Der Tiertransport zur Schlachtung, manchmal über weite Strecken, ist hinsichtlich des Tierschutzes ein strittiges Thema. Manche Betriebe haben sich deshalb für „mobile Schlachtung“ entschieden. Die Bunde Wischen eG im Norden der Stadt Schleswig hält ihre Robustrinder nicht nur ganzjährig auf der Weide, sie lässt sie auch dort ihr Leben beenden: durch Weideschuss.
Der Schießstand sieht aus wie ein Hochstand für Jäger, und so etwas Ähnliches ist er auch. Vier vierjährige Galloway-Ochsen sind von der nahen Weide in das Abschussgehege getrieben worden. Gerd Kämmer legt das Gewehr an und schießt. Es ploppt, da mit Schalldämpfer. Einer der Ochsen fällt um. Kämmer geht hinunter und prüft, ob er wirklich tot ist, zur Sicherheit gibt er noch einen Schuss aus nächster Nähe ab. Die drei anderen Tiere sind nicht beunruhigt, sie kümmern sich nicht um das Geschehen.
Zwei Versprechen
„Wir geben den Tieren, die bei uns geboren wurden, zwei Versprechen“, sagt Gerd Kämmer, Vorstandsvorsitzender der Bunde Wischen eG: „Zum einen, dass sie den Betrieb nicht lebend verlassen. Das klingt fies, doch es bedeutet, dass sie ihr ganzes Leben in vertrauter Umgebung verbringen. Das zweite Versprechen ist, dass sie lebend kein Schlachthaus von innen sehen werden.“ Bunde Wischen steht auf Plattdeutsch für bunte Wiesen, und das ist und bleibt das Zuhause der Rinder.
Nun werden die drei lebenden Galloways aus dem Gehege geschickt, der Frontlader kommt und transportiert den toten Körper hinaus auf eine Betonfläche zum Ausbluten, denn dies muss sofort nach der Tötung geschehen. Ein weiterer Ochse wird anschließend geschlachtet.
Ein amtlicher Tierarzt begleitet standardmäßig den Prozess, an diesem Tag ist es der Kreisveterinär Schleswig-Flensburg selbst, Dr. Markus Sekulla. Schon vorher hat er die Lebenduntersuchung an den Tieren vorgenommen.
Die ausgebluteten Tierkörper werden verladen und in die 10 km entfernte Schlachterei von Roland Lausen in Silberstedt gefahren, dem Landesinnungsmeister des Fleischerhandwerks (siehe Ausgabe 3/23 vom 21. Januar). Das muss innerhalb von zwei Stunden geschehen, aber bei Bunde Wischen bleibt man mit zwei Schlachtungen stets locker unter einer Stunde, die reine Fahrzeit etwa 10 min, und Lausen ist vorbereitet.
Tierschutzgerechtes Töten
Kreisveterinär Sekulla unterstützt die Methode des Weideschusses zur Schlachtung. „Es ist ein tierschutzgerechtes Töten im Herkunftsbetrieb in gewohnter Umgebung für die Tiere, es entsteht kein Transportstress. Und ohne Stress ist auch die Fleischqualität besser.“ Für Wasserbüffel lässt er in seinem Zuständigkeitsbereich überhaupt nur den Weideschuss zu: Nur die Kugel könne deren mächtigen Schädel auch sicher durchdringen.
Bunde Wischen hält rund 1.000 Robustrinder, hauptsächlich Galloways, dazu Highlander und White Parks. Geschlachtet werden über 200 pro Jahr, in der Regel vier in der Woche, und das ausschließlich durch Weideschuss. Damit ist der Betrieb der größte bundesweit, der mit dieser Methode arbeitet, und zwar seit 2010. Das wurde begleitet durch ein Forschungsprojekt der Universität Kassel-Witzenhausen. Es wurde untersucht und umgesetzt, welche technischen Voraussetzungen erforderlich sind – die Anlage des Schließstandes und des Abschussgeheges, des Ausbluteplatzes, der Transportmaschinen und -hänger.
Befähigungsnachweise
Und natürlich sind rechtliche Voraussetzungen erforderlich. In einer Gesetzesänderung von 2021 wurde die Möglichkeiten für mobile Schlachtung ausgeweitet. Demnach besteht die Möglichkeit, dass auf jedem landwirtschaftlichen Betrieb die teilmobile Schlachtung durchgeführt werden kann, sofern sie von der zuständigen Veterinärbehörde zugelassen wird. Gekoppelt ist die Schlachtung an einen zugelassenen Schlachtbetrieb, in diesem Fall an den von Roland Lausen. Auch eine waffenrechtliche Genehmigung ist erforderlich. Zusätzlich muss der Ausführende über einen Befähigungsnachweis verfügen.
Die teilmobile Schlachtung kann durch Bolzenschuss oder Kugelschuss erfolgen. Der Bolzenschuss betäubt das Tier allerdings nur, die Tötung erfolgt durch das Ausbluten. Bereits für die Durchführung des Bolzenschusses bedarf es eines Befähigungsnachweises. Für den Kugelschuss, der das Tier direkt tötet, ist ein eigener Befähigungsnachweis erforderlich, der den für den Bolzenschuss einschließt, denn ein funktionsfähiges Bolzenschussgerät muss griffbereit sein, falls etwa das Gewehr bei einem nötigen Nachschuss versagt – das Notfallset. Kämmer hält sogar ein zweites Gewehr bereit. Der Kugelschuss ist zudem an die ganzjährige Freilandhaltung gebunden. Ein Jagdschein reicht als Befähigungsnachweis nicht aus, denn Nutzvieh ist kein jagdbares Wild, er ist umgekehrt aber auch nicht erforderlich.
Die nächsten Lehrgänge für die Befähigungsnachweise werden im Landwirtschaftlichen Bildungszentrum Echem der Landwirtschaftskammer Niedersachsen angeboten – Prüfung in Theorie dort, in Praxis auf dem Heimatbetrieb des Teilnehmers. Kämmer ist seit fünf Jahren selbst Ausbilder in Echem, zudem hat er jüngst im Lehr- und Versuchszentrum Futterkamp der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein eine Fortbildung durchgeführt.
Teilmobil und vollmobil
Was auf Bunde Wischen geschieht, nennt sich teilmobile Schlachtung, sprich: Das Tier wird auf dem Betrieb getötet und ausgeblutet und zur weiteren Verarbeitung in einen Schlachtbetrieb transportiert. Wie viele Betriebe in Schleswig-Holstein dies bereits durchführen, darüber hat die Innung keine Kenntnis. Im Kreis Schleswig-Flensburg sind es laut Aussage von Sekulla immerhin drei, die dies dauerhaft praktizieren, doch die Kreise handhabten das sehr unterschiedlich, sagt er.
Neben der teilmobilen ist auch eine vollmobile Schlachtung möglich. Da kommt der Schlachter mit dem gesamten Equipment auf den Betrieb und vollzieht die komplette Schlachtung bis zur kühlhausfertigen Tierhälfte. Ein Lkw und eine Art Zelt seien da erforderlich. So etwas werde in Schleswig-Holstein seiner Kenntnis nach nicht durchgeführt, sagt Sekulla, und es sei auch nicht sinnvoll bei eher kurzen Wegen zur nächsten Schlachterei, rund ein Dutzend allein in seinem Kreisgebiet. Anders könne das in Bundesländern mit weiten Wegen sein. Es sei immerhin auch eine Kostenfrage: Auch die teilmobile Schlachtung koste mehr als die konventionelle, geschweige denn die vollmobile. Wer den Weideschuss wählt, tut dies also um der Tiere willen.
Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) hat Anfang des Jahres bekundet, die hofnahe Schlachtung zu fördern. „Im Grunde gibt es die Voraussetzungen schon“, sagt Gerd Kämmer, „es müsste nur mehr umgesetzt werden.“