Start Blog Seite 322

Bodenstruktur jetzt ermitteln

0

Die zentrale Rolle für fruchtbare und ertragsfähige Böden spielt die Bodenstruktur. Wegen der zahlreichen Einflüsse auf Wasser-, Luft-, Wärme- und Nährstoffhaushalte ist die Beurteilung ihres Zustands von besonderer Bedeutung. Um konkrete Aussagen zur Bodenstruktur tätigen zu können, ist der Zeitpunkt, der für die Beurteilung der Bodenstruktur gewählt wird, entscheidend.

Eingeschränktes Pflanzenwachstum, eine verminderte Durchwurzelung, reduzierte Drainung und Erosion oder ausbleibende kapillare Nachlieferungen können durch eine beeinträchtigte, nicht funktionale Bodenstruktur hervorgerufen werden. Daher müssen sich Landwirte sowie Berater kritisch und regelmäßig mit dem Zustand auseinandersetzen.

Beurteilung der Bodenstruktur im Frühjahr

Der Boden ist sowohl Witterungseinflüssen als auch der Bodenbearbeitung ausgesetzt, weshalb sich die Struktur im Verlauf eines Jahres mehrmals ändert. Besonders in der Krume treten diese Veränderungen häufig in Erscheinung, aber auch im Unterboden lassen sich Transformationsprozesse beobachten. Als besonders geeignet für eine Untersuchung der Bodenstruktur gilt das Frühjahr. Die herbstlich-winterliche Niederschlagsperiode ist überwunden, und der über diesen Zeitraum abgesetzte Boden konnte, insbesondere in den vergangenen zwei Monaten, einige Wasserreserven auffüllen.

Die Beurteilung sollte bei Feldkapazität durchgeführt werden. Im Fachjargon beschreibt dies denjenigen Zustand, bei dem der Boden noch leicht feucht, aber nicht zu trocken ist. Außer durch Niederschläge wird dieser Zustand aber auch vom Bedeckungsgrad des Bodens durch pflanzlichen Aufwuchs und dem Bodentyp beeinflusst, weshalb Regionen individuell betrachtet werden müssen, um den passenden Zeitpunkt für eine Beurteilung zu treffen. Von Ende März bis in den April hinein ist die Feldkapazität in der Regel auf allen schleswig-holsteinischen Böden vorzufinden.

Rückschlüsse auf die Bodenbearbeitung

Die Bodenruhe, die der Beurteilung im Frühjahr vorausgeht, hat dazu geführt, dass sich der Boden setzen konnte und bodeninterne Strukturierungsprozesse eingeläutet wurden. In dieser Zeit erfolgte keine Form der Bodenbearbeitung, weshalb die Beurteilung mehrere Zwecke erfüllen und Fragestellungen beantworten kann:

• Status quo des Bodens vor der Frühjahrsaussaat

• Erfolg der Bodenbearbeitung im Herbst

• Identifikation von Bodenschadverdichtungen

Das sind die Beurteilungskriterien

Für eine objektive Beurteilung der Bodenstruktur sind Beurteilungskriterien erforderlich, anhand derer auch eine abschließende Klassifizierung erfolgen kann. Hierzu sollte das einfach anzuwendende, international anerkannte System zur visuellen Bodenstrukturbeurteilung (VESS) herangezogen werden, welches in Abbildung 1 dargestellt ist. Bereits seit 2007 ist die Beurteilung nach VESS, die von renommierten, weltweit forschenden Wissenschaftlern erstellt wurde, verfügbar und kann sowohl auf den Unterboden (SubVESS) als auch auf Grünland (GrassVESS) angewendet werden. Die im App Store und im Google Play Store verfügbare App hilft bei der Beurteilung der Bodenstruktur und leitet den Anwender durch die aufeinander aufbauenden Schritte zu einer objektiven Beurteilung. Diese erfolgt nach dem Schulnotensystem (1 = sehr gut; 5 = sehr schlecht). Die in der Abbildung 2 dargestellte Grafik stellt die Korrelation zwischen der Bodenstrukturbeurteilung (VESS score) und der Luftkapazität an ausgewählten Standorten in Schleswig-Holstein dar. Die Luftkapazität ist ein wichtiger Funktionsparameter, der den Anteil der Grobporen eines Bodens bestimmt, über die der Luftaustausch und die schnelle Wasserleitung (Drainung) erfolgen. Sobald der kritische Grenz­wert von unter 5 ​Vol.-% unterschritten wird, gilt die Porenfunktion und damit auch die Bodenstruktur als gestört. Ab einem VESS score von rund 3,4 besteht anhand der Ergebnisse ein möglicher Hinweis auf gestörte Bodenfunktionen.

Fazit

Die regelmäßige Bodenstrukturbeurteilung erleichtert die Entscheidung über die Notwendigkeit nachfolgender Bearbeitungsschritte und zeigt mögliche Potenziale zur Verbesserung der Bodenstruktur auf. Wiederkehrende Überprüfungen im Zusammenhang mit Standortkenntnissen ermöglichen die Einordnung der Ergebnisse und zeigen individuelle Chancen zur Verbesserung und Entwicklung der Standorteigenschaften auf.

Landwirtschaftsschüler immer mit der Nase im Wind

In Zeiten, in denen die Veränderungen des Klimas sichtbar zunehmen, ist es besonders für die Landwirtschaft wichtig, sich mit dem kurzfristigen Wettergeschehen intensiv auseinanderzusetzen.

Durch die neue Wetterstation, die vom vlf Rendsburg-Eckernförde-Hohenwestedt an den Schulstandort Grüner Kamp des Berufsbildungszentrums am Nord-Ostsee-Kanal überreicht wurde, haben Schülerinnen, Schüler sowie Lehrerinnen und Lehrer nun die Möglichkeit, jederzeit mobil auf die Wetterdaten vor Ort zuzugreifen.

Die Technik ermöglicht es, wichtige Kennwerte des Wetters wie Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Luftdruck, Niederschlag, Windgeschwindigkeit und -richtung zu messen. Diese können direkt online auf dem Smartphone, dem Computer oder den digitalen Tafeln in den Klassenräumen abgerufen werden.

Die Wetterstation erfasst Parameter wie Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Luftdruck, Niederschlag, Windgeschwindigkeit und Windrichtung. Foto: Solveig Ohlmer

Dadurch lassen sich die aktuellen Messdaten direkt in die jeweiligen Unterrichtssituationen einbinden. Gute Beispiele finden sich hier bei den Windgeschwindigkeiten, die einen Einfluss auf die Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln haben, und bei der Wassersättigung beziehungsweise dem Frost im Boden, welche ausschlaggebend für die Ausbringung von Wirtschaftsdüngern im Frühjahr sind. Auch die notwendige Menge an Niederschlag in der Wachstums­periode der Kulturen lässt sich mithilfe der Daten der Wetterstation gut veranschaulichen und kann bei der Besprechung einzelner Kulturen im Unterricht einfließen.

Als Teil eines größeren Netzwerkes trägt die neue Wetterstation außerdem dazu bei, überregional Daten zu sammeln. Aus diesen können Prognosemodelle errechnet werden, die dabei helfen, das Auftreten von Schadereignissen besser vorherzusagen.

„Wetterdaten sind ein wesentlicher Bestandteil für Kulturentscheidungen auf den landwirtschaftlichen Betrieben und der Umgang damit will gelernt sein“, so Dierk Kruse, Vorsitzender des vlf Rendsburg-Eckernförde-Hohenwestedt. „Wir stehen mit unserem Verein für die praxisnahe Fachbildung und freuen uns deshalb sehr, die Gestaltung des Unterrichts in der Landwirtschaftsschule durch diese Wetterstation so pragmatisch unterstützen zu können.“

In diesem Jahr ist Lager verboten!

0

Die Agrarmärkte spielen seit Wochen verrückt. Bei den gegenwärtigen Getreidepreisen sind in diesem Jahr Rekordumsätze auf einem Hektar möglich. Durch die gestiegenen Betriebsmittel-, Rohstoff- und Energiepreise (Dünger, Diesel und so weiter) sind jedoch die für stabile Erträge notwendigen Aufwendungen auch deutlich gestiegen. Wer in diesem Jahr viel gewinnen kann, kann ebenso viel verlieren.

Mehr als nur ärgerlich, wenn bei dem gestiegenen Kostenaufwand ein Teil des möglichen Umsatzes den Geldbeutel nicht erreicht und durch lagerndes Getreide auf dem Feld liegen bleibt. Durch standfeste Getreidebestände werden letztendlich nicht nur empfindliche Ertragseinbußen vermieden, sondern bei ungünstiger Wetterlage zur Ernte auch die Nerven des Ackerbauers geschont.

Empfehlungen zum Einsatz von Wachstumsregulatoren in der jeweiligen Getreidekultur werden im aktuellen „Ratgeber Frühjahr 2022 – Pflanzenschutz im Ackerbau“ der Landwirtschaftskammer dargestellt. Im Ratgeber sind auch aktuelle Übersichten zu den Einsatzmöglichkeiten, wie zum Beispiel maximalen Aufwandmengen und Einsatzterminen und den einzuhaltenden Auflagen (etwa Gewässerabständen) der zugelassenen Wachstumsregulatoren, enthalten. Ratgeber und Zulassungsübersichten können auf der Homepage der Landwirtschaftskammer (lksh.de) heruntergeladen werden.

Viele Szenarien sind möglich

Die altbewährten Wirkstoffe Chlormequatchlorid (CCC-720), Trinexapacethyl (zum Beispiel Moddus, Prodax), Mepiquatchlorid (Medax Top), Prohexadion (Medax Top, Prodax) und Ethephon (zum Beispiel Cerone 660) bilden weiterhin die Basis in der Einkürzung und Stabilisierung der Getreidekulturen. Auf allgemeine Mittelempfehlungen und Einsatzstrategien wird in diesem Artikel aber verzichtet.

Zu Beginn der diesjährigen Vegetation gibt es noch wesentliche Einflussgrößen, welche die spätere Wachstumsreglerstrategie entscheidend beeinflussen können. Zu nennen ist in diesem Zusammenhang auch die stabile Hochdruckwetterlage seit Anfang März. Sofern in der zweiten Märzhälfte keine nennenswerten Niederschläge fallen, werden auf vielen Flächen die ersten stickstoffhaltigen Düngemaßnahmen nicht wirksam. Das wird sich wiederum auf die Bestockung der Getreidebestände beziehungsweise zulasten der Bestandesdichte auswirken. So könnten bei günstiger Wetterlage auch geringere Wachstumsreglerintensitäten stabile Getreidehalme hervorrufen. Als praktizierender Ackerbauer steht man also in jedem Jahr vor der großen Herausforderung, die Lagergefahr der Getreidebestände richtig einzuschätzen und in diesem Zusammenhang die Wachstumsreglermaßnahmen in Intensität und Terminierung optimal an die jahresspezifischen Rahmenbedingungen anzupassen.

In lagergefährdeten Getreidebeständen ist viel Fingerspitzengefühl in der Bestandesführung gefragt. Bild Mitte: Durch die Mittelwahl, gewählte Aufwandmenge und vor allem eine geschickte Terminierung kann großer Einfluss auf die mögliche Einkürzung genommen werden. Bild links: Die Einkürzung und Stabilisierung der untersten Halm­abschnitte ist nicht gelungen. Bild rechts: Ein stabiles Fundament mit festen Halmabschnitten bietet den besten Schutz vor Wetterkapriolen im Sommer. Foto: Ludger Lüders

Lageranfälligkeit der Sorte

Bereits die Sortenwahl hat einen entscheidenden Einfluss auf die Standfestigkeit der Getreidebestände und die daraus resultierende notwendige Wachstumsreglerintensität im Frühjahr. Mit der Züchtung von Kurzstrohhybriden hat sich beispielsweise die Standfestigkeit des Winterweizens erheblich verbessert. In allen modernen Weizensorten sind heutzutage Kurzstrohgene eingekreuzt. Dennoch bestehen Unterschiede in der genetischen Ausstattung, sodass die einzelnen Sorten verschiedene Wuchshöhen aufweisen und zudem beim Einsatz von Wachstumsregulatoren unterschiedlich in der Einkürzung reagieren. Beide Parameter nehmen Einfluss auf die Standfestigkeit, sodass sich die Sorten in der Lageranfälligkeit unterscheiden. Deshalb sollten die agronomischen Eigenschaften der Sorten wie Standfestigkeit oder bei der Wintergerste auch die Neigung zum Halm- und Ährenknicken bei der Wachstumsreglerstrategie keinesfalls unberücksichtigt bleiben. In der Beschreibenden Sortenliste des Bundessortenamtes wird jede Sorte nach ihrer Lageranfälligkeit und agronomischen Eigenschaften benotet.

Einfluss der Bestandesdichte

Einen häufig unterschätzten Einfluss auf die Lagergefahr haben hohe Bestandesdichten. In der Schossphase treiben sich die Getreidehalme gegenseitig in die Länge, und erhöhte Wachstumsreglerintensitäten werden notwendig, um ausreichende Effekte auf die Stabilisierung und Verkürzung der Getreidehalme zu erreichen. Der Grundstein wird bereits mit der Herbstaussaat gelegt, denn je früher die Aussaat, desto stärker ist die Bestockung der Pflanzen und desto mehr Nebentriebe werden gebildet. Saattermin und Saatstärke müssen daher aufeinander abgestimmt sein, um die gewünschte Bestandesdichte von 500 bis 650 Ähren tragenden Halmen je Quadratmeter in Abhängigkeit von Getreidekultur, Sorte und Standorteigenschaften zu erreichen. Diese Erkenntnis ist nicht neu. Das Zusammenspiel zwischen Saatstärke und Saatzeit gestaltet sich aber immer schwieriger, da eine unkalkulierbare Herbst- und Winterwitterung entscheidenden Einfluss auf die Bestockung nimmt.

In den vergangenen Jahren waren bei warmer Herbstvegetation und milden Wintern frühe Saaten im September einem erheblichen Risiko ausgesetzt, sich zu stark zu bestocken. In den vergangenen Jahren waren aber auch zu dünne Bestände, verursacht zum Beispiel durch mangelnden Feldaufgang oder extreme Herbstnässe, keine Seltenheit. In dünneren Beständen gelangt wiederum mehr Licht an die Halmbasis und unterstützt eine natürliche Stabilisierung. Dadurch bleiben Getreidehalme kürzer und standfester.

Sobald die Vegetation an Fahrt aufnimmt, sollten die Getreidebestände regelmäßig auf ihren Entwicklungszustand überprüft werden. Ist der erste Knoten zirka 1 bis 2 cm vom Bestockungsknoten entfernt, sollten bei wüchsiger Wetterlage erste Wachstumsreglermaßnahmen durchgeführt werden. Foto: Ludger Lüders

Stabiles Fundament schaffen

Erste Wachstumsreglermaßnahmen sind idealerweise in der frühen Schoss­phase (ES 31 bis ES 31/32) platziert, um die unteren Halmabschnitte ausreichend zu stabilisieren. Bei späteren Einsätzen ab ES ​32 werden oft keine ausreichenden Effekte mehr auf die untersten Halmabschnitte erzielt. Dennoch bestimmen in der frühen Schossphase die Witterungsbedingungen den optimalen Einsatzzeitpunkt der Wachstumsregler. Unter günstigen Anwendungsbedingungen, also bei intensivem Pflanzenwachstum mit Tagestemperaturen über 15 °C und starker Sonneneinstrahlung, können die Wachstumsregler ihre Wirkung optimal entfalten. Bei ungünstigen Anwendungsbedingungen sollten die Maßnahmen besser verschoben werden, sofern das Entwicklungsstadium des Getreides dies noch zulässt. Alternativ sind robustere Aufwandmengen zu wählen, um ausreichende Stabilisierungseffekte bei ungünstiger Witterungslage (zum Beispiel kühle und strahlungsarme Witterung) zu erzielen.

Der Hebel ist klein zu halten

Mit dem Wachstumsreglereinsatz in der frühen Schossphase soll ein stabiles Fundament geschaffen werden. Da die letzten Halmabschnitte besonders lang werden, verfolgt die Folgebehandlung in ES 33 bis ES 45 das Ziel einer möglichst starken Reduzierung der Pflanzenlänge. In vielen Fällen wird diese Maßnahme mit dem Fungizideinsatz bei vollständiger Entfaltung des Fahnenblattes (ES 39) kombiniert. Es gilt allerdings zu beachten, dass bei einer früheren Terminierung zu ES 33 bis 37 eine stärkere Einkürzung bewirkt wird. In Jahren mit erhöhter Lagergefahr kann dies zu entscheidenden Einkürzungen führen, auch wenn eine Extradurchfahrt in Kauf genommen werden muss.

Eine Besonderheit besteht wiederum bei der Wintergerste, deren letzter Halmabschnitt sehr lang und instabil werden kann. In Sorten mit erhöhter Neigung zum Ährenknicken hat sich deshalb eine weitere Anwendung von Ethephon bis ES 49 bewährt.

Vorsicht, Stickstoffschübe!

Allgemein ist bei der Gestaltung der Wachstumsreglerstrategie auch die Wasser- und Nährstoffversorgung der Bestände stets zu berücksichtigen. Bei hohem Angebot von Nitratstickstoff oder hoher N-Nachlieferung (zum Beispiel auf einem Güllestandort) während der Streckungsphase sind robuste Aufwandmengen zu wählen. In diesem Zusammenhang sind Wachstumsregler oft gut terminiert, wenn nach längerer Trockenheit größere Regen­ereignisse viel Stickstoff im Boden freisetzen und dadurch mit größeren Entwicklungsschüben zu rechnen ist. Bei anhaltender Trockenheit während der Schossphase wird das Längenwachstum wiederum ausgebremst, insbesondere auf leichten Standorten ist ein sehr vorsichtiger Einsatz von Wachstumsregulatoren angeraten. 

Fazit

Die von Jahr zu Jahr sehr unterschiedlichen Rahmenbedingungen verlangen angepasste Strategien in der Intensität und Terminierung von Wachstumsreglermaßnahmen. Natürlich kann auch die Mittelwahl Einfluss auf den Erfolg oder Misserfolg standfester Getreidebestände nehmen. Von sehr viel größerer Bedeutung sind aber präventive Maßnahmen (zum Beispiel der Anbau standfester Sorten und die Vermeidung zu früher Saattermine) sowie eine optimale Terminierung der Wachstumsreglermaßnahmen unter Berücksichtigung der Witterungsbedingungen, Wasser- und Nährstoffversorgung und der Entwicklungsstadien der Getreidekultur.

Veränderung annehmen – Perspektiven erkennen

0

Zum ersten Mal seit Beginn der Pandemie war ein Treffen der DLG-Spitzenbetriebe Milcherzeugung im Rahmen einer Präsenztagung wieder möglich. Am 25. und 26. Februar trafen sich die Teilnehmer in nahezu gewohnter Weise in Hessen.

Die Veranstaltung stand unter dem Thema „Veränderung annehmen – Perspektiven erkennen“, zu dem sich 160 Teilnehmer aus dem ganzen Bundesgebiet für einen fachlichen Austausch trafen. Damit war die Veranstaltung deutlich kleiner als in der Vergangenheit, die Beschränkung der Teilnehmerzahl war aufgrund der Pandemiebeschränkungen nötig. Schleswig-Holstein war mit 14 Landwirten und Beratern vertreten.

Die Konferenz der DLG-Spitzenbetriebe bot auch in diesem Jahr eine gute Plattform für einen bundesweiten Austausch zwischen Milcherzeugern und Beratern zu den aktuellen Themen in der Milchviehhaltung. Außer verschiedenen Podiumsvorträgen konnten insgesamt fünf Arbeitskreise zu verschiedenen Themen von den Teilnehmern besucht werden. Neben den informativen Vorträgen aus dem In- und Ausland blieb den Anwesenden auch genügend Zeit für den fachlichen Austausch mit den Berufskollegen. Das gemeinsame Abendessen am Freitagabend war ebenso in gewohnter Weise möglich, wie die traditionelle Betriebsbesichtigung zum Abschluss der Veranstaltung am Sonnabendmittag. Sowohl Veranstalter als auch Teilnehmer waren froh und sich gleichermaßen einig, dass diese Art der Veranstaltung nicht durch eine Onlinetagung zu ersetzen ist.

Knappe Deckung der Vollkosten

Dr. Stefan Weber von der LMS Agrarberatung GmbH aus Rostock präsentierte die Ergebnisse der Vollkostenauswertung der 240 ausgewählten Betriebe. Zum dritten Mal in Folge zeigen die vorgestellten Ergebnisse, dass auch im Wirtschaftsjahr 2021 nur ganz knapp ein kostendeckendes Gesamtergebnis möglich ist. Das kalkulatorische Betriebszweigergebnis (BZE) liegt im Durchschnitt der DLG-Spitzenbetriebe bei nur 0,11 ct/kg ECM.

Eine Milchmenge von 10.588 kg ECM pro Kuh und Jahr wurde im Durchschnitt aller Betriebe nach wie vor an die Molkerei abgegeben. Jedoch gilt laut Stefan Weber weiterhin: „Effektivität geht vor Höchstleistung, besonders in Niedrigpreis­phasen!“ Vor dem Hintergrund, dass lediglich 52 % aller ausgewerteten Betriebe 2020/2021 ein positives kalkulatorisches BZE erreichen konnten, gewinnt diese Aussage erneut an Gewicht.

Sowohl die Summe der Leistungen mit 41,70 ct/kg ECM als auch die Produktionskosten lagen mit 41,59 t/kg ECM geringfügig unter den Vorjahreswerten. Dabei produzieren die ausgewerteten Betriebe durchweg auf einem sehr hohen Niveau, jedoch sind einzelbetrieblich immer noch große Unterschiede möglich. Die durchweg sehr ähnlichen Produktionskennwerte zeigen, dass dies die Summe vieler kleiner Stellschrauben ist, die letztendlich den Unterschied im wirtschaftlichen Erfolg der Betriebe ausmachen.

Zwischen den Betrieben zeigen sich immer wieder gewaltige Managementunterschiede – so reichten die Produktionskosten von unter 30 ct bis über 54 ct/kg ECM. Hinsichtlich der Gesamtleistungen differierten diese zwischen 35,21 ct und 51,60 ct/kg ECM, wobei die Erlössummen aus den Koppelprodukten prozentual zwischen 4,4 % und 27,7 % lagen. Die Möglichkeiten der Betriebe, die Leistungen zu beeinflussen, bleiben größer als angenommen. Im Vergleich zu der landesweiten Auswertung in Schleswig-Holstein enthält die Auswertungsgruppe jedoch auch viele reine Fleckviehbetriebe mit einer größeren Bedeutung der Koppelprodukte. Der Nettomilchpreis von 34,16 ct/ kg ECM und auch der zu niedrige Molkereiauszahlungspreis von 38,19 ct/kg brutto entsprachen in etwa dem Vorjahresniveau. Der vollkostendeckende Milchpreis hätte bei 38,2 ct/kg natural liegen müssen.

Für das aktuelle Wirtschaftsjahr wird trotz stark steigender Betriebsmittelkosten durch die sehr gute Marktlage für Milch- und Rindfleischprodukte ein sehr gutes Kalenderjahr 2022 erwartet, welches die Wirtschaftsjahre 2021/2022 und 2022/2023 deutlich positiv beeinflussen wird.

Neue Perspektiven gewinnen

An beiden Tagen boten die Vorträge im Plenum die Gelegenheit interessanter Blickwinkel auf die Milchviehbranche. Den Auftakt machte am Freitag Dr. Albert Hortmann-Scholten, Landwirtschaftskammer Niedersachsen, mit seinem Vortrag „Rohstoffkostenexplosion und Inflation – Was kommt auf die Agrarmärkte zu?“ und ordnete die aktuelle Marktsituation aus verschiedenen Perspektiven ein. Sowohl sein Vortrag als auch die anschließende Diskussion machten jedoch deutlich, dass verlässliche Prognosen angesichts der jüngsten politischen Entwicklungen nahezu nicht mehr möglich sind.

Den Abschluss des ersten Tages bestimmte der Vortrag von Prof. Frank Mitloehner, UC Davis Department of Animal Science. Sein Vortrag zum Einfluss der Milchkuhhaltung auf die Klimaerwärmung beleuchtete nicht nur die Entstehung von Treibhausgasen aus der Landwirtschaft, sondern bot auch interessante Lösungsansätze aus seiner Wahlheimat Kalifornien. Prof. Mitloehner war hierzu digital zugeschaltet und konnte dank der guten Übertragung viele der anschließenden Fragen aus dem Publikum sehr gut beantworten.

Am darauffolgenden Sonnabend ging es dann international weiter, indem Ad van Velde, Präsident Global Dairy Farmers und Milchkuhhalter aus Kantens (Nord-Groningen, Niederlande), seinen Betrieb mit 190 Milchkühen präsentierte.

Arbeitskreis Tierwohl aus Schleswig-Holstein

Das Herzstück der Tagung waren die insgesamt fünf Arbeitskreise, zwischen denen die Teilnehmer frei wählen konnten. Der Arbeitskreis 3 wurde unter schleswig-holsteinischer Leitung durchgeführt. Unter dem Titel „Tierwohllabels: Mehr Tierwohl und höhere Wertschöpfung?“ moderierte Hannah Lehrke, Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein, die Diskussion um die neue Haltungsformkennzeichnung. Als praktischer Landwirt stellte Christian Cordes aus Kragstedt, Gemeinde Wanderup im Kreis Schleswig-Flensburg, seinen Betrieb vor und stand Rede und Antwort zu seinen Erfahrungen mit der Produktion von Tierwohlmilch. Bernd Ippenberger, Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft, referierte in seinem Eingangsvortrag zu den Kosten der neuen Haltungsformkennzeichnung.

Landwirt Christian Cordes aus Kragstedt präsentierte in einem Arbeitskreis seinen Betrieb und berichtete von seinen Erfahrungen mit der Milchproduktion im Rahmen eines Tierwohllabels seiner Molkerei. Moderiert wurde der Arbeitskreis von Hannah Lehrke (LKSH). Foto: DLG

An beiden Tagen fanden sich spannende Diskussionsgruppen, die mit unterschiedlichen Reaktionen auf die Neuerungen und Anforderungen der Haltungsformkennzeichnung reagierten. Neben den Chancen der höheren Vergütung waren sich die Teilnehmer einig, dass es sich aufgrund der fehlenden Verbindlichkeit seitens des Lebensmitteleinzelhandels eher um Mitnahmeeffekte handle als um eine wirkliche Grundlage für größere Investitionen. Die Produktion von Nischenprodukten sei dabei eine Möglichkeit, biete aber keine langfristige Verlässlichkeit.

Wer kann DLG- Spitzenbetrieb werden?

DLG-Spitzenbetrieb kann jeder Milchviehbetrieb werden, sofern er bestimmte ökonomische und produktionstechnische Voraussetzungen erfüllt. Der Betrieb muss zum einen zum besten Viertel des betriebswirtschaftlichen Vergleichs einer Region gehören. Zum anderen sind je nach Rinderrasse bestimmte Leistungskriterien zu erfüllen. Die Betriebszweiganalyse wird im Allgemeinen von den regionalen Beratungsorganisationen erstellt. Für Landwirte ermöglichen die DLG-Spitzenbetriebe einen bundesweiten Austausch und Vergleich unter Berufskollegen. Generell soll bei den Betriebsleitern ein Interesse an der Mitarbeit bestehen. Als DLG-Spitzenbetrieb soll zudem eine gewisse Vorreiterrolle in der eigenen Region eingenommen werden. Wer Interesse hat, an den Spitzenbetrieben teilzuhaben, kann gerne seinen Berater oder Beratungsring ansprechen.

Fazit

Die DLG-Spitzenbetriebe Milch­erzeugung trafen sich im Februar nach einer einjährigen Pause zu einer gemeinsamen Konferenz in Hessen. Das gesamte Programm mit einer Mischung aus Vorträgen und Arbeitskreisen fand auch in diesem Jahr wieder sehr große Zustimmung unter allen Teilnehmern. Bei einem gemeinsamen Abend konnten fachliche Gespräche weiter vertieft werden. Die gewonnenen Erkenntnisse und der Erfahrungsaustausch können von allen Teilnehmern in die Betriebe beziehungsweise in den Beratungsalltag eingebunden werden.

Auf die Kabine kommt es an

0

Pflanzenschutzmittel (PSM) sind Gefahrstoffe und daher mit besonderer Sorgfalt zu handhaben. Worauf bei einer Fahrerkabine zu achten ist, erläutert Sebastian Dittmar von der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG).

Im Vergleich zu einem Traktor ohne Fahrerkabine bieten geschlossene Kabinen grundsätzlich einen guten Schutz beim Ausbringen von Pflanzenschutzmitteln. Allein die geschlossene Kabinen­struktur verringert den Kontakt signifikant. Wichtig ist dabei, dass im Betrieb alle Öffnungen geschlossen sind und der Traktor über einen Zuluftfilter verfügt. Eine Klimaanlage stellt sicher, dass es im Sommer nicht zu übermäßiger Hitzebelastung kommt. Wenn man einen neuen Traktor oder Selbstfahrer kauft, kann durch eine sogenannte Schutzkabine nach EN 15695 noch für zusätzliche Sicherheit und Gesundheitsschutz gesorgt werden. Nicht zu unterschätzen ist der Komfortgewinn für die komplette Pflanzenschutzsaison.

Welche Kabinenkategorien gibt es?

Seit dem Jahr 2009 gibt es die Sicherheitsnorm EN 15695. Sie bezieht sich auf Traktoren sowie Selbstfahrer und beschreibt vier Kategorien von Kabinen (siehe Infokasten). Welcher Kategorie ein Fahrzeug entspricht, findet sich auf einem Hinweis in der Kabine sowie in der Betriebsanleitung. Traktoren, die vor 2009 gebaut worden sind, wurden hinsichtlich des Schutzes vor Pflanzenschutzmitteln noch nicht kategorisiert.

Um auch die älteren Fahrzeuge und deren Schutzwirkung beurteilen zu können, hat das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) die Anforderungen an Kabinen der Kategorie 2* wie folgt definiert: „Dicht schließende Fahrerkabinen mit Zuluftfilter und Klimaanlage schützen vor Spritznebel. Auf vorgeschriebene Schutzanzüge, Schutzhandschuhe sowie Augen- oder Gesichtsschutz kann in geschlossenem Betrieb verzichtet werden.“

Ein großer Vorteil besteht darin, dass in geeigneten Fahrerkabinen (ab Kategorie 2) auf zusätzliche Schutzkleidung beim Einsatz im Pflanzenschutz verzichtet werden kann.

Gesundheitsschutz und Komfort

Kabinen nach EN 15695 der Kategorien 3 und 4 wurden speziell für das Ausbringen von Pflanzenschutzmitteln konstruiert. Hierzu gehörtenein definierter Überdruck in der Kabine mit einer entsprechenden Anzeige sowie die geeigneten Filter.

Einige Landtechnikhersteller bieten an, per Knopfdruck zwischen der Luftfiltrierung bei Transportfahrten und beim Ausbringen von PSM zu wählen. Auf dem Transport wird der Luftstrom über den bekannten Staubfilter geleitet. Beginnt das Ausbringen von PSM, wird auf einen speziellen Filter umgeschaltet. In dieser Einstellung läuft ein Betriebsstundenzähler. Ist die festgelegte Standzeit des Filters abgelaufen, erfolgt eine Anzeige, die zum Filterwechsel auffordert; ein echter Gewinn an Komfort und Sicherheit.

Auf welche Schutzausrüstung, in welchem Kabinentyp verzichtet werden kann, zeigt die Abbildung.

Kabinen pflegen und warten

Aus Sicht der Arbeitssicherheit sind bei Traktoren mit Fahrerkabine die Filter mindestens entsprechend den Herstellerangaben auszutauschen. Grundsätzlich wird empfohlen, vor den Frühjahrsarbeiten einen neuen Innenraumfilter einzusetzen. Traktoren ohne Kabine sollten nicht zum Ausbringen von Pflanzenschutzmitteln verwendet werden, da hier das Risiko, in Kontakt mit PSM zu kommen, unverhältnismäßig hoch ist. Hinzu kommt, dass die vorgeschriebene Schutzkleidung das Fahren mit dem Traktor in einem merklichen Maß erschwert. Schutzkleidung, Schutzhandschuhe sowie Kopf und Augenschutz machen die Arbeit nicht leichter. Überdies werden alle Oberflächen bei Traktoren ohne Kabine stark kontaminiert.

Auch wenn man eine Kabine der Kategorie 3 oder 4 verwendet, sind die Vorgaben des Herstellers zum Filterwechsel beziehungsweise die Anzeige im Fahrzeug zu beachten. In einer Umfrage aus dem Jahr 2020 unter 4.000 Praktikern gab jeder Zweite an, die Kabine nach dem Ausbringen von PSM zu reinigen. Aus Präventionssicht sollten Oberflächen in der Kabine möglichst oft gereinigt werden, um sich selbst und andere Fahrer vor möglichen Pflanzenschutzmittelrückständen zu schützen.

Wird persönliche Schutzausrüstung benötigt?

Die Grundausrüstung, welche in jedem Unternehmen vorhanden sein muss, besteht aus langer Arbeitskleidung, Pflanzenschutzhandschuhen, Ärmelschürzen, festem Schuhwerk und einem dicht schließenden Augenschutz oder Gesichtsschild. Dazu kommen Materialien für Erste Hilfe, zum Beispiel eine Augenspülflasche und Produkte zum Reinigen der Hände. Dazu ist unter anderem der Frischwasserbehälter am Pflanzenschutzgerät mit neuem Wasser zu befüllen.

Eine Liste des BVL lässt erkennen, welche Schutzausrüstung geeignet ist und wo diese bezogen werden kann. Sie steht im Internet unter bvl.bund.de/PSA

SVLFG auf eigenem YouTube-Kanal

Die SVLFG bietet viele Informationen zum sicheren Umgang mit Pflanzenschutzmitteln an. Neu sind Filme hierzu, die über den YouTube-Kanal der SVLFG angesehen werden können, zu finden über den Link svlfg.de/youtube-digital und die Rubrik „Playlists“. In einem Hauptfilm und fünf Detail­filmen werden folgende Themen aufgegriffen:

• Sicherer Anwenderschutz beim Umgang mit PSM (Hauptfilm)

• Zum Umgang mit konzentrierten PSM

• Zum Umgang mit anwendungsfertigen PSM

• Zur Anwendungssicherheit im Pflanzenschutz

• Reparatur und Störungsbeseitigung beim Ausbringen von PSM

• Persönliche Schutzausrüstung für den Umgang mit PSM

Sowohl Arbeitgeber als auch Beschäftigte profitieren von den vorgestellten Maßnahmen. Die Filme rund um den „Anwenderschutz im Pflanzenschutz“ können auch als ergänzendes Element bei Qualifizierungsmaßnahmen unter Angabe der Quelle genutzt werden, zum Beispiel bei Unterweisungen.

Wissenswertes, worauf Anwender bei Pflanzenschutzarbeiten achten sollten, stellt die SVLFG zudem unter svlfg.de/pflanzenschutzarbeiten zur Verfügung.

Info

Übersicht der Traktorkategorien nach EN 15695

Kategorie 1: Kabine, die keinen Schutz vor Staub und Pflanzenschutzmitteln bietet

Kategorie 2: Kabine, die nur vor Staub schützt

Kategorie 3: Kabine, die vor Staub und flüssigen PSM (inklusive Spritznebel) schützt

Kategorie 4: Kabine, die vor Staub, flüssigen PSM und deren Dämpfen schützt

Würzige Röhren

0

Für die Aussaat von Frühlingszwiebeln im Freiland ist jetzt genau die richtige Zeit. Die einjährigen Zwiebeln lassen sich fortlaufend bis in den August hinein säen. Die späten Aussaaten überwintern auf dem Beet, starten im zeitigen Frühjahr gleich durch und sind je nach Witterung im kommenden Jahr ab März oder April erntereif.

Die schmackhaften, röhrenförmigen Blätter werden wie Lauch oder Schnittlauch verwendet. Dabei bereitet man sowohl die unteren weißen oder roten Enden als auch die grünen Blätter variantenreich zu: roh in Salaten und Quark, gedünstet oder gekocht als Gemüse, in Suppen, Aufläufen und Quiches. Am besten holt man sie vor der Zubereitung frisch aus dem Garten, denn die Haltbarkeit ist selbst im Kühlschrank auf ein bis drei Tage beschränkt.

Die sehr empfehlenswerte, mehrjährige Kultur der Winterheckzwiebel (Allium fistulosum) erspart die fortlaufende Neuaussaat. Optimal ist die Mischkultur mit Erdbeeren, die ebenfalls mehrere Jahre auf einem Beet stehen. Bei dieser Kulturvariante schneidet man einfach nach Bedarf Röhren ab. Sie wachsen laufend wieder nach. Im Herbst zieht die Pflanze ein, die oberirdischen Teile sterben ab. Schon im zeitigen Frühjahr erfolgt der Neuaustrieb. Je nach Entwicklung teilt man die Stöcke alle zwei, drei Jahre, da sie im Laufe der Zeit doch recht umfangreich werden. Von Juni bis August bilden die Winterheckzwiebeln etwa 40 cm hohe Blütenstiele, die den Ertrag nicht schmälern. Die Blätter können weiterhin geschnitten werden, sogar die Blütenröhre bleibt zart und essbar. Landläufig wird diese Zwiebelvariante als Bundzwiebel, Winterzwiebel, Frühlingszwiebel, Schlotte oder Schlute bezeichnet. Sortentipp für den Kauf am Samenständer: ‚Freddy‘, sehr ertragreich, absolut winterhart, attraktive Blütenbälle

Frühlingszwiebeln fühlen sich auf einem nicht zu nährstoffreichen, leichten bis mittelschweren Boden wohl. Je sonniger der Standort, desto besser fallen Aroma und Ertrag aus. Der Boden sollte nicht frisch gedüngt sein, als Mittelzehrer benötigen Frühlingszwiebeln nur wenige Nährstoffe. Wichtig dagegen ist die ausreichende Wasserversorgung. Im Freiland sät man in Reihen aus und bedeckt die Samen nur dünn mit Erde. Bei 4 bis 5 °C nimmt die Keimung zwei bis drei Wochen in Anspruch, bei 15 bis 25 °C (optimale Keimtemperatur) zeigen sich die ersten grünen Spitzen bereits nach ein paar Tagen. Neben der Direktsaat im Freiland lassen sich Frühlingszwiebeln auf der Fensterbank vorkultivieren. Zwei verschiedene Methoden bieten sich dafür an.

Die Anzucht in der Aussaatschale gelingt problemlos. Foto: Karin Stern

Bei der ersten Variante sät man in jedes Töpfchen der Topfplatte drei bis vier Samenkörner, lässt die jungen Pflanzen als Horst in der Anzuchtplatte stehen und pflanzt den Topfballen unverändert aus. Bei der zweiten Variante sät man in eine mit Aussaaterde gefüllte Schale und pikiert nach dem Auflaufen drei oder vier Jungpflanzen zusammen in eine Topfplatte. Im Jung­stadium wachsen die Pflanzen wie alle Zwiebelgewächse nur langsam und müssen vor konkurrenzstarkem Unkraut geschützt werden. Etwa acht Wochen nach der Frühjahrsaussaat sind die ersten Röhren erntereif. Die abgeschnittenen Pflanzen treiben wie Schnittlauch erneut aus. Wer noch ein wenig länger wartet, erntet statt einiger Röhren die ganze Pflanze, die in der Zwischenzeit mehr Masse gebildet hat.

Die Aussaat der Frühlingszwiebeln für die Überwinterung erfolgt im Juli, spätestens Anfang August ins Saatbeet. Die jungen Setzlinge kommen Anfang September – jeweils drei oder vier Pflanzen zusammengefasst – aufs Beet. Wurzeln und Blätter dürfen dabei etwas eingekürzt werden. Bei starken Kahlfrösten deckt man die Frühlingszwiebeln mit etwas Fichtenreisig ab, ansonsten sind sie zuverlässig winterhart und treiben im Frühjahr bei den ersten warmen Sonnenstrahlen wieder aus.

Maschinelle Windwurfaufarbeitung

0

Die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG) weist auf die hohe Unternehmerverantwortung bei der hoch mechanisierten Windwurfaufarbeitung hin. Dies gilt insbesondere für das noch allzu oft praktizierte „Abstocken“.

Für das motormanuelle Abschneiden des Wurzelstocks vom Stamm eines geworfenen Baumes zur anschließenden maschinellen Aufarbeitung, das sogenannte Abstocken, werden häufig Personen externer Unternehmen beschäftigt. Diese erfüllen in der Regel nicht die Kriterien eines Subunternehmens. Das heißt: Weil die Abstocker in die Arbeitsabläufe des Unternehmens eingebunden sind, liegt eine sogenannte Arbeitnehmerüberlassung vor. Für diese Personen gelten somit dieselben arbeitsschutzrechtlichen Anforderungen wie für die eigenen Beschäftigten und der Unternehmensverantwortliche hat unter anderem für das fachkundige Arbeiten der Abstocker Sorge zu tragen.

Beim Maschinen­einsatz sind die vom Unternehmer aus der Gefährdungsbeurteilung abgeleiteten Maßnahmen zu beachten. Diese sind für Fahrer und Motorsägenführer verbindlich. Hierzu gehören beispielsweise:

– praktische Unterweisung vor Arbeitsbeginn (Arbeitsablauf, Kommunikation und Ähnliches)

– Fachkunde des Abstockers überprüfen und sicherstellen.

– Bei getrennten Arbeiten Gefahrenbereiche der Maschinen kennen und beachten.

– Sprechfunkkommunikation zwischen Maschinen- und Motorsägenführer bei Zusammenarbeit im Team

– Verständigungsfähigkeit (Sai­son­arbeitskräfte) beachten und gegebenenfalls Arbeitskommandos festlegen, unterweisen und einhalten.

– Erste Hilfe und Rettungskette sicherstellen (Rettungspunkte, Netzverfügbarkeit, Verständigungsfähigkeit und Freihalten der Zuwegungen zu den Arbeitsorten).

Ausführliche Informationen zur sicheren Beseitigung von Sturmschäden gibt es online unter svlfg.de/sturmschaeden-sicher-beseitigen

Unter waldwissen.net bei Eingabe des Suchbegriffs „Sturmholzaufarbeitung“ sind die Grundregeln zusammengefasst.

Einzigartig in der deutschen Pferdeszene

Die Trakehner-Zucht hat nach einem länger als drei Jahre andauernden Bewerbungsverfahren die Aufnahme in das bundesweite Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes geschafft.

Die Entscheidung der Kultusministerkonferenz und der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien fiel auf Empfehlung des unabhängigen Expertenkomitees für Immaterielles Kulturerbe der Deutschen Unesco-Kommission der Länder und ist in der deutschen Pferdeszene einzigartig. Die Trakehner-Zucht ist die erste Pferdezucht in dem Verzeichnis und das erste deutsche Immaterielle Kulturerbe mit hippologischem Hintergrund.

„Die Aufnahme verleiht der Besonderheit der Trakehner-Zucht Ausdruck“, kommentierte Lars Gehrmann, Zuchtleiter und Geschäftsführer des Trakehner Verbandes. „Die Geschichte und die Zuchtmethodik der Reinzucht sind bis heute Alleinstellungsmerkmale unserer Zucht, die neben der Traditionspflege stets und innovativ den Blick nach vorn richtet. Sie bringt heute nicht nur moderne Reitpferde hervor, sondern ist mit zahlreichen Bildungsangeboten, aktiver Jugendarbeit und Offenheit für neue Mitglieder zukunftsorientiert ausgerichtet.“

Im mehrstufigen nationalen Bewerbungsverfahren, das von einer fünfköpfigen Arbeitsgruppe mit fördernder Unterstützung der Stiftung Trakehner Pferd bearbeitet wurde, galt es, mehr als 20 umfassende Fragestellungen zu beantworten. Berücksichtigt wurden unter anderem die Geschichte durch fast drei Jahrhunderte unter verschiedenen politischen Systemen, die Organisation und die Besonderheiten der Zucht, die heutige Praxis, der Tierschutz und die Weitergabe an kommende Generationen.

Das Expertenkomitee würdigte ausdrücklich das Engagement, mit dem die Trakehner-Zucht betrieben wird, sowie die Dokumentation und Weitergabe von Wissen und Können seit nunmehr drei Jahrhunderten. Die positive Entscheidung wurde zudem mit der offenen Praxis, dem grenzüberschreitenden Austausch und den umfangreichen Bildungs- und Informationsangeboten für Mitglieder und die Öffentlichkeit begründet.

Stand der Kulturen

Nach der großen Nässe im Februar folgten trockene, tagsüber sonnenreiche und in der Nacht kühle, teils frostige Bedingungen. Dadurch kam es zu Stresssituationen, insbesondere in schwächer entwickelten Beständen.

Die Flächen trockneten weitestgehend ab und lediglich in Senken und tief liegenden Bereichen konnte bislang noch keine Bewirtschaftung stattfinden. Gleichzeitig sorgt die derzeitige Trockenheit wieder für Sorgen hinsichtlich der Nährstoffaufnahme und des Wachstums der Winterungen. Laut Schätzung des Statistikamtes Nord wurden die Aussaatflächen von Winterraps im Herbst 2021 aufgrund der guten Erlössituation auf 73.400 ha ausgedehnt (+18 % gegenüber Vorjahr), dabei wurde mit 150.300 ha (–4 %) die Winterweizenfläche leicht reduziert. Wintergerste blieb mit 69.400 ha (+1 %) konstant, während es bei Winterroggen (33.900 ha, –9 %) und Wintertriticale (9.200 ha, +13 %) zusammengenommen nur geringfügige Änderung in der Aussaatfläche gab. Somit läge die Anbaufläche der genannten Früchte etwa auf dem Niveau des Vorjahres (+ 3.800 ha). Damit wird auch deutlich, dass die zur Verfügung stehende Fläche für Sommergetreide, Körnerleguminosen und Mais nicht ausgeweitet werden kann. Inwiefern hier Verschiebungen stattfinden können, bleibt schwer zu beantworten, jedoch könnte Sommerweizen etwas vermehrt in den Anbau kommen, da derzeit die Weizenpreise ein noch nicht da gewesenes Niveau erreicht haben.

Seit der vergangenen Woche findet nun überall im Land die Frühjahrsbestellung statt. Die mineralische Düngung der ersten Gabe ist abgeschlossen, die organische Düngung konnte je nach Befahrbarkeit der Flächen erst verzögert anlaufen, aber mittlerweile ist sie weit vorangeschritten. Hier war zu beobachten, dass viele Betriebe aufgrund des hohen Preisniveaus von Stickstoffdüngemitteln nun vermehrt Gülle oder Gärreste aus anderen Betrieben aufnehmen wollten. Zeitgleich fand mit schnell abtrocknenden Böden die Grundbodenbearbeitung zu den Sommergetreiden und den Körnerleguminosen statt und vielerorts ist die Aussaat unter guten Bedingungen erfolgt. Hier ist für die kommenden Wochen auf Niederschläge zu hoffen, damit sowohl ein sicheres Auflaufen der Bestände bei schnell austrocknenden Oberböden wie auch ein gutes Lösen der eingesetzten Düngemittel erfolgen können.

Geflüchtet vor Putins Bomben

0

Sie sind der Hölle des Krieges entronnen, haben eine beschwerliche Flucht hinter sich, Angehörige und Freunde verloren oder zurücklassen müssen. Nun finden die Geflüchteten aus der Ukraine Aufnahme in Schleswig-Holstein. Die Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung und das Engagement der Ämter sind riesig. Zwei Beispiele aus dem Dänischen Wohld im nördlichen Kreis Rendsburg-Eckernförde:

„Christos voskrese! Voistinu voskrese!“ ist in kyrillischen Buchstaben auf das weiße Altartuch gestickt – der Ostergruß „Christus ist auferstanden. Wahrhaftig auferstanden“, mit dem sich orthodoxe Christen am Ostermorgen begrüßen. Ein Geschenk ukrainischer Freunde aus besseren Tagen – und zur Friedensandacht in der Basisgemeinde in Wulfshagenerhütten in der Gemeinde Tüttendorf nahe Gettorf auch ein trotziges Statement gegen den allgegenwärtigen Tod in der Ukraine.

Altar in Blau und Gelb

Seit Anfang März treffen sich jeden Mittwochabend Mitglieder der Basisgemeinde Wulfshagenerhütten – einer kleinen ökumenischen Gemeinschaft – und der evangelisch-lutherischen St. Jürgen-Gemeinde Gettorf immer abwechselnd zur gemeinsamen Friedens­andacht, dazu jeden Freitagmittag in der St. Jürgen-Kirche Gettorf. Der Altarraum ist dann in den Farben Blau und Gelb angestrahlt.

In den 1990er Jahren baute die Basisgemeinde ein landwirtschaftliches Projekt in der Westukraine auf. Das hat längst seinen Abschluss gefunden. Geblieben sind Freundschaften. Gekommen sind Flüchtlinge aus dem Umfeld dieser Freundschaften. Eine fünfköpfige ukrainische Familie lebt seit Anfang März in der Gemeinschaft der Basisgemeinde. Drei Tage waren sie unterwegs. Vollständig ist die Familie nicht. Der 63-jährige Mathematikprofessor Dr. Aleksandr Petrenko musste seine Ehefrau zurücklassen, die im Gesundheitswesen arbeitet und deshalb nicht aus dem Land darf. Er begleitet seine Tochter Marija Danyljuk (39), die wiederum ihren Ehemann zurücklassen musste, der an der Front ist. Marija ist mit ihrem drei Monate alten Baby und ihrer 17-jährigen Tochter Anna gekommen, die eigentlich in diesem Jahr ihren Schulabschluss machen wollte. Mit ihnen ist die 21-jährige Informatik-Studentin Sofija Petrenko, eine Cousine, geflüchtet.

Die Namen dieser Geflüchteten sind von der Redaktion geändert, mit der Presse sprechen wollen sie bei der Friedensandacht noch nicht. Das überlassen sie ihren Gastgebern. Sie sind traumatisiert, können noch nicht fassen, was passiert ist. Doch sie versuchen, ihr Leben wieder in die Hand zu nehmen. Sofija hat mit einem Onlinedeutschkurs begonnen und setzt inzwischen auch ihr Informatikstudium online an ihrer westukrainischen Hochschule fort. Dabei ist es schon passiert, dass eine Lehrveranstaltung jäh durch Bombenalarm unterbrochen wurde. Anna ist wieder online mit ihrer alten Schule verbunden und hofft, ihren Schulabschluss machen zu können.

Andrea Woock und Martin Klotz-Woog kümmern sich um die Flüchtlinge in der Basisgemeinde Wulfshagenerhütten. Foto: Sigrid Querhammer

Das Ehepaar Andrea Woog und Martin Klotz-Woog von der Basisgemeinde kümmert sich um die ukrainischen Flüchtlinge, die zwischen Schock und ersten Zukunftsplänen ihren Weg suchen, versucht ihnen ein bisschen Normalität zu geben. Die Sorge um die Angehörigen, die sie zurücklassen mussten, können sie ihnen nicht nehmen. Gemeinsames Singen und Beten helfen und die Solidarität derer die gekommen sind, die Anteil nehmen, die helfen wollen.

Inzwischen ist auch praktische Hilfe angelaufen für Ukrainer, die ihre Zuflucht in Polen gefunden haben. Erste Hilfsgüter sind bereits von Gettorf an die polnisch-ukrainische Grenze ins rund 1.000 km entfernte Teschen (Cieszyn) gebracht worden, an eine der Hauptflüchtlingsrouten. Vor Ort sind vor allem Hygieneartikel knapp. Warum gerade Teschen? Witold Chwastek, Pastor im Kirchenkreis Rendsburg-Eckernförde, kommt aus Polen. Er hat Verwandte und seine kirchliche Heimat in der Region Teschen. Evangelische Gemeinden in seiner alten Heimat engagieren sich in der Flüchtlingshilfe vor Ort und brauchen dringend diese Sachspenden. Pastor Chwastek sammelt im gesamten Kirchenkreis Rendsburg-Eckernförde.

Unterkunft Impfzentrum

Aljona mit Katze Bonita.  Foto: Sigrid Querhammer

Ein kleiner Hund ist einer der ersten, der das ehemalige Gettorfer Impfzentrum, das jetzt zur vorläufigen Heimat von bis zu 60 ukrainischen Kriegsflüchtlingen geworden ist, am späten Abend des 14. März betritt. Neugierig zieht er sein Frauchen hinter sich her. Er muss jetzt ganz dringend sein neues Revier erkunden. Mit seiner Unbeschwertheit zaubert er dem einen oder anderen ein erstes Lächeln auf das Gesicht. Eine Stunde später – inzwischen ohne Leine – wälzt er sich voller Freude auf dem Rücken.

Lächeln und Traurigkeit

Größer könnte der Kontrast zur seelischen Verfassung der Menschen nicht sein. Traurig und erschöpft sehen sie aus, und still sind sie, auch die Kinder. Ein kleines Mädchen schiebt ihren Puppenwagen in ihr neues Zuhause. Eine wunderschöne dreifarbige Katze will sich von ihrem Frauchen gar nicht beruhigen lassen. Ältere Männer und Frauen schleppen ihre wenige Habe in Papiertüten aus dem Bus zur Unterkunft, bevor sie von Helfern unterstützt werden. Auf der Flucht wurden ihnen die Koffer weggenommen. Zwei Frauen holen ihre Handys hervor und zeigen den Helfern Fotos von ihrer zerstörten Heimat. Fotos, die jeder jeden Tag im Fernsehen sehen kann, und doch ist es etwas anderes, wenn Menschen sie zeigen, die dieser Hölle gerade entronnen sind. Die Verständigung klappt mit Händen und Füßen und ein paar Brocken Englisch. Eine der Frauen erklärt den Helfern, dass sie in der Psychiatrie gearbeitet hat, und sagt: „Putin ist verrückt.“

Endlich ein Bett!

Die Neuankömmlinge melden sich an, bedienen sich am bereit gestellten Essen. Der selbstgebackene Kuchen und der Blumenschmuck in den ukrainischen Nationalfarben sind Gesten, die von den Geflüchteten wohlwollend registriert werden. Dann sind sie sehr schnell auf ihren Zimmern verschwunden. Endlich ein Bett!

Insgesamt 43 Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine verbringen ihre erste Nacht im ehemaligen Impfzentrum, darunter Kinder vom Kleinkind bis zum Teenager sowie drei Hunde und zwei Katzen. Die Gettorfer Unterkunft ist eine der wenigen im Landkreis, die Flüchtlinge mit Haustieren aufnimmt. Die Familiengruppen, die jeweils zwei Schlafzimmer und einen kleinen gemeinsamen Aufenthaltsraum bewohnen werden, wurden bereits auf der Busfahrt von Rendsburg von Marina Holm zusammengestellt. Die russischsprachige Mitarbeiterin der Amtsverwaltung Dänischer Wohld hatte die Flüchtlinge bereits auf der Fahrt von Rendsburg begleitet. Das spart Zeit bei der Ankunft.

Tatjana Fet (li.) und Patricia Gades-Gnoyke haben in der DRK-Kleiderkammer eine Extraöffnungszeit eingeschoben. Foto: Sigrid Querhammer

Am nächsten Morgen wird einmalig ein Frühstück angeliefert, denn die Neuankömmlinge konnten noch nicht selbst einkaufen. Anschließend werden Anträge ausgefüllt, ein erster Abschlag der Sozialleistungen ausgezahlt. Dankbar seien sie, versichern die Geflüchteten ungefragt, dass sie hier aufgenommen werden. Sie möchten schnell Deutsch lernen und arbeiten, aber, sobald es möglich ist, in ihre Heimat zurückkehren. Dann stehen die ersten Einkäufe auf dem Programm und ein Besuch der Kleiderkammer des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) in Gettorf. Eine Woche später kommen weitere Flüchtlinge an. Ehrenamtliche vom DRK haben Soljanka gekocht, Kuchen gebacken und Schnittchen gemacht.

Ein bisschen Normalität

Dann zieht von Tag zu Tag ein bisschen mehr Normalität in die Unterkunft ein, soweit man in dieser Situation überhaupt von Normalität sprechen kann. Ein Arzt kommt in die Unterkunft, um eine Sprechstunde abzuhalten. Bis zu ihrer Ankunft haben die Menschen funktioniert. Jetzt sind die Kräfte aufgebraucht, und sie brauchen medizinische Hilfe. Die Arbeiterwohlfahrt (Awo) hat Fahrräder aus ihrer Werkstatt zur Unterkunft gebracht. Kinder lernen Fahrradfahren. Die Tafel startet zusätzliche Nahrungsspendenaktionen. Bürger bringen Lebensmittel vorbei. Die Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung ist groß. Gerade in der ersten Zeit sind die Menschen auf diese zusätzliche Hilfe angewiesen, müssen sie sich doch nicht nur Lebensmittel kaufen, sondern zum Beispiel auch Strümpfe oder Unterwäsche.

Die Flüchtlinge erhalten Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, und das sieht nur Regelleistungen vor: 330 € pro erwachsene Person pro Monat in der Sammelunterkunft, kein zusätzliches Startgeld. Für Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre sind es je nach Alter zwischen 249 und 326 € im Monat. „Das ist sehr wenig Geld“, weiß auch Tomas Bahr von der Amtsverwaltung.

Vorbereitung auf mehr

Die Mitarbeiter der Amtsverwaltung Dänischer Wohld arbeiten mit Hochdruck an der Schaffung weiterer Flüchtlingsunterkünfte. Jeder weiß hier, dass noch sehr, sehr viele Menschen kommen werden, eine echte Herausforderung auf dem ohnehin angespannten Wohnungsmarkt. Container sind knapp, weil die Nachfrage hoch ist. Für Umnutzungen etwa von leerstehenden Bürogebäuden sind die bürokratischen Hürden hoch. „Das dauert in der jetzigen Situation einfach zu lange“, so Amtsdirektor Matthias Meins. Angebote von Privatvermietern sind von daher hoch willkommen. Diese Angebote müssten jedoch auf Dauer tragfähig sein, so Tomas Bahr von der Amtsverwaltung. „Gesucht werden abgeschlossene Wohnungen für mindestens drei Monate, besser länger. Ferienwohnungen für zwei Wochen helfen nicht. Wir können die Menschen nicht herumschubsen.“

Parallel dazu laufen Vorbereitungen zur schulischen und beruflichen Integration. Deutschkurse müssen organisiert werden. Älteren Schülern, die kurz vor ihrem Abschluss stehen, soll ermöglicht werden, online ohne großen Zeitverlust ihren ukrainischen Schulabschluss zu machen. Die anderen Schüler sollen in die Schulen vor Ort integriert werden. Schulleiterin Marion Ehrich von der benachbarten Isarnwohldschule betont, dass die Offenheit für die zukünftigen Klassenkameraden bei ihren Schülern sehr groß sei. „Es gibt ganz viel Empathie.“