Dass viele Wildpflanzen, die in freier Natur und in unseren Gärten wachsen, nicht einfach nur „Unkraut“ sind, sondern wichtig für die biologische Vielfalt, für Wildtiere und oft auch Heilpflanzen für uns Menschen, dringt langsam wieder mehr in unser Bewusstsein. Viele Arten können aber noch mehr: Sie wirken heilsam und ausgleichend auf den Boden und unterstützen Wachstum und Fruchtbarkeit benachbarter und nachfolgender Kulturpflanzen.
Weil freie Flächen während der Hauptwachstumszeit schnell wieder von neu auflaufenden Wildkräutern besiedelt werden, empfinden wir das sommerliche Jäten oft als mühsame Arbeit. Ein kräftiges Wachstum von Wildpflanzen deutet aber auch auf einen vitalen Boden hin. Wir können uns also auch freuen, wenn es viel zu jäten gibt, zumal wir aus der Zusammensetzung der Wildpflanzen viel über den Zustand unseres Bodens erfahren können.
Zeigerpflanzen
Immer ruhen auch im Gartenboden Tausende von Samen, von denen die wenigsten in Erscheinung treten. Wenn plötzlich „über Nacht” eine bestimmte Wildkrautart aus dem Boden zu schießen scheint, ist das ein Hinweis darauf, dass sich im Gleichgewicht des Bodens etwas verändert hat und nun genau dieser Pflanzenart optimale Bedingungen bietet.
So weisen etwa Hahnenfuß, Breitwegerich und Schachtelhalm auf verdichtete Böden und auf Staunässe hin, während Vogelmiere und Ehrenpreis bevorzugt auf lockeren, humusreichen Gartenböden wachsen. Wo Brennnesseln und Franzosenkraut (Galinsoga) üppig sprießen, ist der Boden reich an Stickstoff. Wiesensalbei, Wolfsmilch und Wegwarte deuten auf einen kalkreichen Untergrund hin, dagegen siedeln sich beispielsweise Sauerampfer oder Fingerhut bevorzugt auf leicht saurem Erdreich an.
Pflanzen geben aber nicht nur als Zeigerpflanzen wertvolle Hinweise auf den Zustand des Bodens, die Spontanvegetation fördert auch die Bodenfruchtbarkeit. Pionierpflanzen wie Löwenzahn, Greiskraut und Gänsekresse lockern mit ihren tiefen, kräftigen, verzweigten Wurzeln schwere und verdichtete Böden und schließen den Boden für nachfolgende anspruchsvolle Kulturen auf. Sie sind außerdem in der Lage, Nährstoffe aus tiefer liegenden Schichten zu ziehen, welche die meisten Kulturpflanzen nicht erreichen.
Lebendige Düngung
In der Permakultur werden Pflanzenarten, die dank ihres Wurzelsystems besonders gut in der Lage sind, Nährstoffe aus tieferen Erdschichten aufzunehmen und in ihren Blättern anzureichern, als „dynamische Akkumulatoren“ bezeichnet. Dazu gehören auch Gehölze wie Robinien, Erlen und vor allem die Ölweide (Elaeagnus), welche zuweilen als Düngebusch für Obst- und Nussbäume genutzt wird. Wenn die Blätter im Herbst und Winter auf die Erde fallen oder krautige Pflanzen ganz abwelken, gelangen die gespeicherten Nährstoffe durch den Verrottungsprozess mithilfe von Regenwürmern und Mikroorganismen in die oberen Bodenschichten, wo benachbarte ausdauernde oder nachfolgende Pflanzen von ihnen profitieren können.
Zu den dynamischen Akkumulatoren unter den Wildkräutern gehören beispielsweise Beinwell, Löwenzahn, Schafgarbe und Schachtelhalm, aber auch der häufiger als Gartenkraut bekannte Borretsch. Manche Pflanzen verfügen dabei über die Fähigkeit, große Mengen einzelner Nähr- und Mineralstoffe aufzunehmen und in konzentrierter Form in ihren Blättern zu speichern. Ackerschachtelhalm mit seinen metertiefen Wurzelsträngen speichert etwa besonders viel Silizium (Kieselsäure), das die Zellwände der Pflanzen gegen Eindringen von Pilzen und anderen Schaderregern stärkt. Brennnesseln sind dafür bekannt, dass sie viel Stickstoff speichern, außerdem lagern sie Eisen ein. Die Asche von Brennnesseln enthält bis zu 6 % Eisen.
Wichtige Spurenelemente
Beinwell (Symphytum officinale), der bevorzugt auf feuchten Böden wächst, speichert mithilfe seiner tiefen Wurzeln viel Kalium, aber auch Silizium, Magnesium, Phosphor, Eisen und Kalzium. Da Kalium nur in wenigen organischen Düngern in größerer Menge vorkommt, ist Beinwell als Mulchmaterial oder Zutat zu Düngejauchen besonders wertvoll. Als Unterpflanzung von Obstbäumen liefert Beinwell außer Kalium auch Phosphor und Kalzium, welche für die Blüten- und Fruchtbildung wichtig sind. Weil die meisten Obstbäume eher flach wurzeln, kommt es zwischen den beiden Kulturen auch kaum zu Wasser- und Nährstoffkonkurrenz. Ein weiterer Kaliumsammler ist Giersch, der außerdem Eisen, Kupfer und Mangan in seinen Blättern speichert.
Löwenzahn zieht eine Vielzahl an ausgewaschenen Nährstoffen und Spurenelementen aus der Tiefe, darunter Silizium, Mangan, Kalzium, Kalium, Natrium, Phosphor, Schwefel, Eisen, Zink und Kupfer. Über verrottende Blätter, aber auch durch Ausstreuen des Blütenpollens, der besonders viele Spurenelemente wie Bor, Mangan, Kupfer, Nickel, Molybdän und Kobalt enthält, gelangen diese Mikronährstoffe in den Boden. Darüber hinaus öffnet Löwenzahn mit seinen langen Pfahlwurzeln Kanäle in tiefere Bodenschichten, in die dann auch die Wurzeln der weniger kräftigen Kulturpflanzen eindringen können.
Dass Leguminosen wie Klee und Luzerne den Boden mit Stickstoff anreichern, kennen wir schon von der klassischen Gründüngung her. Außerdem sammeln Leguminosen aber auch viel Phosphor, der für die Blütenbildung wichtig ist. Beides können wir uns bei Beerensträuchern und Obstbäumen zunutze machen, indem wir die Pflanzen im Wurzelbereich der Obstgehölze als Dauergründüngung wachsen lassen. Auch Stechapfel (Datura stramonium) und das Knöterichgewächs Buchweizen verfügen über eine hohe Phosphorspeicherfähigkeit. Den Stickstoff der Leguminosen, der durch die im Boden absterbenden Knöllchenbakterien für andere Pflanzen verfügbar gemacht wird, kann Beinwell in Form von pflanzlichem Material speichern.
Die Fähigkeit einiger Pflanzenarten, große Mengen an Mineralien aus dem Boden zu ziehen und in ihrem Gewebe zu speichern, kann man sich auch dort zunutze machen, wo Stoffe im schädlichen Übermaß vorhanden sind. So werden etwa Hanf oder Sonnenblumen zur Sanierung von mit Schwermetallen verseuchten Böden eingesetzt (Phytosanierung). Brennnesseln wachsen bevorzugt auf Böden mit Schrott und alten Maschinen und regulieren so den Eisenstoffwechsel des Bodens.
Hilfreiche Nachbarschaften
Einige Pflanzen wirken nicht erst nach dem Abwelken oder Abblühen, sondern auch schon während der Vegetationsperiode über ihre Wurzelausscheidungen direkt fördernd auf Nachbarpflanzen:
Kamille lindert nicht nur Entzündungen und Krämpfe bei Menschen, sondern wirkt auch heilsam auf kränkelnde Nachbarpflanzen. Insbesondere unterstützt sie das Gedeihen von Zwiebel- und Kohlgewächsen. Die Ausscheidungen von Baldrian, Taubnessel und Schafgarbe fördern benachbarte Gemüsepflanzen im Wachstum. Die Nachbarschaft der wilden Malve beeinflusst Salat, Möhren und Petersilie günstig. Fingerhut unterstützt die Gesundheit von Kartoffeln, Tomaten, Kirsch- und Apfelbäumen. Kräuter wie Minze, Salbei und Majoran entwickeln in der Nähe von Brennnesseln mehr ätherische Öle und damit Aroma.
Wurzelausscheidungen
Manche Wildkräuter wie Kamille und Wegwarte, aber auch Ringelblume und Borretsch geben über ihre Wurzeln Ausscheidungen ab, die Nematoden und Pilze abwehren, was nicht nur ihnen selbst, sondern auch benachbarten und Folgepflanzen zugutekommt. Löwenzahn fördert das Blühen und Reifen von Früchten benachbarter Pflanzen, was sich besonders bei Erdbeeren bemerkbar macht. Junge Regenwürmer halten sich gern in der Nähe von Löwenzahnwurzeln auf. Auch die Wurzelausscheidungen von Brennnesseln sind bei Regenwürmern beliebt, die ja für die Bodenfruchtbarkeit „zuständig“ sind. Vielleicht auch deswegen fördern unter Obstbäume gepflanzte Brennnesseln deren Fruchtbarkeit und erhöhen den Ertrag.
Nährstoffanreicherung durch Wildpflanzen ist im Grunde also eine Form natürlicher Gründüngung. Zwar sollten wir zumindest im Gemüsegarten die vitalen Wildkräuter die Beete nicht überwuchern lassen. Aber wir können uns entscheiden, die eine oder andere wilde Pflanze (vorerst) stehen zu lassen, oder uns andernfalls beim Jäten über die hilfreichen Wirkungen mittels Mulch oder Kompost freuen. Auch wenn wir ausgerissene Wildpflanzen als Mulchmaterial und Flächenkompostierung an Ort und Stelle liegen lassen, kommen diese Stoffe über das Verrotten, also den Abbau durch die Bodenorganismen, den Kulturpflanzen zugute.




