Mit Start der aktuellen Periode der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) ergeben sich für Grünlandbetriebe interessante neue Fördermöglichkeiten. Insbesondere die Kennarten-Ökoregelung (ÖR 5) in der Ersten Säule kann durch Kombinationen mit dem Vertragsnaturschutz in der Zweiten Säule einen Beitrag zum betrieblichen Einkommen leisten.
Im Grünland können bei entsprechender extensiver Bewirtschaftung auf einer Fläche von wenigen Quadratmetern bis zu 40 oder 50 Wildpflanzenarten vorkommen. Dabei sind weit über 400 Pflanzenarten auf Grünlandstandorte in Schleswig-Holstein spezialisiert. Das Grünland beherbergt damit einige der artenreichsten Vegetationstypen. Allerdings sind derart vielfältige Grünlandbestände in Schleswig-Holstein nur noch selten zu finden. Die ÖR 5 zielt daher darauf ab, noch vorhandenes artenreiches Grünland zu erhalten.
Für die Teilnahme an der ÖR werden keine einschränkenden Maßnahmen oder starre Fristen vorgegeben, sondern nur das Vorkommen ausgewählter sogenannter Kennarten zählt (ergebnisorientierte Honorierung). Es ist allein eine betriebliche Entscheidung, welche Bewirtschaftung zum gewünschten Ziel führen soll. Die Verantwortung und der Nachweis der Pflanzenarten liegen bei dem Betrieb.
Diese Art der Grünlandförderung wurde bereits im Rahmen von Agrarumweltprogrammen in einigen anderen Bundesländern in der Vergangenheit angeboten. In Schleswig-Holstein kann man zwar auf einige Erfahrungen aus Modellprojekten zurückgreifen (beispielsweise „Blühendes Steinburg“), dennoch dürfte die Fördermaßnahme der ÖR 5 mit der dazugehörigen Methodik für viele Grünlandbetriebe neu sein. Sie wird im Folgenden dargestellt.
Wie die Kennarten bestimmen?
Für die Teilnahme an der ÖR 5 müssen mindestens vier Kennarten mit je drei Einzelpflanzen auf einer Grünlandparzelle nachgewiesen werden. Die zulässigen regionalen Kennarten sowie die Nachweismethode sind in Anlage 1 und 2 der Landesverordnung zur Durchführung der GAP-Direktzahlungen-Verordnung festgelegt. Die Kennartenliste ist weit gefasst und lässt neben einzelnen Pflanzenarten auch ganze Pflanzenfamilien beziehungsweise -gattungen als Kennartengruppe zu (zum Beispiel Wegerich-Arten).
Eine Teilnahme an der ÖR 5 ist im Sammelantrag extra zu beantragen und mit dieser zu kennzeichen. Dabei ist auf der Schlag- beziehungsweise Parzellenebene bereits anzugeben, welche der notwendigen vier Kennarten voraussichtlich später im Jahr nachgewiesen werden können. Die Auswahl der Kennarten wird in einer der kommenden Versionen des Inet-Programms umgesetzt. Bis dahin genügt allein die Beantragung der ÖR 5. Dies setzt dann für die eingebrachten Flächen bereits eine gewisse Kenntnis über die Artenzusammensetzung der Grünlandnarbe durch den Bewirtschafter voraus.
Nach der Antragstellung erfolgt die selbstständige Erfassung der Kennarten während des Vegetationsverlaufs mit der neuen Profil-SH-App (siehe Bauernblatt-Ausgabe 17). Über diese App müssen durch die Antragstellenden georeferenzierte Fotos auf der Fläche erstellt und für eine mögliche Kontrolle vorgehalten werden. Nach Erteilung eines Prüfauftrages durch die Kontrollstelle innerhalb der App können diese dann als Nachweis eingereicht werden. Die Prüfaufträge werden in der Regel nach der Hauptblühsaison erteilt.
Können die bereits im Sammelantrag beantragten vier Kennarten auf den Flächen nicht gefunden werden, dürfen auch andere nachweisbare Kennarten aus der Liste herangezogen werden. Eine Anpassung der Angaben oder der Rückzug der beantragten ÖR-Flächen im Sammelantrag kann bis zum 30. September durch den Antragsteller vorgenommen werden, jedoch nicht mehr nach Erteilung eines Kontroll-/Prüfauftrages.
Wie genau man methodisch bei der Erhebung der Kennarten nach den Vorgaben für die ÖR vorgehen muss, ist in der Abbildung grafisch dargestellt. Die einzuhaltenden Abstände (3 m zum Parzellenrand, 10 m zwischen den Einzelpflanzen einer Kennart) werden durch die Geolokalisierung des Smartphones mittels geotagged Fotos innerhalb der Profil-SH-App erfasst. Ein Sicherheitszuschlag von einigen Metern ist sicher geboten. Um bei der Suche nach den drei Einzelpflanzen einer Kennart die Abstände sicher einzuhalten, kann es auch hilfreich sein, die Fundorte während des Abschreitens zum Beispiel mit einer Stange zu markieren.
Hinweis: Entgegen der bisherigen Darstellung gehen in der aktuellen Version der Profil-SH-App (Update vom 13. April 2023) die bereits erfassten Fotos nach der aktiven Abmeldung aus der App nicht mehr verloren, sondern bleiben dauerhaft hinterlegt und können auf Anfrage zu einem späteren Zeitpunkt gegenüber dem LLnL eingereicht werden. Weitere Funktionen werden aktuell getestet, sodass es vorteilhaft ist, die App stets aktuell zu halten.
Der bestmögliche Zeitpunkt für die Erstellung der Fotos liegt im Blühzeitraum der jeweiligen Kennart und kann je nach Wachstumsverlauf, Bewirtschaftungsintensität und Standorteigenschaften variieren. Bei schnittgenutztem Grünland sollte die Dokumentation im Mai bis Juni beziehungsweise vor dem ersten Schnitt liegen. Bestimmte Arten blühen aber auch noch nach der ersten Nutzung. Wenn die Kennarten nicht eindeutig auf den Fotos identifizierbar sind, werden diese als Nachweis nicht akzeptiert.
Da die Profil-SH-App keine Hinweise zur Pflanzenbestimmung enthält, empfiehlt es sich, zur Hilfestellung für die Identifikation der Kennarten zeitgleich eine KI-gestützte Pflanzenbestimmungs-App auf dem Smartphone zu nutzen. In der Bauernblatt-Ausgabe 17, 2023 benannte das MLLEV explizit die kostenlose App „Flora Incognita“, die unter anderem heimische (Wild-)Pflanzen gut erkennen kann und auch weiterführende Beschreibungen und Informationen zu den erkannten Pflanzen liefert. Ausprobieren lohnt sich.
Fundorte der Kennarten und Suche
Die Mindestanforderungen für die Teilnahme an der ÖR 5 können bereits durch eine oder mehrere prägnante Teilareale für den gesamten Grünlandschlag erfüllt werden. Der richtige Suchraum im Feld kann viel Zeit sparen und mitunter den Anteil förderfähiger Flächen erhöhen. Zu potenziellen Kennartenarealen gehören vor allem schlaginterne Grenzertragsstandorte wie besonders trockene oder feuchte Parzellenbereiche, zum Beispiel Sandlinsen, Tonkuppen oder feuchte Senken.
Auch eine von der intensiven Grünlandnutzung abweichende Bewirtschaftung in der Vergangenheit kann ausschlaggebend sein. Dazu zählen beispielsweise ein reduzierter Düngeeinsatz, spätere Mahdtermine, lange zurückliegende Neu- oder Nachsaaten oder eine extensive Beweidung mit geringeren Viehbesatzdichten.
Wer bei der Suche nach geeigneten Teilarealen zusätzlich Zeit sparen möchte, sollte auch einen Blick in die frei verfügbaren, kartografisch dargestellten Ergebnisse der landesweiten Biotopkartierung werfen. Unter Umständen wurden bei der Erhebung einige der eigenen Flächen als wertgebendes Grünland kartiert (siehe schleswig-holstein.de/biotope).
Kombination mit weiteren Förderungen
Die ÖR 5 kann mit weiteren Förderungen im Dauergrünland ergänzt werden. Eine Gesamtübersicht der Kombinationsmöglichkeiten ist in Tabelle 1 dargestellt. Allgemein gilt, dass vertragliche oder rechtliche Vorgaben auf der Antragsfläche ein Ausschlusskriterium für die Beantragung der ÖR 5 darstellen können, sofern die Vorgaben die Fördervoraussetzungen der ÖR beinhalten. Allerdings lässt sich die ÖR 5 auf derselben Fläche beispielsweise mit einigen anderen Ökoregelungen kombinieren.
Auch die Flächenförderung im ökologischen Landbau kann mit der ÖR 5 vollumfänglich in Anspruch genommen werden. Besonders attraktiv ist die vollständige Kombinierbarkeit der ÖR 5 mit allen Grünlandprogrammen des Vertragsnaturschutzes (VNS) des Landes Schleswig-Holstein (siehe Ausgabe 12, 2022). Eine Kombination der ÖR 5 auf einem Schlag ist hier ohne Abzüge möglich. Je nach VNS-Förderkulisse, Betriebsform und Ertragspotenzial der Antragsfläche können daher in der Summe Flächenprämien erzielt werden, die bisher nicht möglich waren. Eine Beispielrechnung für ausgewählte Kombinationsmöglichkeiten ist in Tabelle 2 aufgeführt. Neuanträge zum VNS werden in einer gesonderten Kachel Vertragsnaturschutz im Profil Inet abgegeben. Der Antragszeitraum hat bereits begonnen und endet am 1. Juli 2023.
Beratungsangebote gezielt nutzen
Die Entwicklung und der Erhalt artenreicher Grünlandflächen sind insgesamt eine wichtige Aufgabe des kooperativen Naturschutzes im Land. Landwirtschaftliche Naturschutzberatungen werden je nach Region durch die Lokalen Aktionen oder den Deutschen Verband für Landschaftspflege (DVL) angeboten und durch die EU und das Land gefördert. Das Beratungsangebot ist für alle Betriebe kostenlos. Neben ein- bis zweijährigen Kennenlernverträgen für Grünlandflächen ist ein Beratungsschwerpunkt der Vertragsnaturschutz inklusive der zusätzlichen Berücksichtigung der Ökoregelungen. Diese und weitere Informationen zu den Beratungsangeboten, Fördermaßnahmen und den zuständigen Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner vor Ort findet sich unter naturschutzberatung-sh.de Dort gibt es auch einen Maßnahmensteckbrief mit näheren Erläuterungen zu der ÖR 5 und den regionalen Kennarten.
Fazit
Die Ökoregelung 5 – „Extensive Bewirtschaftung von Dauergrünland mit Nachweis von vier Kennarten“ – kann eine gute Möglichkeit sein, um sich Artenvielfalt im Dauergrünland honorieren zu lassen. Dabei ist eine gewisse Kenntnis selten gewordener Grünlandarten von Vorteil. Besondere Attraktivität erhält diese Maßnahme der Ersten Säule durch die breite Kombinierbarkeit mit den Vertragsnaturschutzprogrammen des Landes. In diesen Fällen kann die Beanspruchung einer kostenlosen Naturschutzberatung mehr Klarheit über die Eignung der Grünlandflächen verschaffen, um dadurch die Flächenprämien insgesamt zu verbessern.
Info
Seminarangebot für Beratungs- und Lehrkräfte: „Kennarten im Grünland – Fördermöglichkeiten von Ökoregelungen bis Vertragsnaturschutz“
Wie erkenne ich die Pflanzenarten im Grünland, die für eine Förderung im Rahmen der GAP (ÖR 5) notwendig sind? Wie können die Ökoregelungen mit Vertragsnaturschutzprogrammen kombiniert werden, um möglichst prämienoptimiert zu wirtschaften? Wie funktioniert der Artennachweis mittels Smartphone-App? Fragen wie diese werden im Rahmen eines ganztätigen Seminars beantwortet, organisiert von der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein in Kooperation mit dem Deutschen Verband für Landschaftspflege. Nach der Klärung theoretischer Grundlagen werden im Rahmen einer Feldexkursion praktische Übungen zur Kennartenbestimmung und zum Nachweis über die Smartphone-App durchgeführt.
Geplante Termine: Donnerstag, 8. Juni, im Raum Langwedel (Kreis RD), Donnerstag, 15. Juni, im Raum Westküste (Kreis NF); jeweils 9 bis zirka 15.30 Uhr. Die Teilnahme ist förderfähig (Eler). Anmeldungen sind zu senden an: seminare@lksh.de