Es stehen Wahlen an im Bauernverband Schleswig-Holstein – von der Orts- über die Bezirks- und Kreisebene bis zum Landesvorstand. Viele Amtsinhaber treten nicht mehr an. Deshalb werden vor allem junge Landwirtinnen und Landwirte gesucht, die bereit sind, sich im Ehrenamt des Verbandes zu engagieren. Das Bauernblatt hat die Kreisvorsitzenden nach ihren Erfahrungen befragt – und warum sich das Ehrenamt auch für einen selbt lohnt.
Karen Clausen-Franzen (60) führt in Sollerup im westlichen Kreis Schleswig-Flensburg einen Milchviehbetrieb mit 80 Kühen und weiblicher Nachzucht und fünf Galloways zur Weidepflege. 54 ha werden für Futterbau und Eigenversorgung bewirtschaftet. Clausen-Franzen ist seit 1997 im Bauernverband aktiv und war im Alter von 35 Jahren als Bezirksvorsitzende „gleich durchgestartet“, kam im selben Jahr in den Kreisvorstand. Seit zehn Jahren ist sie Kreisvorsitzende, und sie ist Mitglied im Landesvorstand.
„Ich bin von zu Hause vorgeprägt, dass man mit Politik und Verwaltung zu tun hat, die Politiker saßen bei uns auf dem Sofa“, erzählt sie. Auch Kultur wurde im Elternhaus großgeschrieben – Clausen-Franzen engagiert sich auch heute für Landeskultur und Öffentlichkeitsarbeit. Zum Beispiel organisierte sie mit dem Dorfmuseum Unewatt einen Austausch von deutschen und dänischen Auszubildenden in der Landwirtschaft mit anschließender Präsentation.
Was hat sie persönlich im Ehrenamt bereichert? „Man lernt Menschen kennen, die man sonst nicht getroffen hätte, – Kreisvorsitzende aus dem ganzen Bundesgebiet, Kollegen außerhalb Deutschlands“, sagt sie. „Man sieht zum Beispiel, wie in Berlin gearbeitet wird, und versteht dadurch Entscheidungen besser.“
Clausen-Franzen ist bisher die einzige Frau unter den Kreisvorsitzenden und im Landesvorstand des Bauernverbands Schleswig-Holstein. Sie arbeitet im Unternehmerinnenausschuss des DBV mit und setzt sich dafür ein, dass mehr Bäuerinnen im Verband vertreten sind. „Vor 15 Jahren gab es fünf Kreisvorsitzende im Bundesgebiet, in den vergangenen Jahren sind es zwischen 15 und 20 geworden, das möchte ich weiter bearbeiten.“
Kinder- und Altenbetreuung – eine klassische Frauenrolle – sollten in der Familie gemeinsam gelöst werden, wie es aber junge Leute heute auch vielfach täten. Spezielle frauenspezifische Themen in der Landwirtschaft sieht sie jedoch eher nicht. „Die Themen sind keine anderen als in männlich geprägten Runden. Es sollte einfach normal werden, dass das Geschlecht keine Rolle spielt, ob man einen Posten besetzt.“
Zum Zeitmanagement ist ihre Einstellung: „Der Betrieb darf nicht leiden, aber anderes kann auch mal liegen bleiben.“ Eine gewisse Reisefreudigkeit brauche man, und so ein Abend könne schon mal länger werden. Man müsse sich eben immer wieder entscheiden und Prioritäten setzen.
Ansonsten lautet ihr Appell an junge Männer und Frauen kurz und knapp: „Ran an den Speck!“
Der Input wiegt den Aufwand bei Weitem auf
Joachim Becker, KBV Steinburg
Joachim Becker (47) führt einen ökologisch wirtschaftenden Milchviehbetrieb mit 120 Kühen und Nachzucht und 140 ha Fläche für Getreide und Futterbau im Ortsteil Westermühlen von Ottenbüttel im Kreis Steinburg. „Das ist heute überhaupt kein Problem im Bauernverband, früher war das eher nicht so“, ist seine Erfahrung. Im landwirtschaftlich bezogenen Ehrenamt ist er seit seiner Lehrzeit tätig, etwa seit 20 Jahren. Seit fünf Jahren ist er Kreisvorsitzender im Bauernverband, er stellt sich wieder zur Wahl. Außerdem ist er Mitglied im erweiterten Landesvorstand.
„Mitgestalten und Neugier“ bringt Becker seine Motivation auf den Punkt. „Wenn man sich über etwas ärgert oder etwas kritisiert, nutzt es nichts, in einer Blockadehaltung zu verharren. Dann muss man auch in die Verantwortung gehen, und das kann man besser in einem frühen Zeitraum, wo man noch Möglichkeiten dazu hat.“
Dazu biete der Verband sehr gute Voraussetzungen, da man durch den Informationsfluss, den man dort erhalte, früher gesellschaftliche und politische Entwicklungen und Zusammenhänge erkennen könne. „Man kann Dinge besser verstehen, wenn man hinter die Kulissen guckt.“ Das bringe auch etwas für den eigenen Betrieb. Und man erhalte einen Weitblick, der dazu führt, „die eigene Blase zu verlassen, in der ich unterwegs bin“.
Becker begrüßt es, dass der Verband heute eine „Politik des Türenöffnens und Miteinanders“ betreibt und dabei eine klare Linie fährt, was für den Berufsstand wichtig ist. Als Beispiel nennt er die großen Bauprojekte in der Marsch mit schweren Eingriffen in die Böden, was Komplikationen für die landwirtschaftliche Bewirtschaftung nach sich ziehe. „Wir sind der Kreis mit dem höchsten Grünlandanteil.“
Die Sorge, dass unter dem Engagement für den Verband die Arbeit auf dem eigenen Betrieb leide, möchte er jungen Landwirten nehmen. „Der Input, den man dort erhält, ist gar nicht zu bezahlen, der wiegt den Aufwand bei Weitem auf.
„Wir müssen uns eingestehen, dass wir uns verändern müssen“
Thomas Hansen, KBV Husum-Eiderstedt
Thomas Hansen (58) hält in Viöl im südlichen Kreis Nordfriesland 70 Milchkühe mit Nachzucht und Bullenmast und bewirtschaftet gut 80 ha. Im Verband ist er seit mindestens 25 Jahren aktiv, angefangen als Ortsvertrauensmann, gleich darauf im Kreishauptausschuss. Kreisvorsitzender ist er seit etwa einem Jahr als Nachfolger von Melf Melfsen, der diesen Übergang wollte (siehe unten). Zusätzlich ist er stellvertretender Vorsteher im Wasser- und Bodenverband und Mitglied im Gesundheits- und Serviceausschuss der SVLFG. Hansen stellt sich wieder zur Wahl als Kreisvorsitzender – dann für den fusionierten Kreisbauernverband Nordfriesland. Die Fusion ist für ihn der richtige Schritt. „Es macht vieles einfacher. Wir haben ja nur eine Kreisverwaltung.“ Hansen ist auch Mitglied im Landesvorstand.
„Wenn ich ehrlich bin, bin ich damals ziemlich blauäugig eingestiegen“, sagt er. „Ich bin immer zu den Bezirksversammlungen gegangen, wurde vorgeschlagen, habe reingeschnuppert, es hat mir Spaß gemacht.“ Man habe viel Austausch mit Berufskollegen, könne Fragen stellen und bekomme einen kleinen Wissensvorsprung. Am Anfang sei das Ehrenamt noch zeitlich überschaubar, „es ist kein Zeitfresser“, sieht er es eher locker.
Verändert habe sich die Diskussionskultur im Verband. Früher sei man raubeiniger miteinerander umgegangen, nicht nur mit politischen Gegnern, sondern auch untereinander. „Wir brauchen sachliche Diskussionen, keine Verteidigungshaltung“, sagt er. „Wir müssen uns eingestehen, dass wir uns verändern müssen, wie wir es auch von anderen verlangen. Mit dem Finger auf andere zeigen, ist der falsche Weg.“
Dass man heute weniger persönlich miteinander rede, bedauert Hansen. Die Kommunikation über Soziale Medien falle zwar leichter, weil sie schneller und anonymer sei, aber „man braucht auch ein Gegenüber“. Regelmäßig gebe es deshalb im Kreisverband einen Klönschnackabend mit den Ortsvertrauensleuten, und Bezirksversammlungen werden auch auf Pellworm durchgeführt, um den Bauern dort gerecht zu werden.
Junge Leute sollten einfach mal reinschnuppern ins Ehrenamt. „Man bricht sich kein Bein dabei. Nach fünf Jahren weiß man, ob das was für einen ist.“
„Junge Leute sollen ran!“
Melf Melfsen, ehemaliger KBV-Vorsitzender Husum-Eiderstedt
Melf Melfsen (67) ist der älteste KBV-Vorsitzende dieser Serie und der einzige von ihnen, der nicht mehr im Amt ist. Doch da er erst vor einem Jahr zurücktrat, hat er die jetzige Wahlperiode entscheidend mitgeprägt. „Es war mir wichtig, dass rechtzeitig ein Nachfolger durch reguläre Wahl ins Amt kommt“, sagt er. Er war sechs Jahre Kreisvorsitzender – auch er kam unter ähnlichen Umständen während der Wahlperiode ins Amt: „Es ist guter Stil, wenn der Vorgänger den Nachfolger vorschlägt, anstatt zu sagen: ,Nun seht zu, dass ihr einen findet!‘“
Sein Betrieb als GbR liegt im Ortsteil Büttjebüll von Bordelum in Nordfriesland und umfasst 200 melkende Kühe und 200 ha Land, die Betriebsleitung hat ein Sohn. Eines seiner Hobbys ist sein schöner Garten. Aktiv im Bauernverband war Melfsen etwa 25 Jahre, ansonsten war er ehrenamtlicher Richter und im Gemeinderat.
„Mit 30 Jahren kam ich in den vlf, da war die fachliche Weiterbildung das Motiv“, erinnert er sich. „Ich stellte aber sehr bald fest, dass man sich auch politisch einbringen muss, und das geht nur über den Bauernverband.“
Viel liegt ihm daran, dass auch Naturschützer die Argumente der Bauern verstehen. „Ein Filmemacher fragte mal im Naturschutzverband nach einem Gewährsmann aus der Landwirtschaft. Sie sagten ihm dort: ,Reden Sie mit Melf Melfsen, der redet auch mit uns.‘ Das war für mich ein Zeichen, dass ich ernst genommen wurde.“ Versteht er umgekehrt auch die Argumente der Naturschützer? „Verstehen kann ich sie oft, aber teilen nicht immer.“
Melfsen blickt auf eine lange Zeit mit drastischen Veränderungen in der Landwirtschaft zurück. Die Freiheit seines Vaters, mit wenig Papier zu wirtschaften, sei nicht mehr da. Doch man solle nicht gegen die Vorschriften kämpfen, sondern sie „umdenken“, wie er es ausdrückt. Auch von massiven Protesten hält er nichts. „Sie wirken nicht. Das Mitleid der Öffentlichkeit hält nicht lange, und dann kippt es.“
Ein zeitliches Problem im Ehrenamt sieht er nicht, gerade mit digitaler Technik sei das zu händeln. „Junge Leute müssen ran. Sie denken anders als wir Alten, haben eine andere Wahrnehmung. Und nur sie halten den Berufsstand am Leben.“