Carol Kleinke engagiert sich beim Verein Christopher Street Day, kurz CSD, in Kiel. Dafür erhielt er anlässlich des Ehrenamtstages am 5. Dezember von Sozialministerin Aminata Touré (Grüne) die 10.000 Ehrenamtskarte. Seit 15 Jahren wird diese als Dankeschön und Zeichen der Anerkennung für ehrenamtliches Engagement in Schleswig-Holstein durch das Sozialministerium und die schleswig-holsteinischen Sparkassen herausgegeben.
Carol Kleinke war positiv überrascht, als er vom Sozialministerium die Einladung erhielt, seine Ehrenamtskarte direkt aus den Händen der Ministerin entgegenzunehmen. „Das war eine gute Gelegenheit, um mit Aminata Touré persönlich über die Themen zu sprechen, die unserem Verein wichtig sind“, freut er sich. Die Ministerin bedankte sich bei dem Termin für sein außerordentliches Engagement für eine vielfältige Gesellschaft.
Die Ehrenamtskarte erhält auf Antrag, wer sich in den vergangenen zwei Jahren mindestens drei Stunden pro Woche beziehungsweise 150 Stunden im Jahr ehrenamtlich engagiert hat und dafür keine finanziellen Zuwendungen erhält. Inhaberinnen und Inhaber der Ehrenamtskarte bekommen bei über 300 Bonuspartnern verschiedene Vorteile und Vergünstigungen. Koordiniert und ausgegeben werden die Karten vom Projektbüro Ehrenamtskarte beim nettekieler Ehrenamtsbüro.
Foto: Carol Kleinke
„Ich bin seit fünf Jahren im Vorstand des CSD Kiel als Pressesprecher und Schatzmeister aktiv“, erzählt Carol Kleinke wenige Tage später bei einem Tee in seinem gemütlichen Reihenhaus im Osten der Landeshauptstadt. Sein damaliger Freund, späterer Lebenspartner und jetziger Ehemann Jan war im Verein schon engagiert, als er ihn kennenlernte. „So wuchs auch ich Schritt für Schritt in die Vereinsarbeit hinein. Es ist schön, dass wir uns beide in der Freizeit, mit jeweils unterschiedlichen thematischen Schwerpunkten, für den CSD einsetzen können“, meint der 35-Jährige. Der CSD Kiel richte alljährlich Anfang Juli den Christopher Street Day und ein Straßenfest sowie weitere, kleinere Veranstaltungen aus. Zudem setze er sich für eine offene, geschlechtergerechte und antirassistische Gesellschaft ein. „Wir fordern die vollständige Gleichstellung aller Menschen. Wir verfolgen das Ideal einer gleichberechtigten Welt, in der niemand für körperliche Merkmale, sexuelle Orientierung, geschlechtliche Identität, physische oder psychische Einschränkungen, Herkunft, Hautfarbe, Kultur, Religion oder Alter verurteilt wird“, stellt er heraus. Bei all seinem Einsatz erhalte er eine Menge zurück. „Ich kann mich durch mein Ehrenamt stetig weiterentwickeln und dazulernen. Außerdem habe ich darüber spannende Kontakte geknüpft und neue Freundschaften geschlossen“, berichtet er. Am wichtigsten sei jedoch, dass er immer wieder die Erfahrung mache, dass in der Gemeinschaft die Kraft liege und dass man als Mitglied eines Teams Ziele besser und wirkungsvoller erreichen könne als allein. Jede Person könne beim CSD Ideen einbringen und kreative Prozesse mit anstoßen. Entscheidungen würden dann mit allen Planungsmitgliedern basisdemokratisch getroffen und umgesetzt. „Wenn nach monatelanger Vorarbeit der Christopher Street Day und das Straßenfest vorbei sind und alles super geklappt hat, ist das für mich der schönste Lohn und ein tolles Gefühl“, verrät er mit einem Lächeln im Gesicht.
Nun noch etwas mehr zu seiner Person: Carol Kleinke kam nach dem Abitur 2008 aus Rostock nach Kiel, um Jura zu studieren. Zwei Wochen bevor der damals 19-Jährige die Heimatstadt verließ, klärte er seinen Freundeskreis über seine sexuelle Orientierung auf. Er outete sich selbstbestimmt als schwul. Danach informierte er Eltern, Halbschwester und Großeltern. „Nach einer gemeinsamen Flasche Kräuterlikör war für alle das Thema durch“, blickt er schmunzelnd zurück. Seitdem er in Kiel wohne, lebe er offen schwul. Er selbst sei bisher nicht von Diskriminierung betroffen. „Doch in meinem unmittelbaren Umfeld habe ich erlebt, dass Menschen verbale Angriffe und Gewalt erfuhren. Deshalb war es mir ein Anliegen, mich ehrenamtlich zu engagieren und für eine bessere Welt einzusetzen. Dafür opfere ich gern meine Zeit“, unterstreicht der Jurist, der als Abteilungsleiter der Immobilienwirtschaft im Kieler Rathaus tätig ist.
Foto: CSD Kiel
Ob es einen Unterschied mache, in der Großstadt oder auf dem Lande offen schwul oder lesbisch zu leben? Carol Kleinke denkt kurz nach. „Ich vermute, dass es im ländlichen Raum weniger queere Menschen gibt als in der Stadt. (Hinweis „queer“: Sammelbegriff für alle Kategorien sexueller Orientierungen und Identitäten) Deshalb ist sicherlich die Hürde höher, andere zu finden, die ebenfalls queer sind, und sich öffentlich zu outen. Man möchte ungern einen Paradiesvogel-Status im Dorf haben“, gibt er zu bedenken. Ein Potenzial für den CSD sehe er aber durchaus auch in ländlich geprägten Regionen. So seien ihm aus Niedersachsen CSD-Paraden bekannt, bei denen queere Landwirte mit dem Trecker durch die Dörfer zogen und auf durchweg positive Resonanz stießen. Im Rahmen ihrer Öffentlichkeitsarbeit habe vor einigen Jahren auch die bundesweit agierende Berufsvereinigung Gayfarmer – homosexuelle Männer und Frauen, die in den Grünen Berufen arbeiten oder einen direkten Bezug dazu haben – am CSD mitgewirkt. Soweit ihm bekannt, aber noch nicht in Schleswig-Holstein. In Heide, Rendsburg, Flensburg und Norderstedt seien CSDs friedlich und entspannt gefeiert worden. Außerdem gebe es einen Lübecker CSD-Verein. Im Land zwischen den Meeren sei zudem der Aktionsplan „Echte Vielfalt“ für die Akzeptanz vielfältiger sexueller Identitäten aktiv. „Er wird getragen von einem breiten Bündnis aus der queeren Community in Zusammenarbeit mit dem Sozialministerium. Einmal im Monat treffen wir uns am Runden Tisch“, informiert Kleinke. Eines habe er in den zurückliegenden Jahren seines Engagements beobachtet: „Diskriminierung und Vorurteile lassen sich am besten abbauen, wenn wir uns persönlich begegnen und miteinander ins Gespräch kommen. Oft haben wir vor dem Fremden Angst, das wir nicht kennen. Vorurteile lösen sich schnell in Luft auf, wenn wir die Erfahrung machen, dass der vermeintlich so andere auch ein ganz normaler Mensch ist.“ Zum Schluss möchte Carol Kleinke queeren Menschen auf dem Lande Folgendes mit auf den Weg geben: „Auch in ländlichen Regionen ist es möglich, als queere Person zu leben und akzeptiert zu werden. Seid mutig. Seid sichtbar. Zeigt euch, wie ihr wirklich seid!“