Die Trakehner Hengstkörung fand in diesem Jahr erstmals im Dezember statt. Abgesehen von der Verlegung des Termins und dem Fehlen von Fohlen gab es für die Trakehner-Fangemeinde aber das gewohnte Programm. Neben der Beurteilung und Rangierung der Junghengste wurden der Freispringcup und das Dressurpferdechampionat ausgetragen, der Hengst des Jahres und die Jahressiegerstute wurden geehrt und natürlich wieder viele Züchter und Förderer ausgezeichnet.
Ganz wie gewohnt begann der Trakehner Hengstmarkt mit der Pflastermusterung vor den Holstenhallen. Frisch waren die Temperaturen und frisch zeigten sich auch die 35 Köranwärter dem Publikum und der fünfköpfigen Körkommission. Diese beurteilte bei der ersten Vorstellung das Exterieur jedes Hengstes im Stand, bevor es auf eine große Trabrunde ging.
„Wir haben eine Bandbreite an phänotypischer Varianz gesehen, die die moderne Trakehner-Zucht abbildet“, kommentierte der Zuchtleiter Lars Gehrmann und fügte hinzu: „Am Start sind Veredler, Verstärker und Halbblüter, darunter attraktive Dressurspezialisten wie auch klare Buschaspiranten.“ Mit jeweils mehreren Nachkommen vertreten waren beispielsweise die Vatertiere Ivanhoe, High Motion, Millennium und Dezember.
Wie gewohnt gab es bei der Pflastermusterung den ersten Beifall für besonders gute Bewegungsmechanik, so unter anderem auch für die Nummer elf, Kaiser‘s Erbe. Der Hengst von Easy Game aus der Kaiser‘s Els von Van Deyk stammt aus den Niederlanden und überzeugte auch an den nächsten Tagen im Freispringen und im Freilaufen. „Was für eine Erscheinung. Voller Wucht und Anmut. Unerschütterlich im Takt. Arrogant in der Mechanik seines Vorderbeins. Königlich in seiner Erhabenheit“, schwärmte Gehrmann, nachdem der dunkelbraune Hengst zum Sieger gekürt worden war. Er sei sportlich mit allen Attributen für das große Viereck gesegnet und habe eine der besten Galoppaden des Tages gezeigt. „Das Ganze mit einem ausgeglichenen Temperament und bester Leistungsabstammung. Ein echter Siegerhengst.“
Über seinen Vater Easy Game ist Kaiser’s Erbe Halbbruder des erfolgreichsten Dressurpferdes der Welt, TSF Dalera BB, und des Trakehner Starvererbers Millennium, der auf dem diesjährigen Hengstmarkt ebenfalls geehrt wurde. Gezogen wurde der Siegerhengst in den Niederlanden von A.J.M. aan de Stegge, der auch Züchter der Hengste Kaiser Milton und Kavalli war, aber noch vor der Geburt des Fohlens unerwartet verstarb. Zunächst übernahm seine Frau die Zucht, doch dann verstarb auch sie. „Die Pferde standen allein da“, berichtete Anton van Osch, der mit den aan de Stegges befreundet war.
Die Qualität des Fohlens hatte der Züchter sofort erkannt. „Wir hielten ihn für noch besser als Kaiser Milton“, so van Osch. So bildete sich die Zuchtgemeinschaft ter Harmsel-Zanderink, Elly van Vlerken-van Osch und übernahm das Fohlen. Auch um die anderen Pferde der Familie kümmerte sich van Osch. Das Fohlen zeigte gleich seine Qualität und siegte bei der Eintragung im Rheinland mit 58 Punkten. Zur Aufzucht brachte es van Osch nach Schleswig-Holstein zu Gerard Geling in Dannau, Kreis Plön. Der wusste auch gleich, dass da „etwas Besonderes heranwächst“. Zwei Jahre lang war der junge Hengst bei ihm im Stall. „Ein Wahnsinnsfohlen“, schwärmte Geling.
Mit Holzschuhen an der Longe durch den Wald
Per WhatsApp wurde die Besitzergemeinschaft über die Entwicklung von Kaiser’s Erbe auf dem Laufenden gehalten. Das letzte Video ging sechs Tage vor der Körung ein: ein Spaziergang an der langen Longe durch den Wald. Der gebürtige Niederländer Geling in Holzschuhen, der Hengst friedlich schnaubend an seiner Seite.
Ende Juli habe er angefangen ihn zu arbeiten, berichtete Geling über die Ausbildung des Hengstes. Durch den nach hinten verschobenen Körtermin bekämen die Hengste sechs Wochen mehr Zeit auf der Koppel. Das freue ihn, aber „man muss dann gucken, was man mit den Vielversprechenden von ihnen macht. In der großen Gruppe riskiert man eine Verletzung“, erklärte Geling. So stellte er den Hengst nachts mit einem ruhigen Kumpel auf die Weide und tagsüber in eine große Laufbox.
Die Verlegung der Veranstaltung in den Winter merkte man auch den übrigen Hengsten positiv an. So präsentierte sich der Körjahrgang überwiegend ruhig und mit Übersicht. „Für die Pferde war das super“, stellte auch Norbert Camp fest. Der Vorsitzende des Trakehner Verbandes erklärte, dass auch die Vorauswahl bewusst unspektakulär gestaltet gewesen sei. Insgesamt könne man noch dazulernen, aber es sei schon sehr gut gelaufen. Der Vorstand hatte befürchtet, dass im Dezember nicht genug Gäste nach Neumünster kommen würden, doch diese Sorge war unbegründet. Die Trakehner-Fans verzichteten nicht auf ihren Hengstmarkt.
Neben Kaiser’s Erbe wurden zwölf weitere Hengste gekört, fünf von ihnen bekamen eine Prämie. Reservesieger wurde der kraftvolle Rockingham von Saint Cyr, der mütterlicherseits als Enkel der Weltcupsiegerin Renaissance Fleur TSF mit einer so hochkarätigen wie seltenen Abstammung glänzt. Gezogen wurde der Hengst von Mathias Kley aus Thüringen, über den Erfolg und das Auktionsergebnis von 87.000 € freute sich eine Besitzergemeinschaft aus dem Hause Langels in Sachsen-Anhalt. Zugeschlagen wurde der Braune nach Schleswig-Holstein.
Ebenfalls im Prämienlot waren der Schimmel Tanzfürst von Dezember aus der traditionsreichen Zucht des Gestüts Panker der Hessischen Hausstiftung, Kreis Plön, und Elektric Spirit von Ivanhoe aus dänischer Zucht von Annegrete Jacobsen. Elektric Spirit wurde für 53.000 € nach Schleswig-Holstein zugeschlagen, Tanzfürst erzielte 52.000 € und ging nach Bayern. Als bester Halbblüter und bester Springhengst firmierte Belun, ein Sohn des Angloarabers Nathan de la Tour AA aus der Zucht von Simone und Frank Schönbeck. Er ging für 72.000 € nach Hamburg.
Zur Preisspitze avancierte wie zu erwarten der Siegerhengst mit 170.000 €. Käufer aus Bayern machten das Rennen. Eine vollgeschwisterliche Trächtigkeit zum Sieger wurde für 23.000 € versteigert. Der Durchschnittspreis der gekörten Hengste betrug 53.958 €, bei den nicht gekörten waren es 17.857 €. „Dieser Hengstjahrgang ist eines Jubiläumshengstmarktes würdig“, urteilte Körkommissar Dr. Hans-Peter Karp aus Nordrhein-Westfalen. „Der Jahrgang war ausgeglichen, wir konnten den Zuchtfortschritt mit Sportlichkeit präsentieren.“ Mit Hengsten aus fünf Nationen war der Körjahrgang auch internationaler als je zuvor.
Stutenpower in den Holstenhallen
Begeistert vom Interieur zeigte sich Peter Kunath aus Sachsen. Der Züchter und Privathengsthalter war Mitglied der Körkommission und freute sich über die harmonische Vorstellung. Doch er hatte auch mahnende Worte. „Teilweise haben wir nicht den besten Beschlag gesehen“, kritisierte er und machte deutlich: „Die Hufpflege muss im Fohlenalter beginnen und kontinuierlich fortgesetzt werden.“ Positive Worte fand er für das Springen der Hengste, das durch den Einsatz von Spezialblut besser geworden sei. Ohne das Springen gehe es nicht: „Wir haben ein vielseitiges Pferd“, betonte er.
Aus diesem Grund gibt es seit sieben Jahren auch den Trakehner Freispringcup. Qualifizieren können sich drei- und vierjährige springbetonte Nachwuchstalente. Den Sieg sicherte sich in diesem Jahr eine vierjährige Tochter des Vollblüters Integral xx. Elke Kiewald aus Mecklenburg-Vorpommern ist die Züchterin von Haila, die bereits bei ihrer Zentralen Eintragung in Ganschow beste Springstute und beste Halbblutstute wurde. Platz zwei vergaben die Richter doppelt: an die in Litauen im Staatsgestüt Nemunas gezogene dreijährige Stute Halna, eine Tochter des Springvererbers Viskis, und an die ebenfalls dreijährige Romeiken. Im niedersächsischen Stall von Züchterin Gisela Gunia kam nicht nur das Nachwuchstalent zur Welt, sondern auch dessen Vater Tecumseh, der in Klasse S siegreich ist.
Zum Rahmenprogramm des Trakehner Hengstmarkts gehört auch das Finale des TSF Dressurchampionats. Hier siegte der Rapphengst Kalimero von Hibiskus, der von Natalie Soujon in der Prix-St.-Georges-Kür brillant vorgestellt wurde und sich den Titel mit gut 74 % sicherte. Kalimero wurde gezogen und steht im Besitz von Ines Eisold aus Brandenburg, die auch Züchterin des Prämienhengstes Kwahu und des aktuell gekörten Kratos ist. Platz zwei ging an Christina Ellendt aus Kayhude, Kreis Segeberg, deren Vorstellung von Kampino von Elfado mehr als 73 % erhielt.
Traditionell findet in Neumünster auch die Auswahl der Jahressiegerstute statt. In diesem Jahr präsentierte sich die Prämienstute Grace Kelly von Schwarzgold am besten, die bei der Auktion zur gefeierten Preisspitze avancierte und zum noch nie erreichten Zuschlagspreis von 157.000 € den Besitzer wechselte. Die noble schwarzbraune Stute stammt aus der erfolgreichen Zuchtgemeinschaft von Familie Ebert und Hella Kuntz aus Hessen.
Die Stuten der Kollektion erzielten einen Durchschnittspreis von 42.500 €, die Reitpferde kosteten im Schnitt 45.714 €. Mit 82.000 € erzielte der Wallach Tatanka den Spitzenpreis der Reitpferde.
Ein Jahrhunderthengst aus Plön
Mit seinen 14 Jahren hat Millennium bereits Zuchtgeschichte geschrieben. Er ist Vater von rund 100 gekörten Hengsten aus zahlreichen europäischen Reitpferdezuchten. Die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) weist für die Saison 2021 13 S-erfolgreiche Millennium-Nachkommen aus, fünf haben bereits S***-Niveau bis hin zu internationalen Grand-Prix-Platzierungen erreicht und weitere stehen in den Startlöchern für die Königsklasse. Nun wurde Millennium als Trakehner Hengst des Jahres 2022 ausgezeichnet. „Im Vergleich zu sehr populären und stark frequentierten Warmbluthengsten liegt seine Quote an Erfolgspferden in schweren Prüfungen nicht nur in der gleichen Liga, sie ist vielmehr überdurchschnittlich hoch“, ordnete Zuchtleiter Lars Gehrmann die Vererbungskraft des Hengstes ein.
Auch ein Beschäler der Superlative, „ein wahrer Stempelhengst“, wie ihn sein Mitbesitzer Albert Sprehe betitelt, fängt klein an. Millenniums Kinderstube lag in Selent im Kreis Plön, wo Dr. Bettina Bieschewski Trakehner züchtet. Ihre wertvolle Zuchtstute Merle von Ravel brachte 2008 ein Hengstfohlen zur Welt, das im Gestüt Hohenschmark von Norbert Timm in Grebin, Keis Plön, aufwachsen durfte. Als Reservesieger der Trakehner Körung 2010 ging der lackschwarze Hengst in den gemeinsamen Besitz der Sächsischen Gestütsverwaltung in Moritzburg und des Gestüts Sprehe in Niedersachsen über.
Der Ausnahmehengst weiß auch unter dem Sattel zu glänzen und ist siegreich bis Intermédiaire II. Seine Enkel, wie Helium oder Freiherr von Stein, stellen längst gekörte Söhne und Siegerhengste. Für den Trakehner Hengstmarkt 2022 haben sich drei Söhne und acht Enkel von Millennium als Köranwärter empfohlen.