Der neue Präsident des Bauernverbandes Schleswig-Holstein (BVSH) ist bereit, die Ärmel hochzukrempeln und nach Lösungen zu suchen. Das Verhältnis zur Politik muss sich für Klaus-Peter Lucht auf Augenhöhe abspielen und die Wirtschaftlichkeit der Betriebe muss im Blick bleiben.
Was sagen Sie zum Wahlergebnis?
Klaus-Peter Lucht: Der erste Gedanke war, dass wir den Schwebezustand des Verbandes endlich beendet haben durch die satzungsgemäße Wahl, dass alle Positionen wiederbesetzt und wir voll handlungsfähig sind und unsere politische Arbeit angehen können. Über das Wahlergebnis habe mich sehr gefreut, auch wenn ein paar Gegenstimmen dabei waren. Das gehört zur Demokratie dazu. Es ist mein Ansporn, auch diejenigen zu überzeugen, dafür werde ich alles tun.
Wie ist Ihre aktuelle Wahrnehmung zur Verfassung und Stimmung in der Landwirtschaft in Schleswig-Holstein?
Grundsätzlich kann man sagen, dass bis auf die Schweinehaltung eine gute Preissituation am Markt herrscht und das dies vielleicht dazu beiträgt, dass die Stimmung tendenziell besser ist als im vorigen Jahr zu dieser Zeit. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass wir in Europa einen Krieg vor der Tür haben, in dem entsetzliches Leid geschieht und dass es dabei auch um Landwirtschaft und Ernährungssicherheit geht. Das Klima und die aktuelle Wetterlage zeigen uns gravierende Veränderungen, die uns Landwirte enorm beschäftigen und noch mehr Einfluss auf unsere Wirtschaftsweise nehmen werden. Das lässt niemanden unberührt. Auf den Betrieben mag das auch dazu führen, dass betriebliche Entscheidungen, die anstehen, vielleicht vertagt werden aus Vorsicht oder Unsicherheit.
Mit fällt vor allem auf, dass sich viele Landwirtinnen und Landwirte sehr bedrängt und in die Ecke gedrückt fühlen allein durch die Formulierung „Transformation in der Landwirtschaft”. Man könnte es auch „Agrarwende” nennen. Wir dürfen uns nicht an einem Begriff festbeißen, aber wir müssen die Zeit nutzen, um zu zeigen, wie modern, effizient und leistungsfähig unsere Landwirtschaft und unsere Wirtschaftsweise sind, um die Anforderungen bestens zu erfüllen, die von Natur und Gesellschaft an uns gestellt werden. Dafür brauchen die Bäuerinnen und Bauern allerdings eine positivere Wahrnehmung des Berufsstandes und ein gutes Selbstwertgefühl, um ihre Leistungen gegenüber der Gesellschaft überzeugend zu vertreten. Dabei will ich gerne mithelfen, auch gegenüber anderen Verbänden und der Politik.
Umwelt- und Landwirtschaftsministerium wurden entgegen der Forderung des Verbandes nach der Landtagswahl getrennt und mit einem Grünen- und einem CDU-Minister besetzt. Welche Herausforderungen sehen Sie durch diese Situation für den BVSH und Ihre Arbeit?
Es war immer unser Ziel als Bauernverband, Landwirtschaft und Umwelt in einem Ministerium unter CDU-Führung zusammenzuhalten, weil wir glauben, dass dann die ökonomischen Belange der Betriebe eine stärkere Berücksichtigung finden. Ich sehe eine große Herausforderung darin, die Gemengelage zwischen Klimaschutz, Biodiversität und Lebensmittelproduktion so in einen Gleichklang zu bringen, dass die Wirtschaftlichkeit der Betriebe im Vordergrund bleibt und wir gleichzeitig weiter unseren Teil dazu beitragen, sinnvolle Klimaschutzmaßnahmen anzuwenden. Dabei gehören Klimaschutz und Biodiversität in das Produktionsprofil der Landwirtschaft und müssen als marktfähige Leistung angemessen honoriert werden.
Wo sehen Sie Auseinandersetzungen auf sich und den Bauernverband zukommen durch die Teilung des Ministeriums?
Die Gefahr sehe ich eigentlich gar nicht. Wir haben eine ganz klare Trennung der Arbeitsbereiche, die beim Landwirtschaftsministerium und die beim Umweltministerium untergebracht sind. Wir werden versuchen, mit beiden Ministern gute Kontakte zu pflegen, aber wir werden auch versuchen, unsere berechtigten Anliegen so weit wie möglich durchzusetzen. Das ist die Aufgabe eines Wirtschaftsverbandes.
Haben Sie schon eine Vorstellung, welche Hebel Sie ansetzen wollen?
Wir suchen den Kontakt auf Augenhöhe mit den Ministerien und setzen auf praxisnahe Lösungen. So liegt das Thema Gewässerrandsteifen, das die Landwirtinnen und Landwirte in Schleswig-Holstein in einem starken Maße betrifft, eindeutig beim Umweltministerium. Wir werden Minister Tobias Goldschmidt (Grüne) die Situation demonstrieren und auf die Flächen fahren, in die Kreise mit hoher Gewässerdichte, um pragmatische Lösungen zu finden. So liegt ein Teil der Lösung bereits in der technischen Ausstattung, in steuerbaren Ausbringungssystemen, die Abdrift und Einträge in Gewässer verhindern. Der Einsatz dieser Technik wird auch durch Förderprogramme unterstützt. Uns ist wichtig, die produktiven Flächen in der Bewirtschaftung zu halten.
Was ist Ihnen ein besonderes Anliegen für die Weiterentwicklung des Bauernverbandes?
Für mich ist wichtig, dass bei den regulären Verbandswahlen, die von Oktober bis in den Januar stattfinden werden, viele motivierte neue Kandidatinnen und Kandidaten für das Ehrenamt bereitstehen. Ich wünsche mir, dass wir erheblich mehr Frauen motivieren können als bisher, im Ehrenamt Verantwortung im Verband zu übernehmen. Dabei geht es nicht um „jünger und weiblicher”, sondern darum, dass Menschen bereit sind, gleich welches Alters, sich im Verband politisch zu engagieren für ihre Betriebe, für den ländlichen Raum, dass sie den Austausch suchen und vieles weiterentwickeln wollen. Unsere Betriebsleiterinnen und Betriebsleiter sind sehr gut ausgebildet. Deshalb ist es mir so wichtig, dass wir in stark besetzten Teams mit engagierten Frauen und Männern zusammenarbeiten. Immer mehr Frauen sind Betriebsleiterinnen, deshalb ist mir die Mitarbeit von Frauen im Verband besonders wichtig, um auch die weibliche Sicht im Verband zu berücksichtigen. Das würde dem Verband guttun.
Was wünschen Sie sich von den Bäuerinnen und Bauern in Schleswig-Holstein?
Von den Bäuerinnen und Bauern wünsche ich mir, dass sie offen und ehrlich mit dem Verband und mir umgehen und sagen, wo ihre Wünsche und Nöte sind, und dass sie mit uns in einen offenen Dialog treten. Ich bin jemand, der immer Lösungen sucht, dafür bin ich Unternehmer geworden. Dazu will ich anregen und optimistisch nach Lösungen suchen.