Gegen die im Naturschutzpaket der EU-Kommission vorgesehenen Maßnahmen zur Einschränkung des Pflanzenschutzmitteleinsatzes formiert sich Widerstand. „Wir werden im jetzt anstehenden Gesetzgebungsverfahren alles tun, um ungerechtfertigte Verbote zu verhindern“, erklärte der Vorsitzende des Landwirtschaftsausschusses im Europaparlament, Norbert Lins (CDU), gemeinsam mit Marlene Mortler (CSU), Dr. Peter Jahr (CDU), Christine Schneider (CDU) und Lena Düpont (CDU). An Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) richteten die Abgeordneten die Forderung, sich in Brüssel ebenfalls gegen die Einschränkungen einzusetzen.
Die Europaparlamentarier wenden sich insbesondere gegen den Vorschlag der Kommission, in sensiblen Gebieten, zu denen auch Landschaftsschutzgebiete gezählt werden, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zu untersagen. Es handele sich um einen „vollkommen falschen Ansatz“, da eindeutig entsprechende Alternativen fehlten, so die Parlamentarier. Für stark betroffene Landwirte würde die Umsetzung einem Berufsverbot gleichkommen.
Mit Blick auf die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine kritisieren die Unionspolitiker zudem ein „völlig falsches Zeichen“. Sollte der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in Landschaftsschutzgebieten gemäß den Brüsseler Vorschlägen verboten werden, wäre Deutschland nach Angaben der Unions-Abgeordneten der am stärksten betroffene Mitgliedstaat.
Das Gesetzgebungsverfahren steht allerdings noch ganz am Anfang, und es zeichnet sich ab, dass zumindest hinsichtlich der Landschaftsschutzgebiete unter deutschen Politikern weitgehend Einigkeit besteht. Özdemirs Staatssekretärin Silvia Bender hatte bei den Bauernprotesten am Montag vergangener Woche in Bonn erklärt, dass die Vorschläge der Kommission zu weit gingen und Landschaftsschutzgebiete nicht aufgenommen werden sollten (siehe Ausgabe 33).
Kritik aus Polen
Widerstand gegen die Pläne der EU-Kommission formiert sich auch im Nachbarland Polen. Wie das Fachmagazin „farmer.pl“ berichtete, will Landwirtschaftsminister Henryk Kowalczyk eine Koalition von Mitgliedstaaten gegen den Brüsseler Verordnungsvorschlag schmieden. Die darin vorgesehene Halbierung des Einsatzes chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel ist laut Kowalczyk „nicht hinnehmbar“.
Schon bei der Präsentation des EU-Vorschlags hatte die Abwesenheit des polnischen EU-Agrarkommissars Janusz Wojciechowski für Erstaunen gesorgt. Auch der Direktor des nationalen Instituts für Pflanzenschutz, Prof. Roman Kierzek zeigte sich besorgt. Der Vorschlag begünstige EU-Länder, in denen pro Hektar eine große Menge an Pflanzenschutzmittel eingesetzt werde, kritisierte Kierzek. Diese Ansicht wird vom Landwirtschaftsministerium in Warschau geteilt. Schätzungen zufolge wurden im Jahr 2020 in der EU – bezogen auf die Wirkstoffmenge – im Mittel rund 3 kg/ha an Pflanzenschutzmitteln ausgebracht. In Polen waren es lediglich 2,1 kg/ha, in Belgien und Irland aber jeweils fast 7 kg/ha und in den Niederlanden 8,8 kg/ha.
Liberale für Pragmatismus
Vor der „enormen Sprengkraft“ des Verordnungsvorschlags der EU-Kommission zur Verringerung des Pflanzenschutzmitteleinsatzes hat auch die Agrarsprecherin der liberalen Fraktion Renew Europe (RE) im Europaparlament, Ulrike Müller, gewarnt. Im Gesetzgebungsprozess müsse darauf geachtet werden, dass nach wie vor unterschiedliche Wirkstoffe zur Verfügung stünden, um Resistenzen zu vermeiden, erklärte die Abgeordnete der Freien Wähler. Das Parlament sei auf der Suche nach einer pragmatischen Lösung. Die Kommission bringe hingegen aktuell Richtlinien und Verordnungen auf den Tisch, die nicht notwendig wären.
Konkret bemängelt die Parlamentarierin an dem Brüsseler Vorschlag die Unklarheit hinsichtlich des geltenden Referenzzeitpunkts. Müller beobachtet zudem eine zunehmende Schärfe der agrarpolitischen Debatten. Es werde inzwischen sehr viel mehr polarisiert und polemisiert. An der Basis sei zu spüren, dass die Landwirte teilweise hochaggressiv und aufs Äußerste angespannt seien. „Häufig kommt da die geballte Wut hoch“, so Müller. Mit Sorge betrachtet sie die aktuellen Proteste in den Niederlanden. Es sei zu befürchten, dass diese auch auf Deutschland, Frankreich oder Belgien übergreifen könnten. Nach Einschätzung der Renew-Agrarsprecherin werden die agrarpolitischen Debatten in Deutschland auf absehbare Zeit nicht befriedet werden können.
Mit der aktuellen Bundesregierung befinde man sich in einem „ideologisch gespeisten Fahrwasser“. Es sei nicht hilfreich, wenn Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir ständig Dinge wiederhole, die Menschen gefielen, die von guter fachlicher landwirtschaftlicher Praxis keine Ahnung hätten. „Seine Klientel ist die Stadtbevölkerung“, betont Müller.
Kommission „eiert herum“
Kritik übt Müller auch am Umgang der EU-Kommission mit der Genehmigung der nationalen Strategiepläne zur Umsetzung der neuen Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP). Der Agrarausschuss habe einen regelmäßigen Austausch und Debatten um den aktuellen Stand eingefordert; die Kommission nehme das Parlament als Gesetzgeber aber nicht ernst. „Als wolle man uns für dumm verkaufen, bekommen wir gebetsmühlenartig zu hören: Alles ist im Zeitplan“, verdeutlicht die Abgeordnete. Wenn die EU-Staaten aber Details zur Genehmigung erfragten, werde „herumgeeiert“.
Die Landwirte wollten zurecht endlich wissen, wann die Mitgliedstaaten mit einer Genehmigung rechnen könnten. Auch die Zahlstellen müssten langsam erfahren, was genau auf sie zukomme. Ebenso brauchen die Parlamentarier laut Müller endlich detailliertere Informationen über die Ausgestaltung der Eco-Schemes in den einzelnen EU-Staaten. Mit Ausnahme alter, nicht mehr aktueller Datensätze sei von der Kommission noch nichts gekommen. age