Als fünfte Frau in der mehr als 100-jährigen Geschichte der Veranstaltung hat die Hamburgerin Cassandra Orschel im Sattel der Holsteiner Stute Dacara E das Deutsche Spring-Derby gewonnen. Im Deutschen Dressur-Derby holte sich Kathleen Kröncke mit Hampton Court bereits zum zweiten Mal den Titel der Derby-Siegerin.
Das hat es seit 1975 nicht mehr gegeben: eine Frau als Siegerin im Deutschen Spring-Derby, präsentiert von Idee Kaffee. Absolut überwältigt, überglücklich und auch ein bisschen fassungslos stand Cassandra Orschel im Einritt, als von allen Seiten die Glückwünsche auf sie einstürmten.
Mit der elfjährigen Holsteiner Stute Dacara E hatte sie im Umlauf nur einen Springfehler verbucht und war mit drei weiteren Reitern im Stechen angetreten. Dort traf sie auf den Europameister und dreifachen Derby-Sieger André Thieme mit Contadur, der zwar die schnellste Zeit lieferte, aber bei hohem Risiko zwei Springfehler hinnehmen musste und letztlich auf Rang drei landete. Platz zwei ging an Frederic Tillmann – Bruder von Derby-Sieger Gilbert Tillmann – mit dem achtjährigen Comanche. Auf Platz vier erreichte Sandra Auffarth mit Nupafeed‘s La Vista erneut ein tolles Ergebnis. Ihr hervorragender Stil wurde mit dem Anrecht-Investment-Stilpreis belohnt.
Nun reiht sich die gebürtige Hamburgerin Cassandra Orschel, die allerdings für Polen startet, in die Riege der Derby-Sieger ein. Das haben in der mehr als 100-jährigen Derby-Geschichte vor ihr erst vier Frauen geschafft: 1934 Irmgard von Opel, 1949 Käthe Schmidt-Metzger, 1970 Marion Mould und 1975 Caroline Bradley. „Wenn man das erste Mal beim Derby dabei ist und vor so einer Kulisse reiten darf, ist man mit so einer Runde – ganz gleich mit welchem Ergebnis – glücklich“, strahlte die 29-Jährige immer noch ungläubig über das blaue Band der Derby-Siegerin, das über ihre Schultern gelegt wurde.
Die Holsteiner Stute Dacara E aus der Zucht von Gerd Eggers aus Stadum, Kreis Nordfriesland, war fünfjährig über die Holsteiner Auktion in den Stall von Cassandra Orschel gewechselt, zeigte sich anfangs allerdings schwierig. „Aber ich habe mich trotzdem in sie verliebt und wollte sie unbedingt haben“, erinnert sich Orschel. „Ich habe sie dann behutsam aufgebaut und ausgebildet. Ich wollte hier eigentlich ein anderes Pferd reiten, aber im Training zeigte sich, dass Dacara E diese Aufgaben ‚mit dem Finger in der Nase‘ löst“, lachte Orschel. „Und da wollte ich es unbedingt hier probieren.“
Zweiter Derby-Sieg für Kathleen Kröncke
Etwas überrascht war Frederic Tillmann von seinem zweiten Platz: „Comanche ist sehr unerfahren. Das war schon ein bisschen gewagt, mit ihm hier zu starten, aber er hat eine super Einstellung, sehr viel Vermögen, ist sehr brav und will alles richtig machen. Das hat er heute auch gezeigt.“
André Thieme war im Umlauf sehr nah an einer Nullfehlerrunde, doch eine Unsicherheit am Buschoxer ließ diesen Traum platzen. „Contadur ist ein tolles, vorsichtiges Pferd, aber an diesem einen Sprung stehen ihm seine Qualität und Vorsichtigkeit leider etwas im Weg. Den Rest des Parcours hat er gekämpft wie ein Löwe und hat sich für mich echt zerrissen“, resümierte der Reiter.
Albert Darboven freute sich sehr, „dass endlich eine junge Dame gewonnen hat. Ihr Ritt hat mir sehr gut gefallen und ihr Pferd hat mir sehr gut gefallen“, lautete das Lob. Der Hamburger Sport- und Innensenator Andy Grote (SPD) hatte selbst zu Pferd die Siegerin in die Arena eskortiert und genoss die Atmosphäre in Klein Flottbek sehr: „Ich freue mich, dass das Derby wieder gestartet ist, dass es hier voll war, dass wir diese Atmosphäre hatten, dass alle begeistert waren“, schwärmte er. „Da geht einem als Sportsenator schon das Herz auf.“
Kathleen Kröncke – vielen besser bekannt als Kathleen Keller – hat sich nach 2011 erneut das blaue Band für den Sieg im Almased 62. Deutschen Dressur-Derby gesichert. Ihr eigener Sportpartner war Hampton Court und auch die Pferde ihrer Konkurrenten wusste die 32-Jährige in Szene zu setzen. Im Finale verwies sie Frederic Wandres, der Dom Perignon mit in den Pferdewechsel brachte, und Hendrik Lochthowe auf die Plätze. „Ich habe wirklich nicht damit gerechnet“, strahlte Kröncke nach ihrem Triumph. „Freddy und Hendrik sind so gute Reiter. Die Pferde der beiden waren toll zu reiten und haben es mir sehr leicht gemacht.“
Bestes Pferd war Bricco Brione von Hendrik Lochthowe, der mit allen drei Reitern Ergebnisse über 70 % lieferte. „Er hat mit den beiden gezeigt, wie gut er zu reiten ist und er war dieses Wochenende wirklich motiviert und auf den Punkt vorbereitet“, schwärmte Lochthowe von seinem langjährigen Sportpartner. „Ich freue mich riesig, dass die beiden so gut mit ihm zurechtgekommen sind.“
Christian Ahlmann gewinnt den Großen Preis
Strahlende Siegerin im Deutschen Pony-Dressur-Derby wurde Viktoria von Braunmühl vor Sophie Luisa Duen und Coralie Zumbansen. „Es war eine tolle Herausforderung“, erzählte Viktoria von Braunmühl. Mit ihren Ponys NK Cyrill, Cosmopolitan NRW und Amicelli lieferten die drei U16-Reiterinnen ein tolles Finale mit Ponywechsel, aus dem NK Cyrill als bestes Pony hervorging. Auch im Finale des U25-Dressur-Derbys war der Pferdewechsel zu meistern. Der Sieg ging hier an Alina Schrader vor Lilli Richter und Vivien Koecher. Als bestes Pferd ging Vivien Koechers Reine Freude aus der Prüfung hervor.
Neben den Derby-Entscheidungen waren auch der Longines Global Champions Tour Grand Prix of Hamburg und das CG Elementum Championat von Hamburg Highlights der Veranstaltung. Im Großen Preis von Hamburg flog Dominator 2000 Z mit seinem Reiter Christian Ahlmann zum Sieg. „Den Namen hat ihm sein Züchter gegeben und der passt. Er ist sehr selbstbewusst, das war er sicher schon als Fohlen“, lachte Ahlmann im Interview mit dem NDR. Dominator 2000 Z kam bereits vierjährig in seinen Stall: „Er ist einfach ein Traumpferd. Er ist zwar jetzt schon zwölf, aber er hatte noch nicht so oft die Chance, sich zu zeigen. Das ist unser erster richtig großer Sieg und ich hoffe, dass uns jetzt nichts mehr dazwischenkommt, um seine sportliche Karriere noch genießen zu können.“
Zwei Paaren gelang ein fehlerfreies Stechen mit exakt derselben Zeit und so teilten sich Europameister André Thieme mit DSP Chakaria und der Ire Michael Pender mit HHS Calais die silberne Schleife.
Hans-Dieter Dreher in seinem Element
Ein packendes Stechen lieferte die Entscheidung im CG Elementum Championat von Hamburg. Nach einer ständig wechselnden Führung setzte sich schließlich Hans-Dieter Dreher mit Vestmalle Des Cotis an die Spitze der Konkurrenz. „Es war ein wahnsinnig schnelles Stechen mit langen Wegen, wir mussten alles riskieren. Mein Pferd ist sehr sensibel und ehrgeizig. Ich bin froh, dass es heute für den Sieg gereicht hat“, freute sich der 50-Jährige. Wie ein Sieg fühlte sich hingegen der zweite Platz für Janne Friederike Meyer-Zimmermann an, die sich mit Chesmu KJ nur knapp hinter Dreher einreihen musste: „Chesmu springt immer ein bisschen höher als er muss und er weiß, was er kann. Ich bin beeindruckt, wie er die Aufgaben im Parcours gelöst hat“, strahlte die Pinnebergerin. Überglücklich war auch Mario Stevens. Mit seinem erst neunjährigen Wallach Starissa hat er offensichtlich einen Hochkaräter unter dem Sattel, der ihn auf Platz drei trug: „Er ist ein ganz besonderes Pferd. Er springt in der Halle, auf Sand, auch hier auf Gras und vor dieser Kulisse. Ich bin beeindruckt, wie er das gemacht hat.“
Rund 90.000 Zuschauer fanden nach den coronabedingten Ausfällen 2020 und 2021 den Weg in den Derby-Park – und das, obwohl das Wetter alles andere als einladend war. „Das macht mich sehr glücklich“, so Derby-Chef Volker Wulff. „Ich habe das Derby noch nie so verregnet erlebt, aber die Hamburger kommen trotzdem. Wir hatten fast genauso viele Zuschauer wie 2019, da hatten wir sehr schönes Wetter.“ Nun soll das Warten nicht wieder so lange dauern: Das nächste Deutsche Spring- und Dressur-Derby wird vom 17. bis 21. Mai 2023 stattfinden. Tickets sind ab sofort buchbar.