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Sinkende Energiepreise nur für Neukunden?

Marktkommentar
Von Karsten Hoeck, LK-Markt
Foto: Imago

Trotz sinkender Preise für Strom und Erdgas an den Termin- und Spotmärkten erhalten viele Verbraucher in diesen Tagen Nachricht von ihrem Versorger, dass die Preise demnächst deutlich erhöht werden. Da steigt dann zum Beispiel der Preis für Erdgas am 1. April von bislang 9 ct/kWh auf 19 ct/kWh! Damit verdoppelt sich der monatliche Abschlag. Dabei wurde dieser bereits im Vorjahr deutlich erhöht. Auch für viele Stromkunden stehen jetzt nochmals deutliche Preisaufschläge an. Informiert man sich dagegen über einen Wechsel zu einem anderen Anbieter, werden spürbar billigere Tarife angeboten. Zum Teil bietet der gleiche Versorger, bei dem man seit Längerem Kunde ist, Neukunden deutlich günstigere Tarife, als man selbst zahlen muss. Viele Erdgas- und Stromkunden fragen sich, ob man die jüngsten Preisaufschläge akzeptieren muss oder ob man kündigen und von den günstigen Neukundentarifen profitieren soll.

Lieber isolieren als wechseln

Ohne Frage: Hohe Preise sind das beste Steuerungsinstrument, um Energie einzusparen und um schließlich Klimaziele zu erreichen. Auf lange Sicht ist es günstiger, das Haus ordentlich zu isolieren und in eine sparsame Heizung zu investieren, als ständig den Versorger zu wechseln. Dennoch ist fraglich, ob die jüngsten Tariferhöhungen notwendig sind. Soll man sie stillschweigend akzeptieren oder den Anbieter auch aus Protest wechseln? Verbraucherschützer raten eher davon ab. Wer jetzt einen neuen Tarif abschließt, bindet sich für ein oder zwei Jahre. Sollten die Preise in dieser Zeit fallen, zahlt der Neukunde drauf. Durch die Gas- und Strompreisbremse sind ohnehin 80 % des bisherigen Verbrauchs gedeckelt auf 12 ct/kWh für Erdgas, 9,5 ct für Fernwärme und 40 ct für Strom. Für Gewerbebetriebe gelten auch andere Kurse. Für Kunden, deren Energieverbrauch jetzt deutlich höher liegt als im vergangenen Bemessungszeitraum, kann sich ein Anbieterwechsel eher lohnen. Verbraucherschützer warnen davor, dass Energieanbieter die Strompreisbremse gezielt für Tariferhöhungen nutzen könnten. Zahlreiche Grundversorger haben bereits Preiserhöhungen von über 150 % angekündigt. Überzogene Erhöhungen hat der Gesetzgeber aber mit der Strompreisbremse verboten. Die Beweislast soll im Zweifel beim Versorger liegen. Das Bundeswirtschaftsministerium hatte angesichts möglicher Mitnahmeeffekte angekündigt, Tariferhöhungen genau zu prüfen. Auch „Zufallsgewinne“ der Energiekonzerne sollen abgeschöpft werden. Aus den Einnahmen soll die Deckelung der Strompreise für die Privathaushalte finanziert werden.

Zögernd nachgebende Kurse

Bei einem Tarifwechsel gilt es, die Vertragslaufzeit und die Kündigungsfrist zu beachten. Bei einer Preiserhöhung haben die Kunden jedoch das Recht, eher aus dem Vertrag herauszukommen. Der Versorger muss vorab über eine Tariferhöhung informieren. Dies kann auch mit einer E-Mail erfolgen, in der steht, dass man die Information erst nach Einwahl in ein Online-Portal erhält. Wem das zu umständlich ist, der wundert sich anschließend über den deutlich erhöhten monatlichen Abschlag. Dann hat man wenig Möglichkeit zu reagieren, da die Kündigungsfrist abgelaufen ist.

Vorerst rechnen Beobachter mit eher weiter rückläufigen Energiepreisen. Im vorigen Herbst erreichten die Strompreise für Neukunden ein Niveau von 70 ct/ kWh. Mittlerweile ist der Kurs auf 36 ct gesunken. Großabnehmer zahlen schon deutlich weniger. Im Vorkrisenjahr 2021 um diese Zeit lag der Preis für Neukunden bei 24,4 ct/kWh. Weitere Preisrückgänge setzen sich aktuell nur zögernd durch. Das Merit-Order-Prinzip sorgt dafür, dass das Kraftwerk mit den höchsten Produktionskosten, das noch benötigt wird, um den Bedarf zu decken, den Strompreis bestimmt. Und dies sind aktuell die Gaskraftwerke, die deutlich teurer produzieren als die Windmühlen und Solarparks.

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