dreijährigen Stuten des Jahrgangs eingeladen. In diesem Jahr wurden zwölf von ihnen dem Richtertrio Dr. Felix Austermann, Leiter des Landgestüts Warendorf, Roland Metz, Vermarktungsleiter im Oldenburger Verband, und Frank Bangert aus der Stuteneintragungskommission des Trakehner Verbandes vorgestellt. In den Endring luden die Richter sechs Stuten ein und als Beste des Jahres stellten sie abschließend die Fuchsstute Rose la France heraus. Die Titelträgerin ist eine Tochter des Hengstes Fellini, gezogen und im Besitz von Michaela Böhn aus Niedersachsen. Mit souveränem Auftritt, korrektem Exterieur und kraftvoller Trabmechanik wurde sie mit Standing Ovations gefeiert.
Erste Reservesiegerin wurde Replica von Ivanhoe aus der Zucht und im Besitz von Monica Lindstedt aus Stockholm. Replica war in diesem Jahr auch Reservesiegerin der Eintragung in Schleswig-Holstein und hatte im Herbst die Bronzemedaille bei den Bundeschampionaten gewonnen.
Als zweite Reservesiegerin stellten die Richter die „ungemein harmonische“ Prämien- und Staatsprämienstute Kalahari von Millennium aus der Zucht von Ilonka Danowski aus Niedersachsen heraus, die kurz darauf einen weiteren Auftritt in der Auktion haben sollte, wo sie mit 60.000 € einen der Spitzenpreise erzielte. Noch teurer war in der Stutenkollektion nur die dreijährige Prämienstute Pastorale von Herakles mit 61.500 €. Die Stuten kosteten im Durchschnitt 26.000 €.
Auch die Auktion der Reitpferde lockte mit Offerten für alle Disziplinen des Reitsports. Auktionsspitze der Reitpferde wurde der Alleskönner Deinheart von Dürrenmatt, der für 65.000 € ein neues Zuhause bei einer schwedischen Familie mit zwei Töchtern fand. Den zweithöchsten Preis erzielte mit 38.000 € der Wallach Heißer Stein von Freiherr von Stein, der bereits eine begehrte Offerte der Fohlenauktion beim Bundesturnier war und jetzt als Reitpferd mit sportlicher Perspektive abermals den Auktionsring betrat. Der Durchschnittspreis der Reitpferde betrug 26.857 €.
Beste Springerin aus Schinkel
Vor der Auktion am Freitag fand das Finale des TSF Dressurchampionats statt. Qualifiziert hatten sich die besten drei Teilnehmer der Einlaufprüfung am Donnerstag. Mit einer Bewertung von mehr als 73 % siegte der siebenjährige Prämienhengst Kwahu von Millennium, gekonnt vorgestellt von Olympionikin Helen Langehanenberg. Auf Platz zwei präsentierte Natalie Soujon die zehnjährige Stute Krone von Kentucky vor Timo Kemmerer, der seine achtjährige Stute Infinity von Zauberlord fein in Szene setzte.
Neben der Dressurprüfung für die besten sieben- bis zehnjährigen Dressurpferde der laufenden Saison gab es auch wieder den inzwischen bewährten Freispringcup, für den sich im Vorfeld drei- und vierjährige Springtalente qualifizieren konnten. Die Richter, Springreiter Christopher Frazer und Vielseitigkeitsreiter Andreas Ostholt, vergaben Spitzennoten für Springvermögen und -manier. Mit der dreijährigen Stute Sherry siegte ein Talent aus der Zucht von Corinna Schröder aus Schinkel, Kreis Rendsburg-Eckernförde. Sherry, die bei ihrer Stuteneintragung schon als beste Springstute herausgestellt wurde, ist eine Tochter des Hengstes Hirtentanz, der in diesem Jahr als Trakehner Hengst des Jahres geehrt wurde.
Der 62. Trakehner Hengstmarkt wird am ersten Adventswochenende 2024 vom 28. bis 30. November stattfinden. pm