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Orgelbau kann starten

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„Das ist ein großer Tag für uns, ein Meilenstein in der Geschichte der Marienkirche“, begrüßte Dr. Kirsten Geißler vom Vorstandsteam des Fördervereins Marienkirche in Bad Segeberg die Gäste, die sich zur feierlichen Unterzeichnung des Orgelbauvertrages in St. Marien versammelt hatten. Der 2016 gegründete Verein hat es in sechs Jahren geschafft, die Sanierung der Segeberger Marienkirche und den Neubau der Orgel im Gesamtvolumen von rund 3 Mio. € zu sichern.

Zunächst mussten in der Kirche in zwei Bauabschnitten Mauerwerksprobleme und Feuchtigkeitsschäden beseitigt werden, auch das Gestühl wurde erneuert, sodass es wieder einen Mittelgang gibt, die Elektrik war desolat und auch an manchem anderen hatte der Zahn der Zeit in den vergangenen 800 Jahren bös genagt.

Erst nach diesen Vorbereitungen konnte man an eine neue Orgel denken, denn das alte Exemplar stammte ursprünglich aus dem 19. Jahrhundert und war dann in den 1920er und 1930er Jahren mit zusammengesuchten Teilen aus zwei anderen Orgeln mehr schlecht als recht repariert worden. Schon vor Jahren war sie unspielbar und ist daher abmontiert worden, die beiden Kirchenmusiker Andreas Maurer-Büntjen und Fabio Paiano mussten sich seitdem mit einer mobilen Kleinorgel begnügen. Nachdem im Mai 2022 durch den fundierten Förderantrag EU-Geldmittel in Höhe von 799.523,05 € über die AktivRegion Holsteins Herz zugesagt wurden und im November letzten Jahres weitere 120.000 € für die Sanierung des Turmraumes aus dem Kulturmittelfonds der Bundesregierung dazukamen, konnte die europaweite Ausschreibung für eine neue Orgel mit etlichen Besichtigungsreisen zu Referenzobjekten fortgesetzt werden. „Wir haben uns gefühlt wie eine Frau im Schuhladen“, findet Kirsten Geißler. In Konstanz fand man dann eine Winterhalter-Orgel, die unter ähnlichen Bedingungen wie in Bad Segeberg eingebaut war. „Das wäre toll, wenn wir so etwas bekommen könnten“, meinte Kirsten Geißler und Andreas Maurer-Büntje ergänzte: „Ich habe schon auf vielen Orgeln gespielt, aber das war einfach die Stradivari unter den Orgeln.“

Kirchenmusikdirektor Andreas Maurer-Büntjen (li.) und Claudius Winterhalter zeigen, wie die fertig gebaute Orgel einmal aussehen soll. 2025 könnten die ersten Töne erklingen.

Claudius Winterhalter aus dem Dorf Oberharmersbach im Schwarzwald hatte den Orgelbaubetrieb 1980 von seinem Vater Franz übernommen und seitdem mit seinen rund zehn Mitarbeitern 100 Orgeln neu gebaut und weitere 50 renoviert. Er setzt auf Traditionelles, benutzt aber auch Karbon-Stäbe und andere Hightech-Materialien. Wie auch Hans-Martin Petersen, Kirchenmusikdirektor und Orgelsachverständiger der Nordkirche, erklärte, arbeitet er an jeder Einzelnen der 3.278 Orgelpfeifen so lange, bis es einen tollen Gesamtklang ergibt. Mit vier Monaten Planungszeit für die Segeberger Orgel rechnet Winterhalter, zumal die Orgel nicht wie üblich vor einer Rückwand steht, sondern von vorn und hinten betrachtet werden kann. So müssten dann die Pfeifen ganz anders ausgerichtet werden als normalerweise. Auch plant er für die höheren Töne liegende statt stehender Pfeifen, alle aus verschiedenen Zinn-Blei-Gemischen einzeln gegossen und gewalzt. Für die großen, bis zu 7 m langen Basspfeifen verwendet er 20 Jahre lang abgelagertes Eichenholz. „Das ist auch ein regionaler Unterschied“, erklärt er, „im Norden verwendet man traditionell Eiche, im Süden Deutschlands eher Kiefer dafür.“

Er findet, dass die Marienkirche hervorragende Voraussetzungen durch die Montage auf einer Art Emporenbrücke im Kirchenschiff bietet, und freut sich schon auf das Einweihungskonzert. „Die alte Orgel wog rund 17 Tonnen, meine neue wird mit rund zehn Tonnen etwas leichter“, schätzt er. Lieferprobleme zum Beispiel durch den Ukraine-Krieg sieht er nicht, er könne sich auf langfristige Lieferanten verlassen. – Nur der Preis für das Eichenholz hat sich im letzten Jahr verdoppelt. Gedanken macht er sich noch über die Bekrönung des Pfeifenfeldes auf beiden Seiten der Orgel. Traditionell wird über den Pfeifen ein goldfarbenes Schmuckornament angebracht. Hier denkt er an vier Metallbögen, die in unterschiedlichen Höhen den Namen „Bach“ symbolisieren. Erkennbar wohl nur dem, der Noten lesen kann.

Wie Kirsten Geißler nach der Unterschrift unter den Orgelbauvertrag erläuterte, wird nun unmittelbar nach Ostern mit dem Bau begonnen. Die Eingangshalle wird freigelegt, dadurch ein freier Blick vom Haupteingang nach oben geschaffen, im Kirchenschiff dahinter eine Brücke eingebaut, auf der dann später die Orgel stehen wird. Mit dem Einweihungskonzert rechnet man derzeit für das Osterfest 2025. Auch dafür hat Kirchenmusikdirektor Andreas Maurer-Büntjen schon Ideen: „Wir wollen nicht auswürfeln, wer von uns das erste öffentliche Konzert auf der Orgel geben darf, sondern eine Veranstaltung machen, auf der jeder nacheinander die Möglichkeiten der neuen Orgel präsentiert.“ So würde Fabio Paiano möglicherweise Popularmusik bieten, er selbst eher Bach spielen. „Ich freue mich schon auf dieses Einweihungskonzert“, sagte Orgelbauer Claudius Winterhalter, denn er findet es mit knapp 70 Jahren immer noch toll, wenn die Ergebnisse seiner Arbeit für viele Jahrzehnte die Zuhörer begeistern. 

Meisterin des feinen Porzellans

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„Porzellan ist mehr als nur ein Material. Porzellan ist Leidenschaft“, sagt Diplom-Designerin Daniela Abendroth. In ihrer kleinen Porzellanmanufaktur im Herzen Kiels entstehen nach eigenem Design in liebevoller Handarbeit Schmuckstücke, Wohnaccessoires und Geschirr aus lichtdurchlässigem, dünnwandigem Porzellan. Handwerkskunst, die nicht nur schön aussieht, sondern auch alltagstauglich ist.

In ihrer Werkstatt stehen an diesem Sonnabendmorgen diverse Utensilien auf dem Tisch bereit: drei Drehscheiben, drei Gipsformen, drei Stoppuhren. „Heute möchte ich weiße Mini-Vasen und Ringschälchen gießen“, verrät die gebürtige Berlinerin. In einem Bottich hat sie dafür aus Wasser und Porzellanpulver, das aus Kaolin, Feldspat und Quarz besteht, eine Gießmasse angerührt und anschließend durchgesiebt. „Damit die Masse so cremig und fein wie möglich wird“, bemerkt sie. In ihre selbst gefertigten Gipsformen gießt sie nun die Flüssigkeit hinein. Sie stellt die Stoppuhren an und wartet 4 min, bis die Masse anzieht, um danach zügig den Überschuss in einen Eimer zurückzugießen. Nach etwas mehr als einer Stunde öffnet sie behutsam die zweiteiligen Formen, die sie zuvor mit einem Gummiband fixiert hatte. Heraus kommen drei weiche Vasen-Rohlinge. Daniela Abendroth stellt sie vorsichtig für einige Tage zum Trocknen auf ein Regal. Später wird sie die Gießnähte versäubern und die Werkstücke für den Schrühbrand bei 920 °C in den Brennofen stellen. „In diesem ersten Brand werden aus den getrockneten Formlingen Restfeuchte, kristallgebundenes Wasser sowie organische Bestandteile gelöst und verbrannt. Hierdurch verfestigen sie sich und verwandeln sich in einen stabileren Zustand, in sogenannte Scherben“, erklärt sie.

Die angerührte Porzellanmasse gießt Daniela Abend­roth in die bereitgestellten Vasenformen.

Ist der Schrühbrand beendet und die Werkstücke sind ausgekühlt, erhalten sie eine transparente Glasur. Im nun folgenden Glattbrand bei 1.280 °C schmilzt diese auf den Scherben aus und bildet eine glasartige Oberfläche. Nach dem Brennen werden die Vasen 15 % ihrer Masse verloren haben und deshalb kleiner als der ursprüngliche Rohling sein. Ist der insgesamt mehrtägige Brennprozess abgeschlossen, schleift und glättet Daniela Abendroth in einem letzten Arbeitsschritt die Vasenböden. Fertig! Da sie keine Massenware produziert, sollten Kunden einige Wochen Wartezeit für ein individuell angefertigtes Stück einplanen. Dafür wird es mit viel Liebe, Herz und Perfektion hergestellt. „Geradlinig, reduziert in der Formensprache, zeitlos, skandinavisch, funktional“, so bezeichnet die 39-Jährige ihren unverwechselbaren Stil, für den sie 2009 mit dem Lilienthal-Designförderpreis ausgezeichnet wurde. Dies ist ein Förderpreis des Landes Mecklenburg-Vorpommern, der Hochschule Wismar und des DesignZentrums Mecklenburg-Vorpommern für Absolventen des Fachbereichs Design.

Neben weißem Porzellan stellt die Mutter einer Tochter auch farbiges in Pastelltönen her oder kombiniert weißes mit farbigem Porzellan. Dazu gibt sie Farbpigmente in die Gießmasse. Die gängigen Farben Lila, Gelb, Koralle, Rosa oder Türkis stehen stets fertig angerührt bereit. Gestaltet sie ein Windlicht, ein Leuchtobjekt oder eine Schale, legt sie am weichen Rohling gern einen zusätzlichen Arbeitsgang ein: Mit Bohrern, Skalpellen, Nadeln, Besteck aus der Patisserie und Pinzetten schneidet oder ritzt sie filigrane Muster hinein. Namen, Sprüche, Hochzeits- oder Geburtstagsdaten kann sie auf Wunsch ebenfalls daraufstempeln und so ganz persönliche Erinnerungsstücke schaffen.

Nach zirka einer Stunde kann die Künstlerin die Formen öffnen und die weichen Rohlinge entnehmen.

„Ich entwickle mich jeden Tag weiter und versuche, das Material Porzellan immer wieder neu zu entdecken und herauszufordern. Es ist ein Teil von mir, mein Leben“, so die Künstlerin. Wenn es die Zeit erlaubt, experimentiert sie und formt Skulpturen nach eigenem Entwurf. Eine Auswahl ist im Schaufenster in Szene gesetzt. Wie sie zum Porzellan kam? Daniela Abendroth lächelt verschmitzt: „Das war Liebe auf den ersten Blick!“ Und die begann nach dem Abitur während ihres Produktdesignstudiums in Wismar. „Da absolvierte ich ein Praktikum bei einer Porzellandesignerin und ein Praxissemester in einer Wiener Porzellanmanufaktur. Ich wusste sofort: Einzigartige Dinge aus Porzellan zu kreieren, das ist es, was ich machen will.“ Nach dem Diplom 2009 schrieb sie zwei Jahre später an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle ihre Master-Thesis. Anschließend zog sie nach Kiel um – der Liebe wegen. Ihr Partner Hannes, Leistungssportler im Segeln und Schiffsbauingenieur, lebte schon dort. „2011 machte ich mich als Designerin selbstständig und gründete mein eigenes Label ‚abendroth-porzellan‘. 2012 kam unsere Tochter Matilda zur Welt“, so Daniela Abend­roth. In der Werkstatt im Knooper Weg 109 ist sie seit sechs Jahren. Hier können Besucher der Künstlerin bei der Arbeit über die Schulter schauen und im angeschlossenen Lädchen stöbern. Interessierte, die selbst kreativ werden wollen, lernen unter ihrer Anleitung in Workshops das Gießen von Gefäßen oder das Gestalten eines Schmuckanhängers. „Bei all meinen Aktivitäten ist es praktisch, dass wir über der Werkstatt unsere Wohnung haben. So sind die Wege kurz, und ich kann Beruf und Familie gut miteinander vereinbaren“, freut sie sich. Beim Werkstattrundgang merkt die Künstlerin beiläufig an, dass sie eine Fachbibliothek rund ums Porzellan besitze, aus der sie immer wieder Inspiration und Wissen ziehe. Spontan taucht sie in die spannende Historie des weißen Goldes ein, wie das Material auch genannt wird. „Porzellan wurde erstmals im Jahr 620 in China hergestellt. Doch die Hersteller hielten die Materialzusammensetzung und die Herstellungsmethode geheim“, weiß sie zu berichten.

Daniela Abendroth verziert ihre Werkstücke gern mit filigranen Mustern. Dafür nutzt sie unterschiedliche Bohrer und Skalpelle.

Erst um 1300 fand das chinesische Porzellan durch den Weltreisenden, Händler und Abenteurer Marco Polo (1254-1324) seinen Weg nach Europa. Ab dem 17. Jahrhundert – einige Quellen nennen schon das 16. Jahrhundert – wurde es in größeren Stückzahlen über See- und Handelswege nach Europa importiert. Hier erfreute es sich besonders in Königs- und Fürstenhäusern großer Beliebtheit. Es avancierte zum teuren Statussymbol.

Doch wie man es herstellte, blieb weiterhin ein Mysterium. Dann kam August der Starke (1670-1733), sächsischer Kurfürst und polnischer König. Er war ein großer Porzellanliebhaber und beauftragte den Alchimisten Johann Friedrich Böttger und den Naturforscher und Physiker Ehrenfried Walther von Tschirnhaus, Licht ins Dunkel zu bringen. Ihnen wurden der Bergrat Gottfried Pabst von Ohain und fachkundige Berg- und Hüttenleute zur Seite gestellt. Nach unzähligen Versuchsreihen gelang es den Männern tatsächlich, das Herstellungsgeheimnis zu entschlüsseln und das Porzellan quasi zum zweiten Mal zu erfinden. Sie stellten 1708 den ersten Gegenstand aus weißem Porzellan auf der Albrechtsburg in Meißen her. Diese gilt heute als die Geburtsstätte des europäischen Porzellans. 1710 wurde hier zudem die erste deutsche Produktionsstätte unter dem Namen „Königlich-Polnische und Kurfürstlich-Sächsische Porzellan-Manufaktur“ gegründet. Meißen! Bis heute assoziiert man in aller Welt diesen Ort im Freistaat Sachsen mit kostbarem und schönem Porzellan.

Auch wenn einige Menschen meinen, das einstige Statussymbol habe mittlerweile ein angestaubtes Image und merklich an Strahlkraft eingebüßt, hält Daniela Abendroth voller Überzeugung dagegen. Über die Jahre hinweg hat sie sich einen treuen Kundenstamm aufgebaut, der den Wert ihrer handgefertigten Produkte im modernen Design zu erkennen und zu schätzen weiß. „Aber meine Kunden entscheiden sich meist nicht mehr für ein komplettes Porzellangeschirr für zwölf Personen, sondern bringen lieber mit ein, zwei ausdrucksstarken Vasen, Bechern und Kerzenhaltern frischen Wind auf den Tisch, oder sie gönnen sich ein besonderes Einzelstück“, beobachtet sie. Auch weiterhin wird die Designerin deshalb mit Freude in ihrer Werkstatt stehen und feine Dinge kreieren, um die Faszination des weißen Goldes in viele Wohnräume zu bringen. Weitere Infos unter abendroth-
porzellan.de

Die fertigen Stücke sind vielseitig im Haushalt einsetzbar und sehen dabei auch noch hübsch und dekorativ aus. 

Teresa Bücker zu Gast in Nordfriesland

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Zu einer digitalen Lesung ist die Journalistin, Autorin und Bloggerin Teresa Bücker am Donnerstag, 9. Februar, um 19 Uhr in Nordfriesland zu Gast. Bücker schreibt aus einer feministischen Perspektive zu gesellschaftlichen Themen der Gegenwart und wird ihr neues Buch „Alle Zeit“ vorstellen. „Menschen sind unterschiedlich zeitarm und unterschiedlich zeitsouverän, und das nicht zufällig, sondern als Ergebnis gesellschaftlicher Machtstrukturen. Zeitgerechtigkeit ist keine Luxusfrage, sondern eine Frage demokratischer Rechte. Zeitgerechtigkeit kann das Leben vieler Menschen verbessern und unsere Gesellschaft krisenfester, solidarischer und freier machen. Sie legt den Grundstein für eine Politik, die den Planeten erhalten kann“, schreibt Teresa Bücker im Vorwort ihres neuen Buchs. Angeboten wird die Veranstaltung vom KreislandFrauenverband Nordfriesland in Kooperation mit den Gleichstellungsbeauftragten der Ämter Südtondern und Mittleres Nordfriesland sowie der Stadt Husum. Anmeldung bis 6. Februar im Sekretariat des Christian-Jensen-Kollegs, Tel.: 0 46 71-602 99 20.

„In jeden Vorstand gehört eine Frau“

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Unternehmerinnen in der Landwirtschaft sollen in den Gremien der berufsständischen Vertretungen künftig noch präsenter werden. „In jeden Vorstand, in jedes Gremium gehört mindestens eine Frau“, betonte die Vizepräsidentin des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Susanne Schulze ­Bockeloh, beim Unternehmerinnenforum des DBV auf der Internationalen Grünen Woche.

„Bilder von Vorständen, die nur aus Herren bestehen, sind Bilder von gestern“, sagte Susanne Schulze Bockeloh, DBV-Vizepräsidentin und Vorsitzende des DBV-Unternehmerinnenausschusses. In einigen Landesbauernverbänden gebe es mittlerweile ebenfalls Fachausschüsse für Unternehmerinnen, aber dies sei noch nicht durchgängig. Jeder könne einen Gründungsantrag für einen solchen Fachausschuss stellen. Wer heute keinen Fachausschuss für Frauen gründe, sei nach den Worten von Schulze Bockeloh „für die Zukunft nicht da“.

DBV-Präsident Joachim Rukwied bekräftigte den Wunsch, dass weitere Landesverbände Fachausschüsse für Unternehmerinnen gründen sollten. Die Landwirtschaft werde weiblicher, und die Expertise der Frauen müsse in den Verbänden stärker eingebracht werden, argumentierte Rukwied. Er hatte sich bereits früher dafür eingesetzt, den Bauernverband „jünger und weiblicher“ zu machen, und gilt als Treiber für die Einrichtung des neuen Fachausschusses.

Die frauenpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Nicole Bauer, betonte, es müsse selbstverständlich werden, dass Männer und Frauen gemeinsam im Verband Verantwortung übernähmen. Der DBV-Fachausschuss Unternehmerinnen in der Landwirtschaft ist im Mai 2022 gegründet worden. Schulze Bockeloh fasste die drei Hauptaufgaben zusammen: „Das Netzwerk untereinander ausbauen, Frauen zu stärken und ihre agrarpolitischen Themen voranzubringen.“ age

Antwort auf Wertewandel

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Der Deutsche Bauernverband (DBV) will das von einer Arbeitsgruppe entwickelte Konzept des „Zukunftsbauern“ in die ­Fläche tragen und mit diesem ­Landwirtinnen und Landwirten eine ­Perspektive geben.

Das Konzept Zukunftsbauer basiert auf einer Studie der Agentur Rheingold Salon und ihres Ge-schäftsführers Jens Lönneker sowie dem Abschlussbericht der Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) und wurde erstmals beim Bauerntag in Lübeck 2022 vorgestellt. Kernpunkte sind ein verändertes Selbstverständnis, das dem Wandel des Landwirts vom Ernährer zum Dienstleister Rechnung trägt, sowie ein neues Rollenverständnis. Das sieht eine Abkehr von der bisherigen Opferrolle des Landwirts vor, der sich wachsender Kritik und immer höheren Anforderungen gegenübersieht. Stattdessen sollen vielmehr die aktiven Beiträge der Landwirtschaft zur Lösung von Problemen und zur Zukunftsgestaltung in den Vordergrund rücken. Darauf aufbauend soll eine veränderte Kommunikationsstrategie des Berufsstandes in der Öffentlichkeit entwickelt werden. DBV-Vizepräsidentin Susanne Schulze Bockeloh rief beim Fachforum im Rahmen der Internationalen Grünen Woche (IGW) ebenso wie Verbandspräsident Joachim Rukwied die Landesbauernverbände dazu auf, die Diskussion über den Zukunftsbauern aktiv zu führen und mit Leben zu füllen.

Rukwied unterstrich die Entschlossenheit des Verbandes, sich auch selbstkritisch aktuellen Herausforderungen zu stellen: „Wir wollen und müssen vor dem Hintergrund eines tiefgreifenden Wertewandels in unserer Gesellschaft neue Antworten finden.“ Dazu gehöre es, das eigene Selbst- und Rollenverständnis in der Gesellschaft zu thematisieren und die Kommunikation zu stärken.

Auf längere Sicht müsse sich auch die Politik zum Zukunftsbauern bekennen: „Die Bäuerinnen und Bauern der Zukunft werden weiterhin ihrer zentralen Rolle als Erzeuger von Nahrungsmitteln gerecht werden, immer stärker aber auch als Energiewirte arbeiten und ihr Einkommen als Schützer der Artenvielfalt erzielen“, erläuterte Rukwied.

„Beim Zukunftsbauern geht es darum, dass jeder für sich und der Berufsstand gemeinsam neue Wege findet, um Veränderungen mitzugestalten und für sich als Chance zu nutzen“, sagte das Mitglied der DBV-Arbeitsgruppe Zukunftsbauer, Claus Hartmann, Landwirt aus Niedersachsen. Nach Auffassung der sächsischen Landwirtin Ines Wendt darf und soll das traditionelle Bild des Landwirts als Ernährer der Bevölkerung weitergelebt werden. Es werde jedoch nicht mehr das alleinige bleiben. „Der Zukunftsbauer ist eine Haltung und hat kein bestimmtes Geschlecht oder Alter“, betonte Wendt.

Um die in Teilen der Gesellschaft existierenden negativen Bilder über Landwirtschaft zu entkräften und mittelfristig durch positive Bilder zu ersetzen, empfahl der Psychologe Lönneker der Branche eine neue Kommunikation. Diese solle die Beiträge der Landwirtschaft zur Lösung gesamtgesellschaftlich relevanter Themen wie Tierwohl, Klimawandel und biologische Artenvielfalt aufgreifen. Lönneker gab allerdings zu bedenken, dass hierfür deutlich größere Ressourcen benötigt würden als die Branche gegenwärtig aufbringe. age

Hohe Preise und schwache Politik

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Im Rahmen der Grünen Woche fand der Nordwestdeutsche Milchtreff als Branchentreffen der Landesvereinigungen der Milchwirtschaft Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein in diesem Jahr wieder live statt, in der Vertretung des Landes Nordrhein-Westfalen beim Bund in Berlin. Mit einem Blick ins Nachbarland Niederlande wurde die Zukunft der Milchwirtschaft im Spannungsfeld zwischen Natur-, Klimaschutz und ausreichender Wertschöpfung diskutiert. Der Milchindustrie-Verband (MIV) erläuterte die positive Umsatzentwicklung und gleichzeitig verlustträchtige Kostensituation für einige Milchverarbeiter.

In seinem Impulsvortrag skizzierte Erwin Wunnekink, Vorsitzender Fachbereich Milchwirtschaft der Bauernvertretung LTO Nederland, die aktuelle Entwicklung in den Niederlanden. Auch wenn die Ausgangslage, was zum Beispiel den Viehbesatz pro Fläche betrifft, die Niederlande vor noch größere Herausforderungen als Deutschland stelle, seien die Rahmenbedingungen durch die europäische Gesetzgebung mit den Klima- und Naturschutzzielen in Sachen CO2-Reduzierung und Stickstoffminimierung, die bis 2030 erreicht werden sollen, dieselben, so Wunnekink.

Landwirte finden Gehör in Den Haag

Bei den Lösungsansätzen ist das Nachbarland nach den massiven Protesten der Landwirte gegen Pläne der Regierung im vergangenen Sommer jedoch weiter: „Wir haben viel Diesel verbrannt auf den Fahrten nach Den Haag. Aber wir haben erreicht, dass wir gehört werden. Wir können jetzt gemeinsam mit der Politik Schritte nach vorn gehen und die Annäherung kann gelingen“, war sich Wunnekink sicher. „Technische Innovationen sind ein Schlüssel, der helfen wird, zum Beispiel die Stickstoffemissionen zu senken“, betonte der Branchenvertreter, der selbst einen Milchviehbetrieb in der niederländischen Provinz Gelderland nahe der deutschen Grenze bewirtschaftet. Wunnekink sieht die enormen Aufgaben, vor denen die Milchwirtschaft steht, als lösbar an, jedoch nur, wenn alle Akteure gemeinsam auf das Ziel hinarbeiten. Die Branche, die Milchviehhalter, Politik und Gesellschaft müssen für ihn „eine neue Wertschöpfung“ erreichen, bei der die Erzeugung hochwertiger Lebensmittel und eine gesunde Umwelt im Einklang stünden.

„Wir müssen in Lösungen denken und uns nach vorn entwickeln“, betonte Karsten Schmal, Vizepräsident des Deutschen Bauernverbandes. Er beobachtet aktuell in Deutschland eher einen Konfrontationskurs der Politik. „Es kann nicht sein, dass ausgerechnet die Betriebe, die wirtschaftlich zukunftsfähig sind, durch neue Pläne zu Förderrichtlinien vonseiten des Bundesministeriums in ihrer Existenz bedroht werden“, unterstrich Schmal.

Dass der Ton zwischen den Berufsverbänden und der Politik rauer werde, betonte Klaus-Peter Lucht, Präsident des Bauernverbandes Schleswig-Holstein. Nachdem die Landwirtschaft ihre Ideen geliefert habe, herrsche jetzt Stillstand und die Politik sitze die Entwicklung aus. Lucht legte dar, dass man in Schleswig-Holstein den Weg gegangen sei, Verbündete unter den Naturschutzorganisationen zu suchen. Er machte auf die Situation aufmerksam, dass der gesamte ländliche Raum von Veränderungen betroffen sei, wenn die Landwirtschaft eingestellt werde. „Wenn Betriebe stillgelegt werden, dann sterben die Dörfer“, so Lucht.

MIV meldet Rekordpreise und -umsatz am Milchmarkt

Die Preise am Milchmarkt sind für Erzeuger und Verbraucher im vergangenen Jahr auf Rekordniveau gestiegen, doch besteht jetzt ein Rückschlagpotenzial. Wie der Milchindustrie-Verband (MIV) bei seiner Veranstaltung am Dienstag voriger Woche in Berlin berichtete, ist die Rohmilchproduktion hierzulande – aber auch bei internationalen Wettbewerbern – wegen der hohen Erzeugerpreise wieder deutlicher gestiegen. Dies habe bei verhaltener Nachfrage in Inflationszeiten bereits zu Preisrückgängen für Milchprodukte am Weltmarkt und im Großhandel geführt. „Dies wird Konsequenzen für die Rohmilchpreise haben, die im Laufe von 2023 nachgeben werden“, so der MIV-Vorsitzende Peter Stahl. Stahl wies auch auf stark gestiegene Kosten der Meiereien hin, vor allem für die Energie, sodass viele Unternehmen laut MIV dennoch rote Zahlen schrieben. Die Milchanlieferungen blieben lange Zeit unter der Vorjahreslinie, nahmen jedoch in den letzten Monaten von 2022 spürbar zu, sodass insgesamt mit fast 32 Mio. t Rohmilch nahezu ebenso viel verarbeitet werden konnte wie 2021.

MIV-Hauptgeschäftsführer Eckhard Heuser erwartet für 2023 ein Jahr der Regulierungen. Themen seien die Verpackungsverordnung, das Lieferkettensorgfaltspflich­tengesetz oder das Hinweisgeberschutzgesetz. „Wir geraten stark in den Sog überbordender Bürokratieanforderungen“, befürchtet Heuser.

Kein Zugang zum Ministerbüro

Der MIV-Hauptgeschäftsführer bemängelte die nicht vorhandene Kommunikation mit Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne). Es habe bisher noch kein „Milchgespräch gegeben – das Ministerbüro ist verschlossen“, beklagte Heuser. Kontakt gebe es nur auf Arbeitsebene.

Die hohe Inflation und geringere Kaufkraft hätten 2022 auch auf den Absatz von Milchprodukten gedrückt, wobei Mehrwert- und Bioprodukte besonders gelitten hätten, so Stahl. Zum geringeren Verkauf von Biomilch habe auch beigetragen, dass der Handel zwischenzeitlich die Preise für die Ökomilch stark angehoben habe, um seine Handelsspanne aufzubessern. Einzelne Meiereien hätten aufgrund der rückläufigen Nachfrage die Biomilcherzeuger sogar aufgerufen, die Produktion zu drosseln. Heuser merkte an, dass der Biomarkt momentan „im schweren Fahrwasser ist, aber nach der Krise zurückkommen wird“. pm/age/mbw

Reine Ackerbaubetriebe nun auch bilanzpflichtig

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Die ­Stoffstrombilanzverordnung (StoffBilV) wurde mit dem Ziel, Nährstoffflüsse in landwirtschaftlichen Betrieben transparenter zu machen, im Jahr 2017 eingeführt. Bislang waren viehintensive Betriebe, Betriebe, die Wirtschaftsdünger aufnehmen, sowie Betreiber von Biogasanlagen in der Regel verpflichtet, eine Stoffstrombilanz zu erstellen. Seit dem neuen Jahr sind nun auch die meisten Ackerbaubetriebe bilanzpflichtig.

Angelehnt an die bekannte Hoftorbilanz werden in der Stoffstrombilanz dem Betrieb zugeführte Mengen an Stickstoff und Phosphat den abgegebenen Nährstoffmengen gegenübergestellt und schlussfolgernd ein Betriebssaldo gebildet. Für Stickstoff darf dieser Saldo derzeit noch einen maximalen N-Überschuss von 175 kg N/ ha (brutto) im dreijährigen Mittel aufweisen. Für Phosphat ist in der bestehenden Verordnung bislang kein rechtlich bindender Überschusssaldo definiert.

Änderungen seit Januar 2023

Seit dem 1. Januar 2023 haben sich die Schwellenwerte für die verpflichtende Stoffstrombilanz verschoben. Nun sind Betriebe bereits ab einer Größe von mehr als 20 ha und ab einem Viehbesatz von über 50 GVE (Großvieheinheiten) je Betrieb zur Stoffstrombilanz verpflichtet. Auch Betriebe, die Wirtschaftsdünger aufnehmen oder eine Biogasanlage betreiben, über die Wirtschaftsdünger aufgenommen oder abgeben werden, sind bilanzpflichtig. Dementsprechend sind seit Beginn des Jahres auch die meisten Ackerbaubetriebe von dieser Regelung erfasst (siehe Abbildung 1).

Was ist zu dokumentieren?

Die aufzeichnungspflichtigen Betriebe sind gemäß StoffBilV verpflichtet, innerhalb von drei Monaten nach Aufnahme und Abgabe der Nährstoffe diese zu dokumentieren. Dies bedeutet also, dass alle Nährstoffimporte über beispielsweise Futtermittel, Düngemittel, Viehzukauf, Saatgut und auch die N-Bindung über Leguminosen auf Betriebsebene erfasst werden. Ebenso werden die Verkäufe pflanzlicher und tierischer Erzeugnisse wie beispielsweise Getreide, Raps, Silage, Vieh- und Milchverkauf dokumentiert. Dies ist über Belege, insbesondere Lieferscheine oder Rechnungen, für die Nährstoffe N und P festzuhalten.

Für die Bilanzierung werden die Importe den Exporten auf Betriebsebene gegenübergestellt und anschließend auf die Fläche bezogen. Das Ergebnis dessen darf im dreijährigen Schnitt 175 kg N/ ha nicht überschreiten. Es besteht derzeit die Möglichkeit, auf Basis des Kalender- oder Wirtschaftsjahres zu bilanzieren. Grundsätzlich ist die jährliche Bilanzierung sechs Monate nach Ablauf des gewählten Bezugsjahres vorzulegen. Dies bedeutet, dass bei der Wahl des Kalenderjahres die Bilanzierung nach jetzigem Stand erstmals am 30. Juni 2024 für das Kalenderjahr 2023 vorliegen muss. Für das Wirtschaftsjahr 2023/24 ist die Bilanz spätestens am 31. Dezember 2024 zu erstellen. Diese berechnete Bilanz sowie die zugrunde liegenden Belege sind sieben Jahre aufzubewahren und der zuständigen Stelle auf Verlangen vorzuzeigen.

Da für eine Vielzahl der Ackerbaubetriebe die Stoffstrombilanz jetzt erstmalig zu erstellen ist, ist es ratsam, bereits zu Beginn des Jahres die Nachweise für die Stoffstrombilanz zu sammeln und zu dokumentieren. Die Landwirtschaftskammer hat auf der Internetseite https://t1p.de/0z2on ein EDV-Tool bereitgestellt, welches zur Bilanzierung genutzt werden kann.

Verordnung wird umfassend novelliert

Die aktuell gültige Stoffstrombilanzverordnung von 2017 befindet sich derzeit in der Überarbeitung. In diesem Zusammenhang hat bereits Ende 2021 eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe einen umfassenden Evaluierungsbericht vorgelegt, der eine Orientierungsgröße für die neue Verordnung bilden wird. Dieser Bericht verdeutlicht, dass künftig nicht nur mit einem veränderten N-Bilanzsaldo zu rechnen ist, sondern auch wieder mit einem P-Bilanzsaldo. Demnach werden die Brutto-Bilanzsalden im Bereich Stickstoff künftig auf deutlich niedrigerem Niveau liegen als dem von zuletzt 175 kg N/ha brutto. Somit wird auch klar, dass ein optimales Nährstoffmanagement und eine auf die Tierleistung abgestimmte Fütterung noch wichtiger werden. Mit einer novellierten Fassung wird im Laufe dieses Jahres gerechnet.

Fazit

Die Stoffstrombilanz ist seit 1. Januar 2023 von nun fast allen landwirtschaftlichen Betrieben und Betrieben, die eine Biogasanlage betreiben, zu erstellen. Grundsätzlich ist mit einer novellierten Stoffstrombilanzverordnung im Laufe des Jahres zu rechnen.

Label-Wettbewerb im Stall

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Nach der geplanten Einführung bei Schweinen sollen die staatliche Tierhaltungskennzeichnung und der Umbau der Tierhaltung auf weitere Tierarten ausgeweitet werden. Dies löst aufseiten der Milchwirtschaft wegen der Schwächen des staatlichen Zeichens mehrheitlich Besorgnis aus. Dies wurde beim Fachforum Milch des Deutschen Bauernverbandes (DBV) zum Thema Tierwohl auf der Internationalen Grünen Woche (IGW) in Berlin am Montag vergangener ­Woche deutlich.

„Wir stehen zu den Ergebnissen der Borchert-Kommission, befürworten also den angestrebten Umbau der Tierhaltung. Aber nur, wenn alle Elemente der Vorschläge als stimmiges Gesamtkonzept umgesetzt werden“, so der Milchbauernpräsident des Deutschen Bauernverbandes, Karsten Schmal. „Der komplexe Umbau der Tierhaltung muss sauber ausgearbeitet werden, wenn er nicht zum Misserfolg werden soll. Aktuell sind dafür deutliche Nachbesserungen beim Tierhaltungskennzeichnungsgesetz, bei der Änderung des Baugesetzbuches sowie beim Bundesförderprogramm für den Umbau der Tierhaltung notwendig“, forderte Schmal.

Weniger Tiere besser halten

Die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundeslandwirtschaftsministerium, Dr. Ophelia Nick (Grüne), erklärte, dass das Berliner Agrarressort angetreten sei, um „Bedingungen für eine nachhaltigere Land- und Ernährungswirtschaft zu schaffen“. Hierzu gehöre auch, dass weniger Tiere besser gehalten werden müssten, damit man langfristig Mensch, Tier, Natur und Klima gerecht werde. Für die Transformation der Tierhaltung sei ein Gesamtkonzept vorgelegt worden, mit dem „die Änderungsbereitschaft der Landwirte wirkungsvoll unterstützt“ und über langfristige Finanzierungshilfen Planungssicherheit gegeben werde. „Wir wollen die Tierhaltung zukunftsfest aufstellen und, dass die Landwirte ihre Betriebe wirtschaftlich erfolgreich führen können“, so Nick. Die Tierhaltungskennzeichnung sei dabei ein wichtiger Baustein, um die von den Verbrauchern gewünschte Transparenz zu gewährleisten. Wann diese bei Rindern komme, stehe jedoch noch nicht fest.

Fehler nicht wiederholen

Geht es nach dem Leiter des Milcheinkaufs der Molkerei Zott, Christian Schramm, sollte die staatliche Haltungskennzeichnung am besten gar nicht kommen. Der Gesetzentwurf habe in den Unternehmen „Ärger ausgelöst“, so der Zott-Manager. Es müssten nämlich von den heimischen Betrieben höhere Anforderungen geschultert werden, die ausländische Wettbewerber wegen fehlender Kennzeichnungspflicht nicht leisten müssten. Das bekannte und erfolgreiche private Haltungskennzeichnungssystem (ITW) drohe nun durch die staatlichen Aktivitäten verdrängt zu werden. Die hohe Kontrolldichte im In- und Ausland bei Teilnehmern der von der Wirtschaft getragenen Haltungskennzeichnung könne das staatliche Label nicht leisten. Schramm bemängelte zudem, dass ein „Downgrading“ nicht möglich sei, also Ware aus einer „besseren“ Haltungsstufe in einer „geringeren“ zu verkaufen.

Klimaschonende Erzeugung

Milcherzeuger Markus Driehsen vom Niederrhein befürchtet durch die neue Haltungskennzeichnung vor allem mehr Bürokratie, Dokumentation und Kosten. Als Direktvermarkter, bei dem die Kunden über den Produktionsprozess informiert seien, brauche er die staatliche Kennzeichnung nicht. Das sähen auch seine Berufskollegen so, berichtete Driehsen. Er kritisierte das Bestreben des Ministeriums, Tierbestände in Deutschland aus Nachhaltigkeits- und Klimaschutzgründen abzubauen. Es sei absolut unverständlich, die Milchkuhbestände an einem Gunststandort abzubauen, damit sie an Standorten mit höherer Klimabelastung aufgebaut würden.

Förderung hat Vorrang

Prof. Harald Grethe, Leiter des Fachgebiets Internationaler Agrarhandel und Entwicklung der Berliner Humboldt-Universität, sprach sich für eine Koexistenz mit der von der Wirtschaft organisierten Tierhaltungskennzeichnung aus. Die staatliche Kennzeichnung könne durch gesetzliche Vorgaben auf Marktsegmente wie Verarbeitungsware und den Außer-Haus-Bereich ausgeweitet werden, was der Haltungsformkennzeichnung bisher nicht richtig gelungen sei. Der Staat brauche die Wirtschaft hingegen für die Umsetzung der Kennzeichnung, da diese bei den Kontrollen – insbesondere im Ausland, aber auch bei Kriterien wie der Tiergesundheit – überlegen sei. Die Haltungskennzeichnung, so Grethe, sei nur ein Baustein des Tierwohlumbaus, um bei etwa 20 % bis 30 % der Konsumenten die Zahlungsbereitschaft an der Kasse einzusammeln. Wichtiger für den Erfolg der Transformation sei eine langfristige Förderung der Umstellungsbetriebe, die so ausgestaltet sein müsse, dass hinreichende Umbauanreize gesetzt würden. Dem dürften zu geringe Bestandsobergrenzen bei der Förderung nicht entgegenstehen. age

Erfahrungen mit der Douglasie

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Aufgrund des Themas Klimawandel werden derzeit umfangreiche Langzeitforschungen für die Stabilisierung von Wald-Ökosystemen betrieben. Eine sehr lukrative Möglichkeit könnte die Einbringung von verschiedenen gebietsfremden Laub- und Nadelbäumen sein. Als sogenannter Hoffnungsträger gilt die Douglasie, die bereits seit vielen Jahrzehnten aktiv in die deutschen Wälder eingebracht wird und ursprünglich aus Nordamerika stammt.

Derzeit wird die Douglasie vermehrt in Mischkulturen gepflanzt. Laut der 3. Bundeswaldinventur beträgt der bundesweite Douglasienanteil im Reinbestand 2,1 % – Tendenz stark steigend. Die Besonderheit dieser Nadelbaumart ist, dass sie sich auch auf wasser- und nährstoffarmen Böden etablieren kann, was gerade in Zeiten der Erderwärmung eine wichtige Eigenschaft ist. Sie kann auch auf diesen schwächeren Standorten beachtliche Zuwachs- und Wertleistungen erbringen.

Grund der Wertästung

In dem Bestand der FBG Hanerau-Hademarschen sind die geästeten Stämme durchnummeriert. Foto: Cheyenne Sülflohn

Um optimales Wertholz zu erzielen, sollten die Douglasienbestände wertgeästet werden. Darunter versteht man das Entfernen von toten und lebenden Ästen in einer bestimmten Höhe. Mit dieser Maßnahme soll eine Wertsteigerung des Holzes erreicht werden. Würden sie nicht händisch abgesägt werden, wüchsen sie in das Holz ein. Das liegt daran, dass Douglasien zu den Totasterhaltern zählen. Das heißt, sie werfen ihre trockenen, abgestorbenen Äste nicht ab. Bevor solch eine Maßnahme durchgeführt wird, muss geprüft werden, ob es sich um einen ästungswürdigen Bestand handelt. Wenn die Qualität der Bäume nicht den Vorstellungen entspricht, um im Zieldurchmesser den gewünschten Wert zu erhalten, wird keine Wert­ästung durchgeführt. Der finanzielle Aufwand würde durch den Verkauf des Holzes nicht ausreichend gedeckt werden.

Anzahl der Z-Bäume

Der Blick nach oben zeigt die Ausformung und die Qualität der Stämme. Fotos (2): Rolf-Martin Niemöller

Geästet werden lediglich die sogenannten Zukunftsbäume ­(Z-Bäume), also Bäume, die später den Endbestand bilden sollen. Diese sollten geradschäftig und vital sein und eine ausreichend große Krone ausgebildet haben. Die Nordwestdeutsche forstliche Versuchsanstalt empfiehlt, dass 100 bis 120 Z-Bäume pro Hektar ausgewählt werden. Die Z-Bäume sollten untereinander einen Abstand von 8 bis 10 m haben.

Gibt es innerhalb dieses empfohlenen Abstandes keine Douglasie, die diesen Anforderungen entspricht, sollte auch keine ausgewählt werden. Alle weiteren Douglasien werden im Laufe der Durchforstungen vorher entnommen und erreichen damit nicht die Zielstärke. Zusätzlich wäre es ratsam, dass zu diesem Zeitpunkt bereits das Feinerschließungssystem im Bestand vorhanden ist. So wird verhindert, dass ein ausgesuchter Z-Baum für eine Rückegasse entnommen werden muss. Des Weiteren sollten die Z-Bäume nicht direkt an der Gasse stehen, um Anfahrtsschäden durch Harvester oder Rückefahrzeuge zu vermeiden.

Zeitpunkt für Ästung

Die Wertästung sollte so durchgeführt werden, dass noch zwei Drittel der Holzmasse im Durchmesser bis zur Zielstärke zuwachsen können. So sind die äußersten zwei Drittel des Holzes frei von Asteinschlüssen und bilden das wertvolle Furnierholz. Im Wald wird häufig vom „Bierdeckeldurchmesser“ (9 bis 10 cm) gesprochen. Wenn die Douglasien diese Stärke erreicht haben, sollte mit der Wertästung begonnen werden.

Empfohlen wird, dass die Ästung in zwei Schritten erfolgt: Als Erstes wird die sogenannte Reichhöhenästung bis zu einer Höhe von 2,5 m durchgeführt. Anschließend erfolgt die Wertästung auf einer Höhe von 6,5 m. Diese sollte erst durchgeführt werden, wenn die betreffende Douglasie eine Oberhöhe von zirka 13 bis 20 m hat. Bei geringerer Höhe wäre der Eingriff in die Krone zu groß, weshalb es zu einer Schwächung der Vitalität und einem geringeren Zuwachs kommen würde. Eine Ästung über 6,5 m wird nicht empfohlen, da der Wert eines Baumes in dem unteren Teil des Schaftes steckt. Außerdem steigen die Kosten überproportional an, je höher der Baum geästet wird. Eine Ästung über 6,5 m wäre demnach nicht mehr rentabel für den Forstbetrieb.

Douglasien in der FBG Hanerau-Hademarschen

In der Forstbetriebsgemeinschaft (FBG) Hanerau-Hademarschen wurde in einem heute 64-jährigen Douglasienbestand zwischen 1987 und 1989 eine Wertästung durchgeführt. Im April 1990 wurden die Stämme durchnummeriert und die Brusthöhendurchmesser der 56 Bäume aufgenommen. Die letzte Messung erfolgte im Oktober 2022. Die Zuwächse sind der Abbildung zu entnehmen. Der durchschnittliche Zuwachs in den letzten 33 Vegetationsperioden beträgt 28,42 cm und damit jährlich knapp 1 cm. Diese Darstellung zeigt deutlich, wie wichtig der frühe Ästungszeitpunkt ist.

Wären die Maßnahmen an den Douglasien erst mit einem Durchmesser von 30 bis 40 cm durchgeführt worden, müsste die Zielstärke bei 90 bis 120 cm liegen. Die meisten der Douglasien erreichen im Alter von 64 Jahren aber einen durchschnittlichen Durchmesser von rund 55 cm. Um zwei Drittel des astfreien Stammes zu erreichen, müssten sich das Alter der Douglasien sowie die Zielstärke erheblich steigern. Dies hat wiederum zur Folge, dass sich das Risiko eines verfrühten Abganges des Bestandes durch Stürme oder andere unvorhersehbare Kalamitätsfälle deutlich erhöhen würde.

Weitere Behandlungsmöglichkeiten

Wenn die Douglasien wertgeästet sind, weichen die weiteren Behandlungsmöglichkeiten nicht sehr von nicht geästeten Beständen ab. Das Ziel ist es immer, dass die ausgewählten Z-Bäume nach der Maßnahme in den nächsten drei bis fünf Jahren von ihren direkten Bedrängern freigestellt werden. Durch das Entfernen von Bedrängern soll die Konkurrenz um Wasser, Nährstoffe und Licht verringert werden, und die Kronen der Douglasien sollen sich störungsfrei ausbilden können. Außerdem soll eine Qualitätsminderung durch das Scheuern oder Schlagen der eng stehenden Kronen verhindert werden.

Haben die Douglasien ein geringes bis mittleres Baumholz erreicht, sollen die Z-Bäume weiterhin in ihrer Entwicklung unterstützt werden, indem sie regelmäßig von Bedrängern freigestellt werden. Es ist hier aber darauf zu achten, dass der Unter- und Zwischenbestand erhalten bleiben. So soll ein mehrschichtiger Bestand mit verschiedenen Altersklassen entstehen. Wenn die wertgeästeten Douglasien die festgelegte Dimension erreicht haben, geht der Bestand in die Zielstärkennutzung über. Hierbei werden nach und nach alle erntereifen Douglasien aus dem Bestand entnommen. Während dieses Prozesses soll der Zwischenbestand nach und nach den Oberbestand bilden. Die Douglasien müssen zu diesem Zeitpunkt schon als Z-Bäume ausgewählt und wertgeästet worden sein.

Bei allen Durchforstungen und anderen Eingriffen in den Bestand sowie der Zielstärkennutzung ist es essenziell, dass mit Bedacht agiert wird, um möglichst wenig Schaden an den noch stehenden Bäumen zu verursachen.

Pendeln sich die Märkte wieder ein?

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Während der Grünen Woche wurde in Berlin viel über die Inflation der Lebensmittelpreise und die Entwicklung der Agrarpreise diskutiert. Alle Beteiligten waren sich einig, dass neben der Ernährungssicherung auch die Einkommenslage der Landwirte, der Klimaschutz und die Artenvielfalt beachtet werden müssten. So viele Ziele gleichzeitig im Blick zu behalten, ist für alle Beteiligten nicht einfach, da die Sichtweise oftmals unterschiedlich ist.

Die Preise für Lebensmittel sind im Jahr 2022 so stark gestiegen wie noch nie. Neben den hohen Energiepreisen sorgte vor allem die Teuerung für Nahrungsmittel für eine hohe Inflation. Während die Verbraucher sich fragen, ob und wann die Preise für den Wocheneinkauf wieder sinken, verzeichnen die Landwirte bereits wieder rückläufige Erlöse, vor allem für Feldfrüchte.

Reduzierte Agrarpreise

Die Ernährungsindustrie sieht noch wenig Spielraum für Preisrücknahmen bei Lebensmitteln. Sie verweist auf die hohen Preise für die bislang einkauften Rohstoffe. Auch die rückläufigen Energiepreise kommen nur zögernd beim Endverbraucher an. Schnellere Entlastung sollten hier jedoch die Strom- und Gaspreisbremsen der Bundesregierung bringen. Der Arbeitskräftemangel und die erhöhten Lohnkosten werden die Wirtschaft jedoch dauerhaft belasten. Auch die Sprecher der Agrarverbände machen vorerst wenig Hoffnung auf günstige Nahrungsmittelpreise. Trotz der jüngsten Entspannung sehen auch sie weiterhin vergleichsweise hohe Kosten für Energie, Dünge- und Futtermittelpreise. Als regelrechte Inflationsbremse sehen viele Beobachter die Preisentwicklung bei Bioprodukten. Diese sind im Preis deutlich weniger gestiegen. Doch auch Biobauern brauchen auskömmliche Preise, da geringere Erträge je Hektar erzielt werden als im konventionellen Anbau. Die Verbraucher sind jedoch deutlich kostenbewusster geworden. Gerade für hochpreisige Produkte sind die Umsätze zurückgegangen. Bioprodukte werden jetzt eher im günstigen Discounter als im Fachmarkt gekauft. Nachhaltigkeit und Umweltschutz bleiben somit auch in Krisen- und Inflationszeiten ein Thema beim Einkauf.

Aktuell befürchten vor allem die Milchbauern wieder Preisabschläge. Angesichts der rückläufigen Großhandelspreise für Milchprodukte werden auch Abschläge beim Milchgeldauszahlungspreis befürchtet. Die Kurse würden dann wieder unter dem jüngsten Rekordniveau liegen. Einige Interessenverbände fordern bereits staatlichen Eingriffe, um die Preise auf dem aktuellen Stand zu halten oder um eine Mengenregulierung einzuführen. Andere Beobachter sehen eher eine Normalisierung der Marktlage. Die Preisspitzen werden sowohl bei den Erlösen als auch bei den Kosten gekappt. Die Preise regeln die Mengenentwicklung – solange der Staat nicht eingreift. Diskutiert wird jetzt, EU-Verordnungen in Kraft zu setzen, die die Mengenlieferungen an die Meiereien und die Auszahlungspreise festlegen sollen. Dies wird bereits in Frankreich umgesetzt. Ferner gäbe es die Möglichkeit, ein Verbot für Verkäufe unter den Herstellungskosten einzuführen.

Ruf nach mehr Staat?

Auch die Kurse für Schlachtschweine bewegen sich auf einem relativ hohen Niveau. Doch auch hier sorgen hohe Futter- und Energiekosten für eine schmale Rendite. Während sich die Mischfutterkurse zuletzt wieder etwas nach unten bewegt haben, sind die Ferkelkurse merklich gestiegen. Der deutliche Bestandsabbau in der Sauenhaltung sorgt für ein immer kleineres Ferkelangebot. Die hiesige Fleischwirtschaft hat bereits die Befürchtung, dass die Schweineproduktion vor Ort bald nicht mehr den Bedarf decken kann. Dabei ist bereits berücksichtigt, dass die Schweinefleischnachfrage hierzulande sinkt. Obwohl der Selbstversorgungsgrad weiter hoch bleibt, kann bereits jetzt der Bedarf an Edelteilen wie Kotelett, Filet und Schinken nicht aus heimischer Produktion gedeckt werden. Auch hier gibt es den Ruf nach mehr Planungssicherheit. Es müssten Verträge zwischen Ferkelbauern und Mästern ebenso abgeschlossen werden wie zwischen Mästern und Metzgern. Andernfalls bleiben auch alle gut gemeinten Regionalversprechen auf der Strecke.