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Marktkommentar KW 11

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Ukraine-Krieg – Märkte abschotten?

Russlands Überfall auf die Ukraine bleibt auch weiterhin das beherrschende Thema in allen Bereichen. Während die Not der direkt betroffenen Menschen immer weiter zunimmt, bleibt es hierzulande bei wirtschaftlichen Auswirkungen. In vielen Bereichen gibt es drastische Kursausschläge. Deutliche Preisaufschläge zeigen vor allem die Energiemärkte. Aber auch die Notierungen für viele landwirtschaftliche Produkte haben zugelegt. So sind die Terminkurse für Weizen inzwischen um 50  % gestiegen. Auch am globalen Milchmarkt sorgt ein knappes Angebot für steigende Preise. Ähnlich ist die Situation bei Rind- und Schweinefleisch und bei Ölfrüchten. Durch diesen Konflikt ist der Aspekt der Ernährungssicherheit wieder mehr in den Mittelpunkt des Interesses geraten. Hierzulande ist die Lebensmittelversorgung nach Jahrzehnten des Überflusses fast in Vergessenheit geraten. Einige Länder in der EU rücken die Versorgung der eigenen Bevölkerung wieder nach oben auf der Prioritätenliste. Auch um Sicherheitsreserven zu schaffen, sollen zum Beispiel die Getreideexporte begrenzt werden. Dieses Vorgehen ist ein verführerischer Gedanke angesichts der aktuellen Krise, doch für andere Staaten können solche Maßnahmen verheerende Folgen haben. Solch ein Protekti­onismus könnte zum Beispiel die Preise für Nahrungsmittel in Ländern mit hohem Importbedarf deutlich erhöhen und zu politischen Unruhen führen. Hier zeigt sich eine viel zu große Abhängigkeit von den Getreideeinfuhren.

Keine künstliche Verknappung

Die G7-Agrarminister wollen daher die Länder auffordern, ihre Lebensmittel- und Agrarmärkte offen zu halten, künstlich überhöhte Preise nicht zu dulden und gegen jedes spekulative Verhalten, das die Ernährungssicherheit gefährdet, vorzugehen. Auch will man zusammenarbeiten, um Transportprobleme für Lebensmittel oder die Rohstoffproduktion zu lösen. Der angespannte internationale Getreidemarkt ruft nach Zusammenarbeit und nicht nach Abschottung. Auf der anderen Seite bleibt man vorerst ja auch auf Importe angewiesen. Die EU und vor allem Deutschland ist vorerst noch von Lieferungen von Öl und Gas aus Russland abhängig. Selbst auf eine kurzfristige Drosselung der Energieimporte konnte man sich nicht einigen.

Nach dem Motto „Wandel durch Handel“ versucht man schon seit Jahrzehnten den Kontakt zu weniger demokratisch gesinnten Regierungen zu pflegen. Russland hat die Einnahmen aus der Energielieferung fest eingeplant. Daher zeigen die Sanktionen des Westens große Wirkung. Viele Importgüter sind in Russland ausverkauft. In den Geschäften werden schon Nudeln, Mehl und Reis gehamstert. An den Geldautomaten stehen Menschen Schlange, da nicht mehr mit Kreditkarte bezahlt werden kann. Dennoch bezieht man hierzulande weiter russisches Erdgas, auch wenn die Gasleitung Nordstream 2 nicht in Betrieb geht. Ein sofortiges völliges Abschneiden der russischen Öl- und Gaslieferungen würde in Deutschland nach Ansicht von Experten zu Versorgungsengpässen und auch Stromausfällen führen. Dennoch wäre dieser Schritt das Wirkungsvollste, um Russland die Finanzierung des Krieges zu erschweren. Dafür findet sich jedoch hierzulande bislang keine Mehrheit. Es kann auch dazu kommen, dass uns Russland den Gashahn abdreht.

Niemand soll frieren

Um die privaten Haushalte weiterversorgen zu können, könnten Einsparungen in der Industrie angeordnet werden. Betroffen wäre vor allem die Düngemittelproduktion. Diese würde dann früher oder später in das Ausland abwandern. Andere Bereiche der Industrie, wie die Stahl- und Chemieproduktion, wo Erdgas für die Wärmeerzeugung nötig ist, arbeiten wegen der geplanten Energiewende bereits an einer Umstellung. Zwischenzeitlich könnten sie Öl oder Kohle als Ersatz nutzen, aber langfristig müssten sie die Produktion auf Grünen Wasserstoff umstellen. Das alles ist auch mit Blick auf Strom- und Heizkosten sowie die allgemeine Teuerung nicht unwichtig. Wie sich die Preise entwickeln, kann derzeit niemand genau abschätzen. Alles in allem ist der Faktor Zeit entscheidend: Der Umbau hin zu Erneuerbaren Energien muss beschleunigt fortgesetzt werden.

Die Ukraine braucht grüne Korridore

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Der Landwirtschaftsminister der Ukraine, Roman Leschtschenko, hat um Aussetzung des EU-Lizenzsystems für Exporte von Nahrungs­mitteln aus seinem Land gebeten, dies würde die Ausfuhr von Getrei­de und Ölsaaten über den Landweg durch EU-Staaten erleichtern. Die Feldarbeiten in der Ukraine werden von erheblichen Engpässen bei Treibstoff, Dünger und Saatgut behindert. Die größten Agrar­konzerne der Welt verkaufen weiterhin Saatgut in Russland und verarbeiten dort Pflanzen, obwohl sie nach dem Einmarsch in der Ukraine unter Druck stehen, ihre Beziehungen zu beenden.

Vor dem Landwirtschaftsausschuss des EU-Parlaments hat der ukrainische Landwirtschaftsminister Roman Leschtschenko, am Dienstag in einer Onlineübertragung dafür geworben, auf politischem Wege grüne Korridore zu errichten. Denn für den Import oder Export bestimmter Agrarprodukte wie Getreide in die EU oder aus der EU sind Ein- oder Ausfuhrlizenzen notwendig. Leschtschenko bat darum, die Ausfuhr von Getreide und Ölsaaten nach Nordafrika und dem Nahen Osten über den Landweg durch EU-Staaten zu erleichtern. Er wies darauf hin, dass sein Land in Friedenszeiten Nahrungsmittel für weltweit rund 400 Millionen Menschen bereitgestellt habe. Die Belieferung der Abnehmerländer über die Seehäfen sei nicht mehr möglich, Russland werde bald nahezu alle Häfen der Ukraine am Schwarzen Meer zerstört haben. Kurz vor seinem Gespräch mit dem EP-Agrarausschuss hätten die Russen die Hafenstadt Mykolajiw angegriffen und gezielt Getreidesilos zerstört, so der Minister. Er unterstelle Russland gezielte Aktionen zur Destabilisierung des Weltgetreidemarktes. Leschtschenko hat die EU um Unterstützung in Form von Treibstoff und Saatgut und vor allem Pflanzenschutzmitteln gebeten. Problematisch sei, dass die Lieferanten 100 % Vorkasse verlangten.

Weniger Sommerungen

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine wird absehbar drastische Folgen für die diesjährige Aussaat nach sich ziehen. Der ukrainische Landwirtschaftsminister erklärte, dass die Aussaatfläche der Sommersaaten zur Ernte 2022 voraussichtlich bei nur rund 7 Mio. ha liegen werde, nach 15 Mio. ha in den Vorjahren. Die Maisanbaufläche dürfte nach 5,4 Mio. ha im Vorjahr jetzt bei 3,3 Mio. ha liegen. Die monatlichen Getreideausfuhren lagen bislang im Schnitt bei etwa 4 Mio. t, während unter den Kriegsbedingungen vielleicht noch 600.000 t pro Monat außer Landes gelangen. Demnach dürfte sich im Herbst noch ein alterntiger Bestand von bis zu 32 Mio. t Getreide in den ukrainischen Lagern befinden. Deshalb ist zu befürchten, dass die Landwirte selbst bei einer wesentlich kleineren Ernte 2022 mit fehlenden Lagerkapazitäten und womöglich hohen Ernteverlusten zu kämpfen haben. Immerhin dürfte die mittelfristige Lebensmittelversorgung des Landes auch dank der Bestände einigermaßen gesichert sein. Dem Landwirtschaftsminister zufolge verfügt die Ukraine gemessen am Eigenbedarf über Vorräte an Weizen für zwei Jahre, an Pflanzenöl für fünf Jahre und an Mais für 1,5 Jahre.

Keulung wegen Futternot

In den von Russland besetzten Gebieten ist die Tierhaltung kaum aufrechtzuerhalten. Vor allem im Osten der Ukraine mussten viele Bestände getötet werden. Für den Wiederaufbau sei die Ukraine deshalb auf Zuchtmaterial aus der EU angewiesen, so Leschtschenko. Geflügelunternehmen beklagten große Verluste durch direkte Angriffe auf Stallanlagen und Lagerhäuser, meldet „Poultry World”. Der größte Eierproduzent der Ukraine, Avangard, musste mehrere große Legehennenfarmen schließen, andere wurden zerstört. Die Betriebe seien komplett von der Stromversorgung abgeschnitten, sodass die Produktion eingestellt werden musste. Die Tiere mussten notgeschlachtet werden, weil die Fütterung nicht mehr möglich war.

Saatgut für Russland

Die größten Agrarkonzerne verkaufen weiterhin Saatgut in Russland und verarbeiten dort Pflanzen, obwohl sie nach dem Einmarsch in der Ukraine unter Druck stehen, ihre Beziehungen zu beenden. Unternehmen wie Cargill, Bayer und Archer Daniels Midland (ADM) begründen ihre weitere Tätigkeit in Russland mit humanitären Erwägungen in Bezug auf die Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln für die russische Bevölkerung und andere Länder.

Auch andere Unternehmen haben erklärt, dass sie ihre Tätigkeit in Russland fortsetzen, aber bestimmte Aktivitäten und neue Entwicklungen einschränken wollten. Dazu gehören die Rohstoffhändler Bunge und Viterra, die Getreide­sparte des Rohstoffriesen Glencore. Bayer erklärte, im nächsten Jahr Saatgut für Russland zurückzuhalten, wenn der Krieg anhalte. Der Agrarkonzern werde die politische Situation beobachten und zu einem späteren Zeitpunkt über Lieferungen für 2023 und darüber hinaus entscheiden. Bayer bestätigte die Forderungen nach einer Aussetzung der Verkäufe und Dienstleistungen in Russland, erklärte aber, dass die Zurückhaltung von Agrarprodukten die Zahl der Opfer des Krieges noch erhöhen würde.    age/mbw/bb

Aus dem Hafen von Berdjansk in der Nähe von Mariupol sind nach ukrainischen Militärberichten fünf mit mehreren 10.000 t Getreide beladene Schiffe verschwunden. Sie seien von russischen Schleppern aus dem Hafen bugsiert worden in unbekannter Richtung, berichtete am Montag die Zeitung  Ukrajinska Prawda. Die Berichte ließen sich nicht von unabhängiger Seite prüfen. Das Foto zeigt Getreidesilos im Hafen von Odessa vor dem Krieg.  Foto: Imago

EU-Kommission gibt Brachen frei – Das BMEL lehnt diese Pläne ab

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Aus ebenso traurigem wie aktuellem Anlass standen der Krieg in der Ukraine und das Thema der Versorungssicherung ganz oben auf der Agenda des EU-Agrarrats, der Anfang dieser Woche in Brüssel tagte. Der ukrainische Landwirtschaftsminister Roman Leschtschenko war eingeladen, zur Lage der Landwirtschaft in seinem Land zu sprechen. Zu den beschlossenen Maßnahmen zählen die Freigabe der Stilllegungsflächen, die Einführung der privaten Lagerhaltung im Schweinesektor und die Mobilisierung einer Krisenreserve. Die Kommission unterrichtete über den Stand ihrer Bewertung der Strategiepläne im Rahmen der GAP.

Die EU-Kommission gibt die Brachen frei und hat entschieden, dass, begrenzt auf das Jahr 2022, auf Stilllegungsflächen alle gewünschten Feldkulturen angebaut werden dürfen. Zunächst war nur von Eiweißpflanzen die Rede. Jetzt sollen auf Stilllegungsflächen alle Ackerkulturen zugelassen werden. In einem implementierten Rechtsakt will die EU-Kommission Ausnahmen für die ökologischen Vorrangflächen im Jahr 2022 zulassen. Ebenso wird die Verwendung von Düngemitteln und Pflanzenschutzmitteln auf den bisherigen Brachflächen zugelassen, da sonst die Maßnahme ins Leere laufen würde. Weiterhin will die EU-Kommission die Krisenreserve von knapp 500 Mio. € aus dem EU-Haushalt mobilisieren, um die hohen Energiekosten für die Landwirte auszugleichen. Auf Deutschland entfallen davon gut 60 Mio. €. Die Mitgliedstaaten können die Summe über eine Kofinanzierung um bis zu 200 % aufstocken. Dafür müssten die Maßnahmen bis Ende Juni der EU mitgeteilt werden. 

BMEL lehnt die Pläne der EU-Kommission ab

Das grün geführte Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) lehnt die Pläne der EU-Kommission, Ökologischen Vorrangflächen (ÖVF) in 2022 für den Einsatz von Pflanzenschutz und Dünger sowie den Anbau verschiedener Kulturarten freizugeben, ab. „Die von der Kommission geplante Freigabe zum Anbau von Futtermitteln inklusive des Einsatzes von Pestiziden steht unseren Biodiversitäts- und Nachhaltigkeitszielen entgegen“, teilte BMEL-Staatssekretärin Silvia Bender am Donnerstag mit.

Bis dahin hatte das BMEL Ökologische Vorrangflächen (ÖVF) der Kategorien „Zwischenfrüchte“ und „Brache“ im Jahr 2022 nur zur Futternutzung freigeben. Dabei wird es nun also bleiben. Dieses Vorgehen ist bekannt aus Dürrejahren, in denen Bund und Länder nationale Gestaltungsspielräume nutzten. Die EU-Kommission geht jetzt deutlich weiter mit der Gestattung, ÖVF für den Anbau aller Ackerkulturen zu nutzen, einschließlich Verwendung von Pflanzenschutz und Dünger. Deutschland wird diesen Spielraum mit der Entscheidung des BMEL nicht komplett nutzen. Diese Entscheidung stand zum Redaktionsschluss der Printausgabe noch nicht fest. mbw

Die EU-Mitgliedstaaten dürfen Direktzahlungen früher auszahlen. Deutschland hat davon allerdings noch nie Gebrauch gemacht. 

Die EU-Kommission hat am Mittwoch zudem Beihilfen zur privaten Lagerhaltung (PLH) für Schweinefleisch in ihr Maßnahmenpaket aufgenommen. Seit diesem Freitag können Marktteilnehmer Anträge stellen. Die Lagerfristen für die Sonderhilfen betragen 60, 90, 120 oder 150 Tage, die das Fleisch im Kühlhaus vom Markt ferngehalten werden muss. Diese Regelung stieß auf Widerstand bei der deutschen Delegation.

Leschtschenko berichtet über die Lage in der Ukraine

Der EU-Agrarrat hatte den ukrainischen Landwirtschaftsminister Roman Leschtschenko eingeladen, per Video über die Lage der Landwirtschaft und die Bedürfnisse in seinem Land zu sprechen. Anschließend berieten hierüber die Ministerinnen und Minister (siehe Seite 12). Die Ministerrunde führte ferner einen Gedankenaustausch durch über die Marktlage für Agrar- und Lebensmittelerzeugnisse und die Lage des EU-Agrarsektors angesichts der Auswirkungen der russischen Invasion in der Ukraine. Die Ministerinnen und Minister berieten über Maßnahmen, die ergriffen werden könnten, um nicht nur kurzfristig die Nahrungsmittelversorgung weiter zu sichern, sondern auch mittel- und langfristig die Ernährungssicherheit und die Nahrungsmittelsouveränität zu verbessern. In dem Gespräch wurden außerdem die möglichen Auswirkungen der Krise auf die Ernährungssicherheit von Nicht-EU-Ländern angesprochen. Die Möglichkeit, stillgelegte Flächen im Jahr 2022 zu bewirtschaften, wurde als Teil dieser Maßnahmen angekündigt.

Die EU-Kommission unterrichtete die Agrarminister über den Stand ihrer Bewertung der Strategiepläne im Rahmen der künftigen Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP). Dabei stellte EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski fest, dass die Strategiepläne in ihrer jetzigen Form noch einiges zu wünschen übrig ließen und häufig den umweltpolitischen Ambitionen der EU-Exekutive hinterherhinkten.

Bewertung der GAP- Strategiepläne

Die Stratgiepläne sind eine der wichtigsten Neuerungen der GAP-Reform ab 2023. Darin legen die EU-Länder dar, wie sie die Ziele der GAP-Reform erreichen wollen. Alle Mitgliedstaaten haben ihre Pläne nun offiziell bei der Kommission zur Genehmigung eingereicht, ein Verfahren, das derzeit noch läuft. Deutschland hatte erst verspätet im Februar geliefert und wird wahrscheinlich entsprechend länger auf die Genehmigung warten müssen.

Kritisch merkte Wojciechowski an, dass eine Reihe von Plänen nicht das „notwendige Maß an ökologischem Ehrgeiz“ aufweise und entsprechende Überarbeitungen erfordere. Demnach sieht er die Ziele der Farm-to-Fork-Strategie von 25 % ökologisch bewirtschafteter Flächen bis 2030 25 % so noch nicht erreichbar. Nach dem derzeitigen Stand der Pläne würde die EU nach Schätzungen des Kommissars am Ende des Finanzzeitraums 2027 nur 18 % erreichen. Deshalb müssten Schwachstellen in den Plänen ausgebessert werden. In einer gemeinsamen Aussprache stand die Notwendigkeit einer raschen Genehmigung der Pläne im Vordergrund, um sicherzustellen, dass die Landwirte über die neuen Vorschriften informiert sind. age/mbw/bb

Den Traum vom Ausstieg umsetzen, oder Restlaufzeit nutzen

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Der 16. Mai steht wahrscheinlich fett in nahezu jedem Landwirtekalender. Es ist das Fristende für die Einreichung des Sammelantrags der EU-Direktzahlungen für landwirtschaftliche Betriebe. Die Direktzahlungen sind bislang ein Kernelement der EU-Agrarförderung. Mit diesem Instrument soll die Einkommens- und Risikoabsicherung landwirtschaftlicher Betriebe in Form einer von der Produktion unabhängigen Zahlung unterstützt werden.

Der Sammelantrag und das korrekte Ausfüllen sind jedes Jahr für die meisten Landwirte viel Arbeit und ein Aufreger. Dass es Einiges zu beachten gibt, beweist die 139 Seiten starke Schrift des Kieler Landwirtschaftsministeriums (Melund), die Erläuterungen und Hinweise zum Sammelantrag 2022 enthält und auf der ersten Seite gleich den Rat gibt: „Lesen Sie die Hinweise sehr aufmerksam“. Eine ungeschriebene Regel bei den Sammelanträgen sind sinkende Prämien bei steigenden Auflagen. Das stärkt bei manchen den Gedanken, aus der EU-Agrarförderung auszusteigen. Wirtschaften ohne die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) wird gemeinhin als freies Wirtschaften interpretiert – ohne GAP-Auflagen, die die EU in Zukunft unter dem Begriff erweiterte Konditionalität zusammenfasst. An die Auflagen des landwirtschaftlichen Fachrechts wie Dünge- oder Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung müssen sich allerdings alle halten, auch die, die aus der GAP aussteigen.

In diesem Jahr kann der Traum vom Ausstieg aus dem EU-Prämienkarussell etwas lauter geträumt werden. Die Rechnung ist einfach: Übersteigen die Ausgaben, um die Auflagen der EU einzuhalten, die GAP-Prämien, liegt die Entscheidung näher, sich von der EU-Agrarpolitik zu verabschieden. Durch den Verzicht auf den Beitrag aus dem EU-Prämientopf, kann man sich vom Aufwand der Antragstellung und den Cross-Compliance-Kontrollen freikaufen. Aktuell müssen die Betriebe sich über den Daumen gepeilt auf Prämienrückgänge von bis zu einem Drittel einstellen. Auf der anderen Seite ist nach langer Stagnation eine Situation eingetreten durch den Krieg in der Ukraine, zusammenbrechende Warenströme und die dadurch hervorgerufene weltweite labile Versorgung, dass die Preise im Marktfruchtbau und der Veredelung einen noch nicht erlebten Höhenflug erleben. Allein seit Jahresbeginn sind die Kurse für Weizen an der europäischen Börse in Paris (Matif) um 37 % gestiegen und erreichten in der Spitze 400,5 €/t. Der Raps stieg um 22 % und erreichte ein Allzeithoch von 1021,75 €/t, die Maiskurse kletterten um 40 % und in der Spitze auf 368,75 €/t.

Jetzt bieten sich erstmals zwei Möglichkeiten und die Einstellungen in der Landwirtschaft gehen auseinander. So wird die Argumentation vorgetragen, den Staatshaushalt durch Prämienverzicht zu entlasten und gleichzeitig die Agrarproduktion und damit die Ernährungssicherung zu steigern und sich selbst vom Antragsdruck zu befreien. Dabei sollte in Kauf genommen werden, dass Preisentwicklungen und Anbausituationen sich auch wieder ändern können. Das zählt zu den Naturgesetzen. Zudem ist die Restlaufzeit vonseiten der Politik schon im Gespräch nämlich bis zur nächsten GAP-Runde 2028. Die Abkehr vom Prämiensystem, bedeutet in gewisser Weise aber auch eine Abkehr von gesellschaftlichen Wünschen und dem politischen Dialog der Landwirtschaft mit der Gesellschaft und würde eigene Signale setzen. Die andere Alternative bleibt, den 16. Mai im Kalender stehen zu lassen, das Antragssystem und die verbleibenden wirtschaftlichen Möglichkeiten weiter zu nutzen und parallel die Effizienzsteigerung des Betriebes zu fokussieren, um die Resillienz gegenüber der Politik, überspitzten Forderungen und Marktschwankungen zu stärken. 

Farbenfrohe Wertschätzung

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Schon das alte Bauernhaus in Jardelund strahlt sonnig gelb im Grau des Nieselregentages. Farben spielen im Leben von Claudia Wehner-Thomsen eine maßgebliche Rolle. Das wird auch gleich klar, wenn man in das Wohnzimmer der Künstlerin gebeten wird. Geschmackvoll bunt hat sie ihre Tischdekorationen, die Stuhlbezüge und sogar die Bücher im Regal dekoriert und angeordnet. Muster wechseln sich ab und ergänzen sich. Es entsteht eine farbenfrohe Harmonie und diese findet sich auch ganz deutlich in ihren Kunstwerken wieder.

Eigentlich wollte ich Kunst studieren“, erzählt die gebürtige Kielerin. „Aber das hat nicht geklappt. Weil ich mich auch für Fossilien interessierte, habe ich nach dem Abi­tur erst mal Geologie studiert. Währenddessen habe ich im Lebensmitteleinzelhandel gejobbt.“ Das scheint sie gut gemacht zu haben, denn man bot ihr eine duale Ausbildung in diesem Bereich an. Nun ist sie nicht nur Geologin, sondern auch Diplom-Betriebswirtin. Dann lernte sie ihren heutigen Mann kennen, einen fest verwurzelten Landwirt aus Jardelund. Und so war es die Liebe, die die Städterin in die einsame Gegend nahe der dänischen Grenze zog. Nachdem ihre Kinder auf der Welt waren, suchte Claudia Wehner-Thomsen nach einer neuen Beschäftigung, bei der sie zu Hause bleiben konnte.

lf portrait Claudia Wehner-Thomsen Künstlerin
Fotos Christiane Herrmann

Die vielen Schleifen, die ihr Lebensweg schon genommen hatte, brachten sie schließlich zur Kunst zurück. „Zunächst habe ich nur Porträts gemalt. Dann habe ich mit den Türschildern angefangen und diese auf Märkten verkauft.“ Heute lebt sie ihre Kreativität und ihre Kunst in wunderschönen Postkarten und Postern aus. Sie kreiert Türschilder für jede Gelegenheit und entwirft Emailletassen, die sie selbst mit Motiven bedruckt.

Da gibt es eine Hommage an die Dorfkindheit, das Campen und die Reiselust. Für Omas, Opas und auch Feuerwehrleute hat sie die richtige Postkarte. Für Hunde-, Katzenliebhaber, für Fußballspieler, Angler und Gartenfreunde hat sie besonderen Poster kreiert. Ihr ganz eigener Stil macht diese Karten und Prints zu Kunstwerken, die das Herz berühren. Claudia Wehner-Thomsen verbindet Bilder mit Worten, Sätzen und Assoziationsketten in Farben und Formen zu einem Gesamtkunstwerk. Das alles spricht von ganz viel Lebensfreude, Wertschätzung und Dankbarkeit. Gefühle, die man Menschen entgegenbringt, denen man diese Karten schicken oder die Bilder schenken möchte. Auch das Lebensgefühl, eine LandFrau zu sein, hat sie für den lokalen LandFrauenverein in Medelby zu einem Bild verarbeitet.

All ihre Bilder spiegeln auch ganz viel Einfühlungsvermögen. Denn natürlich ist Claudia Wehner-Thomsen nicht zugleich Fußballspielerin und Anglerin oder Camperin. Sie ist auch keine Krankenschwester und kein Opa. Doch sie hat die Fantasie und die Empathie, sich in all diese Menschen hineinzuversetzen. Sie schafft es, das Lebensgefühl und die Begeisterung für ein bestimmtes Hobby, einen Beruf oder einfach einen Menschen, den man liebt, einzufangen und zu visualisieren.

Dabei fließt die Kreativität aus ihrem Kopf in ihre Pinsel: „Wenn ich ein neues Thema habe, sammle ich erst mal die Worte.“ Das sind mal einzelne Schlagworte und manchmal Satzfragmente oder ganze Sätze. „Manchmal lasse ich auch noch einen Fachmann darübergucken, damit ich zum Beispiel bei einem Sport nicht den falschen Fachbegriff verwende.“

Dann macht die Künstlerin sich eine Skizze, auf der sie diese Worte zusammenträgt und anordnet: „Ich gruppiere die Wörter auch oft so, dass sie zueinander passen.“ Dann skizziert sie ihre Bilder zu den Worten. „Zum Schluss wähle ich die Farben aus und übertrage das Ganze in Aquarelltechnik. Dabei ist es wichtig, dass auch die Farben zum Thema, zu den Worten und Gefühlen passen.“ Wenn das Kunstwerk fertig ist, dann lässt sie es als Poster und Postkarte drucken.

Doch die Inspiration holt sie sich dort, wo ein bisschen mehr los ist als in ihrem Dorf. „Dafür fahre ich hin und wieder mit einer Freundin in die Stadt. Dort ziehe ich mir neue Eindrücke.“

Besonders gern geht sie auf Kunsthandwerkermärkte: „Ich liebe den Austausch mit den Kunden. Es ist natürlich schön, wenn man gut verkauft. Aber noch viel wichtiger ist es mir, wenn ich Lob und Zuspruch für meine Werke bekomme. Das tut so gut und ist so wichtig für die Seele. “ So kommt die Wertschätzung, die sie anderen Menschen gegenüber in ihren Werken ausdrückt, auch wieder zu ihr zurück.

Milchpreisvergleich KW 11

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Die Preisentwicklung für Milch und Milchprodukte zeigt weiterhin aufwärts. Der durchschnittlich in Schleswig-Holstein ausgezahlte Milchpreis für Februar lag um 3 % oder 1,13 ct höher als im Januar. Die Grundpreise der Meiereien lagen in der Spanne von 35 bis 47 ct/kg ECM, im Durchschnitt ergeben sich 44,53 ct/kg.

Mehrheitlich wurden im weiteren Bundesgebiet über 40 ct/ kg ausgezahlt, Schleswig-Holstein bleibt jedoch Spitzenreiter. In vielen anderen Bundesländern ist der Grundpreisvergleich nur bedingt aussagekräftig, da ein deutlich größerer Anteil an Molkereien mit Aufschlägen arbeitet. Biomilch liegt preislich um knapp 10 ct höher, für Januar wurde ein mittlerer deutscher Biomilchpreis von 52,8 ct/kg festgestellt. Aufgrund höherer Erlöse 2021 haben die Molkereikonzerne DMK und Arla mit der Februarabrechnung Nachzahlungen geleistet.

Das Milchaufkommen ist saisonal bedingt steigend, bleibt jedoch hinter dem Vorjahr zurück. In der letzten Februarwoche (KW 8) betrug der Rückstand 1,6 %.

Im europäischen Durchschnitt beläuft sich der Milchpreis im Februar auf 42,25 ct/kg. In den Niederlanden wird Spotmilch zuletzt mit 53,50 ct/ kg bewertet, im Februar schwankten die Kurse zwischen 51 und 55,5 ct kg. In Italien wird Milch am Spotmarkt Anfang März zu einem Kurs von 47 ct/kg gehandelt. Der Kieler Rohstoffwert Milch ab Hof ist im Februar von 54,3 auf 56,3 ct/ kg angestiegen. Der Nichtfettwert erhöhte sich dabei um 1,7 ct auf 31,5 ct/ kg, der Fettwert erhöhte sich um 0,3 ct auf 26,4 ct/kg.

Knappe Marktversorgung

Das Preisniveau steigt in allen Wirtschaftssektoren, so auch bei den Molkereiprodukten. Laut Europäischer Kommission lag die Menge an Verarbeitungsprodukten der weißen Linie in 2021 deutlich unter dem Vorjahr. Bis auf leichte Steigerungen bei Sahne (+2,7 %) und Käse (+1,9 %) können die einzelnen Produktgruppen nicht mit dem Vorjahr mithalten. Die negative Spanne reicht von –0,8 % bei Trinkmilch bis zu –12,1 % für Vollmilchpulver. Die verknappte Marktsituation begegnet nun einer erhöhten Nachfrage und Inflation, sodass sich fortlaufend Preissteigerungen ergeben. Bei Käse und Butter wird von knappen Vorräten und einer sehr guten Nachfrage berichtet. Bei aktuellen Kursen von 5,94 bis 6,14 €/ kg für Butter (Kempten) und 4,50 bis 4,70 €/ kg für Blockkäse (Hannover) bleibt die Tendenz fest, ein Umschwung ist noch nicht in Sicht. Auch Milchpulver steigt immer weiter, Vollmilchpulver touchiert in Kempten die Marke von 5.000 €/t. Magermilchpulver in Futtermittelqualität notiert mit rund 3.750 €/t um 1.500 € über dem Vorjahr. Für Milchdauerwaren sind der hohe Energiebedarf der Produktion und die internationalen Frachtraten für den Transport von Bedeutung, beides sind stark gestiegene und weiter steigende Posten. Dies wird auch in den Ergebnissen der GDT-Auktionen in Neuseeland sichtbar. Die Auktionen im Februar und Anfang März gingen jeweils mit Steigerungen des Preis­index um 4,1 bis 5,1 % zu Ende.

Gesteigerte Erzeugerkosten

Auch auf der Erzeugerseite steigen die Kosten. Seit dem Beginn des russischen Krieges in der Ukraine sind sowohl die Kosten für Energie und Diesel als auch die Kurse für Agrarrohstoffe stark gestiegen. Die hier ansässigen Landhandelsunternehmen haben die Preislisten für Mischfutter mehrheitlich ausgesetzt, weil die Offerten häufig nur minutenlang haltbar sind. Für kurzfristigen Bedarf an Kuhschrot werden auf Anfrage einzelne Preise genannt, eine Stichprobe am 15. März ergab Richtpreise im Bereich von 43 bis 47 €/dt für MLF 20/4. Die weitere Entwicklung ist schwer kalkulierbar, derzeit sind die Terminbörsen für Getreide und Ölsaaten höchst volatil. Besonders bei den Ölsaaten sowie Ölschroten ist die kurz- und mittelfristige Verfügbarkeit unklar.

Habeck will Ausbau forcieren

Bundeswirtschaftsminister Dr. Robert Habeck (Grüne) will die Bundesrepublik zumindest beim elektrischen Strom möglichst schnell unabhängig von fossilen Energiequellen machen. Die heimische Stromversorgung soll deshalb nun schon im Jahr 2035 fast vollständig aus Erneuerbaren Energien erfolgen.

Das sieht der Referentenentwurf seines Hauses zur Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) vor, der vorige Woche die Verbändeanhörung durchlaufen hat. Damit wird die Energiewende im Stromsektor um 15 Jahre vorgezogen, denn das derzeit gültige EEG 2021 sieht als Zieljahr für eine treibhausgasneutrale Stromerzeugung 2050 vor. Der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) begrüßte im Rahmen der vorgeschalteten Verbändeanhörung die grundsätzliche Stoßrichtung des Referenten­entwurfs, pochte aber auf substanzielle Änderungen auf dem Weg zum fertigen Gesetz. „Die schon seit Herbst 2021 bestehende Preiskrise der fossilen Energien wird durch den Ukraine-Krieg noch verschärft. Es braucht eine Entfesselung für alle Erneuerbaren Energien“, mahnte BEE-Präsidentin Dr. Simone Peter an. Der vorliegende Referentenentwurf bleibe deutlich hinter dem Möglichen und Notwendigen zurück.

„Energiepolitisch unnötig“

Das Hauptstadtbüro Bioenergie  verwies in seiner Stellungnahme zu der Vorlage auf die geo- und wirtschaftspolitische Notwendigkeit zur Reduzierung von fossilen Rohstoffimporten, das die im Hauptstadtbüro Bioenergie organisierten Verbände nicht ausreichend in der Vorlage abgebildet sehen.

„Während die Berücksichtigung der Bioenergie zu begrüßen ist, bleibt der Vorstoß aus dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz hinter den großen Potenzialen der Branche zurück“, monierte Büroleiterin Sandra Rostek. Aus ihrer Sicht sind einige der geplanten Änderungen am Erneuerbare-Energien-Gesetz sogar energiepolitisch unnötig und teils kontraproduktiv.

Künftig weniger Biomasse?

Dazu zählt für Rostek insbesondere die beabsichtigte Fokussierung der Biomassevergütung auf Biomethan-Spitzenlastkraftwerke. Ein solcher Fokus sei energiewirtschaftlich unnötig, weil in einem flexiblen Energiesystem der Flexibilitätsbedarf effizienter und günstiger durch andere Optionen bereitgestellt werden könne, insbesondere auch durch flexible Biogasanlagen, Bio­methan­anlagen zur Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) sowie Holzheizkraftwerke. Dies könnte zu einem Abbau der Strom- und Wärmeerzeugung aus Biomasse führen, warnte das HBB, welches die Interessen des BBE, des Deutschen Bauernverbandes, des Fachverbandes Biogas und des Fachverbandes Holzenergie bündelt.

Die Landwirtschaft in Szene gesetzt

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28 Schüler der Höla waren in den vergangenen Wochen mit Video, Stativ und Drohne unterwegs, um einen Videoclip zu drehen, selbst zu schneiden und mit Texten und Musik zu unterlegen. Das Handwerkszeug dafür gab ihnen der erfahrene Videofilmer Matthias Süßen aus Kiel in einem Seminar. Unterstützt von Bauernverband und Bauernblatt werden am Ende die besten Videos prämiert. Vier Videofilmer haben uns berichtet, was sie beim Filmen erlebten, welches Equipment sie brauchten, aber auch dass sie anfangs den Aufwand unterschätzt hatten, der nötig ist, bis ein Clip steht. Gesprochen haben wir mit Marvin Wehde, Luise von Hollen, Henning Rathje und Tim Burmester.

Für ihre Videos bekommen die Schüler der Höla nicht nur Zensuren. Für die fünf besten Clips sind Preise ausgelobt. Ihr könnt mitentscheiden, wer die Preise bekommt. Wir werden die fünf besten Videos in der nächsten Woche für euer Voting online stellen, die zuvor von einer Jury unter den 28 Clips ausgewählt werden. Die Jurymitglieder mit Videofilmer Matthias Süßen, Sönke Holling vom Kreisbauernverband Rendsburg-Eckernförde, Sebastian Wulff, Leiter der Abteilung Landwirtschaft/Fischerei am BBZ NOK, und Dr. Robert Quakernack, stellvertretender Chefredakteur des Bauernblattes, haben auch beim abschließenden Voting je eine Stimme. Euer Voting wird die fünfte Stimme ergeben und kann sogar das Zünglein an der Waage sein. Weitere Infos dazu, wie ihr mitmachen könnt, in der nächsten Woche auf dieser Seite und auf dem Instragram-Account des Bauernblattes. 

Filmreif: Marvin beim Dreh Foto: Malte Wehde
Die Ziegen auf dem Hof erwiesen sich für Henning Rathje am „Set“ als talentierte Darsteller. Foto: Nils Rathje
Luise von Hollen auf dem elterlichen Betrieb in der Nähe von Rostock Foto: privat
Tim Burmester erstellte ein Imagevideo rund um die Milch. Foto: privat

ASP-Ernstfall vorbereiten

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Von der Afrikanischen Schweinepest (ASP) über Laborfleisch bis zu Coronahilfen reichte die Tagesordnung der Sitzung der Arbeitsgemeinschaft Schweinehaltung des Bauernverbandes Schleswig-Holstein (BVSH) am Montag (21. März) in Rendsburg. Der Vorsitzende Dietrich Pritschau wies darauf hin, dass trotz kräftig steigender Schweinepreise viele Baustellen bleiben. Es werde nach 100 Tagen im Amt deutlich, dass die Landwirtschaft bei der Bundesregierung nicht an erster Stelle rangiere.

Karsten Hoeck, Marktexperte der Landwirtschaftskammer berichtete, dass der Fleischkonsum weiter rückläufig sei. Der Zuchtsauenbestand sei drastisch gesunken. So habe es in Schleswig-Holstein 2020 noch 750 Schweinehalter gegeben, im vorigen Jahr waren es nur noch 650, ein Minus von 13,5 %. Die Zahl der Mastschweine sei innerhalb eines Jahres um 5,6 % gesunken, die Zahl der Sauen um 7,2 %. Trotz eines deutlichen Preisanstiegs rechne sich die Schweinehaltung nicht, so Hoeck. Er sprach die Kostensteigerung bei Mischfutter an. Teilweise sei es schwierig, Futter zu bekommen, da Eiweißträger aus der Ukraine fehlten. Teilnehmer der Sitzung machten deutlich, dass der Mastschweinepreis bei 2,60 €/kg Schlachtgewicht liegen müsse, um rentabel zu sein.

Dr. Gabriele Wallner, Referentin für das Veterinärwesen im Kieler Landwirtschaftsministerium (Melund), berichtete zur Afrikanischen Schweinepest (ASP). Derzeit liege man bei etwa 3.600 ASP-Fällen bei Wildschweinen. In Brandenburg seien die Zäune nach Polen fertiggestellt, in Sachsen noch nicht. In den betroffenen Bundesländern setze man auf doppelte Festzäune im Kerngebiet. Damit komme das Geschehen offenbar zum Stillstand. In der weißen Zone zwischen den Zäunen werde eine stille Jagd durchgeführt. In Schleswig-Holstein lagerten 100 km Festzaun und 100 km Elektrozaun für den Ernstfall, versicherte Wallner. Bei einem Seuchenausbruch werde der E-Zaun schnell aufgebaut und nach Eingrenzung des Geschehens durch einen festen Zaun ersetzt.

Detailliert ging sie auf die Verbringung von Ferkeln aus einer Restriktionszone bei ASP im Hausschweinebereich ein. Ein ASP-freier Betrieb in Zone 3 könne in Zone 2 liefern. Betriebe müssten vor der Verbringung eine Betriebskontrolle zur Biosicherheit und eine virologische Untersuchung über sich ergehen lassen. Nach 15 Tagen sei bei Einhaltung der Biosicherheitskriterien und einem negativen virologischen Befund der Tiertransport möglich, jedoch nur zu einem Betrieb der Lieferkette. Nur bei Betrieben mit regelmäßiger amtlicher Kontrolle und Untersuchung verendeter Tiere sei eine Lieferung aus einer Restriktionszone ohne Zeitverzögerung möglich.

Pritschau forderte die Betriebe auf, weiter alle Schritte zur Einhaltung der Biosicherheit umzusetzen. Er weist darauf hin, dass die Lieferkette eine Möglichkeit sei, Tiere aus Sperrzonen abfließen zu lassen. Man müsse die Kette aber in „Friedenszeiten“ festlegen.

Achim Münster, Geschäftsführer der Vermarktungsgenossenschaft ZNVG, berichtete vom EIP-Projekt EQA Wissen, dass die ZNVG als Lead-Partner führt. Es geht um die Begleitung der Transformation der Schweinehaltung in die Haltungsstufen 2 bis 4 des Lebensmitteleinzelhandels. Das Projekt startet im Mai und soll ein digitales Dienstleistungspaket für Betriebe in Bezug auf Haltung, Fütterung und Ressourcenverbrauch entwickeln. Damit will man die Umstellungsrisiken mindern und die Einhaltung von Haltungsstandards digital nachweisbar machen.

Claas-Peter Petersen, Referent für Steuern und tierische Erzeugung beim Bauernverband, erläutert den aktuellen Stand zu Coronhilfen. Die Investitionsbank als bewilligende Stelle sehe Probleme, weil sie auf den Durchschnitt der Bewilligungsmonate abstelle. Wegen der Umdeutung der Härtefälle sehe sich die I-Bank derzeit außerstande, Bewilligungen auszusprechen. Der Bauernverband habe an Wirtschaftsminister Dr. Bernd Buchholtz (FDP) geschrieben und gefordert, Entscheidungen zu beschleunigen und Corona-Anträge gegebenenfalls als Härtefälle zu werten. Dann müsse die Obergrenze von 290.000 € je Betrieb und Zeitraum, die die EU ausdrücklich vorsehe, aber zwingend auch für Härtefälle gelten. Die Sitzungsteilnehmer kritisierten die Umsetzung in Schleswig-Holstein als unverhältnismäßig und wettbewerbsverzerrend. Laut Pritschau ist der Geduldsfaden der Landwirte deutlich strapaziert. Viele Betriebe seien nicht mehr in der Lage, ihre Futtermittel zu bezahlen.

Berichtet wurde von Gesprächen mit einem Start-Up, das sich mit der zellbasierten Fleischerzeugung beschäftigt. Das Start-Up stellt sich vor, dass Betriebe mit Tierhaltung Inkubatoren auf dem Hof betreiben, entweder in ehemaligen Ställen oder einem Containersystem. Die Tierhaltung soll dabei Teil des Systems bleiben. Die Ausschussmitglieder diskutierten diese Idee und waren sich einig, die Entwicklung zu begleiten. Es wurde allerdings davor gewarnt, dass die Landwirtschaft nur genutzt werde, um ein schwer zu erklärendes Produkt „salonfähig zu machen“.

Dr. Sophie Diers, Fachbereichsleitung Schweinehaltung der Landwirtschaftskammer, berichtete von dem Start einer Perspektivberatung für Sauen haltende Betriebe, finanziert durch das Land. Diers bezeichnet es als „Anstoßberatung“ mit zwei kostenfreien Modulen. Im ersten Modul geht es um die Erfassung der betrieblichen Situation, im zweiten werden erste planerische Überlegungen für einen Um- oder Neubau angestoßen, die den Planungsprozess aber nicht ersetzen.

Pritschau berichtete von Anstrengungen, Werbung für Schweinefleisch zu machen. Auch im Rahmen der Zentralen Koordination Handel Landwirtschaft (ZKHL) werde darüber diskutiert.

Dagmar Klingelhöller vom Netzwerk Sauenhaltung berichtete aus der Arbeitsgruppe Image in der ZKHL. Hier gehe es vor allem um die Aufklärung über Fleisch und dessen Produktion. Als Finanzansatz würden 5 bis 10 Mio. € diskutiert. Man werde neben dem Handel auch Großverbraucher einbeziehen. 

Die Mitglieder der AG Schweinehaltung trafen sich im Rendsburger Detlef-Struve-Haus. Foto: mbw
Dietrich Pritschau. Foto: mbw
Dr. Gabriele Wallner. Foto: mbw

Biostimulanzien ergänzen klassische Chemie

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Ob Saatgut, Pflanzenschutz oder digitale Lösungen – Syngenta sieht sich für die Herausforderungen auf dem Agrarmarkt gut aufgestellt. Auf der Frühjahrspressekonferenz am Dienstag (22. März) stellten die Geschäftsführerinnen, Dr. Anja Pires (Syngenta Agro) und Dr. Heike Köhler (Syngenta Seeds), Produkte und Dienstleistungen vor, die sie in den Markt einführen wollen. Eine wachsende Bedeutung bescheinigten sie dem Einsatz von Biostimulanzien.

Für Dr. Alexander Tokarz, Leiter Globale Strategie bei Syngenta, ist neben der Ernährung einer wachsenden Bevölkerung der Klimawandel die größte Herausforderung für die globale Landwirtschaft. Der Ackerboden werde dabei zunehmend zum wichtigsten Kapital. „Die Unterstützung und Entlohnung der Landwirte bei der Erhaltung beziehungsweise Verbesserung der Bodengesundheit und des Ökosystems ist entscheidend auch mit Blick auf die Erhaltung der Produktivität“, bekräftigte Tokarz.

Handlungsspielraum für die Landwirte

Der Ukraine-Krieg verdeutliche, wie sehr landwirtschaftliche Wertschöpfungsketten von weltweiter Produktion und Handel abhingen, aber auch wie verletzlich diese Systeme seien. In Europa sei mit dem Green Deal die kritische Haltung der Gesellschaften gegenüber der Agrarproduktion in ein politisches Programm gegossen worden. Als Antwort darauf müsse man Innovationshorizonte neu definieren, um das Ziel einer ressourcenschonenden und klimaneutralen Landwirtschaft zu erreichen. Laut Tokarz wird die Bedeutung der datengestützten Landbewirtschaftung deutlich zunehmen.

Köhler und Pires nahmen den Ukraine-Krieg zum Anlass, um auf die jetzt wieder sichtbare Bedeutung der Ernährungssouveränität und Versorgungssicherheit hinzuweisen. „Unsere Landwirte benötigen Handlungsspielraum, um produktiv und nachhaltig zu wirtschaften“, betonte Pires. Im laufenden Jahr setze Syngenta auf die Kombination eines starken Portfolios neuer Produkte und digitaler Services im Bereich Pflanzenschutz und Saatgut.

„Wir werden unter dem Motto ,Jeder Hektar zählt‘ den Züchtungsfortschritt beschleunigen“, schilderte Köhler. „Perspektivisch setzen wir auf die neuen Züchtungsmethoden, um unsere Sorten rasch an die neuen Herausforderungen anpassen zu können“, erläuterte die Syngenta-Seeds-Geschäftsführerin. Im Pflanzenschutz stünden Produkt- und Anbauoptimierung und besonders die Ertragssicherung bei den wichtigen Ackerbaukulturen im Mittelpunkt.

Pflanzenschutz und Saatgut für die Saison

„Vor dem Hintergrund der aktuellen Versorgungsengpässe rückt die Frage der Ertragsoptimierung und -sicherung wieder in den Mittelpunkt“, erklärte Marketingleiter Seeds Christian Wösthoff. Bei Getreide, Mais und Ölsaaten verzeichne man Preisrekorde. Für Raps und Sonnenblumen rechnet er mit einem deutlich steigenden Anbau. Syngenta lege hier besonderes Augenmerk auf die Züchtung robuster Sorten, gepaart mit einer guten Nährstoffeffizienz. Ein Beispiel sei die neue Rapssorte ,Glorietta‘. Bei Sonnenblumen stelle Syngenta mit ,NK Delfi‘ die marktführende Sorte und habe ,Suomi‘ erfolgreich eingeführt. „Unsere Powercell-Maissorten stehen für eine effiziente Fütterung, ,Liberty‘ und ,Amfora‘ für eine hohe Biogasausbeute und die Artesian-Genetik für Wassereffizienz bei Trockenstress“, sagte Wösthoff.

Im Pflanzenschutz stellt sich Syngenta auf die veränderten Rahmenbedingungen im Maisanbau ein. Aufgrund neuer Auflagen für den Wirkstoff Terbuthylazin und zunehmender Herbizidresistenzen von Hirsen müsse Pflanzenschutz neu gedacht werden. „Wir sind gerüstet und können mit Peak eine Terbuthyl­azin-Ersatzlösung ohne Auflagen anbieten“, sagte Dr. Thomas Räder, Marketingleiter Agro. Peak werde unter anderem in den neuen Komplettlösungen Callisto P Dual Pack und Callisto P Pack angeboten. Mit den Zintan- und Elumis-Produkten habe man weitere bewährte Herbizide im Angebot, die standortspezifisch eingesetzt werden könnten, um etwa ALS-Resistenzen vorzubeugen oder den Anforderungen des Grundwasserschutzes gerecht zu werden.

Mit Blick auf die bereits sichtbaren Folgen des Klimawandels setzt Syngenta bei Getreide weiter auf die Hybridzüchtung. „Die Eigenschaften von Hybridgerste bewirken eine überlegene Anbau- und CO2-Effizienz“, unterstrich Wösthoff. Mit Blick auf die Getreidekrankheiten hätten die vergangenen Jahre gezeigt, dass es keine dominierende Krankheit im Getreide mehr gebe. Mit Elatus Era stehe ein Basisfungizid zur Verfügung, das alle wichtigen Krankheiten in Getreide bekämpfe. „Gegen Ramularia können wir in dieser Saison wieder auf Basis einer Notfallgenehmigung die Kombination Elatus Era Max anbieten“, so Räder.

Biostimulanzien und digitale Helfer

Neben der klassischen Chemie ergänze Syngenta den landwirtschaftlichen Werkzeugkoffer mit weiteren Hilfsmitteln. Bei der Einführung der ersten Biostimulanzien nutze man die langjährige Erfahrung des Spezialisten Valagro aus Italien, den Syngenta im vergangenen Jahr übernommen hat. Die neuen Produkte Megafol und Quantis hülfen den Pflanzen im Umgang mit abiotischem Stress in Getreide und Kartoffeln.

Ein weiteres Werkzeug seien die digitalen Serviceangebote unter der Dachmarke Cropwise. In dieser Saison biete Syngenta neue digitale Helfer zur Sortenwahl und Aussaat an sowie Protector – einen Service zur Prognose wichtiger Getreidekrankheiten, der Landwirte unterstütze, den optimalen Applikationszeitpunkt zu finden. 

Dr. Anja Pires
Dr. Heike Köhler