Die globalen Treibhausgasemissionen steigen weiter. Auch Deutschland hätte ohne seinen Wirtschaftswald 2021 rund 100 Mio. t mehr an Treibhausgasen emittiert. Diese 12%ige Verbesserung der nationalen Treibhausgasbilanz Deutschlands können nur Wälder leisten, die nachhaltig genutzt werden, denn ohne Waldbewirtschaftung tendiert ihr Aufnahmevermögen für Kohlenstoff gegen null.
Deshalb können wir ohne Waldbewirtschaftung die Ziele des Pariser Abkommens nicht erreichen. Ein internationales Forscherteam um Ernst-Detlef Schulze vom Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena kommt jetzt zum Ergebnis, dass die Nutzung von Holz bei nachhaltiger Forstwirtschaft CO2-neutral ist. Eine Nichtnutzung der Wälder dagegen könne zu deutlich höheren CO2-Emissionen als bisher führen.
Bei der Photosynthese nehmen Bäume Kohlendioxid aus der Luft auf und bauen den Kohlenstoff in ihre Biomasse ein. Sowohl Bäume als auch Böden veratmen einen Teil dieser Biomasse und setzen dabei CO2 wieder frei. Bei nachhaltiger Bewirtschaftung erfolgen Pflege und Ernte an einem bestimmten Waldort nur einmal alle fünf bis zehn Jahre. Die Fläche, die jedes Jahr von Pflege oder Holzernte betroffen ist, beträgt also nur etwa 10 % der Betriebsfläche und bewegt sich mosaikartig dynamisch über diese hinweg.
In der erwähnten Studie wurde mithilfe der sogenannten Eddy-Kovarianz-Methode untersucht, ob Pflege und Ernte Auswirkungen auf die Atmung des Waldökosystems haben. Dabei wurden Messtürme im Wald errichtet, mit denen sich die Konzentration von Gasen in der Luft über dem Wald messen lässt.
Immer nur den Zuwachs abschöpfen
Die Holzernte hat danach keinen Einfluss auf die Ökosystematmung im Vergleich zu unbewirtschafteten Wäldern. Die verbleibenden Bäume können durch verbesserten Lichtgenuss und höheres Wasserangebot die bei der Holzernte entnommene Biomasse vollständig und kurzfristig kompensieren, sodass auf Ebene des Forstbetriebes keine zeitliche Lücke zwischen Holzernte und Wiedereinbindung des CO2 in die Waldbiomasse entsteht.
Wird einer Waldlandschaft Holz entzogen, bleibt das also ohne Folgen für den Gasaustausch, auch weil das entnommene Holz zum großen Teil nicht atmendes Kernholz ist. Voraussetzung dafür ist, dass der Holzvorrat auf konstanter Höhe bleibt und höchstens der Zuwachs abgeschöpft wird. Auch Stürme oder Dürreperioden dürfen nicht zu einer Vorratsabsenkung führen, es wird in diesem Fall weniger eingeschlagen.
Die Messergebnisse bedeuten nichts anderes, als dass die Nutzung des Holzes CO2-neutral erfolgt. Fossile Emissionen, zum Beispiel durch Holzerntemaschinen oder Holztransport, sind ziemlich gering und werden im Energiesektor verbucht.
Alternativ könnte man auf Holznutzung verzichten und den Wald sich selbst überlassen. Dadurch würden der Holzvorrat und damit die Menge an Kohlenstoff zunächst zwar noch etwas steigen, allerdings mit zunehmendem Alter immer langsamer. Deutschland hat mit 358 m3/ha bereits jetzt die größten Holzvorräte in der EU, sodass eine weitere Steigerung unrealistisch ist. Außerdem sind wegen der mit dem Alter zunehmenden Wahrscheinlichkeit von Störungen sehr alte und vorratsreiche Wälder selbst in unberührten Waldlandschaften selten, denn die Sterblichkeit der Bäume nimmt mit dem Alter zu, in den durch das Absterben entstehenden Lücken wachsen junge Bäume nach. So entsteht eine Art Gleichgewicht, bei dem sich sterbende und nachwachsende Biomasse die Waage halten. Der Holzvorrat steigt deshalb auch nicht weiter. Diese Wälder bewahren zwar zunächst den gespeicherten Kohlenstoff, können aber keinen weiteren Kohlenstoff mehr einlagern.
Wald sich nicht selbst überlassen
Hinzu kommt – die Jahre 2018 bis 2020 haben dies gezeigt –, dass Wälder zunehmend unter Wassermangel und Hitze leiden, Bäume absterben und die Holzvorräte dadurch abnehmen. Überlässt man Wälder sich selbst, sind durch den klimawandelbedingten Stress mittelfristig massive Absterbeprozesse zu erwarten. Solche Wälder reichern auch Totholz in großen Mengen an, und die wachsende Brennstofflast erhöht das Risiko von Waldbränden. Dabei wird das zuvor gebundene CO2 wieder frei. Der Schwund an Kohlenstoff könnte so groß sein, dass die Vorräte unter das heutige Niveau fallen. Dieses CO2 würde die Atmosphäre belasten, weil es nicht mehr in vollem Umfang durch nachwachsenden Wald gebunden werden könnte.
Wälder sich selbst zu überlassen, um darin mehr Kohlenstoff zu speichern, ist also weder verantwortungsvoll noch nachhaltig. Da Emissionen aus fossilen Brennstoffen den größten Teil aller Kohlenstoffemissionen ausmachen, muss die aktive Reduzierung dieser Emissionen Vorrang haben vor Mechanismen, die die Emissionen fossiler Brennstoffe kompensieren, wie zum Beispiel die Speicherung von Kohlenstoff in der lebenden oder toten Waldbiomasse. Trotzdem hat die EU ihre Politik in Richtung Speicherung zulasten der Holznutzung verlagert, und auch in Deutschland werden Forderungen immer lauter, noch größere Waldflächen aus der Nutzung zu nehmen.
Wälder speichern Kohlenstoff auch im Boden in Form von Humus und toten Wurzeln. Die im Waldboden gespeicherte Menge ist in Deutschland größer als die in der oberirdischen Biomasse. Nachhaltige Forstwirtschaft schont die Humusvorräte – das zeigt die jüngste Bodenzustandserhebung –, denn trotz Bewirtschaftung nimmt der Bodenkohlenstoff zu. Nicht bewirtschaftete Wälder reichern Kohlenstoff im Boden nicht schneller an als bewirtschaftete Wälder, regelmäßige Waldpflege fördert dagegen den Aufbau stabiler Humusvorräte und ermöglicht durch den höheren Lichteinfall eine vielfältigere Bodenvegetation, die der Artenvielfalt im gesamten Waldökosystem zugutekommt.
Jedoch sollte wenigstens das Nichtderbholz, also dünne Stämme und Äste unter 7 cm Durchmesser, im Wald bleiben, um den Boden vor Humusverlusten durch Besonnung und Bodenerosion zu schützen. Dieser Schlagabraum setzt bei der Verrottung außerdem wichtige Nährelemente frei, die die nachfolgende Baumgeneration zum Wachsen benötigt. Auch Bodenbearbeitung muss unterbleiben, weil dadurch verstärkt CO2 freigesetzt wird.
Holzprodukte sind CO2-Speicher
Bei der Holzernte, wird ein Teil davon in Holzprodukte überführt, zum Beispiel in Möbel und Häuser. Das bedeutet, dass neben dem Waldspeicher ein zweiter Speicher in Form von Holzprodukten aufgebaut wird. Auch der darin enthaltene Kohlenstoff kann die Atmosphäre nicht belasten, allerdings nur bis zum Ende der Lebensdauer der Produkte. Diese ist der des Totholzes im Wald sehr ähnlich, Holzhäuser zum Beispiel haben eine mittlere Lebensdauer von etwa 75 Jahren.
Stammholz ausreichender Qualität sollte vorwiegend stofflich, das heißt zur Herstellung hochwertiger Holzprodukte verwendet werden. Die Erziehung von Wertholz bei der Waldpflege ist deshalb ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz. Die Verwendung des Holzes für Holzprodukte hat neben der Speicherung von Kohlenstoff noch einen weiteren Klimaschutzeffekt. Werden Häuser aus Holz statt aus mineralischen Baustoffen errichtet und Gegenstände des Alltags aus Holz statt aus Stahl, Aluminium oder Glas hergestellt, ist dazu meist weniger Energie erforderlich. Da diese Energie größtenteils aus fossilen Quellen stammt, leisten Holzprodukte einen Beitrag zum Klimaschutz. Wir sollten das nicht unterschätzen, denn die durch stoffliche Nutzung des in Deutschland geernteten Holzes vermiedenen Emissionen sind beispielsweise weit größer als die gesamten energiebedingten Emissionen in Deutschland aus dem Verkehr.
Schließlich wird Holz aus unseren Wäldern auch energetisch genutzt. Äste, schwache und krumme Stämme und faules Holz werden zeitnah verbrannt. Bei der Herstellung der Holzprodukte entstehen zum Beispiel Sägespäne, die zu Pellets gepresst und zur Wärmegewinnung verwendet werden.
Schließlich wandern auch ausgediente Holzprodukte ins Heizkraftwerk, am besten erst am Ende einer möglichst langen Nutzungskaskade, bei der Holz mehrfach hintereinander in Form immer neuer Produkte genutzt wird. So kann Altholz zunächst zu Schnittholz und danach noch weitere Male zu Spanplatten verarbeitet werden. Im Zuge der Verbrennung wird der Kreislauf des Kohlenstoffs, der mit der Photosynthese begann, wieder geschlossen und wegen der CO2-Neutralität des Holzes fossile CO2-Emissionen vermieden.
Bypass der natürlichen Zersetzung
Die geringe Energiedichte des Holzes ist in diesem Kontext irrelevant, weil das bei der Verbrennung freigesetzte CO2 bereits Teil des biosphärisch-atmosphärischen Kohlenstoffkreislaufes ist, der in fossilen Energieträgern gelagerte Kohlenstoff dagegen nicht. Würde man diese Produkte verrotten lassen, zum Beispiel einen Zaunpfahl im Garten, würde CO2 ohne den genannten Vermeidungseffekt in die Atmosphäre zurückkehren. Insofern kann die energetische Holznutzung als ein Bypass der natürlichen Zersetzung angesehen werden, weil CO2 statt im Wald oder im Garten bei der Energiegewinnung freigesetzt wird.
In der aktuellen Praxis der Kohlenstoffbilanzierung nach den IPCC-Richtlinien erkennen die Autoren eine ungerechtfertigte Benachteiligung der Waldbesitzenden. So kann die Forstwirtschaft in den nationalen IPCC-Berichten nur Kohlenstoff berücksichtigen, der in Biomasse der Wälder und Holzprodukten enthalten ist. Wird ein Baum gefällt, gilt dies als unmittelbare CO2-Emission. Damit keine Doppelzählung des CO2 erfolgt, wird Holz im Zuge der energetischen Verwertung als CO2-neutral gewertet, wovon ausschließlich der Energiesektor profitiert. Die Vermeidung fossiler Emissionen durch stoffliche und energetische Substitution ist aber eine Leistung der Forstwirtschaft. Dies sollte geändert und das bei der Holzernte dem Wald entzogene CO2 direkt der Waldeigentümerin gutgeschrieben werden.