„Das ist ein großer Tag für uns, ein Meilenstein in der Geschichte der Marienkirche“, begrüßte Dr. Kirsten Geißler vom Vorstandsteam des Fördervereins Marienkirche in Bad Segeberg die Gäste, die sich zur feierlichen Unterzeichnung des Orgelbauvertrages in St. Marien versammelt hatten. Der 2016 gegründete Verein hat es in sechs Jahren geschafft, die Sanierung der Segeberger Marienkirche und den Neubau der Orgel im Gesamtvolumen von rund 3 Mio. € zu sichern.
Zunächst mussten in der Kirche in zwei Bauabschnitten Mauerwerksprobleme und Feuchtigkeitsschäden beseitigt werden, auch das Gestühl wurde erneuert, sodass es wieder einen Mittelgang gibt, die Elektrik war desolat und auch an manchem anderen hatte der Zahn der Zeit in den vergangenen 800 Jahren bös genagt.
Erst nach diesen Vorbereitungen konnte man an eine neue Orgel denken, denn das alte Exemplar stammte ursprünglich aus dem 19. Jahrhundert und war dann in den 1920er und 1930er Jahren mit zusammengesuchten Teilen aus zwei anderen Orgeln mehr schlecht als recht repariert worden. Schon vor Jahren war sie unspielbar und ist daher abmontiert worden, die beiden Kirchenmusiker Andreas Maurer-Büntjen und Fabio Paiano mussten sich seitdem mit einer mobilen Kleinorgel begnügen. Nachdem im Mai 2022 durch den fundierten Förderantrag EU-Geldmittel in Höhe von 799.523,05 € über die AktivRegion Holsteins Herz zugesagt wurden und im November letzten Jahres weitere 120.000 € für die Sanierung des Turmraumes aus dem Kulturmittelfonds der Bundesregierung dazukamen, konnte die europaweite Ausschreibung für eine neue Orgel mit etlichen Besichtigungsreisen zu Referenzobjekten fortgesetzt werden. „Wir haben uns gefühlt wie eine Frau im Schuhladen“, findet Kirsten Geißler. In Konstanz fand man dann eine Winterhalter-Orgel, die unter ähnlichen Bedingungen wie in Bad Segeberg eingebaut war. „Das wäre toll, wenn wir so etwas bekommen könnten“, meinte Kirsten Geißler und Andreas Maurer-Büntje ergänzte: „Ich habe schon auf vielen Orgeln gespielt, aber das war einfach die Stradivari unter den Orgeln.“
Claudius Winterhalter aus dem Dorf Oberharmersbach im Schwarzwald hatte den Orgelbaubetrieb 1980 von seinem Vater Franz übernommen und seitdem mit seinen rund zehn Mitarbeitern 100 Orgeln neu gebaut und weitere 50 renoviert. Er setzt auf Traditionelles, benutzt aber auch Karbon-Stäbe und andere Hightech-Materialien. Wie auch Hans-Martin Petersen, Kirchenmusikdirektor und Orgelsachverständiger der Nordkirche, erklärte, arbeitet er an jeder Einzelnen der 3.278 Orgelpfeifen so lange, bis es einen tollen Gesamtklang ergibt. Mit vier Monaten Planungszeit für die Segeberger Orgel rechnet Winterhalter, zumal die Orgel nicht wie üblich vor einer Rückwand steht, sondern von vorn und hinten betrachtet werden kann. So müssten dann die Pfeifen ganz anders ausgerichtet werden als normalerweise. Auch plant er für die höheren Töne liegende statt stehender Pfeifen, alle aus verschiedenen Zinn-Blei-Gemischen einzeln gegossen und gewalzt. Für die großen, bis zu 7 m langen Basspfeifen verwendet er 20 Jahre lang abgelagertes Eichenholz. „Das ist auch ein regionaler Unterschied“, erklärt er, „im Norden verwendet man traditionell Eiche, im Süden Deutschlands eher Kiefer dafür.“
Er findet, dass die Marienkirche hervorragende Voraussetzungen durch die Montage auf einer Art Emporenbrücke im Kirchenschiff bietet, und freut sich schon auf das Einweihungskonzert. „Die alte Orgel wog rund 17 Tonnen, meine neue wird mit rund zehn Tonnen etwas leichter“, schätzt er. Lieferprobleme zum Beispiel durch den Ukraine-Krieg sieht er nicht, er könne sich auf langfristige Lieferanten verlassen. – Nur der Preis für das Eichenholz hat sich im letzten Jahr verdoppelt. Gedanken macht er sich noch über die Bekrönung des Pfeifenfeldes auf beiden Seiten der Orgel. Traditionell wird über den Pfeifen ein goldfarbenes Schmuckornament angebracht. Hier denkt er an vier Metallbögen, die in unterschiedlichen Höhen den Namen „Bach“ symbolisieren. Erkennbar wohl nur dem, der Noten lesen kann.
Wie Kirsten Geißler nach der Unterschrift unter den Orgelbauvertrag erläuterte, wird nun unmittelbar nach Ostern mit dem Bau begonnen. Die Eingangshalle wird freigelegt, dadurch ein freier Blick vom Haupteingang nach oben geschaffen, im Kirchenschiff dahinter eine Brücke eingebaut, auf der dann später die Orgel stehen wird. Mit dem Einweihungskonzert rechnet man derzeit für das Osterfest 2025. Auch dafür hat Kirchenmusikdirektor Andreas Maurer-Büntjen schon Ideen: „Wir wollen nicht auswürfeln, wer von uns das erste öffentliche Konzert auf der Orgel geben darf, sondern eine Veranstaltung machen, auf der jeder nacheinander die Möglichkeiten der neuen Orgel präsentiert.“ So würde Fabio Paiano möglicherweise Popularmusik bieten, er selbst eher Bach spielen. „Ich freue mich schon auf dieses Einweihungskonzert“, sagte Orgelbauer Claudius Winterhalter, denn er findet es mit knapp 70 Jahren immer noch toll, wenn die Ergebnisse seiner Arbeit für viele Jahrzehnte die Zuhörer begeistern.