Die Wintergerste in Schleswig-Holstein ist in diesem Anbaujahr laut Statistikamt Nord auf einer Fläche von 68.200 ha angebaut worden, was mit minus 1% etwa der Vorjahresfläche entspricht. Die Bedeutung der Gerste bleibt weiterhin hoch, da sie als früh räumende Feldfrucht zu Winterraps und zur Entzerrung der Ernte eine wesentliche Rolle spielt. Zudem drischt sie in vielen Jahren auf demselben Niveau, teils auch stärker als der Winterweizen. Auch in diesem Jahr wurde aus der Praxis von teilweise sehr hohen Erträgen berichtet. Dies trägt in Summe zur aktiven Risikoabsicherung bei und festigt ihre Bedeutung in der Fruchtfolge. Der folgende Artikel beschreibt, wie
die einzelnen Sorten abgeschnitten haben.
Die Aussaat der Wintergerste lief in den meisten Regionen bis auf kurze Pausen durch Niederschläge für normale Saattermine Mitte bis Ende September unter insgesamt guten Bedingungen ab. Der Krankheitsdruck im Frühjahr war insgesamt moderat, Mehltau spielte jedoch eine Rolle, wobei zu beachten ist, dass dieser in Wintergerste relativ gut zu kontrollieren ist. In den Versuchen wie auch in der Praxis trat teilweise Rhynchosporium auf, vorwiegend jedoch in tendenziell anfälligeren Sorten. Zwergrost spielte in diesem Jahr eine insgesamt geringere Rolle als in Vorjahren, trat aber regelmäßig auf. Witterungsbedingt von Norden her beginnend, spielte Ramularia, wenn auch zu einem recht späten Zeitpunkt, eine Rolle.
Bodenbürtiges Virus – neues Problem?
In der Vergangenheit konnte am Standort Kastorf, ebenso wie in der umliegenden Region, regelmäßig das Auftreten von Gelbmosaikviren in der Wintergerste beobachtet werden. Entsprechend ist der Standort hinsichtlich des Auftretens der Gelbmosaikviren als repräsentativ zu betrachten. Dabei sind die Symptome in der Regel das Aufhellen des Blattapparates, schlechtere Bestockung und Wuchsdepression. Diese Viren sind bodenbürtig und werden durch den Pilz Polymyxa graminis übertragen. Hier gilt es, zwischen den verschiedenen Virusarten und -typen zu differenzieren. Das Gerstengelbmosaikvirus (BaYMV) kommt in Form von Typ 1 und Typ 2 vor. Zudem kann das Milde Gerstenmosaikvirus (BaMMV, zwei Stämme bekannt) eine Rolle spielen. Dabei gilt es zu beachten, dass durch intensive züchterische Bearbeitung der letzten Jahre alle im Sortiment geprüften Wintergersten mit der Bezeichnung „G“ gegenüber dem Gerstengelbmosaikvirus Typ 1 und dem Milden Gerstenmosaikvirus resistent sind. Die Sorten, die mit „2 G“ bezeichnet sind, weisen eine Resistenz gegen Gerstengelbmosaikvirus Typ 1 und Typ 2 sowie gegen das Milde Gerstenmosaikvirus auf. Hierunter fallen die Sorten ‚KWS Memphis‘, ‚SU Midnight‘, ‚SU Hetti‘ und ‚Sensation‘. Die Sorten ‚Avantasia‘ und ‚Julia‘ weisen hingegen eine Resistenz gegen das Gerstengelbmosaikvirus Typ 1 und Typ 2, jedoch ohne die Resistenz gegen das Milde Gerstenmosaikvirus auf.
Sehr häufig hat das Auftreten neben den optischen Symptomen keine deutlichen Auswirkungen auf den Ertrag. Auch im Vorjahr konnte eine durch Virustyp 2 bedingte unterschiedliche Verfärbung der Sorten beobachtet werden, jedoch keine klare Ertragsdifferenzierung. In diesem Jahr kam es auf dem hohen Ertragsniveau zu einer deutlichen Differenzierung zwischen den gegen das Gelbmosaikvirus Typ 2 resistenten und den nicht gegen Typ 2 resistenten Sorten. Hintergrund ist dabei, dass die Stresseinwirkung aus dem kühlen, trockenen Frühjahr mit später Nährstoffverfügbarkeit und die hohen Einstrahlungswerte eine höhere Relevanz der Virusausprägung begünstigt haben dürften.
Aufbau der Landessortenversuche
Die Landessortenversuche Wintergerste werden in den drei Naturräumen Marsch, Geest und Östliches Hügelland an jeweils repräsentativen Standorten angelegt. Der Pflanzenschutz erfolgt bei den Herbiziden und Insektiziden versuchseinheitlich nach guter fachlicher Praxis. Ebenso erfolgt die Grundnährstoff- und Stickstoffdüngung versuchseinheitlich DÜV-konform nach entsprechender Bedarfsermittlung. Stickstoff wird in der Wintergerste in einer Zweigabenstrategie appliziert, wobei zu Vegetationsbeginn der Schwefelbedarf der Pflanze mit rund 30 kg S/ha abgesichert wird. In der unbehandelten Stufe 1 wird auf einen Einsatz von Fungiziden gezielt verzichtet, um die Sortengesundheit beurteilen können. Ebenso wird je nach Lagerdruck lediglich eine deutlich reduzierte Wachstumsreglerapplikation durchgeführt, um die Lageranfälligkeit beurteilen zu können, ohne dabei die Beerntbarkeit durch Lager zu gefährden. In der behandelten Stufe 2 wird ein ortsüblicher Fungizid- und Wachstumsreglereinsatz durchgeführt. In diesem Jahr wurde von der Ausnahmegenehmigung, Folpan gegen einen Ramulariabefall einzusetzen, nicht Gebrauch gemacht, sodass auch Ramularia spät in den Versuchen auftrat.
Erträge in den
Versuchen
Der Ertrag der Stufe 2 im Mittel der Bezugssorten befand sich in der Marsch auf einem hohen Niveau von 108,7 dt/ha in Barlt und 116,1 dt/ha im Sönke-Nissen-Koog (Tabelle 1). Dabei muss berücksichtigt werden, dass die zweizeiligen Sorten ‚KWS Moselle’, ‚Bordeaux’ und ‚Laubella’ sowie ‚SY Dakoota’ am Standort Sönke-Nissen-Koog aufgrund von Vogelfraß nicht gewertet werden konnten.
Für die Geest stand in der Auswertung 2022 nur der Standort Schuby zur Verfügung. Hier konnte ein für diesen Standort sehr hohes Ertragsniveau von 96,4 dt/ha erreicht werden (Tabelle 2). Über die anteilige Berücksichtigung der Nachbargebiete und die mehrjährige Verrechnung mittels der Hohenheimer Verrechnungsmethode steht mit dem mehrjährigen Ertragsergebnis eine belastbare Datengrundlage zur Verfügung.
Von den Standorten des Östlichen Hügellandes wurde in Loit mit 132,2 dt/ha das höchste Ertragsniveau erreicht. In Futterkamp lag der Ertrag im Mittel über die Bezugssorten bei 121 dt/ha und in Kastorf bei 128,2 dt/ha (Tabelle 3).
Qualitäten im Versuch
Das wichtigste Kriterium für die Vermarktung von Wintergerste ist üblicherweise das Hektolitergewicht. Die Basis wird hier vom Handel in der Regel mit 63 kg/hl angegeben. Im Vorjahr lagen die Werte in der Praxis und teils in den Versuchen auch deutlich unter diesem Wert, was auf die Hitze im Juni des vergangenen Jahres zurückzuführen war. In diesem Jahr erreichten die Sorten an allen Standorten den geforderten Wert sicher. Das diesjährig hohe Niveau von Hektolitergewicht und Ertrag verdeutlicht, dass in der Phase der Kornfüllung kein deutlicher Stress für die Pflanzen geherrscht hat. Insbesondere die zweizeiligen Sorten ‚KWS Moselle’, ‚Bordeaux’ und ‚Laubella’ erreichten hier Spitzenwerte. Aber auch die mehrzeiligen Sorten ‚Jule’, ‚KWS Memphis’ und ‚SY Baracooda’ erreichten Werte von mindestens 70 kg/hl (Übersicht 4).
Sortenempfehlung der Landwirtschaftskammer
In den Anbau sollen in der Praxis solche Sorten kommen, mit denen entweder sehr gute Erfahrungen gemacht wurden oder die sich aufgrund ihrer Ertragsleistung und der weiteren Eigenschaften für die Anbaubedingungen im Betrieb eignen. Hierzu zählen ebenso Sorten, die in den aktuellen Versuchsjahren nicht mehr berücksichtigt werden können, sich aber aufgrund ihrer Leistung empfohlen haben. Auch neue Sorten dürfen bei entsprechender Eignung gern in den Probeanbau aufgenommen werden. Ein wichtiger Aspekt ist aber grundsätzlich, ausreichend große Anbaufläche vorausgesetzt, das Risiko auf mehrere Sorten zu verteilen. Hier stellen die regionalen Landessortenversuche eine wichtige Entscheidungsgrundlage dar.
Für alle Standorte erhält die Sorte ‚KWS Orbit‘ eine Empfehlung, die ertraglich nicht mehr ganz den Anschluss an neuere Sorten hält, sich aber aufgrund ihrer Agronomie und guten Kornqualität auszeichnet. Gegenüber der noch stark im Anbau befindlichen und etwas ertragsstärkeren ‚KWS Higgins‘ (nicht mehr aktuell geprüft) ist sie etwas blattgesünder. Ebenso ist für alle Standorte die ertragsstarke ‚Esprit‘ voll empfohlen, die eine ausgewogene Blattgesundheit und gute Agronomie, jedoch leichte Schwächen beim Zwergrost aufweist. Zusätzlich ausschließlich für die Marsch empfiehlt sich ‚Viola‘ aufgrund ihrer dort stabileren hohen Erträge und der sehr guten Standfestigkeit. Für die Geest wie auch das Östliche Hügelland empfiehlt sich die gesunde Sorte ‚Teuto‘. Weiterhin für das Östliche Hügelland bleiben die Sorten ‚Melia‘ und ‚SU Jule‘ in der Empfehlung.
Von den Hybriden haben alle geprüften Sorten im Östlichen Hügelland durch ihre Ertragsleistung überzeugt. Insbesondere die jüngste Hybride ‚SY Dakoota‘ überzeugt durch eine sehr gute Agronomie und gute Gesundheit bei gleichzeitig guter Kornqualität und hohem Ertragsniveau. Sie ist dabei tendenziell früher reif. In der Marsch empfehlen sich ‚SY Galileoo‘ und ‚Jettoo‘ für einen Anbau, wobei hier insbesondere auf die tendenziell höhere Lagerneigung zu achten ist. Daher kann hier ‚SY Dakoota‘ aufgrund ihres Profils sehr interessant sein und ist vorläufig empfohlen. Für die Geest ist insbesondere ‚Galileoo‘, ‚Jettoo‘ und ‚SY Dakoota‘ Augenmerk zu schenken.
Wie bereits beschrieben bietet es sich an, bei Gelbmosaikvirus-Typ-2-Flächen auf resistente Genetik zu setzen, da es ansonsten immer wieder zu Ertragsdepression kommen kann. Zudem ist es so, dass die gegen Typ 2 resistenten Sorten mittlerweile ein hohes Ertragsniveau erreicht haben und sich daher auch auf Nicht-Typ-2-Flächen anbieten können. Daher erhält ‚KWS Memphis‘ die volle Empfehlung, auch aufgrund ausgewogener Gesundheit, guter Agronomie und sehr guter Kornqualität. ‚SU Midnight‘ empfiehlt sich insbesondere aufgrund des hohen Ertragsniveaus an allen Standorten.
Probeanbau
neuer Sorten
Von den neu in den LSV geprüften Sorten zeigte ‚Winnie‘ solide Erträge und überzeugte mit einer guten Blattgesundheit. Hier sollte insbesondere die Standfestigkeit gut abgesichert werden. Die Sorten ‚Avantasia‘ und ‚Julia‘ zeigten gute, teilweise auch sehr gute Erträge in Kastorf durch die Gelbmosaikvirus-Typ-2-Resistenz. Insbesondere ‚Avantasia‘ benötigt jedoch aufgrund der hohen Zwergrostanfälligkeit einen intensiveren Fungizideinsatz. ‚SU Hetti‘ zeigte ein geringeres Ertragsniveau, ist aber aufgrund bester Einstufung in der Lageranfälligkeit und Gelbmosaikvirus-Typ-2-Resistenz interessant. ‚KWS Exquis‘ zeigte teilweise überdurchschnittliche Erträge und ist insbesondere bei Druck durch Gelbverzwergungsvirus (Blattläuse und Zikaden im Herbst!) interessant. ‚Sensation‘ hat ein bislang einmaliges Profil mit der vollen Gelbmosaikvirus-Typ-1- und -Typ-2-Resistenz und gleichzeitiger Gelbverzwergungsvirusresistenz. Jedoch ist die Sorte etwas früher reif, was unter Schleswig-Holsteiner Bedingungen ein geringeres Ertragspotenzial bedeuten kann. Diese noch jungen Sorten müssen im nächsten Versuchsjahr ihre Leistung noch einmal unter Beweis stellen, sollen jedoch bereits gern im Testanbau eingesetz werden.
Fazit
Die Wintergerste zeigte in den Versuchen hohe Erträge und gute Qualitäten. Hinsichtlich der Sortenwahl gilt es den eigenen Standort einzuschätzen, auch hinsichtlich der Anfälligkeit gegenüber dem Gerstengelbmosaikvirus Typ 2. Auch dürfen weder die Sortengesundheit noch agronomische Eigenschaften wie Strohstabilität sowie die Vermarktungseigenschaften aus dem Blick verloren werden, wie das Jahr 2021 bereits gezeigt hat.