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Mehr als ein Überwachungsinstrument

Rinder aktuell: Entwicklung und Vorgaben der Milchgüteuntersuchung
Von Dr. Julia Tetens, Dr. Monika Brandt, Landeskontrollverband SH
Untersuchung der Proben für die Milchgüteüberwachung. Foto: Landeskontrollverband SH

Die Feststellung der Güte von Rohmilch hat in Deutschland eine bald 100-jährige Tradition, jedoch wurde sie nie überall in Deutschland nach gleichen Regeln gehandhabt. Es war erklärtes Ziel, mit der Einführung der Rohmilchgüteverordnung (RohmilchGütV) am 1. Juli 2021 bundeseinheitliche Regelungen zu schaffen. Die wichtigsten Inhalte im folgenden Beitrag.

Schon im Milchgesetz von 1930 und auch im heutzutage in überarbeiteter Form immer noch gültigen Milch- und Fettgesetz von 1951 wurde geregelt, dass Güteanforderungen durch Rechtsverordnungen umzusetzen sind. Einen Versuch, die Anforderungen dabei bundesweit zu vereinheitlichen, stellte allerdings erst 1980 die Einführung der Milchgüteverordnung dar. Jedoch war die Umsetzung in den einzelnen Bundesländern durchaus etwas unterschiedlich.

Die RohmilchGütV führt die bisherigen Elemente des bewährten Güterechts weiter, indem sie die Güteprüfung der Rohmilch und damit einhergehend die Berechnung des Kaufpreises für die Rohmilch regelt. In der Verordnung werden, neben der Definition von Rohmilch, die Vorgaben zur Probenahme am Milchsammelwagen, die Vorgaben zur Güteuntersuchung und zur Berechnung des Kaufpreises für Rohmilch geregelt.

Für jedes der nach RohmilchGütV vorgeschriebenen Gütemerkmale gibt die Verordnung die Untersuchungs- und Berechnungskriterien sowie die Konsequenzen bei Nichteinhaltung vor (siehe Tabelle). Abnehmer und Erzeuger können allerdings auf privatrechtlicher Ebene die Liste der Gütemerkmale in der Milch erweitern.

Bezahlparameter der Güteprüfung

Der Fett- und der Eiweißgehalt wirken sich über Zu- und Abschläge direkt auf den Auszahlungspreis der Milch aus. Um eine gleichmäßige Grundlage zu bekommen, müssen hier mindestens drei Untersuchungen pro Monat erfolgen. In Schleswig-Holstein gehen die Meiereien mit mindestens vier bis maximal acht Untersuchungen über die Vorgabe hinaus. Im Mittel über alle Milcherzeuger sind die Fett- und Eiweißgehalte der Anlieferungsmilch in Schleswig-Holstein in den vergangenen zehn Jahren nahezu stabil mit durchschnittlich 4,25 % Fett und 3,4 % Eiweiß.

Da die Bestimmung des Gefrierpunktes als Maß für Abweichungen in der Zusammensetzung der Milch – zum Beispiel durch Wasserzusatz – mit der Untersuchung auf Fett und Eiweiß einhergeht, wird bei diesem Parameter die vorgeschriebene Untersuchungshäufigkeit von einem Mal pro Monat noch deutlicher überschritten. Abweichungen beim Gefrierpunkt sind selten, kommen aber dennoch bei durchschnittlich 2 % der Milcherzeuger monatlich vor. Milchgeldabzüge für Gefrierpunktüberschreitungen werden über die Milch­lieferordnungen der Meiereien privatwirtschaftlich geregelt.

Keimzahl – ein Maß für die Hygiene

Die Keimzahl ist ein Parameter für die hygienische Gewinnung und Lagerung der Anlieferungsmilch. Im Durchschnitt aller Milcherzeuger lag der Wert im vergangenen Jahr ähnlich wie in den Vorjahren bei 19.000 Keimen je Milliliter. Eine Überschreitung des gesetzlichen Grenzwertes von 100.000 Keimen je Milliliter (Mittelwert aus zwei Monaten) führt zu einem Milchgeldabzug von mindestens 2 ct/kg Milch. Die meisten Ergebnisse der Keimzahluntersuchung liegen im Bereich unterhalb von 30.000 Keimen, viele Betriebe haben dauerhaft Werte unter 20.000. Dennoch überschritt 2022 jeden Monat etwa 1 % der Lieferanten den Grenzwert.

Bereits eine geringe Erhöhung der Keimzahl im Vergleich zu den vorigen Werten muss hier als Warnung verstanden werden und sollte zur Überprüfung der Reinigung und Lagerung führen. Wenn sich hier ein Problem manifestiert, kann das, bedingt durch das exponentielle Keimwachstum, schnell zu sehr hohen Werten bei der Keimzahluntersuchung und damit zu einem großen Einfluss auf den Mittelwert führen.

Zellzahl – Maß für die Eutergesundheit

Die Zellzahl ist der wichtigste Indikator zur Überwachung der Eutergesundheit und gibt auf Tankmilchebene einen guten Überblick über den Eutergesundheitszustand der Herde. Der Grenzwert für einen Milchgeldabzug liegt bei 400.000 Zellen je Milliliter (Mittelwert aus drei Monaten) und damit in einem Bereich, in dem von erheblichen Problemen in der Eutergesundheit, verbunden mit Einbußen in Tiergesundheit und Wirtschaftlichkeit, auszugehen ist. Die Entwicklung der Zellzahlwerte in der Anlieferungsmilch der vergangenen Jahre zeigt einen erfreulichen Rückgang von knapp über 200.000 Zellen auf unter 180.000 Zellen in diesem Jahr. Das weist auf eine Verbesserung der Eutergesundheit insgesamt hin. Dennoch überschritt 2022 monatlich ebenfalls etwa 1 % der Lieferanten den Grenzwert, sodass auf diesen Betrieben von deutlichen Problemen im Bereich der Eutergesundheit ausgegangen werden muss.

Verbindung zum Lebensmittelhygienerecht

Mit der Bestimmung der Gütemerkmale Keim- und Zellzahl stellt die RohmilchGütV gleichzeitig eine Kontrollregelung im Sinne des tierischen Lebensmittelhygienerechts dar. Überschreitungen des Grenzwertes bei Keim- und Zellzahl führen zur Auslösung des sogenannten Notifizierungsverfahrens. Werden die Grenzwerte über einen längeren Zeitraum nicht eingehalten, führt das zur Aussetzung der Milchlieferung. Die Einhaltung der Milchqualität muss erst durch die Entnahme und Untersuchung von zwei repräsentativen Proben der Anlieferungsmilch nachgewiesen werden. Die Anzahl der Betriebe, die die Milchlieferung aufgrund einer anhaltenden Überschreitung der Keim- und Zellgehalte aussetzen müssen, ist seit Jahren rückläufig. 2022 gab es in Schleswig-Holstein insgesamt 24 Wiederzulassungsverfahren, davon sechs im Bereich Keimzahl und 18 im Bereich Zellzahl. Sie bedeuten aber für die betroffenen Betriebe erheblichen wirtschaftlichen Schaden.

Gefürchtet – Hemmstoffe in der Milch

Ein weiteres wichtiges Gütemerkmal mit großen Auswirkungen auf den Auszahlungspreis ist der Nachweis von Hemmstoffen in der Anlieferungsmilch. Hemmstoffe in der Anlieferungsmilch sind überwiegend Folge einer Behandlung von Kühen mit Antibiotika, deren Milch eigentlich nicht in den Tank gelangen darf. Mit der Einführung der RohmilchGütV gingen verschärfte Anforderungen der Untersuchung auf Hemmstoffe einher, um auch hier die Regelungen an das Lebensmittelhygienerecht anzupassen.

Vorgeschrieben sind nun sensitivere Testsysteme bei einer höheren vorgeschriebenen Untersuchungshäufigkeit von viermal pro Monat. Mit bis zu sieben Untersuchungen pro Monat gehen einige Meiereien in Schleswig-Holstein deutlich über die geforderte Mindestuntersuchungszahl hinaus.

Eine Eingangsuntersuchung vor Übernahme der Anlieferungsmilch in der Meierei mit einem Schnelltest auf mindestens Beta-Lactam-Antibiotika ist ebenfalls verpflichtend vorgegeben. Hierbei handelt es sich um Penicilline und Cephalosporine und damit um die Wirkstoffgruppen, die bei Milchkühen am häufigsten zum Einsatz kommen. Auch diese Befunde gehen nach Bestätigung in der Untersuchungsstelle in die Gütebewertung mit ein. Als weitere Wirkstoffgruppe müssen Chinolone, die als sogenannte Reserveantibiotika gelten, zweimal pro Jahr gesondert untersucht werden.

Wie die Abbildung zeigt, sind mit Einführung der RohmilchGütV häufiger Hemmstoffe in der Anlieferungsmilch nachgewiesen worden als in den Jahren zuvor. Jedoch bleibt ein positiver Hemmstoffbefund relativ selten. Bei 218.000 in Schleswig-Holstein untersuchten Proben 2022 wiesen nur 0,05 % einen positiven Befund auf. Chinolone wurden bisher sogar überhaupt nicht in der Anlieferungsmilch der schleswig-holsteinischen Meiereien nachgewiesen.

Fazit

Das Milchgüterecht und damit die Feststellung der Güte von Rohmilch als Grundlage zur Berechnung des Kaufpreises haben in Deutschland eine lange Tradition. Bereits seit fast 100 Jahren gibt es Anforderungen an die Qualität der Rohmilch, die Milchproduzenten erfüllen müssen. Mit der Einführung der RohmilchGütV im Juli 2021 ist es erstmalig gelungen, diese Anforderungen bundesweit einheitlich zu gestalten. Für Milcherzeuger bedeutet die regelmäßige Kontrolle der Qualität ihrer abgelieferten Rohmilch nicht nur eine Überwachung, sondern auch ein regelmäßiges Feedback, das für viele Managemententscheidungen genutzt werden kann.

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