Matthes Rauert und Fabian Schlademann sind technikbegeistert. Während ihres Agrarstudiums haben sie das Start-up Farmetrics gegründet und in verschiedene Agrardrohnen investiert, um als Dienstleister für die Landwirtschaft Fuß zu fassen. Welche Anwendungsbereiche aus ihrer Sicht besonders geeignet und welche Hürden bei der Nutzung von Agrardrohnen zu überwinden sind, schildern sie im Interview.
Wie ist Ihr Bezug zur Landwirtschaft und was motiviert Sie, im Bereich der Agrardrohnen Pionierarbeit zu leisten?
Matthes Rauert: Wir kommen beide vom Landwirtschaftsbetrieb, haben beide eine Ausbildung gemacht und uns dann im Studium in Kiel angefreundet. Wir teilen unsere Begeisterung für die Technik und sehen im Einsatz von Drohnen viele ackerbauliche Vorteile im Vergleich zu bisherigen Verfahren. Da der Markt für den Einsatz von Agrardrohnen noch sehr wenig entwickelt ist, sehen wir Chancen, uns dort zu etablieren.
In welchen Arbeitsbereichen sehen Sie das größte Potenzial für Agrardrohnen?
Rauert: Ein Bereich ist das Precision-Farming. Dort nutzen wir eine Drohne mit Multispektralkamera für hochauflösende Flächenkartierung. Dabei erstellen wir Biomassekarten und können die Flächen gleichzeitig einmessen. Der große Vorteil der Drohne im Vergleich zum Satelliten ist, dass wir eine vielfach bessere Auflösung haben. Zudem hat die Drohne keine Probleme mit Wolken. Ein weiterer Einsatzzweck sind Spotspraying-Anwendungen. Wir können mit der Drohne die Fläche vorher abfliegen und erkennen, wo Unkräuter sind. Aus diesen Daten erstellen wir eine Applikationskarte, die wir an das Schlepperterminal übertragen.
Fabian Schlademann: Wir verfolgen den Ansatz, mit marktüblicher Technik von den Kosten und der Komplexität her einen einfachen Einstieg in die Umsetzung von Precision-Farming-Anwendungen zu ermöglichen. Bei Unkräutern im Keimblattstadium reicht diese Technik nicht mehr aus, dafür gibt es dann andere Systeme. Aber für Unkrautteppiche oder für größere Flächen mit starker Verunkrautung funktioniert das sehr gut.
Welche Einsatzgebiete sind noch denkbar?
Schlademann: Auch das Sachverständigenwesen in der Landwirtschaft kann durch solche Drohnen einen deutlichen Schub in Richtung Genauigkeit und auch Einfachheit bekommen. Denn bei einem großen Schlag ist es natürlich schwierig, Schäden zu schätzen. Eine Drohne kann das deutlich genauer und man hat belastbare Daten, die Landwirte beispielsweise im Rahmen der Nachweise für Versicherungen nutzen können.
Wie funktioniert im Vergleich der Einsatz von großen Drohnen?
Schlademann: Unsere große Drohne wiegt leer 38 kg. Inklusive Akku und 50 kg Zuladung sind wir bei einem Abfluggewicht von etwas mehr als 100 kg. Sie hat einen Durchmesser von gut 3,5 m, wenn sie ganz ausgeklappt ist. Für den mobilen Einsatz dieser Drohne brauchen wir Stromgeneratoren, um im Feldeinsatz die Akkus nach dem Austausch wieder schnell laden zu können. Die halten im Flug je nach Belastung, Beladung und Wetterbedingungen 7 bis 10 min. Etwa genauso lange dauert der Aufladeprozess. Zwei Akkus sind also im Feldeinsatz das Minimum.
Für welche Arbeiten soll die große Drohne schwerpunktmäßig zum Einsatz kommen?
Rauert: Bereiche, in denen wir Potenzial für die großen Drohnen sehen, sind die Ausbringung von Zwischenfrüchten und Untersaaten sowie Düngern und perspektivisch auch von Pflanzenschutzmitteln. In Deutschland ist die Ausbringung chemischer Pflanzenschutzmittel mit Drohnen bisher nur im Weinbau erlaubt. Kurzfristig könnte man bereits Spurennährstoffe oder Biostimulanzien ausbringen. Das ist bereits jetzt ein wachsender Markt.
Mit welchen Argumenten wollen Sie Landwirte von der Technologie überzeugen?
Rauert: Ein Vorteil ist, dass wir schon vor der Ernte Zwischenfrüchte im Bestand ausbringen können, ohne Schäden zu verursachen. Unten im Getreidebestand herrscht ein gutes Mikroklima. Da ist es immer ein bisschen feuchter als über dem Bestand. Auch wenn es relativ trocken wirkt, ist dort in der Regel ausreichend Feuchtigkeit zur Keimung vorhanden. Damit können wir also der Zwischenfrucht einen Startvorteil von bis zu 14 Tagen gegenüber der Direktsaat geben, was dazu führt, dass sie nach der Ernte einen Konkurrenzvorteil gegen die Unkrautsamen hat, die nach der Ernte auflaufen.
Schlademann: Zwischenfrüchte dienen auch dem Erosionsschutz. Wir sehen immer häufiger, dass Flächen nach der Ernte, wenn wir starke Regenfälle haben, teilweise wegfließen, wenn der Boden ungeschützt ist. Alle üblichen Vorteile von Zwischenfrüchten kommen natürlich dazu, also Humusaufbau, Wasserhaltefähigkeit und Nährstofffixierung. Außerdem ist es dank der Drohne möglich, Untersaaten im Raps oder Mais früher im Jahr auszubringen, die dann begleitend zur eigentlichen Kultur schon wachsen können.
Welche Perspektiven sehen Sie?
Rauert: Wir können grundsätzlich den Bodenschutz verbessern, weil wir auch dann fliegen können, wenn die Befahrbarkeit kritisch ist. Erfahrungsgemäß gibt es häufiger Situationen, in denen eine Pflanzenschutzmaßnahme sinnvoll wäre, aber das Fahren mit schwerem Gerät auf dem Acker den Boden schädigen würde. Gleiches gilt für die Ausbringung von Dünger auf sehr nassen Flächen.
In welcher Flughöhe arbeiten die Drohnen?
Rauert: Wir fliegen im Feldeinsatz beim Streuen und Sprühen mit der großen Drohne ungefähr 4 m über dem Bestand. Nur wenn man zum Starten und Landen fliegt, ist man in bis zu 10 m Höhe unterwegs. Mit der kleinen Drohne – das ist die mit der Multispektralkamera – gehen wir auch bis an die erlaubten 120 m Höhe. Das reizen wir aus, um die Flächenleistung zu erhöhen. Je nach Anwendungszweck sind wir aber häufig auch nur in einer Flughöhe von 30 bis 60 m unterwegs. Grundsätzlich fliegen die Drohnen automatisch auf vordefinierten Flugrouten, ähnlich wie Schlepper mit GPS-Systemen. Man arbeitet also mit wenig manuellem Input. Im automatischen Modus fliegt die Drohne einfach ruhig und exakt. Das bekommt man mit der manuellen Steuerung nicht so gut hin.
Wie hoch ist die Sicherheit für Anwender und Unbeteiligte?
Schlademann: Sicherheit spielt eine große Rolle und ist der Hauptgrund, warum man so eine große Drohne nicht einfach so fliegen darf. Wir fliegen nur in genehmigten Gebieten und müssen Maßnahmen zur Risikominderung umsetzen. Straßen und sonstige Infrastruktur sind dabei tabu. Die Befliegung der Routen geschieht dank GPS- und RTK-Technik sehr genau. Die Drohne bleibt also auf Kurs. Sie verfügt über verschiedene Sensoren, die die Umgebung abscannen, und besitzt eine Hinderniserkennung, wodurch sie im Fall der Fälle sofort stoppt. Außerdem nutzen wir die Funktion, dass die Drohne entweder in der Luft stehen bleibt oder zum Ausgangsort zurückfliegt, sofern sie den Kontakt zur Fernbedienung verliert. Für die Passanten stellen wir Warnschilder auf, um unsere Präsenz kundzutun. Wir sind schließlich generell in Bereichen unterwegs, wo wir damit rechnen müssen, dass Menschen unsere Drohne sehen und potenzielle Risiken schwer einschätzen können. Je nach Einsatzort informieren wir im Vorfeld von Einsätzen die örtlichen Behörden und die Polizei. Ein gutes Miteinander und eine große Akzeptanz für den Einsatz von Agrardrohnen sind uns sehr wichtig.
Haben Sie für Ihr Start-up Fördermittel erhalten?
Schlademann: Wir haben zwar grundlegend danach Ausschau gehalten, aber nichts gefunden, was uns unkompliziert weitergeholfen hätte. Drohnen sind – außer zur Kitzrettung – in Förderprogrammen noch ziemlich außen vor, vielleicht, weil sie noch nicht so weit verbreitet sind. Aus unserer Erfahrung in der Beratung wissen wir zudem, dass einem Förderanträge jeden Spaß am Investieren rauben können. Wir wollten direkt loslegen und so schnell wie möglich bestellen. Das hat auch rasch funktioniert. Aber leider stand die Drohne trotzdem ziemlich genau ein Jahr, ohne dass wir sie im Feldeinsatz fliegen durften.
Woran lag das?
Rauert: Wir haben leider die Rechnung ohne die Genehmigungsbehörden gemacht. Zum Glück haben wir mit GDDC (siehe Kasten) einen Partner an der Seite, der uns in rechtlichen Fragen berät. Aber die derzeitige Genehmigungspraxis ist für landwirtschaftliche Zwecke nicht praktikabel. Dass man eine grundsätzliche Betriebsgenehmigung einholt, finde ich zwar fair. Wir fliegen schließlich mit einem Gewicht von 100 kg über die Flächen. Das stellt grundsätzlich ein reelles Risiko für Mensch und Tier dar. Aber wenn die Erlaubnis einmal vorliegt, müsste man unkompliziert jede Fläche befliegen dürfen. Wir fliegen nur über Ackerflächen, wo sich keine Menschen aufhalten, und wir bewegen uns in Flughöhen, die den Rest der Luftfahrt überhaupt nicht interessieren.
Schlademann: Es sollte doch auch im politischen Interesse sein, diese Technologie zu unterstützen, im Sinne der Elektrifizierung, des Boden- und Erosionsschutzes sowie grundsätzlich der Ernährungssicherheit. Die Drohne wird zwar den Trecker nicht ersetzen. Sie kann ihn aber ergänzen und Feldüberfahrten reduzieren. Im Steillagen-Weinbau in Süddeutschland hat es angefangen. Wir wollen das nun in die Fläche nach Norddeutschland bringen.
GDDC unterstützt bei Genehmigungen
Horst Zell vom German Dynamic Drone Center (GDDC) in Eckernförde kooperiert mit Fabian Schlademann und Matthes Rauert und unterstützt die Jungunternehmer beim Einstieg in das Geschäft der Drohnen-Dienstleistungen in der Landwirtschaft. Die Hauptursache für zähe Genehmigungprozesse ist nach seiner Einschätzung der Übergang der bisherigen Bundesregelungen in europäisches Recht. Das habe offenbar zu einer Überforderung der Behörden geführt. Der eigene Genehmigungsantrag für den Einsatz der Großdrohne sei mehr als ein halbes Jahr nicht angefasst und erst nach mehrfacher Beschwerde bearbeitet worden. Zell berichtet: „Mittlerweile haben wir die grundsätzliche Genehmigung und müssen nur noch weitere Einsatzorte beantragen.“ Das sei allerdings ein deutlich schnelleres Verfahren, da GDDC dies in Zukunft selbst genehmigen dürfe. Der Drohnen-Dienstleister sei dann selbst für die Aufsicht verantwortlich. „Wir dürfen Drohnenpiloten ausbilden, die Technik abnehmen und neue Einsatzorte genehmigen“, erklärt der Luftfahrtexperte.
Insgesamt gebe es drei Kategorien von Drohnenführerscheinen. Die Multispektraldrohne von Farmetrics falle in die offene Kategorie von Drohnen unter 25 kg mit einer Flughöhe von höchstens 120 m beziehungsweise im Sichtbereich. Die spezielle Kategorie gelte für die Nutzung von Drohnen mit mehr als 25 kg Gewicht und mehr als 120 m Höhe, die den Sichtbereich verlassen dürfen. Die Kategorie „Zulassungspflichtig“ komme lediglich bei Transporten von Menschen, Gefahrgut oder Flügen über Menschenansammlungen zum Tragen – also weniger in der Landwirtschaft.