Dass ein schwuler Mann Landwirt ist, und das mit ganzem Herzen, darauf würden viele Menschen erst mal nicht kommen, auch nicht in der schwulen Szene selbst, und viele sind es auch nicht, auf die das zutrifft. Aber es gibt sie, und um sich unter Ihresgleichen auszutauschen, wurde 1999 „Gayfarmer“ gegründet. Das Männerpaar Christian Jacobsen und Markus Panna aus Holtsee im Kreis Rendsburg-Eckernförde und Sven Kasten aus Lammershagen bei Selent engagieren sich dort – und haben dieses Jahr eine WhatsApp-Gruppe für den Norden aufgebaut.
Die drei Männer treffen sich zum Gespräch mit dem Bauernblatt auf dem Jacobsen-Hof in Holtsee. Die Runde ist fröhlich und redselig. „Nicht alle haben es so leicht wie wir“, betont Markus Panna. „Wir sind hier in unserer Familie, und wir sind so, wie wir sind“, sagt Christian Jacobsen, und Sven Kasten ergänzt: „Wir sind ins Dorfleben eingebunden, bringen uns in die Gemeinde ein. Das Schwulsein ist die kleinste Rolle dabei.“
So werde ihnen das auch in der Nachbarschaft und von Berufskollegen, etwa von Lieferanten widergespiegelt. „Alle wissen, dass wir schwul sind, und es ist kein Thema. Wir hören keine Sprüche.“ Man habe kein Geheimnis daraus gemacht, und die Leute hätten sich daran gewöhnt. „Wenn man sich entschieden hat, sich zu outen, sollte man nicht zu lange warten, sonst wissen es schon alle, und dann wird geredet. Deshalb sagt man es lieber gleich“, ist die Erfahrung von Christian. Allerdings: „Man muss der Familie und Freunden auch Zeit geben und sie mitnehmen. Man hat ja selber Jahre gebraucht, bis man zu seiner Identität gefunden hat“, meint er.
Christian (37) und Markus (43) sind seit zehn Jahren ein Paar. Kennengelernt haben sie sich über eine Kontaktplattform. Vor einem Jahr haben sie in der Mühle Wittensee geheiratet. „Die Besitzerin hat irritiert gefragt, wo denn die Braut bleibe“, erzählt Markus und lacht. Christian ist Agrar-Betriebswirt. Der Hof wird seinen Eltern betrieben. Sie halten 60 Stück Angler Rotvieh, bewirtschaften 75 ha, davon 50 ha Grünland. Markus stammt aus Oeversee bei Flensburg, ist Energieelektroniker, arbeitet auswärts und hilft auf dem Betrieb „mit eigenem Schlepper“. „Wenn man Freizeit miteinander haben will, muss man eben auch mithelfen“, meint er.
Sven (35) ist Account Manager für einen holländischen Gartencenter-Konzern, nebenbei Hobbylandwirt – vier Dexter-Fleischrinder, Gänse, Hühner, 4 ha Land. Vor zwei Jahren ist er von Hamburg in den nördlichen Kreis Plön gezogen. „Ich musste aus der Stadt raus!“ Er ist bei Wankendorf groß geworden, hat als Kind zusammen mit seinem Opa auf einem Gut gearbeitet. „Die Landwirtschaft ist mein Traum!“
Schwierige Kontaktsuche
Sven hat keinen Partner, und da scheint dann doch eine Problematik auf. „Es ist schwierig, jemanden zu finden, der für die Landwirtschaft Interesse hat. Landbegeistert, tierbegeistert, Liebe zur Natur – das ist eine seltene Sparte. Man denkt nicht, dass ein Schwuler solche Interessen haben kann.“ In der Szene sei man sehr städtisch orientiert, habe andere Themen: Mode, Kultur. Und wenn man Tiere hält, könne man nicht ständig weg. Da ist Christian gut dran, weil er Unterstützung von seinen Eltern hat.
Und so kommt die „Berufsgruppenvereinigung Gayfarmer“ ins Spiel. Es sind „homosexuelle Männer und Frauen, die in den Grünen Berufen arbeiten oder einen direkten Bezug dazu haben“, wie es in der Selbstbeschreibung heißt. Bundesweit sind es inzwischen rund 400 Aktive, Lesben allerdings in der Minderzahl, „keine zehn“. Eine entsprechende Lesbenorganisation ist den Männern nicht bekannt.
Das Altersspektrum reicht von 20 bis 80. Auch Familienmitglieder und Freunde von Homosexuellen sind willkommen, insbesondere die der Gastgeber. Einmal im Jahr gibt es ein Treffen an wechselnden Orten in Deutschland. Da kämen so 60 bis 80 Leute zusammen, die Hälfte von ihnen entsprechend der Anfahrtstrecke wechselnd, die andere Hälfte der „harte Kern“. Nicht nötig zu erwähnen, zu welcher Hälfte die drei Männer gehören, die hier sitzen.
Bei den Treffen gibt es immer ein Fachprogramm zu den Grünen Berufen – Betriebsführungen, Exkursionen, Vorträge, auch mal ein Freilichtmuseum. Zwar sind die wenigsten Vollerwerbslandwirte, es gibt Hobbylandwirte, Ziegen-, Schaf-, Hühnerhalter, auch Gärtner sind dabei, Leute ohne eigenen Hof, „aber mit viel Fachwissen“. Viele machen Direktvermarktung, bieten Übernachtungen an. Schwule Themen spielten eher am Rande eine Rolle, beim Schnacken am Abend und Zwischendurch. Aber natürlich sind sie wichtig, und sei es als Hintergrund. „Man ist unter Seinesgleichen, wird anders aufgenommen“, sagt Markus.
WhatsApp-Gruppe Nord
Bei Gayfarmer gibt es grob gesagt fünf regionale Gruppen. Im März dieses Jahres haben die drei Männer eine WhatsApp-Gruppe für den Norden gegründet – Schleswig-Holstein, Hamburg, nördliches Niedersachsen und westliches Mecklenburg, „Bremer haben wir noch nicht“. Schon jetzt seien 40 bis 50 dabei, und „es ist im Wachstum“. Drei Mal im Jahr wollen sie ein Nordtreffen veranstalten, ohne Programm, mit Grillen oder Punschen.
Bei aller Geselligkeit: Natürlich erhalten Kollegen Hilfe, die es nicht so leicht haben, die unter Anfeindungen leiden, die mit dem Outing zögern. Wenn Fotos gemacht werden, wird darauf besonders sensibel geachtet. „In der Landwirtschaft herrscht manchmal schon ein rauer Ton“, weiß Sven. „Viele Bauern haben gar keine Berührungspunkte mit Schwulen.“ Die Mutter eines Gastgebers, die wohl große Probleme damit hatte, war für die ganze Zeit des Treffens verschwunden. Mit der härteste Spruch, der gehört wurde, war: „Wenn der mit ‘nem Jungen im Bett ist, jag ich ihn vom Hof!“ Es könne sein, meint Christian, dass Gayfarmer den einen oder anderen vor dem Selbstmord bewahrt hat.
Dabei setzen die Männer auf die Zukunft. Die junge Generation sei viel offener und entspannter. Christian hat einen sehr viel jüngeren Bruder von 17 Jahren. „Für ihn ist das Schwulsein seines Bruders normal, er kennt es gar nicht anders.“
Informationen und Kontakt unter: www.gayfarmer.de