Das vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft geförderte Verbundvorhaben „Feldstudie zur Impfung gegen Ebergeruch“ präsentierte Anfang März seine finalen Ergebnisse an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU). Neben der CAU waren das Max-Rubner-Institut (MRI) Kiel und die Georg-August-Universität (GAU) Göttingen ausführende Einrichtungen. Details zu den Studien können bei der jeweiligen Forschungseinrichtung erfragt werden. Hier eine Zusammenfassung.
Hintergrund der Feldstudie war der Ausstieg aus der betäubungslosen Ferkelkastration Ende 2020. Obwohl die Immunokastration seit über 20 Jahren im Einsatz ist und hinreichend untersucht wurde, ist die Erfahrung rund um den praktischen Einsatz in Deutschland begrenzt. Die zurückhaltende Nutzung ist unter anderem den Vorbehalten bei Schlachtung und Vermarktung der Tiere geschuldet. Ein wesentliches Ziel der Feldstudie war also die Aufklärung dieser Vorurteile entlang der gesamten Wertschöpfungskette in der Schweineproduktion.
Umweltwirkungen von Immunokastraten
Umweltwirkungen aus der Tierproduktion werden aktuell stark diskutiert. Folglich untersuchte die CAU den Einfluss der Immunokastration auf die Umweltwirkungen aus der Schweinemast. Ausgangspunkt war dabei die Tatsache, dass sich der Futterverbrauch von Immunokastraten (IK) deutlich reduziert. Reduziert sich demnach auch die Umweltwirkung?
Mittels Klimabilanz wurden Futterproduktion, Ferkelproduktion, Ferkelaufzucht, Mast und Schlachtung im Klimabilanzmodell berücksichtigt. Es wurde das Treibhausgaspotenzial pro Betrieb und Jahr für chirurgische Kastration, Immunokastration und Ebermast kalkuliert. Im Vergleich zur chirurgischen Kastration können durch den Einsatz der Immunokastration 349 t CO2-Äquivalente pro Betrieb und Jahr eingespart werden. Für die Ebermast ergab sich ein Einsparungspotenzial von 373 t CO2-Äquivalenten pro Betrieb und Jahr.
Abweichungen in der Klassifizierung
Das MRI untersuchte, ob die Klassifizierung von IK im Vergleich zu Mastsauen, Borgen und Mastebern negativ verzerrt ist. Die Tiere wurden nach AutoFOM klassifiziert und der Muskelfleischanteil (MFA) kalkuliert. Für Referenzwerte wurden die Teilstücke gewogen und der MFA mittels Computertomografie bestimmt. Auf den Betrieben wurden Piétrain oder Duroc als Endstufeneber eingesetzt.
Innerhalb der Geschlechtskategorien wurde keine Über- oder Unterschätzung des MFA festgestellt, allerdings zeigte sich eine systematische Überschätzung beim Duroc. Die Teilstücke wiesen im Vergleich dazu höhere systematische Abweichungen auf (um die fünf Prozentpunkte). Innerhalb der Genetik zeigte sich beim Duroc eine Überschätzung von Kotelett und Lachs, während diese Teilstücke beim Piétrain eher unterschätzt wurden. Umgekehrt verhält es sich bei Schinken und Schulter. In den Geschlechterkategorien zeigten sich vergleichbare systematische Abweichungen, wobei IK, bezogen auf das Ausmaß dieser Verzerrungen, zwischen Borgen und Mastebern einzuordnen sind.
Streuung in Schlacht- und Befunddaten
Ob IK wesentlich zu einer Erhöhung der bekannten Streuung in Schlacht- und Befunddaten beitragen, wurde durch die CAU untersucht. Bei den Schlachtdaten nahmen IK eine Mittelstellung zwischen Mastsauen und Borgen ein. Eine Erhöhung der Streuung durch IK konnte ausgeschlossen werden. Als Ursache für die Streuung der Schlachtdaten gab die CAU vor allem den Betrieb und das Gewicht an. In allen Merkmalen zeigte das Geschlecht einen vernachlässigbaren Anteil an der Variation (<1 %).
Durch den Herz-Lungen-Kreislauf bedingt werden Befunde an Lunge, Brustfell und Herz dem Risiko für Atemwegsinfektionen zugeordnet. Eine Risikobewertung ergab, dass das Risiko für Atemwegsinfektionen und Leberbefunden bei IK im Vergleich zu Sauen oder Borgen nicht erhöht ist. Ein leicht höheres Risiko besteht für Abszesse und Gelenkentzündungen, deren Prävalenz allerdings unter 1 % liegt.
Immunokastration in der Praxis
Um einen erfolgreichen Einsatz der Immunokastration in der Praxis zu gewährleisten, müssen bestimmte Voraussetzungen im Management erfüllt sein. Für eine Evaluierung dieser Voraussetzungen erstellte die CAU einen Fragebogen zu Betriebsstruktur und Management in der Mast. In die Auswertung flossen 26 Mast- und 24 Kombibetriebe ein. 46 % der Betriebe gaben an, nie eine getrenntgeschlechtliche Aufstallung während der Mast durchzuführen, 40 % der Betriebe stallen immer getrenntgeschlechtlich auf.
Überwiegend wurde die Applikation durch das Betriebspersonal durchgeführt (48 %), in 2 % durch den Tierarzt. Vor und nach der Applikation erfolgte eine intensive Tierkontrolle. Zusätzlich machten 36 % der Betriebe vor der Erstimpfung einen Gesundheitscheck. 96 % der Betriebe nannten das Tierverhalten als Indikator für einen Impferfolg, 88 % nannten die tägliche Tierkontrolle, und 56 % gaben an, dass die Hodengröße ein guter Indikator sei.
Schlachtkörper – Fleisch- und Fettqualität
Die GAU evaluierte an Mastsauen und IK die Schlachtkörperqualität mittels AutoFOM sowie die Fleisch- und Fettqualität anhand der Parameter pH-Wert, Leitfähigkeit, Farbe, Tropf- und Kochverluste, Scherkraft, intramuskulärer Fettgehalt, Fettsäuremuster und Ebergeruchsstoffe.
In den untersuchten Parametern der Fleischqualität konnten zwischen IK und Sauen keine wesentlichen Unterschiede und keine Mängel festgestellt werden. Auch das Fettsäuremuster wies keine nennenswerten Unterschiede zwischen den Geschlechtern auf. Folglich ist die Verarbeitungseignung von IK und Mastsauen vergleichbar. Allerdings zeigte sich in der Schlachtkörper- und Fettqualität eine große Variabilität zwischen den Betrieben.
Verarbeitungsqualität und Produktsensorik
Anhand Kochpökelware, Rohwurst und Bauchspeck untersuchte das MRI die Verarbeitungsqualität zwischen den vier Geschlechtskategorien und Genetiken. Das Ausgangsmaterial für die Produkte wurde physikalisch (unter anderem pH-Wert, Farbmessung) und chemisch (unter anderem Fettsäuremuster, Iodzahl, Ebergeruch) analysiert. Im Fettgehalt konnten IK zwischen Mastsauen/Borgen und Mastebern eingeordnet werden. Das Fettsäuremuster und der Oxidationsstatus wiesen einen signifikanten Betriebseffekt auf. Alle Produkte wurden anschließend zu unterschiedlichen Lagerzeiten durch Prüfer sensorisch bewertet. Im Gesamteindruck wurden vor allem Produkte von Mastebern schlechter bewertet. IK unterschieden sich dabei nicht signifikant von Mastsauen oder Borgen.
Akzeptanz beim Konsumenten
Die GAU ermittelte, wie intensiv Geruchsabweichungen bei IK wirklich wahrgenommen werden. Dafür wurden Geruchsproben von IK und Mastsauen durch geschulte Prüfer verglichen. Die Proben stammten jeweils vom selben Betrieb. Wiesen die Proben gleiche ASI-Werte (Androstenon, Skatol, Indol) auf, wurden Proben von IK häufiger (58 %) als „intensiv“ bewertet. Lagen die ASI-Werte der IK deutlich über den zu vergleichenden Sauenproben, wurde deutlich häufiger (78 %) ein intensiver Ebergeruch wahrgenommen.
In einem großen Lebensmitteleinzelhandel wurden Bauch- und Schinkenspeck sowie Nackensteaks an Kunden verteilt, die die Sensorik zwischen Produkten von IK und Mastsauen bewerten sollten. Hinsichtlich des Geschmacks konnten keine Unterschiede zwischen den Geschlechtern festgestellt werden. Unterschiede in den Rassen zeigten sich im Schinkenspeck: Hier wurden beim Duroc eher Produkte von Mastsauen bevorzugt (58 %), beim Piétrain hingegen eher Produkte von IK präferiert (54 %).
Fazit
Das Projekt konnte beweisen, dass Vorbehalte gegen die Immunokastration unbegründet sind. In sämtlichen Merkmalen lassen sich IK zwischen Mastsauen und Borgen einordnen. Alle Untersuchungen zeigten einen signifikanten Betriebseffekt. Demnach bildet das Management auf dem Betrieb eine wesentliche Stellschraube für die Qualität von IK als Mastendprodukt. Vor allem eine angepasste Fütterung nach der Zweitimpfung könnte die Qualität noch weiter verbessern. Eine getrenntgeschlechtliche Aufstallung ist dafür unumgänglich. Basierend auf den Fragebögen der Praxisbetriebe zeigt sich diesbezüglich Optimierungsbedarf in der Sachkunde. Hierfür sind bereits mögliche Schulungen durch und mit der Landwirtschaftskammer kommuniziert worden.
In der Klassifizierung fordert der Bauernverband eine Optimierung der Schätzformeln für IK und Duroc. Eine Kennzeichnung von IK sehen viele Parteien des Projektes auf Grundlage der Ergebnisse als nicht gerechtfertigt. Eine Möglichkeit, das Image und damit die Akzeptanz beim Verbraucher zu verbessern, könnte die Aufklärung über den Mehrwert im Tierwohl darstellen. Damit die Immunokastration die chemische Kastration langfristig ablöst, müssen vor allem Vermarktungssicherheiten für Ferkelerzeuger, Mäster und Schlachthöfe geschaffen werden.