Der Fleischerverband Nord führt in Schleswig-Holstein 108 Mitglieder, dazu schätzt Geschäftsführer Dr. Joachim Drescher rund 100 nicht im Verband organisierte. Viele Fleischerbetriebe in Schleswig-Holstein haben nach seiner Auskunft zwischen 15 und 20 Mitarbeiter. Der Schwund der Betriebe liege mit 4 bis 5 % im allgemeinen Bundestrend.
Die Gründe für den Schwund liegen laut Drescher in Betriebsaufgaben, vor allem wegen des gravierenden Fachkräftemangels und dass oft kein Nachfolger gefunden werde. Teilweise werden aufgegebene Betriebe von anderen aufgekauft und als Filialen am selben Standort weiterbetrieben, wodurch sich in solchen Fällen für die Kunden wenig ändere. Die Gesamtzahl der Betriebe aber sinkt auf diese Weise, während die durchschnittlichen Mitarbeiterzahlen steigen.
35 bis 40 % der Fleischerbetriebe schlachten laut Drescher noch selbst. „Damit sind wir in Deutschland ganz vorne“, betont er, „das wollen wir gerne erhalten. Wir kämpfen um jeden, der selbst schlachtet.“ In Hamburg zum Beispiel werde seit 25 Jahren nicht mehr geschlachtet. Bei der Fleischerausbildung kann das Schlachten als einer von zwei Bausteinen aus sechs ausgewählt werden. Die nicht schlachtenden Fleischer beschränken sich aufs Zerlegen und küchenfertige Zubereiten der Rinder- oder Schweinehälften, die ihnen geliefert werden.
Der Hauptgrund für den Verzicht aufs eigene Schlachten bestehe für kleine und mittelständige Betriebe in den hohen und kostenintensiven Auflagen. Bei niedriger Stückzahl liegen die relativen Kosten für den Fleischbeschau sehr hoch. Übers Jahr kämen da einige Tausend Euro mehr zusammen. „Es macht einen Unterschied, ob der Fleischbeschauer für zehn Schweine kommt oder für 1.000. Deshalb sind die Großschlachtereien so groß geworden“, so Drescher.
Die Stärke beim eigenen Schlachten, aber auch im gesamten Fleischerhandwerk liege in der authentischen Produktion. „Die Kunden bekommen Spezialitäten, die es im Supermarkt nicht gibt, individuelle Zuschnitte, besondere Wurstsorten, die sie gewohnt sind.“ Die Kontakte zu den Landwirten, die sie beliefern, seien langjährig aufgebaut und stabil. „Der Fleischer kann sagen, wo die Tiere gehalten werden. Bei manchen Landwirten können sich die Kunden selbst informieren“, sagt Drescher. „Das ist mehr wert, als wenn das Verfahren anonym in Gesetze gegossen oder mit einem Label versehen wird.“
„Fleisch ist nicht so sexy. Vegan und vegetarisch sind hip. Fleischproduktion wird von vielen jungen Leuten stark hinterfragt“, vermutet Roland Lausen als einen Grund für den starken Rückgang an Auszubildenden. Er ist Landesinnungsmeister im Fleischerverband Nord und unterhält in Silberstedt, Kreis Schleswig-Flensburg, seinen Schlachtbetrieb. Ein weiterer Grund für den Rückgang sei eher allgemeiner Art: „Die meisten Schüler streben statt einem Handwerk einen weiterführenden Schulabschluss an.“ Als seine Tochter erwägte, eine Fleischerausbildung zu beginnen, hätten ihr die Lehrer abgeraten. „Viele Kollegen haben schon resigniert, weil sie seit drei Jahren keine Rückmeldungen auf Ausbildungsplätze bekommen“, so Lausen. „Wer will, bekommt in diesem Gewerbe sofort Arbeit!“
2021 wurden an sechs Berufsschulstandorten in Schleswig-Holstein insgesamt 147 Fleischerlehrlinge in den drei Lehrjahren ausgebildet, wobei in Rendsburg nur das erste Lehrjahr stattfindet. Zehn Jahre vorher waren es 313 – mehr als die doppelte Zahl. Bei den Abschlussprüfungen sah es ähnlich aus: 63 gegenüber 106.
Dass die Arbeit körperlich anstrengend sei, zählt für Lausen hingegen nicht als Grund. „Da hat sich viel geändert. Die Transportkisten sind kleiner, es gibt Haltegurte. Was zu schwer ist, macht frau durch Können und Willen wett.“ Ein Mädchen, 1,63 m groß, hat mit 18 Jahren bei ihm ausgelernt: „kein Problem!“
Überhaupt – Frauen im Fleischerhandwerk? 2021 machten sieben Mädchen ihren Abschluss – 2011 waren es nur vier, eine Zunahme von 3,8 auf 11,1 %, „und wir haben die ersten von Inhaberinnen geführten Geschäfte“.