„Landwirtschaft und Naturschutz: Versöhnen oder spalten?“ lautete das provokante Thema des Kreisbauerntages Nordfriesland, der am Montag in der Koogshalle in Reußenköge stattfand. Die Teilnehmer der Podiumsdiskussion stellten insbesondere zwei Dinge fest: Erstens müsse man miteinander reden, und zweitens sei die Landwirtschaft schon viel weiter als der Fußball.
Thomas Hansen, Vorsitzender des Kreisbauernverbandes (KBV) Nordfriesland, stellte zu Beginn klar: „Landwirte sind von einer intakten Umwelt abhängig und sich der Bedeutung des Naturschutzes bewusst.“
Das unterstrich auch Klaus-Peter Lucht, Präsident des Bauernverbandes Schleswig-Holstein (BVSH). Für ihn hat zwar Milchproduktion in den Niederungen oberste Priorität. Dennoch betonte er: „Wenn wir Flächen tauschen, können wir Landwirtschaft und Moorschutz verbinden.“ Er sprach sich für ein Flurbereinigungsverfahren aus, um sowohl den Interessen von Landwirten als auch denen des Klimaschutzes gerecht zu werden. Mit Blick auf Gänsefraßschäden forderte Lucht mehr Möglichkeiten zur Bestandsreduzierung. Außerdem müsse überall entschädigt werden, wo Gänseschäden auftreten.
Heiliger Rasen
Ein humorvoller Vergleich der KBV-Junior-Geschäftsführerin Merle Pahl diente als Steilvorlage für eine lebhafte Podiumsdiskussion. Ihr fiktives Szenario für die Fußball-EM 2024: Wirtschaftsminister Dr. Robert Habeck und Umweltministerin Steffi Lemke (beide Grüne) verfügen, dass 10 % der Rasenfläche in deutschen Stadien als Biodiversitätsfläche anzulegen seien. Auch der Waldanteil auf dem Fußballgeläuf solle etappenweise erhöht werden. Grätschen gelte als Grünlandumbruch und sei verboten. Laut Lemke würden die Rasenflächen seit Jahrzehnten massiv überdüngt, und der unverantwortliche Einsatz von Pestiziden begünstige die Grasmonokultur, die negative Auswirkungen auf viele Tierarten habe … (das komplette Szenario finden Sie am Ende dieses Beitrags).
Streit um Vorkaufsrecht
„Bedeutet Versöhnung, dass Landwirtschaft und Naturschutz auf Unentschieden spielen müssen?“, fragte Moderator Sönke Hauschild vom BVSH-Hauptamt. Er wies auf eine aktuelle Studie hin, nach der durch Wiedervernässung der Niederungsgebiete hohe Wertschöpfungsverluste drohten.
Laut Katja Günther, Staatssekretärin im Kieler Umweltministerium, gibt es kein Patentrezept, um Landwirtschaft und Umweltschutz zusammenzubringen. Sie argumentierte: „Wenn wir uns nicht um den Naturschutz kümmern, zahlen wir die Kosten an anderer Stelle teurer.“ Ein Streitthema war das naturschutzfachliche Vorkaufsrecht. Günther beteuerte, dass Naturschutzorganisationen wie die Stiftung Naturschutz nur Flächen kauften, die landwirtschaftlich aufgegeben würden. BVSH-Generalsekretär Stephan Gersteuer erläuterte dazu: „Die Stiftung kann das naturschutzrechtliche Vorkaufsrecht unter anderem auch dann ausüben, wenn Nichtlandwirte Käufer sind.“ Dies passiere allerdings auch, wenn die gebotenen Preise für Landwirte nicht mehr attraktiv seien. Die Stiftung eigne sich die Flächen dann zu – aus landwirtschaftlicher Sicht – überhöhten Preisen an.
Zur Gänseproblematik blieb Günther vage. Sie verwies auf EU-Recht und sagte: „Wir können doch nicht alle Gänse erschießen, sondern müssen überlegen, wie wir mit diesen Dingen umgehen.“
Mit Blick auf die Vernässung von Niederungsgebieten erinnerte Günther an die Verpflichtungen aus dem Klimaschutzgesetz. Rund 18 % der Treibhausgasemissionen in Schleswig-Holstein stammten aus kohlenstoffreichen Böden. Neu war für sie ein Projekt im Oldenburger Graben, das BVSH-Vorstandsmitglied Heinrich Mougin skizzierte. Laut Mougin haben betroffene Betriebe mit dem Bauernverband Lösungen mit Vorbildcharakter entwickelt. Die Fördermöglichkeiten des Landes passten jedoch nicht zu den Vorschlägen der Projektbeteiligten. Günther kündigte an, sich mit den Akteuren auszutauschen und „die Hand zu reichen“, um an Lösungen zu arbeiten.
Dr. Walter Hemmerling, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Stiftung Naturschutz, sieht keine Alternative dazu, Moore „wieder nass zu machen“. Es gehe aber darum, Modelle für Wertschöpfung in Mooren zu finden.
Begrenztes Potenzial
Laut Zukunftsbauer Jörg Struve gibt es Verbraucher, die bereit sind, mehr für Zusatzleistungen zu bezahlen – in seinem Fall für Tierwohl. Das Potenzial sei jedoch begrenzt. Sein Betrieb könne beispielsweise im Rahmen der Strohschwein-Initiative von Edeka-Nord fast das gesamte Gebiet des Lebensmitteleinzelhändlers beliefern. „Jeder Landwirt ist bereit, mehr fürs Tierwohl zu tun, aber es muss auch ein Marktpotenzial dafür geben“, betonte Struve.
Christian-Ludolf Nissen, Wasserversorgung Drei Harden, berichtete von freiwilligen Maßnahmen in seinem Versorgungsgebiet, um die Wasserqualität zu erhalten. „Wir haben eine Früherntevereinbarung bis zum 15. September bei Mais, um noch Zwischenfrüchte zu säen und so die N-Auswaschung zu minimieren“, so der Verbandsvorsteher.
Hans-Christian Kühl, stellvertretender KBV-Vorsitzender, erklärte: „Es ist wichtig, miteinander zu reden.“ Problematisch ist für ihn, wenn politische Aussagen nicht zu Buhrufen, sondern zu Schweigen und Resignation führten. Klar sei immerhin geworden, dass die Landwirtschaft in Sachen Naturschutz-Kooperation deutlich weiter sei als der Fußball.
Merle Pahl präsentiert das fiktive Szenario „Fußball-EM – Deutschland wird nachhaltig“
Umweltministerin Steffi Lemke sorgt beim DFB für schlaflose Nächte. In Absprache mit Wirtschaftsminister Robert Habeck wurde dem Bundeskabinett eine Vorlage zugeleitet, wonach 10 % der Rasenfläche in deutschen Fußballstadien für urbane Biodiversität zu reservieren ist. Ob nun als Randstreifen, Landschaftselement oder Brachfläche, bleibt dem Bewirtschafter überlassen. Jährlich ist die Entwicklung zu dokumentieren und staatlich zu kontrollieren. Die Kontrollkosten hat der Stadionbetreiber zu tragen.
Der DFB reagiert umgehend. Stadien seien keine Spielwiese für Fantasten, denen die Bindung zum Spiel fehle. Umweltschutz sei wichtig, aber bitte außerhalb des Spielfelds.
Unbeeindruckt äußert Lemke gegenüber Journalisten, sie werde auch den Waldanteil auf den „verödeten“ deutschen Fußballflächen anheben. Im ersten Schritt auf zehn Prozent, weitere Anhebungen könnten mit freiwilligen Verpflichtungen zur Anlage von Knicks an der Westkurve verrechnet werden. Auf der verbleibenden Fläche gilt das Grätschen ab sofort als Grünlandumbruch und wird verboten.
Nationaltrainer Julian Nagelsmann klagt: „So können wir nicht arbeiten“. Zudem könne man sich ohne zahlende Zuschauer keinen Naturschutz leisten: „Wie sollen wir da weltweit konkurrieren?“ Lemke schlägt die Konzentration des Fußballs auf den heimischen Markt vor. Habeck umwirbt die Vereine, doch die Chancen des Bio-Fußballspiels zu sehen und Fördermittel für eine ökologische Inwertsetzung der monotonen Rasenflächen in Anspruch zu nehmen.
Der Eklat für den DFB ist aber die geplante Verpflichtung, 50 % des Strombedarfs aus regenerativen Quellen einzuspeisen. „Auf vielen Plätzen ist das nur mit einer Windkraftanlage am Anpfiffpunkt machbar“, pfeift Nagelsmann die Ministerin an. „Erneuerbare Energien sind wichtig. Aber das geht zu weit!“ Die Besucher seien nicht bereit, mehr für den Ökostrom zu zahlen.
Lemke reagiert gereizt: Es sei unverantwortlich, wie der DFB den Naturschutz vernachlässige. Die Rasenfläche werde seit Jahrzehnten massiv überdüngt. Erst der unverantwortliche Einsatz von Pestiziden mache diese Grasmonokultur möglich, die negative Auswirkungen auf viele Tierarten habe. Deutsche Stadien seien das Paradebeispiel für eine rückwärtsgewandte, einseitig von ökonomischen Interessen geleitete Wirtschaft. „Ich mache Schluss mit ausgeräumten Stadionlandschaften. Es gibt keinen heiligen Rasen“, poltert die Umweltministerin. „Naturschutz muss im Sinne der Sozialpflichtigkeit des Eigentores, äh Eigentumes gerade von der Wirtschaft gelebt werden“, fordert sie in einem Interview auf dem gepflegten Kurzrasen ihres Ministeriums.
Der DFB droht, leeren Kassen würde eine Aufgabe des Fußballs erzwingen. „Dann bauen wir die Tore ab!“ Minister Habeck reagiert zugewandt: „Ich bin doch dafür, dass die Eintrittspreise erhöht werden. Die Zuschauer sind seit langem dazu bereit.“ Habeck gibt sogar Nachhilfe in Sachen Unternehmenserfolg: „Im internationalen Massenmarkt können wir nicht konkurrieren. Schießen Sie endlich weniger Tore, dafür mit höherer Qualität.“ Als Politiker vertrete er die Gesellschaft und die sage nun mal Nein zu konventionellen Pestizid-Kunstdünger-Massentorschüssen.