Der Wunsch nach mehr Tierwohl durch zusätzliche Freigeländeflächen erzeugt einen Zielkonflikt, denn verschmutzte Flächen erhöhen die Ammoniakemissionen.
Rinder vertragen tiefe Temperaturen gut, zumindest solange sie genügend Energie für die Thermoregulation zur Verfügung haben. Im ursprünglichen Lebensraum suchten sie bei Bedarf Schutz in lichten Wäldern und waren ansonsten eher Bewohner offener Landschaften. So bevorzugen Kühe bei stärkerem Wind und intensiverer Sonneneinstrahlung den geschützten Stall gegenüber einem Laufhof. An sonnigen Wintertagen drängen sie jedoch nach draußen und genießen die Sonneneinstrahlung.
Eine gewachsene Sozialstruktur mit stabilen Dominanzbeziehungen wie bei frei lebenden Rinderherden gibt es unter Stallhaltungsbedingungen derzeit kaum. In der Regel werden trockenstehende Kühe separat gehalten. Auch Bestandsergänzungen sorgen für regelmäßige Eingliederungen neuer Herdenmitglieder. Als Distanztiere achten Rinder beim Liegen, der Fortbewegung und der Nahrungsaufnahme auf eine angemessene Sozialdistanz in Abhängigkeit vom jeweiligen Rang in der Herde. Ressourcenverknappung wird daher bei Haltung und Management vermieden, jedes Tier hat einen Liegeplatz, und das Tier-Fressplatz-Verhältnis liegt in der Regel bei ständiger Futtervorlage bei 1,2:1 oder darunter. Zu Stoßzeiten geht es auf angegliederten Laufhöfen durchaus eng zu.
Gerade die ersten und letzten Sonnenstunden des Tages verbringen Kühe gerne im Freien, sowohl im Sommer als auch im Winter. Laufhöfe größer zu bauen, ist sicherlich keine Option. Wo viele Kühe sich aufhalten, fällt viel Gülle an. In der Regel gibt es für Laufhöfe kein Entmistungskonzept, die Schieberbahnen enden im Stallgebäude und die Außenfläche muss mobil oder von Hand entmistet werden. Beides bedeutet, dass aus arbeitswirtschaftlichen Gründen in der Praxis im günstigsten Fall einmal täglich entmistet wird.
Ammoniakemissionen zu reduzieren ist wichtig
Aus dem Kot-Harn-Gemisch entsteht Ammoniak. Das ist das Dilemma. Der Wunsch nach mehr Tierwohl durch zusätzliche Freigeländeflächen erzeugt einen Zielkonflikt, denn verschmutzte Flächen erhöhen die Ammoniakemissionen. Jeder zusätzliche emissionsaktive Quadratmeter schlägt mit 8 g pro Tag zu Buche. Das summiert sich bei 1,5 m² pro Kuh jährlich auf zirka 4 kg zusätzliche Ammoniakemissionen – wobei doch genau hier unbedingt reduziert werden sollte, da die Rinderhaltung ungefähr die Hälfte der gesamten deutschen Ammoniakemissionen erzeugt.
Die aktuelle Bauausführung angegliederter Laufhöfe bringt folglich gleich mehrere Zielkonflikte mit sich:
• Das Flächenangebot ist für das Distanztier Rind zu bevorzugten Nutzungszeiten eigentlich zu klein, die Tiere drängen sich eher und gelaufen wird kaum.
• Der Laufhof wird zur Arbeitsfalle, die Reinigung ist meist Handarbeit.
• Es entstehen pro Kuh über 25 % höhere Ammoniakemissionen.
Innovative Lösung: Strukturierte Laufhöfe
Wenn Kühe auf dem Laufhof in der Regel herumstehen und sich kaum fortbewegen, bietet es sich an, nach dem Vorbild des Liegeboxenlaufstalls auch auf dem Laufhof eine Strukturierung zu schaffen. Boxen, die wahlweise zum Stehen oder Liegen aufgesucht werden können, bieten einen geschützten Rückzugsort. Wie im Stall ermöglichen Trennbügel eine geringere Distanz und bieten so mehr Tieren stressarmen Platz auf dem Laufhof. Das Projekt EIP (Europäische Innovationspartnerschaft) Agri Bauen in der Rinderhaltung hat bei mehreren innovativen Bauvorhaben strukturierte Laufhöfe geplant, welche von den Betrieben gebaut wurden und nun von der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt wissenschaftlich untersucht werden.
Die Entmistungsachsen werden auf diese Art und Weise auf dem Laufhof fortgesetzt. Mistabwürfe können entweder weiter geschützt innerhalb des Gebäudes bleiben und Klappwendeschieber eingesetzt werden, oder sie werden auch am Ende des Laufhofes platziert. Dann bleiben nur die Quergänge für die manuelle Reinigungsarbeit übrig. Gegebenenfalls kann das Gebäude sogar etwas kürzer gebaut werden, wenn der letzte Quergang anstatt innerhalb des Gebäudes außen über den Laufhof geführt wird. Dann spart die Bauweise nicht nur Arbeitszeit, sondern auch Baukosten.
Strukturierte Laufhöfe ermöglichen den Tieren, alle Verhaltensweisen auch auf dem Laufhof auszuüben. So werden die Futterachsen ebenfalls auf den Laufhof gezogen. Sie sollten überdacht werden, um das Futter vor der Witterung zu schützen. Insgesamt führt das zusätzliche Platzangebot so zu einer lockereren Belegung der verfügbaren Stallplätze, da die Tiere mehr Optionen zur Verfügung haben. Die Wissenschaft empfiehlt eine Unterbelegung von 10 %, die bei Neubauten aber fördertechnisch nicht realisierbar ist. Mit den Boxen auf dem Laufhof wird es für die Tiere leichter, einen mit Trennbügeln geschützten Ruheort zu finden.
Wenn es im Sommer heiß ist, bevorzugen die Kühe besonders in der Mittagshitze den wärmegedämmten Stall und gehen eher vormittags oder abends hinaus. Abhilfe kann ein kühlendes Gründach schaffen, das auf der südöstlichen Fressachse besonders effektiv ist. Dachbegrünungen speichern Regenwasser und dienen damit der Wasserretention. Das Wasser verdunstet dann bei Hitze und sorgt dadurch für kühlere Umgebungsluft beim Fressen. Die Dachfläche ist nicht versiegelt und stellt eine ökologisch wertvolle Fläche dar. Außerdem ist das optische Erscheinungsbild des Stalls durch ein begrüntes Dach positiv beeinflusst.
Baulich-technische Details oft entscheidend
An den Fressbereichen sollten die Kühe, so wie im Stall auch, auf erhöhten Fressständen stehen können. Diese sind mit Trennbügeln mindestens an jedem zweiten Platz abgetrennt, sodass auch hier konsequent das Prinzip des Liegeboxenlaufstalls fortgeführt wird, durch Strukturierung geschützte Orte zu schaffen. Dadurch können die Tiere ungestört fressen, und die Entmistungsfrequenz kann an den erhöhten Kot- und Harnanfall im Fressgang angepasst werden. Gleichzeitig sinken die Emissionen, denn die emissionsaktive verschmutzte Fläche wird um zirka 15 % reduziert. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Ausführung der Liegeboxenkonstruktion. Kühe sollten immer die Boxen zusätzlich zum Liegen auch zum Stehen nutzen können. Dafür ist die Positionierung des Nackensteuers entscheidend. Keinesfalls darf ein Stabilisierungsrohr eine Doppelfunktion ausüben. Ein niedriges, flexibles Nackensteuer ermöglicht das klauenschonende Stehen mit allen vier Gliedmaßen innerhalb der Liegebox.
Konfliktlösung zwischen Tierwohl und Umwelt
Strukturierte Laufhöfe können entweder direkt beim Stallkonzept eingeplant oder nachträglich angebaut werden. Dadurch vermehren sich die Möglichkeiten der Tiere, sich einen angenehmen Aufenthaltsort je nach Witterung frei auszuwählen. Der Zielkonflikt zwischen höherem Tierwohl und negativer Umweltwirkung kann durch die Strukturierung des Laufhofes teilweise aufgelöst werden. Wenn baulich-technische Maßnahmen zur Reduktion von Ammoniakemissionen außerdem auch im Stall eingebaut oder nachgerüstet werden, lassen sich die Mehremissionen durch die zusätzliche verschmutzte Laufhoffläche sogar vollständig kompensieren. Zielführende Maßnahmen sind hier der Einbau erhöhter Fressplätze mit einem Minderungspotenzial von zirka 15 % und emissionsmindernde Laufgangbeläge, welche derzeit mit zirka 20 % Emissionsminderung eingestuft werden.
Fazit
Laufhöfe bieten 365 Tage im Jahr mehr Tierwohl, erhöhen aber die Ammoniakemissionen. Zu Stoßzeiten drängen sich die Tiere auf dem Laufhof, dieser ist dann fast zu eng. Strukturierung schafft Abhilfe: Kühe erhalten Rückzugsorte, emissionsaktive Flächen werden reduziert, die Arbeitswirtschaft verbessert sich. Auf baulich-technische Details bei der Konstruktion der erhöhten Fressstände und der Liegeboxen ist zu achten. 365 Tage Freigeländezugang sind sogar ohne eine Verschlechterung der Umweltwirkung möglich und versprechen dabei positive Effekte fürs Tierwohl.