Gerade liegt ein Oktober mit rekordverdächtigen Wärmewerten hinter den Bewohnern in Norddeutschland. Trotzdem ist der Grünkohl von Manfred Markmann in Ruhwinkel, Kreis Plön, gerade reif für die Ernte. Grund dafür ist der Umstieg auf ‚Winnetou’ – und damit auf eine der Sorten, die dem Klimawandel im übertragenen Sinne die Zunge rausstreckt.
Manfred Markmann blickt auf sein Grünkohlfeld und greift zu einem Messer, das es von der Größe her fast mit einer Machete aufnehmen kann. „Das ist das Kartoffelschälmesser meiner Frau Marianne“, erklärt der Obst- und Gemüsebauer aus dem Ruhwinkeler Ortsteil Schönböken mit einem Augenzwinkern. Er bückt sich kurz, umfasst mit einer Hand eine Kohlstaude und schlägt das Wintergemüse mit einem Messerhieb knapp über dem Boden ab. Es ist Erntezeit für den Grünkohl – trotz der zweistelligen Plusgrade in den vergangenen Tagen.
Der für Markmann entscheidende Zeitpunkt lag aber vor der Wärmeperiode im Oktober. Da bedeckte nach einigen kühlen Nächten der erste Raureif die Grünkohlpalmen, wie der Inhaber des Erdbeerhofs Markmann die einzelnen Kohlpflanzen nennt. „Knapp über dem Gefrierpunkt reicht schon für die Ernte, richtig kalt werden darf es für die Sorte nicht, sonst geht der Grünkohl kaputt“, betont der 61-Jährige.
Bis in die 1990er Jahre säte der Inhaber des 1958 gegründeten Familienbetriebs die Sorte ‚Lerchenzunge’ aus. Diese klassische Sorte wanderte erst dann in die Kochtöpfe, wenn der erste knackige Frost übers Land zog. Seit gut 20 Jahren kommen in den Schönbökener Boden aber Setzlinge der Sorte ‚Winnetou’, die keinen Frost zur Umwandlung der kohleigenen Bitterstoffe benötigt. Im Gegenteil: ,Winnetou’ mag überhaupt keine tiefen Minusgrade. „Wenn es ordentlich friert, kann ich den Grünkohl vergessen, dann wird er matschig und ich kann ihn nicht mehr verkaufen“, sagt Markmann.
In Massen baut der Bürgermeister der Gemeinde Ruhwinkel den Grünkohl nicht an. Die Palmen bedecken rund einen halben Hektar des lehmhaltigen Bodens. Abnehmer für das norddeutsche Nationalgemüse sind vor allem Gastronomiebetriebe in der Region. Auf dem Wochenmarkt in Bad Segeberg bietet Markmann den Kohl ebenfalls an, auch im Hofladen sind die krausen Blätter zu haben – abgerippelt oder im Ganzen als gut 2 kg schwere Palme.
Die Nachfrage von Hausfrauen oder Hausmännern hat in den vergangenen Jahren aber deutlich abgenommen. Früher hat Manfred Markmann die doppelte Fläche bepflanzt. „Den Leuten reicht es offenbar, wenn sie ein oder zwei Mal im Winter zum Grünkohlessen in die Gaststätte gehen.“ Zudem nehmen die Kunden weniger Kohl mit – auch wegen neuer Koch- und Verzehrtrends. So gilt der eiweißreiche Grünkohl wegen seiner vielen Vitamine und Ballaststoffe als Superfood und findet in Smoothies oder Salaten Verwendung.
„Ich habe auch Kunden, die Chips aus Grünkohl machen, das ist tatsächlich ziemlich lecker“, erzählt der Obst- und Gemüsebauer. Er selbst bevorzugt seinen Grünkohl in der klassischen Version – gekocht im großen Topf und zubereitet mit Kochwurst, Schweinebacke und Kasseler. Dann freut er sich schon auf eine Wiederholung am nächsten Tag: „Aufgewärmt schmeckt er für mich am besten.“ Ob Manfred Markmann der einzige Landwirt mit Grünkohlanbau im Kreis Plön ist, kann er nicht sagen. Den Anbau möglich macht der Boden mit einem Lehmgehalt von bis zu 60 Punkten.
Unterstützt wird der Schönbökener Grünkohl in seiner Entwicklung durch Kalkstickstoff – dieser Dünger ist aber richtig teuer geworden. „Innerhalb kurzer Zeit hat sich der Preis verdreifacht, von 600 auf 1.800 Euro pro Tonne“, berichtet Markmann. Große Auswirkungen auf den Verkaufspreis hat der enorme Preissprung aber bislang nicht: Das Kilo küchenfertig gerupfter Grünkohl kostet jetzt 3,50 € – 20 ct mehr als in der vergangenen Saison. Wer selbst abrippeln möchte, kann auch eine ganze Palme erwerben, der Kilopreis liegt dafür niedriger.
Wie bei den Markmanns wird der in Schleswig-Holstein angebaute Grünkohl zum größten Teil direkt vermarktet. Anders als beim Weißkohl gibt es für den Anbau jedoch keine Schwerpunktregion. Grünkohl ist eine Nischenkultur, im vergangenen Jahr wurde er lediglich auf 50,9 ha angebaut. Aber immerhin hat sich die Anbaufläche gegenüber 2020 verdoppelt. Die Erntemenge lag bei 804 t, die Erträge können aber von Jahr zu Jahr stark variieren. Dieses Jahr hat der Grünkohl nach Angaben der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein unter der trockenen Witterung gelitten. Der zu erwartende Ertrag wird nach Schätzungen der Kammer wohl unter dem Durchschnitt liegen. Die Qualitäten sind aber trotzdem gut.