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Damit frau nicht mit leeren Händen dasteht

Frauen in der Landwirtschaft sollten finanzielle Absicherung rechtzeitig klären
Von Silke Bromm-Krieger
Landwirtinnen auf den Höfen stehen ihre Frau. Sie tragen mit ihrer Arbeit maßgeblich zum Betriebserfolg bei. Ihre finanzielle Absicherung sollte deshalb eine Selbstverständlichkeit sein. Foto: Veronika Grossenbacher

Frauen auf den Höfen sollten sich rechtzeitig um eine eigene finanzielle Absicherung ­kümmern. Schnell kann ihre ­Lebensgrundlage durch eine Trennung, Scheidung oder den Tod des Partners gefährdet sein, weiß Angelika Sigel. Die Diplom-­Agraringenieurin und systemische Familientherapeutin arbeitet seit über 30 Jahren bei einer landwirtschaftlichen Familien­beratungsstelle.

Immer wieder erlebt die Beraterin, dass Frauen in einer Trennungssituation fachlichen Beistand bei ihr suchen. Die Geschichten, die sie erzählen, ähneln sich. So hatten sich etliche auf dem landwirtschaftlichen Betrieb ihres Mannes mit Herzblut und Know-how eingebracht. Oft gaben sie dafür ihre eigene Erwerbstätigkeit auf oder reduzierten diese. Schließlich wollten sie tatkräftig mit anpacken, sich gemeinsam mit dem Partner etwas aufbauen. Manche butterten dafür sogar eigene Ersparnisse oder elterliche Erbteile zu. Teilweise arbeiteten sie unentgeltlich mit, versorgten Haus, Hof, Garten und Kinder und pflegten die Altenteiler und Altenteilerinnen.

Bevor eine Krise kommt

Erst als es in der Beziehung nach Jahren irgendwann zu kriseln begann, wurde ihnen schmerzlich bewusst, dass sie sich vorher nicht genügend Gedanken um ihre Risikoabsicherung gemacht hatten. Häufig mussten sie deshalb nach der Trennung mit leeren Händen vom Hof gehen und in eine finanziell ungewisse Zukunft starten. „Damit das nicht passiert, ist es wichtig, dass ein Paar früh und in konfliktfreien Zeiten offen über das Thema der finanziellen Absicherung der Frau spricht. Es darf kein Tabu sein. Auch wenn dies auf den ersten Blick unangenehm sein mag, beugt es doch späteren Enttäuschungen und Streitigkeiten vor“, ist Angelika Sigel überzeugt. Sich über die Rechtslage gründlich zu informieren und mit einer Anwältin oder einem Anwalt oder einer Notarin oder einem Notar einen entsprechenden Ehevertrag aufzusetzen, hält sie keineswegs für unromantisch oder übertrieben, sondern für selbstverständlich und dringend geboten.

Klare Regelungen

„Dabei muss es Ziel sein, zu unmissverständlichen, einvernehmlichen und tragbaren Regelungen zu kommen, die auf die jeweiligen Gegebenheiten, die wirtschaftlichen Möglichkeiten des Betriebs und die individuellen Bedürfnisse abgestimmt sind“, stellt die Beraterin heraus. Es lauerten bei diesem komplexen Thema einige Fallstricke, die es zu vermeiden gelte. „So hörte ich von einer Landwirtsfrau, die nach langer Ehe, in der sie auf dem Hof fleißig mitgeschafft hatte, beim Vermögensausgleich im Rahmen ihrer Scheidung keinen Cent bekam, weil eben ein Ehevertrag fehlte. Mit einem solchen hätte sie beispielsweise die Chance gehabt, für ihre Mitarbeit einen festen Ausgleichsbetrag pro Ehejahr zu vereinbaren.“

Meist sei es so, dass ein landwirtschaftlicher Betrieb im Scheidungsfall nicht nach dem Verkehrswert, sondern dem erheblich niedrigeren Ertragswert bewertet werde. Dies diene zwar dem Erhalt des Betriebs, habe aber zur Folge, dass Eingeheiratete ohne eine zusätzliche vertragliche Regelung finanziell kaum etwas zu erwarten hätten.

Angezeigt sei ebenfalls, zu Beginn der Ehe eine Bestandsaufnahme des eingebrachten Hausrats, des anderweitigen Besitzes und des Geldvermögens zu machen. „Das schriftlich erstellte Verzeichnis sollte man sich gegenseitig quittieren. Denn alles, was die Partnerin oder der Partner in die Ehe eingebracht hat, kann sie oder er nach der Scheidung behalten“, erklärt die Expertin.

Falls die Frau während der Ehe aus ihrem Vermögen einen Kredit für den Betrieb zur Verfügung stellt, rät Sigel, dies gleichfalls in einem Darlehensvertrag samt Rückzahlungsvereinbarung festzuhalten. Zudem könne eine Absicherung der Darlehen von Eheleuten im Grundbuch erwogen werden.

Unterschrift bei Krediten

Auch folgende Situation schilderten Ratsuchende mehrmals: Sie unterzeichneten bei der Bank den Darlehensvertrag für einen neuen Stallbau mit und bedachten nicht, dass sie dadurch langfristig mit ihrem eigenen Vermögen und Einkommen haften müssen. Bei einer Bäuerin kam es einige Zeit nach Leistung der Unterschrift zu einer wirtschaftlich schwierigen Situation im Betrieb und zu einer Trennung der Eheleute. Da der Mann den Darlehensvertrag nicht mehr bedienten konnte, forderte die Bank nun von seiner Frau, die Raten zu begleichen. Doch diese war damit finanziell hoffnungslos überfordert.

„Manchmal unterschreiben Frauen Verträge im guten Glauben mit, obwohl sie selbst gar nicht über ausreichende eigene Mittel verfügen, die sie im Haftungsfall einsetzen könnten“, meint Sigel und betont: „Eine Verpflichtung zur Mitunterzeichnung von Darlehensverträgen durch die Ehepartnerin besteht nicht. Wägen Sie solch einen Schritt sorgfältig ab!“ Das Gleiche gelte für Bürgschaften. Sie stellten ebenfalls ein hohes Risiko dar, trotz Scheidung bei aufgelaufenen Schulden des Expartners noch zahlen zu müssen.

Bei einer Beratung mit Angelika Sigel können Paare klären, wie sie die Absicherung der Frau auf dem Betrieb gewährleisten wollen. Foto: privat

Mitarbeit der Ehefrau

Ein weiterer Punkt, der besprochen gehört, ist die Ausgestaltung der Mitarbeit der Frau auf dem Betrieb. Hier kommen unterschiedliche Varianten für das Binnenverhältnis infrage. „Möglich sind ein Minijob der Ehefrau bis 450 € (520 € ab 1. Oktober 2022), ein reguläres Arbeitsverhältnis mit voller Sozialversicherungspflicht als Teilzeit- oder Vollzeitbeschäftigung, die unternehmerische Teilhaberschaft durch Gründung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) oder das Führen eines eigenständigen Erwerbzweiges“, zählt Sigel auf. Hier heiße es, individuelle Lösungen zu finden. „Für die richtige Wahl muss man die sozialversicherungsrechtlichen, steuerlichen und haftungsrechtlichen Konsequenzen detailliert prüfen. Patentrezepte gibt es nicht, kein Fall ist wie der andere.“

Öfters höre sie in Beratungsgesprächen, dass Partner, um die Beiträge für die Alterskasse zu sparen, pro forma auf den Minijob für die Ehefrau zurückgreifen. Das bedeute jedoch, dass diese keine oder nur sehr geringe Anwartschaften in der Rentenversicherung aufbauen könne und damit keine eigene Altersvorsorge habe. „Wenn keine Beiträge eingezahlt werden, sollte deshalb eine private Altersvorsorge erfolgen“, empfiehlt Sigel.

Vorsorge im Todesfall

Vorsorge sollte man zudem für den Fall treffen, dass der Ehepartner plötzlich einen Unfall erleidet, im Koma liegt, schwer erkrankt oder stirbt. Hier ist es hilfreich, wenn bereits ein Testament, gegenseitige Vorsorgevollmachten und eine Bankvollmacht in der Schublade liegen. Ergänzend macht eine Risikolebensversicherung Sinn, bei der sowohl der Partner als auch die Partnerin das Leben der oder des anderen absichert. Einen Notfallordner zusammenzustellen, in dem alle wichtigen Infos zum Betrieb und zur Familie gesammelt sind, ist auch ratsam. Hinweise hierzu gibt es bei der Landwirtschaftskammer oder bei den Kreisbauernverbänden.

Ohne Trauschein

Doch nicht nur für Eheleute, ebenso für Paare, die ohne Trauschein zusammenleben, ist die Absicherung der Frau relevant. In jüngster Zeit nahmen bei Angelika Sigel diesbezügliche Beratungsanfragen von Lebenspartnerinnen stark zu. „Es gibt in solchen Fällen durchaus gute Lösungen wie einen Partnerschaftsvertrag, die hier greifen können“, unterstreicht sie.

Ein Fall aus ihrer Sprechstunde zeigt auf, was geschehen kann, wenn eine Regelung unterbleibt: Eine Frau, 50 Jahre alt, lebte mit ihrem Partner über 20 Jahre auf seinem Hof. Unter der Woche ging sie einer Beschäftigung außerhalb des Betriebs nach, in ihrer Freizeit und am Wochenende arbeitete sie dort mit. Dann starb unerwartet ihr Lebensgefährte, und weil kein Partnerschaftsvertrag vorlag, fiel der Betrieb erbrechtlich an seine Eltern. Altenteilerin und Altenteiler bezogen die Partnerin bei den nun anstehenden Entscheidungen nicht ein. „Sie hatte kein Mitspracherecht, wurde wie eine Fremde behandelt. Letztendlich verlor sie ihren langjährigen Lebensmittelpunkt, musste die Wohnung auf dem Hof verlassen und ihre Mitarbeit beenden“, so Angelika Sigel.

Nicht warten, handeln

Manchmal erlebt die Beraterin, dass Frauen zunächst mit ihrem Anliegen allein in die Beratung kommen. Diese berichten mehrheitlich, dass ihre Männer zwar Verständnis dafür hätten, dass sie sich zu ihrer Absicherung informieren wollten, aber sie sähen teilweise nicht dieselbe Dringlichkeit, zeitnah tatsächlich aktiv zu werden. „Bei einem zweiten Gespräch, wenn der Partner mit dabei ist, mache ich darauf aufmerksam, dass es ja nicht darum geht, ihm das Geld aus der Tasche zu ziehen. Ich stelle sein eigenes Interesse in den Vordergrund, bei einem Beziehungsende durch eine kluge Vorsorge den Erhalt des Betriebs, die eigene Lebensgrundlage und die Versorgung von Frau und Kind oder Kindern abzusichern.“

Übrigens: Alle hier erwähnten Regelungen und privatrechtlichen Verträge können jederzeit nachgeholt werden, ob nach vielen Ehejahren oder kurz vor einer Scheidung. „Es ist nie zu spät, sich mit der rechtlichen Absicherung zu befassen und zu handeln“, betont Angelika Sigel. Als Einstieg empfiehlt sie die 56-seitige Broschüre „Ehe- und Erb­recht in der Landwirtschaft“, die beim Bundesinformationsdienst für Landwirtschaft unter praxis-agrar.de zum freien Download bereitsteht.

Externe Expertise einholen

Die Beraterin möchte ermutigen, sich im Bedarfsfall nicht zu scheuen, externe Hilfe in Anspruch zu nehmen, selbst wenn diese kostenpflichtig sei. Unterstützung bieten die landwirtschaftlichen Familienberatungen und Sorgentelefone, die landwirtschaftliche Sozialversicherung, sozioökonomische Beraterinnen und Berater, Steuerberaterinnen und -berater, Anwältinnen und Anwälte, Notarinnen und Notare. Über die LandFrauenvereine oder andere Einrichtungen finden Seminare, Vorträge und Bildungsangebote rund ums Thema Absicherung statt. Die Termine werden in den Medien, auf den Webseiten der Träger und in deren Veranstaltungskalendern bekannt gegeben.

Ansprechpartner

Bauernverband Schleswig-Holstein

Hans Friedrichsen, Tel.: 0 48 46-387

Klaus Dahmke, Tel.: 0171-972 72 23

Sorgentelefon für landwirtschaftliche Familien des Kirchlichen Dienstes in der Arbeitswelt (KDA)

Dr. Jan Menkhaus

Tel.: 0 4 31-55 77 94 50

sorgentelefon-online@web.de

kda-nordkirche.de/sorgentelefon

Literatur

Madame Moneypenny/Natascha Wegelin: „Wie Frauen ihre Finanzen selbst in die Hand nehmen können“, Rowohlt TB Verlag, 10,99 €, ISBN: 978-3-49 96 33-74-4

Herbert Grziwotz: „Eheverträge in der Landwirtschaft – Vermögens- und Vertragsrecht für Ehepaare“, HLBS-Verlag, 38 €

ISBN: 978-3-89 18 72-45-1

Steffi Bunzol und Autorinnen- und Autorenteam: „Ehescheidung in der Landwirtschaft – Rechts-, Gestaltungs- und Kalkulationshandbuch“, HLBS-Verlag, 54 €, ISBN: 978-3-89 18 72-41-3

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