Start Blog Seite 218

Insellandwirtschaft kämpft mit Gefahren aus der Luft

0

Die Rindermastbereisung, zu der der Bauernverband Schleswig-Holstein (BVSH) und die Arbeitsgemeinschaft Vieh und Fleisch Schleswig-Holstein (Landesmarktverband) einladen, führte in diesem Jahr auf die Insel Föhr. Die Traditionsveranstaltung fand am vorigen Freitag statt. Die Teilnehmer aus Landwirtschaft, Politik, Zucht, Handel, Schlacht- und Fleischgewerbe diskutierten und informierten sich über die Entwicklung und Marktsituation in der Rindermast und die Bedeutung der Gänsefraßschäden für Landwirte und Viehhalter auf den Inseln und in den Küstenregionen.

Klaus-Peter Dau, Präsidiumsmitglied des BVSH und Vorsitzender des Kreisbauernverbandes Schleswig, betonte in seiner Begrüßung die hohe Teilnehmerzahl mit über 60 Personen und freute sich über das große Interesse. „Durch die Exkursion auf die Insel Föhr wollen wir den Stellenwert Landwirtschaft hier betonen und uns mit den besonderen Gegebenheiten und Herausforderungen der Insellandwirtschaft beschäftigen“, betonte Dau in seiner Begrüßung.

Kampf um freie Flächen

Die Busfahrt vom Schiffsanleger in Wyk bis zu seinem Betrieb in Alkersum nutzte Landwirt Jens Olufs dazu, die Probleme der Insellandwirtschaft mit der hohen Gänsepopulation darzustellen. „Gänse sind erst seit 25 Jahren auf der Insel. Das Problem begann mit den Graugänsen“, erläuterte Olufs und zeigte Grünlandflächen, auf denen bis zum 19. August erst ein Schnitt möglich war, weil der gesamte Aufwuchs von den Graugänsen „abgeerntet“ wurde. Er erklärte das Phänomen, dass sich Naturschutzflächen in der Nachbarschaft als Nachteil erweisen, weil die Gänse auf die bewirtschafteten als Futterflächen ausweichen.

Kleine Käufergruppe aktiv

Hinzu komme die Verknappung von Kaufflächen durch vier große Investoren. „Vier große Player sind Käufer auf Föhr. Die Stiftung Naturschutz, der BUND, der Kreis in Zusammenarbeit mit dem Hegering und der Verein Elmeere, der sich zur Aufgabe gemacht hat, landwirtschaftlich genutzte Flächen zu kaufen, um ihren ursprünglichen Charakter wiederherzustellen. Dem Verein gehören zu 95 % auswärtige Mitglieder an und kaum Insulaner“, erläuterte Olufs. Die Landpreise würden durch diese Ankäufe so in die Höhe getrieben, dass ansässige Landwirte mit ihren Geboten auf der Strecke blieben.

Die Fahrt ging vorbei an Milchviehbetrieben, die aufgehalten haben, weil die Erträge der Futterflächen nicht mehr ausreichten, die Tiere zu ernähren.

Olufs hat seine Ausbildung 1989 auf dem elterlichen Betrieb begonnen. Zu der Zeit waren auf Föhr 115 Vollerwerbsbetriebe. 2023 sind noch 25 Milchviehbetriebe und sieben Exoten, wie er es nennt, mit Schweinehaltung, Geflügel und Ammenkuhhaltung aktiv. Die Fläche der Insel umfasst 9.000 ha, davon sind 6.000 ha landwirtschaftlich nutzbar. Zu den 9.000 Einwohnern kommen 30.000 Gästebetten. Damit beschreibt der Landwirt ein wichtiges Standbein der meisten Betriebe. Olufs Lindenhof hat drei Standbeine. Nach der Milchviehhaltung ist das älteste Standbein die Vermietung von Fremdenzimmern und Gästewohnungen, später kam eine Photovoltaikanlage hinzu, die jährlich 450.000 kW Strom erzeugt.

Rinder und Inselwhisky

Auf dem Betrieb von Jonas und Jan Hinrichsen in Dunsum ist die Direktvermarktung ein Bestandteil des Unternehmenskonzeptes. Der Betrieb hält eine Shorthornherde mit 30 Mutterkühen, Kälbern, zwölf Mastochsen, weiblicher Nachzucht, sowie Schweinehaltung. Das Fleisch der Tiere wird im eigenen Hofladen vermarket und im Restaurantbetrieb angeboten. Zur Schlachtung müssen die Tiere aufs Festland und kommen als Steaks zurück.

Nach Bio-Richtlinien wird Getreide angebaut. Die Gerste wird auf dem Malzboden gemälzt, gebraut und in der hofeigenen Destillerie zu Whisky gebrannt. So entstehen seit zwei Jahren jährlich 8.000 l Whisky aus 50 t eigener Biogerste.

Die Idee entstand bei einer Reise in die USA, wo Hinrichsen einen Betrieb kennenlernte, der alle Schritte zur Whiskyherstellung selbst machte. Diese Idee adaptierte er auf Föhr. Seine Herstellung sei klein, zehnmal so klein wie die kleinste schottische Destille, aber lastet den Betrieb aus, so Hinrichsen. Er sei mit dieser Methode, alles aus einer Hand zu produzieren, der einzige in Deutschland und weltweit einer unter 20 Betrieben. Das einzige, was ihm das Leben schwer mache, sie Überbürokratisierung und die Gänseproblematik.

Auch er bestätigte, dass der Gänsebestand in den letzten Jahren stark zunimmt. Das kann sein Geschäftsmodell gefährden. Wenn die Getreideernte eingeschränkt wird, ist die Kreislaufwirtschaft des Betriebes für das Standbein Brennerei in Gefahr. Dann helfen auch keine Ausgleichszahlungen. mbw

Jan Hinrichsen hält auf seinem Betrieb 30 Mutterkühe der Rasse Shorthorn mit Kälbern, zwölf Ochsen und zwölf Tieren für die weibliche Nachzucht,  dazu kommen sechs Landsauen mit Nachzucht für die Mast. Futterbestandteil neben der Weide ist Biertreber aus der eigenen Whiskyproduktion. Foto: mbw
an Hinrichsen hält auf seinem Betrieb 30 Mutterkühe der Rasse Shorthorn mit Kälbern, zwölf Ochsen und zwölf Tieren für die weibliche Nachzucht,  dazu kommen sechs Landsauen mit Nachzucht für die Mast. Futterbestandteil neben der Weide ist Biertreber aus der eigenen Whiskyproduktion. Foto: mbw
Shorthornherde auf dem Betrieb von Jonas und Jan Hinrichsen in Dunsum.   Foto: mbw
Die Shorthornherde auf dem Betrieb von Jonas und Jan Hinrichsen in Dunsum hat zwar Weidegang satt, aber wird ab und zu verwöhnt mit Treber aus der Whiskyherstellung.   Foto: mbw
Blick in den Laufstall von Jens Olufs in Alkersum auf Föhr.  Foto: mbw
Jens Olufs hat einen Kälberstall nach Bio-Richtlinien gebaut, um sich für die Zukunft alle Möglichkeiten offen zu lassen. Foto: mbw
Im Kälber- und Jungviehstall von Jens Olufs wandern die Tiere mit zunehmenden Alter innerhalb des Stalls weiter bis es auf die Weide geht. Foto: mbw
Blick in den Milchviehstall von Jens Olufs. Foto: mbw
Klaus-Peter Lucht (r.) und Klaus-Peter Dau (2. v. r.) danken Karen und Jens Olufs für ihre Gastfreundschaft bei der Rindermastbereisung 2023. Foto: mbw
Rinder- und Whisky-Bauer Jan Hinrichsen mit Landwirtschaftsminister Werner Schwarz. Foto: mbw
Minister Werner Schwarz (2. v. li.), Jan Hinrichsen (4. v. li.), Dr. Klaus Drescher (vorn) und Astrid Damerow (r.) begutachten die Shorthornherde. Foto: mbw
Klaus-Peter Dau bei der Rindermastbereisung 2023 auf Föhr.  Foto: mbw
Klaus-Peter Lucht bei der Rindermastbereisung 2023 auf Föhr.  Foto: mbw
Dr. Albert Hortmann-Scholten bei der Rindermastbereisung 2023 auf Föhr.    Foto: mbw
Dr. Susanne Werner bei der Rindermastbereisung 2023 auf Föhr.  Foto: mbw
Die Teilnehmer der Rindermastbereisung konnten sich von der Qualität des Inselfleisches beim Mittagstisch im Farmrestaurant überzeugen. Fotos: mbw
Die Teilnehmer der Rindermastbereisung konnten sich von der Malzherstellung für die  Whiskybrennerei einen Eindruck machen. Foto: mbw 
Whiskydestille auf dem Hof Hinrichsen auf Föhr.   Foto: mbw
Die diesjährige Rindermastbereisung war sehr gut besucht. Die Teilnehmer interessierten sich für die unterschiedlichen Konzepte der landwirtschaftlichen Betriebe. Foto: mbw


Inselbauern kritisieren Gänsepolitik

Die beiden Junglandwirte Oke Martinen von der Insel Amrum und Gerrit Nickelsen von Föhr kritisierten als Inselbauern die Gänsepolitik des Landes.

Martinen betonte, dass viele Maßnahmen ergriffen wurden, aber der Gänsefraß von Jahr zu Jahr zunehme. Die Flächen seien mittlerweile so dicht besiedelt, abgefressen und verkotet, dass ihm keine ausreichende Futtergrundlage geblieben sei. Martinen hat seinen Hof umgestellt von Milchvieh auf Mastrinder und Legehennen.

Der Milchviehhalter Nickelsen machte deutlich, dass die Betriebe auf den Inseln durch den Gänsefraß 30 % mehr Futterfläche vorhalten müssten als normalerweise erforderlich sei, um ihre Tiere satt füttern zu können. Bei Futterzukäufen verwies er auf die zusätzlichen Kosten, die durch den Schiffstransport entstehen, wenn Kraftfutter oder generell Futter vom Festland zugekauft wird. Er wies auf die zu knappen Mittel aus der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ (GAK) hin, die unter anderem diese Transportkosten kompensieren sollen.

Auf Martinens Betrieb sind Mais und Winterhafer die einzigen Früchte, die noch angebaut werden können aufgrund der Gänseproblematik. Die Anträge auf Entschädigungszahlung kritisierte er hart. So sei nur ein Bruchteil der vorgesehenen Zahlungen bei den Landwirten angekommen, weil weder Winterungen noch gängiger Getreideanbau förderfähig waren. mbw

Global zweitgrößte Ernte aller Zeiten erwartet

0

Durch die verregnete Ernte wird Mahlweizen zur ­Mangelware. Die globalen Weizenreserven schrumpften auf ein Fünfjahrestief, berichtet der Internationale Getreiderat (IGC) in seinem aktuellen Report, der am vorigen Donnerstag veröffentlicht wurde.
Ukrainischer Weizen findet wohl seinen Weg in den Export. An den internationalen Weizenbörsen bleibt der Grundton deshalb bärisch.

Der Internationale Getreiderat (IGC) hat seine Prognose für die EU-Weizenernte 2023/24 nach unten korrigiert. Die Londoner Experten erwarten nun eine Gesamtmenge von 133,3 Mio. t; Mitte Juli waren noch 1,3 Mio. t Weizen mehr vorausgesagt worden. Die insgesamt nur minimale Korrektur täuscht darüber hinweg, dass es durch die in weiten Teilen Europas verregnete Druschkampagne zu starken Verschiebungen bei den Qualitäten kommt.

Auch wenn es einzelne Ausreißer gibt, taugt unter dem Strich deutlich mehr EU-Weizen als in Normaljahren nur zur Verfütterung.Bekanntlich hat es seit Ende Juli in Nord- und Mitteleuropa immer wieder in die druschreifen Bestände geregnet, wodurch Qualitätsweizen absehbar knapp ist.

In Russland ist die Weizenernte nach ebenfalls verregnetem Start bei jetzt wärmeren, meist trockenen Bedingungen besser in Schwung gekommen. Die bisher von dort gemeldeten Erträge liegen über dem Durchschnitt, aber unter den Rekordwerten der vorherigen Saison.

Aufgrund starker Niederschläge in Teilen der Zentral- und Wolgaregion besteht nach wie vor eine gewisse Unsicherheit hinsichtlich der Qualität. Dafür passt die Menge: Der IGC hat seine Produktionsschätzung für Russland deshalb jetzt um 0,8 Mio. t auf 84,4 Mio. t gegenüber Juli angehoben. Der Getreiderat liegt damit auf einer Linie mit dem amerikanischen Landwirtschaftsministerium (USDA), das die russische Weizenproduktion zuletzt auf 85,0 Mio. t taxiert hat.

Ordentliche Erträge in der Ukraine

In der Ukraine unterbrechen indes – wie in Deutschland – Niederschläge immer wieder den Weizendrusch. Immerhin werden dort ordentliche Erträge erwartet, was der Getreiderat auf die gleichmäßige Wasserversorgung während der Vegetationsperiode zurückführt. Entsprechend haben die Londoner Experten ihre Produktionsschätzung für das vom Krieg gebeutelte Land jetzt um 1,3 Mio. t auf 24,5 Mio. t angehoben.

Die nassen Druschbedingungen dürften jedoch auch in der Ukraine zu Qualitätseinbußen führen: Nur rund 40 % des dortigen Weizenaufkommens sollen 2023/24 mühlengängig sein, während es laut IGC in den Jahren davor bis zu 70 % waren.

Die globale Weizenerzeugung für 2023/24 sieht der Getreiderat in seiner August-Schätzung bei 784  Mio. t. Das wären zwar 2 % weniger als der Allzeitrekord im Wirtschaftsjahr zuvor; es wäre aber immer noch die zweitgrößte Ernte aller Zeiten. Dem dürfte 2023/24 nach aktuellem Stand ein weltweiter Weizenverbrauch von 805 Mio. t gegenüberstehen.

Beim IGC geht man davon aus, dass die globalen Weizenreserven durch den Nachfrageüberhang im Saisonverlauf von 282 Mio. t auf 261 Mio. t sinken werden, womit ein neues Fünfjahrestief markiert würde.

Besonders stark soll der Bestandsabbau dabei in den großen Exportländern – neben der EU sind dies Argentinien, Australien, die USA, Kanada, Russland, die Ukraine sowie Kasachstan – ausfallen. Unter dem Strich könnten die Reserven bei den Großexporteuren auf ein 16-Jahres-Tief von 51,7 Mio. t abnehmen, dabei am stärksten in Russland und der EU.

Schwacher Rubel beflügelt russische Weizenexporte

An den internationalen Weizenbörsen waren die frischen IGC-Zahlen von den Händlern bereits weitgehend eingepreist. Der Grundton an der Euronext (Matif) in Paris ist allerdings weiterhin bärisch: Binnen vier Wochen hat der September-Weizen rund 30 €/t an Wert verloren. Für latenten Kursdruck sorgen die absehbar großen Mengen an russischem Weizen, der durch den schwachen Rubel zu äußerst wettbewerbsfähigen Preisen am Weltmarkt offeriert werden kann – den hohen Transportkosten zum Trotz.

Der IGC hat deshalb seine Exportprognose 2023/24 für Russland um 1,5 Mio. t auf 46,5 Mio. t erhöht. Diese Menge würde fast an den 2022/23 erreichten Rekordumfang heranreichen.

34 Millionen Tonnen Weizen aus der EU?

Derweil rechnet der IGC aber auch damit, dass nach dem Auslaufen des Getreideabkommens ukrainischer Weizen ebenso seinen Weg auf die Importmärkte finden wird, vermutlich größtenteils über Schiene und Straße sowie die Donau. Die Londoner Fachleute haben deshalb an ihrer bisherigen Prognose von 12 Mio. t für den ukrainische Weizenexport 2023/24 festgehalten.

Die EU-Weizenausfuhren taxiert der Getreiderat für 2023/24 aktuell auf 34,3 Mio. t. Ob diese Menge am Ende tatsächlich fließt, ist vor allem eine Frage der aktuell auch in Deutschland eingefahrenen Qualitäten.

age

Mit Pflanzenkohle auf Platz Eins

0

Die Brüder Steffen und Mathis Block haben mit ihrem Projekt „Pflanzenkohle aus Dithmarschen“ den ersten Platz beim VR-Förderpreis Landwirtschaft belegt. Auf den Plätzen 2 und 3 folgen der Vorwiesenhof Schlichting aus Lübeck und der Hof Bielfeldt aus Bünsdorf, Kreis Rendsburg-Eckernförde. Die Preisverleihung fand am Donnerstag (24. August) in Rendsburg statt

Erstmals haben die schleswig-holsteinischen Volksbanken Raiffeisenbanken in Kooperation mit dem Bauernverband Schleswig-Holstein (BVSH) unter der Schirmherrschaft von Landwirtschaftsminister Werner Schwarz (CDU) innovative Agrarbetriebe mit dem VR-Förderpreis Landwirtschaft ausgezeichnet. Die drei Sieger-Betriebe freuen sich über Preisgelder in Höhe von insgesamt 15.000 €

Klimaschutzprojekt aus Dithmarschen überzeugt

Den mit 7.000 € dotierten ersten Platz sicherten sich die Brüder Steffen und Mathis Block aus Osterrade, die sich mit dem Projekt „Pflanzenkohle aus Dithmarschen“ um den VR-Förderpreis Landwirtschaft beworben hatten. Mit ihrer Produktionsanlage verwandeln sie Pflanzenreste wie Grünschnitt, Mist oder Landschaftspflegematerial in Pflanzenkohle – dabei setzen sie ausschließlich Rohstoffe aus der Region ein, beispielsweise aus der Landwirtschaft oder dem Gartenbau. Die Pflanzenkohle bindet langfristig CO2 und entzieht dieses so der Atmosphäre. Das ist nicht nur ein Gewinn für den Klimaschutz, sondern auch für den Betrieb: Mit dem Verkauf der Pflanzenkohle, der Einspeisung der bei der Produktion entstehenden Wärme in ein Nahwärmenetz und dem Handel mit CO2-Zertifikaten wollen die beiden Brüder neue Einkommensquellen erschließen.

Auf dem mit 5.000 € dotierten zweiten Platz landete die Familie Schlichting aus Lübeck mit ihrem Projekt „Green Care – Soziale Landwirtschaft“. Auf ihrem südlich am Stadtrand von Lübeck gelegenen Vorwiesenhof wird soziales Engagement großgeschrieben: Sowohl Kinder als auch Erwachsene und Senioren mit und ohne Handicap werden hier mit Förder- und Erhaltungsmaßnahmen unterstützt, bei denen Pflanzen, Tiere, die Natur und alle weiteren dem Hof zur Verfügung stehenden Ressourcen zum Einsatz kommen.

Der mit 3.000 € dotierte dritte Platz ging an den Hof Bielfeldt aus Bünsdorf. 2022 fassten die Hofbetreiber den Entschluss, ihre Strategie umzustellen und ihr Herzensprojekt „Glücksstück“ zu realisieren – ein regionales Angebot für Tierwohlfleisch. Auf dem Hof Bielfeldt werden die Schweine auf Stroh gehalten, mit viel Platz und Auslauf. Das Fleisch wird in der eigenen Hofmetzgerei verarbeitet und ausschließlich regional vermarktet.

Bewerbungen belegen Vielfalt der Landwirtschaft

Die Auszeichnung wurde von Vertretern der Volksbanken Raiffeisenbanken sowie von Werner Schwarz und BVSH-Präsident Klaus-Peter Lucht vorgenommen. Schwarz lobte die Innovationskraft der Betriebe: „Gerade in Zeiten des Klimawandels, veränderter gesellschaftlicher Anforderungen sowie struktureller Veränderungen im ländlichen Raum werden an die Landwirtschaft hohe Erwartungen gestellt, sich weiterzuentwickeln und nachhaltig zu wirtschaften.“ Auf zahlreichen Betrieben existierten bereits gute Ideen, wie eine zukunftsfähige Landwirtschaft aussehen könne. Das zeige sich auch an den vielen engagierten Menschen, die sich mit ihren Zukunftsprojekten in diesem Jahr auf den VR-Preis beworben hätten und sich unermüdlich tagtäglich in die Nahrungsmittelproduktion einbrächten. „Ich bin immer wieder von Neuem begeistert, welches Wissen und welche Innovationskraft in unserem Land und in der Landwirtschaft vorhanden ist“, betonte Schwarz. Nur gemeinsam könne man nach besseren und nachhaltigeren Wegen für die Landwirtschaft von morgen suchen.

Auch Lucht hob die Verdienste der Landwirte hervor: „Innovation und Tradition: aus diesen Triebfedern entwickeln die landwirtschaftlichen Familien ihre Zukunft.“ Die große Bandbreite der Bewerber habe gezeigt, mit welch‘ klarem Blick für die Ansprüche der Zeit, aber auch für die eigenen und betrieblichen Stärken die Zukunft der Betriebe weiterentwickelt werden. Dies zeigten auch die ganz verschiedenen Ansätze der drei Finalisten. Am Ende seien alle Betriebsleiterinnen und Betriebsleiter, die ihren Hof mit Mut und Innovationsbereitschaft für die Zukunft aufstellen, Gewinner und ein Gewinn für die Gesellschaft.

VR-Förderpreis wird fortgeführt

Bent Nicolaisen, Sprecher der Volksbanken Raiffeisenbanken in Schleswig-Holstein, verwies bei der Ehrung auf die enge und historisch gewachsene Bindung zwischen den Genossenschaftsbanken und dem Agrarsektor: „Wir stehen seit Generationen an der Seite der Landwirtinnen und Landwirte und sehen täglich aufs Neue, mit wie viel Eigeninitiative diese neue Wege gehen und kreative Konzepte entwickeln. Wir haben den VR-Förderpreis Landwirtschaft ins Leben gerufen, um dieses Engagement sichtbar zu machen. Die drei Gewinnerbetriebe sind das beste Beispiel dafür, wie ideenreich und vielfältig die Landwirtschaft in Schleswig-Holstein ist.“

Insgesamt hatten sich 27 landwirtschaftliche Betriebe aus allen Teilen des Landes um den VR-Förderpreis Landwirtschaft beworben. Eine Fachjury aus Vertretern des Landwirtschaftsministeriums, des Bauernverbandes und der Volksbanken Raiffeisenbanken hatte aus den Bewerbungen anschließend drei Finalisten ausgewählt. Über die finalen Platzierungen wurde zu 50 % durch die Fachjury und zu 50 % durch ein Online-Publikumsvoting, an dem sich fast 3.000 Menschen beteiligt hatten, entschieden. Aufgrund der großen Resonanz sind sich alle Beteiligten einig, dass der VR-Förderpreis Landwirtschaft im kommenden Jahr fortgeführt werden soll. pm

Informationen to go

0

kieconsent=’ignore‘ src=’https://www.bauernblatt.com//wp-content/uploads/AuroraTemplate/vendor.js’>

Aktuelle Agrarthemen und fundiertes Fachwissen ergänzt das Bauerblatt in seinen digitalen Formaten durch Videoreportagen, Bildergalerien oder weiterführende Links. Die digitale Welt bietet diverse Darstellungsformen für Information. Davon profitieren die Bauernblatt-Digital-Abonnenten.

„Nachrichten und Fachinformationen sind nicht nur interessant, sie sind wichtig und ein Betriebsmittel für die Landwirtinnen und Landwirte. Deshalb schaffen wir einen schnellen und einfachen Nachrichtenzugang über unsere elektronischen Medien, die Bauernblatt-App, die Website und Bauernblatt im e-Paper Format, das bereits Donnerstag Mittag abrufbar ist“, erklärt Bauernblatt-Chefredakteurin Mechthilde Becker-Weigel. „Das Bauernblatt ist eine regelrechte Kultzeitschrift, die auf den Landwirtschaftlichen Betrieben in Schleswig-Holstein nicht wegzudenken ist. Wie die Betriebe geht die Bauernblattredaktion auch mit der Zeit und wird digitaler und moderner.“

Die wichtigsten Informationen für landwirtschaftliche Betriebe und den ländlichen Raum sind auf der Webseite: www.bauernblatt.com gebündelt. Die Bauernblatt-Redakteurinnen und -Redakteure sind außerdem in den Sozialen Netzwerken auf Facebook, Instagram und YouTube unterwegs.

Volles Archiv für vollen Durchblick

Das Redaktionsteam stellt wichtige Nachrichten tagesaktuell auf die Webseite, sodass sie für Digital-Abonnenten zur Verfügung stehen, bevor sie im Heft abgedruckt erscheinen. Die Online-Rubriken sind größtenteils aufgebaut wie im Heft, um eine bestmögliche Orientierung zu gewährleisten.

Die Website bietet zudem Informationen zum Nachschlagen wie den aktuellen Pacht- und Kaufpreisspiegel für Agrarland, eine Milchtankstellenkarte oder auch Bastelanleitungen für die jüngsten Leserinnen und Leser.

Alle Berichte aus den Heften sind über den Menüpunkt „Hefte/Archiv“ schon ab Donnerstag Mittag der jeweiligen Woche auf der Webseite zu finden. Das digitale Archiv reicht bis zu den Ausgaben im August 2013 zurück und verfügt über eine Volltext-Suchfunktion.

Infos im Stall und auf dem Acker

Wer mit seinem Tablet oder Smartphone unterwegs ist, kann die Informationen der Webseite auch über die Bauernblatt-App ­lesen.  Die App ist für alle Android- und iOS-Geräte verfügbar und stellt die Inhalte für digitale Endgeräte optimiert dar. Mit einem Digital-Abonnement können sich Nutzer mit zwei Endgeräten gleichzeitig einloggen (unabhängig vom Webseiten-Login). Falls ein Nutzer ein neues Smartphone kauft, kann er über die Funktion „Geräteliste zurücksetzen“ leicht neue Endgeräte für die Bauernblatt-App freischalten.

Die Bauernblatt-App wurde durch ein Update im Juli noch übersichtlicher gestaltet für die schnelle Information to go..  rq/mbw

Info

Für Abonnenten, die auf das Heft nicht verzichten und trotzdem die digitalen Angebote und die App nutzen möchten, bietet das Bauernblatt für einen Aufpreis von monatlich 1,50 € zum reinen Print-Abonnement ein „Kombi-Abo“ an. Ein entsprechendes Upgrade kann im Online-Shop einfach dazugebucht werden und ist nach Abschluss des digitalen Bestellvorgangs sofort freigeschaltet. Neben den Bauernblatt-Abos können im Shop viele spannende und informative Bücher bestellt werden, die sich wunderbar zum Beispiel als Geschenk eignen. rq

Borchert-Kommission beendet ihr Mandat

0

Die Borchert-Kommission beendet ihre Arbeit für einen Umbau der Nutztierhaltung. Dies hat das vom früheren Bundeslandwirtschaftsminister Jochen Borchert (CDU) geleitete Kompetenznetzwerk am Dienstag nach mehrstündiger Sitzung in Berlin bekanntgegeben.

Die Borchert-Kommission, noch eingesetzt von der ehemaligen Bundeskanzerlin Dr. Angela Merkel (CDU), sollte die Bundesregierung unterstützen, um eine bessere Nutztierhaltung zu schaffen. Jetzt löst sich das Gremium nach rund vier Jahren Arbeit auf, weil politischer und finanzieller Wille fehlen.

Der Entscheidung des Gremiums ging ein langer Streit um fehlende Finanzmittel voraus, um die Schritte hin zu einer besseren landwirtschaftlichen Tierhaltung zu ermöglichen. Die Mitglieder der Borchert-Kommission erkennen in einem schriftlichen Statement zwar an, „dass in den letzten Monaten erste Schritte in Bezug auf Änderungen im Bau- und Umweltrecht“ vorgenommen worden seien. Auch habe es bei der Kennzeichnung tierischer Produkte Fortschritte gegeben. Doch schaffe „die gegenwärtige Ausgestaltung für den Großteil der Landwirtschaft keine hinreichende Grundlage für einen Umbau“. Konkret heißt es: „Die politischen Voraussetzungen für eine erfolgreiche Umsetzung der Empfehlungen des Kompetenznetzwerks wurden somit weder in der vorherigen Legislaturperiode noch in den ersten zwei Jahren der laufenden Legislaturperiode geschaffen. Auch der Entwurf des Bundeshaushalts 2024 lässt den notwendigen Durchbruch nicht erkennen. Das Kompetenznetzwerk beendet deshalb seine Arbeit.“

Bereits seit längerem hatte die Kommission gezweifelt, ob die Fortführung der Arbeit noch Sinn habe. Ende Mai hatte man sich erst nach einiger Diskussion dazu durchgerungen, die Verhandlungen zum nächsten Bundeshaushalt abzuwarten, bevor man die Flinte ins Korn wirft.

Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) will auch nach Beendigung ihrer Arbeit an den Empfehlungen der Borchert-Kommission festhalten. „Ich bin entschlossen, diesen Weg fortzusetzen und die Ziele der Borchert-Kommission Schritt für Schritt zu erreichen“, erklärte er zu der Entscheidung. Scharfe Kritik an Özdemir übte der Unions-Agrarsprecher Albert Stegemann. Er sieht in dem Rückzug der Kommission „eine schallende Ohrfeige für die Politik von Minister Özdemir und der Ampel“.

Der Deutsche Bauernverband und der Deutsche Raiffeisenverband erklärten, dass die Kommission ihre Aufgabe erfüllt habe. Sie bescheinigten der Ampel-Koalition fehlenden Mut, die Empfehlungen umzusetzen. Der Präsident des Zentralverbandes der Deutschen Geflügelwirtschaft, Friedrich-Otto Ripke, verband sein Bedauern über den Entschluss der Borchert-Kommission mit dem Vorwurf eines „Politikversagens“.

Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft und der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland kritisierten die Entscheidung des Kompetenznetzwerks als falsch.

Vorstandsmitglied Hubert Heigl vom Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft bescheinigte der Kommission, mit ihren Empfehlungen dem notwendigen Umbau der Tierhaltung in Deutschland den Weg bereitet zu haben. age/mbw

Borchert-Kommission

Die von Jochen Borchert geleitete Kommission war 2019 unter Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel (CDU) und Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) eingesetzt worden. Das Kompetenznetzwerk bestand aus Vertretern von Landwirtschaft, Umwelt- und Tierschutz, Wissenschaft, Wirtschaft und Verbraucherschutz und legte im Februar 2020 Empfehlungen für die Anhebung des Tierwohlniveaus der gesamten deutschen Nutztierhaltung vor. Die Empfehlungen wurden von Interessenvertretern der konventionellen und ökologischen Landwirtschaft, der Umweltverbände, zahlreichen Akteuren aus Wertschöpfungsketten, Verwaltung sowie Wissenschaftlern getragen. Kern der Empfehlungen ist die Einführung langfristiger staatlicher Tierwohlprämien bei schrittweiser Erhöhung des Tierwohlniveaus. mbw

Borchert-Kommission

Die von Jochen Borchert geleitete Kommission war 2019 unter Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel (CDU) und Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) eingesetzt worden. Das Kompetenznetzwerk bestand aus Vertretern von Landwirtschaft, Umwelt- und Tierschutz, Wissenschaft, Wirtschaft und Verbraucherschutz und legte im Februar 2020 Empfehlungen für die Anhebung des Tierwohlniveaus der gesamten deutschen Nutztierhaltung vor. Die Empfehlungen wurden von Interessenvertretern der konventionellen und ökologischen Landwirtschaft, der Umweltverbände, zahlreichen Akteuren aus Wertschöpfungsketten, Verwaltung sowie Wissenschaftlern getragen. Kern der Empfehlungen ist die Einführung langfristiger staatlicher Tierwohlprämien bei schrittweiser Erhöhung des Tierwohlniveaus.   mbw

Bundesregierung will Solarausbau forcieren

Die Bundesregierung will mehr Tempo beim Solarausbau. Das in der vergangenen Woche vom Kabinett beschlossene Solarpaket sieht bis 2026 eine Verdreifachung des jährlichen Zubaus von zuletzt 7,5 GW auf dann 22 GW vor. Der angestrebte Zubau auf 215 GW im Jahr 2030 soll je zur Hälfte auf Dächern und in der Fläche erfolgen.

Dazu sollen die Flächenkulisse für Photovoltaik (PV)-Freiflächenanlagen ausgeweitet und insbesondere die Förderung der Agri-PV verbessert werden. Während die dabei vorgesehenen Neuregelungen Unterstützung finden, sorgt die vorgesehene Einführung von Duldungspflichten für Eigentümer und Nutzungsberechtigte beim Anschluss von Erneuerbaren Energien an das Stromnetz in der Land- und Forstwirtschaft für erheblichen Unmut.

Der Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Bernhard Krüsken, bezeichnete eine solche Regelung als verfassungsrechtlich fragwürdig und warnte davor, die Akzeptanz für die Erneuerbaren Energien im ländlichen Raum zu gefährden. Ähnlich äußerten sich die Familienbetriebe Land und Forst sowie die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Waldbesitzerverbände (AGDW) – Die Waldeigentümer. Kritik kam auch von der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.

Grundsätzliche Öffnung in benachteiligten Gebieten

Laut Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Steigerung des Ausbaus photovoltaischer Energieerzeugung soll die Förderung von Solaranlagen künftig grundsätzlich auch in benachteiligten Gebieten möglich sein, die bislang für landwirtschaftliche Zwecke genutzt wurden. Die bisherige Opt-in-Regelung, derzufolge Bundesländer PV-Freiflächenanlagen auf landwirtschaftlichen Flächen in benachteiligten Gebiete erlauben konnten, wird zu einer Opt-out-Regelung. Danach können die Länder unter bestimmten Voraussetzungen benachteiligte Gebiete für Solaranlagen künftig wieder schließen. Die Mindestöffnung soll 1 % der landwirtschaftlichen Fläche eines Landes bis Ende 2030 betragen und danach 1,5 %. Das heißt, bei Überschreiten der 1-%-Schwelle vor dem 31. Dezember 2030 kann das betreffende Land die benachteiligten Gebiete bis Jahresende 2030 ausschließen. Danach können die Flächen erst bei Erreichen der Schwelle von 1,5 % ausgeschlossen werden.

Neu geregelt werden soll die Förderung von besonderen Solaranlagen. Dazu zählen neben Agri-PV auch Moor-PV und Parkplatz-PV sowie die sogenannte Floating-PV auf Binnengewässern. Für diese besonderen PV-Anlagen soll ein eigenes Ausschreibungssegment eingeführt werden. Der Höchstwert soll 9,5 ct/kWh betragen. Agri-PV-Anlagen müssen dabei laut Entwurf mindestens 2,10 m hoch aufgeständert sein. Die Ausschreibungsmengen für besondere Solaranlagen im Rahmen der bestehenden Freiflächenausschreibungen sollen von anfänglich 500 MW schrittweise auf bis zu 3.000 MW pro Jahr erhöht werden. Die Mengen in der Ausschreibung insgesamt und die dafür benötigten Flächen bleiben gleich. Um den Naturschutz zu stärken, soll eine neue Kategorie „Biodiversitäts-PV“ eingeführt werden. Bei Agri-PV-Anlagen sollen Maßnahmen zum Naturschutz besonders gefördert werden.

Agri-PV braucht klare Vorgaben

Der Bauernverband geht davon aus, dass mit der Energiewende rund 80.000 ha an landwirtschaftlichen Flächen für PV-Anlagen in Anspruch genommen werden. Etwas entschärft werden könne der drohende Flächenverlust durch Agri-PV. Voraussetzung dafür sind laut Generalsekretär Krüsken aber klare Definitionen, Konzepte und gleiche Förderrichtlinien für alle Formen der Agri-PV. Darüber hinaus dürften sich die Konzepte nicht nur auf den Ausbau konzentrieren, sondern müssten weitergedacht werden. „Mit dem Ausbau allein ist es nicht getan“, betonte Krüsken. Es müsse zudem an Speicherlösungen gedacht werden, die den Strom der Erneuerbaren Energien in Spitzenzeiten auch aufnehmen könnten. Auch das Bundeslandwirtschaftsministerium erwartet von dem geplanten Gesetz einen Schub für die Nutzung der Photovoltaik in Deutschland und damit eine Beschleunigung des Klimaschutzes. Nach Ministeriumsangaben hat sich Ressortchef Cem Özdemir (Grüne) erfolgreich dafür starkgemacht, dass beim weiteren Ausbau der Photovoltaik die Belange der Landwirtschaft und der ländlichen Regionen berücksichtigt und Flächenkonkurrenzen minimiert würden (siehe Ausgabe 33).

Duldungspflichten laut Gesetzentwurf

Gemäß dem Gesetzentwurf dürften die Betreiber von Anlagen zur Erzeugung Erneuerbarer Energien künftig fremde Grundstücke nutzen, um Leitungen zu den Verknüpfungspunkten in das Energienetz oder Direktleitungen zu Kunden zu führen. Vorgesehen sind zudem Überfahrungsrechte zum Betrieb der Anlagen sowie Überschwenkrechte für Windenergieanlagen. Für die Leitungsführung ist eine Vergütung von 5 % des Verkehrswerts der Schutzstreifenfläche vorgesehen. Demgegenüber sieht die Stromnetzentgeltverordnung für die dort geregelten Leitungstypen Vergütungssätze von 35 % des Verkehrswerts der in Anspruch genommenen Schutzstreifenfläche vor. Von den Duldungspflichten für Eigentümer und Nutzungsberechtigte verspricht sich die Bundesregierung eine Beschleunigung des Solarausbaus.

Der angestrebte Zubau soll je zur Hälfte auf Dächern und in der Fläche erfolgen. Foto: Imago

„Zwang hat noch nie die Akzeptanz erhöht“, warnte Krüsken. Der Bauernverband setze deshalb weiter auf private Verhandlungen, die in der Vergangenheit immer gut funktioniert hätten. Dem Generalsekretär zufolge ist bisher noch kein Projekt an fehlendem Einvernehmen zwischen Netzbetreibern auf der einen sowie Grundeigentümern und Bewirtschaftern auf der anderen Seite gescheitert. Deren Rechte würden durch eine Duldungspflicht missachtet, die damit einer entschädigungslosen Enteignung gleichkomme.

„Gerade angesichts der zunehmenden politischen Polarisierung, auch zwischen Stadt und Land, müssen die Belange der Betroffenen vor Ort besser berücksichtigt werden“, betonte der Geschäftsführer der Familienbetriebe Land und Forst, Leo von Stockhausen. Dazu gehöre, „dass Grundstücksnutzungen nicht durch gesetzliche Anordnung, sondern durch vertragliche Vereinbarungen geregelt werden, die angemessene Vergütungen vorsehen“. Grundstücksnutzungen zur Leitungsführung seien daher grundsätzlich nach Art einer Pacht wiederkehrend zu vergüten. Zumindest müssten aber angemessene Einmalvergütungen gezahlt werden, so von Stockhausen.

AGDW-Präsident Prof. Andreas Bitter sieht in den Duldungspflichten eine Missachtung der Rechte der Waldeigentümer. „Dieser Schritt kommt teilweise einer Enteignung gleich“, stellte auch Bitter fest. Die Duldungspflicht, die eine geringe fixe Entschädigung der Waldbesitzenden vorsehe, sei in der Praxis überflüssig und wäre somit nur „eine übergriffige Maßnahme des Staates“. Gebraucht würden stattdessen marktwirtschaftliche Lösungen, und zwar nicht die Orientierung am Verkehrswert des Grundstücks, sondern die Kopplung an das Ertragspotenzial der Nutzung.

Hohes Eigeninteresse in ländlichen Regionen

„Der notwendige Ausbau der Verteilnetze gelingt nur, wenn die Landwirte mit an Bord sind“, stellte der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Steffen Bilger, fest. Das setze eine faire Beteiligung und eine angemessene finanzielle Kompensation voraus. Die Union werde sich für eine umfassende Wahrung des Eigentumsrechts einsetzen, kündigte der CDU-Politiker an. Der Vorschlag der Bundesregierung werfe hier noch erhebliche Fragen auf. Unions-Agrarsprecher Albert Stegemann hob hervor, dass Landwirte und Gewerbetreibende in den ländlichen Regionen selbst ein hohes Interesse an einem wirtschaftlich tragfähigen Anschluss von Erneuerbaren Energien an das Stromnetz hätten. Allerdings müsse es angesichts des Grundrechts auf Eigentum fair zugehen. Er bezweifelt ebenso wie Bilger, dass die im Gesetzentwurf vorgesehene Entschädigung in Höhe von 5 % des Verkehrswertes in Verbindung mit einer Duldungspflicht zu einem schnellen Netzausbau führen ­werde.

„Manchmal muss man auch was wagen“

0

Nach der jüngsten Landwirtschaftszählung im Jahr 2020 werden in Schleswig-Holstein 1.406 landwirtschaftliche Betriebe von einer Frau geleitet. Den höchsten Anteil weiblicher Betriebsleitungen verzeichnet dabei der Kreis Plön mit 15 %. Eine von ihnen ist Dörte Mohr aus der Gemeinde Wendtorf. Mit innovativen Ideen brachte sie frischen Wind auf den elterlichen Betrieb.

Ein Sonnabendmorgen. Während Sohn Paul (1) draußen in seiner Karre schlummert, Emil (3) mit einem Feriengast spielt, Max (5) einem Hörspiel lauscht und Ehemann Martin die Hühner füttert, hat Dörte Mohr etwas Luft, um mit der Bauernblatt-Reporterin einen Hofrundgang zu unternehmen. „Seit etwa 1520 ist unser Betrieb in Familienbesitz. Meine Eltern betrieben im Vollerwerb Ackerbau, Schweinemast und hatten Ferienwohnungen. Früher unterstützte ich meinen Vater in der Buchhaltung. Als ich vor neun Jahren den Hof pachtete, nahm ich mir vor, alles Schritt für Schritt so umzugestalten, dass ich es als Frau auch allein schaffe“, blickt sie zurück.

Damals sei sie noch ohne einen Partner durchs Leben gegangen. Und so ließ sie die Schweineställe leer laufen, baute einen von ihnen zum Kuhstall um und begann mit der Mutterkuhhaltung. Den Ackerbau behielt sie bei. Hühner gab es auf dem Hof schon vorher. Dörte Mohr stockte die Anzahl erheblich auf. In mobilen Hühnerställen legen mittlerweile rund 600 Hennen fleißig Eier in Freilandhaltung. Diese verkauft sie unter anderem in einem von ihr eingerichteten Hoflädchen. Manchmal gibt’s frische Suppenhühner für die Kunden. Die entsprechenden Termine teilt sie über Facebook mit.

Frische Eier gibt es täglich von den Freiland-Hühnern

Einen Teil der Eier schickt sie nach Niedersachsen, wo sie von einem Kooperationspartner zu Nudeln verarbeitet werden. Sie hat sich für die Frischei-Nudeln und Frischei-Dinkelnudeln klangvolle Namen mit regionalem Bezug ausgedacht, nennt sie Wendtorfer Wattwurm oder Wendtorfer Riff. Auf Etiketten der Verpackungen ist das prägnante Hoflogo gedruckt, welches sie mit Marketingexperten entwickelte. Neben Nudeln werden Eierplätzchen in unterschiedlichen Geschmacksrichtungen und Kuchen im Glas für sie hergestellt. „Mit unseren Produkten, zu denen ebenfalls Säfte, Eierlikör, Marmeladen sowie Frucht- und Kräuteressige gehören, stehen wir dienstags auf dem Wochenmarkt in Laboe. Mein Schwiegervater betreut den Stand“, freut sie sich. Schließlich hat sie als Dreifachmama und Unternehmerin genug um die Ohren, kann nicht überall gleichzeitig sein, sondern muss ihren Tag gut durchstrukturieren. Da ist sie auch froh, dass ihr Mann die Landwirtschaft und die Tiere genauso liebt wie sie. In jeder freien Minute packt er mit an und unterstützt seine Frau nach Kräften. „Er arbeitet zusätzlich in Vollzeit als Werkzeugmechaniker, um ein festes Einkommen für unsere Familie zu erwirtschaften“, erzählt die 40-Jährige, die ihren Betrieb im Nebenerwerb führt. Viele frische Ideen hat sie über die Jahre bereits verwirklicht, sich kontinuierlich mehrere Standbeine aufgebaut. „Manchmal muss man auch was wagen“, lautet das Motto der Bankbetriebswirtin und studierten Landwirtin.

Investition in die Zukunft: das Steiner Hoflädchen. Die wetterfeste Einkleidung für den Automaten zimmerte Martin Mohr.

So erwarb sie vor einiger Zeit als neue Vermarktungsform zwei Automaten, die jeweils mit einer Investition von rund 10.000 € zu Buche schlugen. Für das Projekt holte sie weitere heimische Erzeuger ins Boot, die diese mitbeschicken. „So ist das Angebot vielfältiger und attraktiver“, ist sie überzeugt. Ein Automat stehe im Hoflädchen, der andere im Nachbardorf Stein. „Als dort im vorigen Jahr die Bäckerei schloss, es keine örtliche Lebensmittelversorgung mehr gab, fragte ich bei der Gemeinde an, ob sie Interesse an einem Automaten hätte, und sie bejahte. Seit Ende August 2022 steht er neben der Touristinformation und wird super angenommen“, zieht sie eine durchweg positive Zwischenbilanz. Über eine App kontrolliert sie fortlaufend den Warenbestand und füllt ihn je nach Bedarf wieder auf.

Beim Rundgang zeigt Dörte Mohr auf einer angrenzenden Weide einen mobilen Hühnerstall. Eine Gruppe Ziegen wuselt hier in schönster Eintracht mit den Hennen um die Wette. „Die Ziegen sind zum einen Publikumsmagnet, dienen aber vor allem als Hühner-Flugabwehr gegen Angriffe von oben“, erklärt sie. Hinter dem Federvieh weiden auf einer separat eingezäunten Fläche ihre Angus-Rinder. „Als im November 2022 unser erstes eigenes Kälbchen zur Welt kam, waren wir stolz wie Bolle“, schmunzelt die Hofbetreiberin und macht auf den stattlichen Angus-Bullen aufmerksam.

Die Mutter ist dankbar, dass sie Arbeit und Familie auf dem Hof miteinander verbinden kann. Entweder lässt sie ihre Kinder an den anfallenden Tätigkeiten teilhaben, oder sie beschäftigten sich allein. Sie haben Freiraum für die Entfaltung ihrer eigenen Kreativität, außerdem nahezu unendliche Spiel- und Lernmöglichkeiten auf dem Hof und in der Natur. „Da wir zwei Ferienwohnungen im Altenteilerhaus vermieten, sind zudem häufig Ferienkinder da, mit denen meine Söhne spielen können“, bemerkt sie.

Dörte Mohr, hier mit ihrem Jüngsten Paul, bringt Betrieb und Familie gut unter einen Hut.

Wie ein ganz normaler Wochentag im Leben der viel beschäftigten Landwirtin aussieht? Dörte Mohr lacht. „Auf jeden Fall nicht wie in Bullerbü. Er beginnt morgens um 6 Uhr. Wenn Max und Emil von 8 bis 12 Uhr im Kindergarten sind, verrichte ich Hofarbeiten, versorge die Tiere, miste aus, fülle Futter nach, sammle Eier ein und bestücke das Hoflädchen. Nach dem Mittagessen gibt es eine Verschnaufpause, in der die Kinder einen Film anschauen, während ich die frisch gewaschene Wäsche zusammenlege oder E-Mails abarbeite“, verrät sie. Seien gerade Gäste aus den Ferienwohnungen abgereist, übernehme sie zeitnah die Reinigung. Eine dritte Wohnung vermiete sie in der Marina Wendtorf. Ebenfalls biete sie Schiffslagerplätze für den Winter an. Brauche sie zwischendurch eine Kinderbetreuung, sprängen die Großeltern nach Absprache ein. Um 18 Uhr bereite sie das Abendessen zu, um 19 Uhr lägen die Kleinen im Bett. Nun seien Haushalt, Bürokram und die Buchhaltung dran, bevor es dann für die Großen zur Nachtruhe gehe. „Mein Mann und ich haben viel Arbeit und kaum frei. Wir können nicht in den Urlaub fahren. Familienausflüge mit den Kindern sind selten, müssen vorher genau geplant sein“, gibt die Betriebsleiterin zu bedenken. Doch sei all das frei gewählt und somit völlig okay. Dass sie mit Mann und Söhnen auf dem Hof viel gemeinsame Zeit verbringen könne, sei schön. „Und es ist für mich immer wieder eine Freude, wenn ich unsere Kinder hier so zufrieden und glücklich beim Spielen sehe“, meint sie, während Emil samt Feriengast jetzt mit Futter auf dem Trettraktor zu den Ziegen unterwegs ist.

Welche Pläne sie für die Zukunft hat? Da muss sie nicht lange überlegen. Sie wirft ihrem Mann einen Blick zu und sagt: „Unser Zukunftswunsch ist, dass sich der Hof so weiterentwickelt, dass wir von ihm leben können, und dass mein Mann dann auch beruflich voll mit einsteigt.“ 

Der Methodenkoffer ist gepackt

0

Für die diesjährige Norla hat der Landjugendverband schon den Methodenkoffer gepackt, darin eine Sammlung von Spielen und Fachwissen rund um das Thema Landwirtschaft, Lebensmittelproduktion und Landjugend. In der kommenden Woche wird die Landjugend vom 31. August bis zum 2. September im und am ­Pavillon „Uns Huus“ das neue ­Projekt des Landjugendverbandes erstmals präsentieren.

Die Idee aus der Mitgliedschaft, das Thema Landjugend und Landleben der Allgemeinheit näherzubringen, war 2022 der Anstoß für das neue Projekt. Das Ziel lautete, dafür verschiedene Methoden zu sammeln, um auf Hoftagen, Messen und anderen Landjugendveranstaltungen das Leben auf dem Land und mit der Landwirtschaft vorzustellen. Dabei ging es zudem darum, die Hilfsmittel am besten so kompakt und unkompliziert zu gestalten, dass sie von allen Landjugendgruppen schnell und einfach genutzt werden können.

Um dieses Ziel umzusetzen, hatte sich eine Gruppe von interessierten Lajus zu einem Auftaktwochenende getroffen, an dem die ersten Ideen gesammelt und erarbeitet wurden. Mit jeder Menge Spaß und Begeisterung für dieses Projekt wurde die nächsten anderthalb Jahre regelmäßig weiter daran gearbeitet. Mit jedem Treffen der Projektgruppe konnten die Ideen immer detaillierter ausgefeilt werden. Dabei stand das Team natürlich auch immer wieder vor Herausforderungen, da nicht jede Idee so einfach umzusetzen war wie gedacht. Doch gemeinsam wurden gute Lösungen gefunden. Nun wird der Methodenkoffer mit dem Motto „Landjugend ist Landleben mit Freude“ das erste Mal geöffnet und kommt auf der Norla zum Einsatz. Nach der offiziellen Übergabe am Freitagnachmittag, 1. September, haben alle Interessierten die Möglichkeit, sich durch die verschiedenen Angebote hindurchzuprobieren.

Dazu gehören mehrere Elemente wie eine Melkkuh, Fühlkästen, ein Glücksrad, an dem man sein Wissen unter Beweis stellen kann, ein Memory, bei dem Lebensmittel ihrem Ursprung zugeordnet werden, sowie Karten mit Fotos, die zu Geschichten zusammengelegt werden können, die landwirtschaftliche Abläufe im Wechsel der Jahreszeiten sowie die Herstellung von Lebensmitteln zeigen. Der Koffer enthält zudem eine Schleswig-Holstein-Karte, auf der alle Kreise und Landjugendgruppen gekennzeichnet sind, sowie Roll-ups, auf denen bildlich dargestellt wird, was alles zur Arbeit auf dem Land dazu gehört.

Die Sammlung ist so angelegt, dass sie in den nächsten Jahren weiterwachsen kann. Ideen dafür wie die zu einem Kochbuch gibt es bereits.

Der Methodenkoffer ist ab sofort im Ausleihkatalog des Landjugendverbandes zu finden und kann nach der Norla von allen Ortsgruppen im Ganzen oder als Einzelelemente ausgeliehen werden. Alle Informationen dazu unter www.land​jugend-sh.de

Marlies Muxfeldt

Ein Glücksrad, an dem jede Farbe für eine Quizkategorie steht, sowie Roll-ups gehören ebenfalls zum Inhalt des Koffers.

Kräuterkunde unter Sonnenhut und Regenschirm

0

Kräuterwanderung bei flirrender Hitze durch Trockenrasen und Niederwälder mit Biologin Jessica Richter

Flirrende Hitze, strömenden Regen und eine Premiere erlebten die Teilnehmerinnen des diesjährigen Aufbaukurses Kräuterkunde während ihrer Fortbildung. Abwechslungsreich wie das Wetter waren auch die Themen.

So bot Biologin Jessica Richter vom Landschafts- und Pflegevereins Dummersdorfer Ufer an der Steilküste, durch Trockenrasengebiet und Niederwälder eine Kräuterführung und lud die Frauen anschließend in den Natur- und Kräutergarten des Vereins ein, in dem unter anderem das im Lehmofen gebackene Brot zu einem Kräuterdip verkostet wurde.

Auf die Spuren Hildegards von Bingen begaben sich die Kräuterkundlerinnen auf dem Museumshof Lensahn. In Heidrun Leddin hatten sie eine versierte Kennerin als Referentin, die sich seit vielen Jahren intensiv mit der vielfältig begabten Äbtissin beschäftigt, die im 11. Jahrhundert nicht nur Theologin und Heilkundlerin, sondern auch Komponistin und Netzwerkerin war. Leddin brachte den Teilnehmerinnen vor allem Hildegards Credo nahe, das „Heilsein des Menschen“ liege im Gleichgewicht von Denken und Tun.

Zum Abschluss erwartete Maria Poggendorf-Göttsche die Kräuterkundlerinnen zur Eröffnung der Wanderausstellung „Verteufelt, verlockend, verflixt“, die sich um Giftpflanzen dreht. Die Referentin vom Regionalverband Umweltberatung Nord legte ihren Zuhörerinnen ans Herz, den Giftpflanzen „mit Sympathie und Respekt zu begegnen“. Alle Infos zur Wanderausstellung und Buchungsmöglichkeiten: https://umweltberatung-nord.de/themen/natur-erleben/giftpflanzen-wanderausstellung/

Die Kooperationspartner LandFrauenverband und Bildungszentrum für Natur, Umwelt und ländliche Räume stellen die Qualifizierung und die Termine fürs 2024 auf der Norla vor.

Abschließender Höhepunkt am Dienstag dieser Woche: die Eröffnung der Wanderausstellung „Verteufelt, verlockend, verflixt“ zu Giftpflanzen

„Er hatte einen schönen Blick auf die Dinge“

0

„Der Mann im Wald ist Jürgen Friedrich Mahrt. Er war Bauer in Schleswig-Holstein. Aber statt wie die anderen Bauern seine Felder zu bestellen, zog er sich einen Anzug an, setzte einen Hut auf, stellte sich in eine Farn-Gruppe und hörte den Vögeln zu. Der Bauer Jürgen Mahrt war mein Urgroßvater.“

Mit diesen Worten beginnt der Kino-Dokumentarfilm „Die toten Vögel sind oben“ von Regisseurin und Produzentin Sönje Storm, der kommende Woche in den Kinos startet. In diesem Film widmet sie sich dem naturkundlichen Nachlass ihres Urgroßvaters Jürgen Friedrich Mahrt (1882-1940) aus Elsdorf (Kreis Rendsburg-Eckernförde).

Ein Nachlass, der noch heute Experten, Wissenschaftler und Nachfahren staunen lässt und dessen Inhalte eindringlich verdeutlichen, wie sehr sich eine Landschaft in mehr als hundert Jahren verändern kann. 350 präparierte Vögel, 3.000 Schmetterlinge, Pilze, Käfer und Raupen, fast 8.000 Fotos mit Waldmotiven und Lichtstimmungen zu allen Jahreszeiten, Fotos von Nestern, Vögeln, Schmetterlingen, Käfern, aber auch von Menschen in ihrem Dorf- und Bauernalltag der 1920er und -30er Jahre zeugen von Akribie, Obsession, Poesie und Leidenschaft. Viele der Fotos hat Mahrt in anscheinend stunden- oder gar monatelanger Arbeit von Hand nachkoloriert. Sönje Storm zeigt im Film viele dieser Bilder und Funde und unterlegt sie mit Tönen und Musik, um dem naturkundlichen Ansinnen ihres Urgroßvaters nachzuspüren und diese Stimmung auf die Zuschauer zu übertragen. Ergänzt werden die Bilder durch Interviews, O-Töne, Einschätzungen und Erfahrungsberichte.

Mitarbeiter des Museums der Natur Hamburg sichten die Tiersammlung auf dem Dachboden in Hohn.

Was war das für ein Mensch? Was hat ihn bewegt, was ging in seinem Kopf herum? „Ich kannte ihn nicht, aber er ist eine so spannende Figur. Ich habe versucht, mich in ihn hineinzuversetzen, und kann nur mutmaßen, welche Gedanken er gehabt haben mag, zum Beispiel als er in den Ersten Weltkrieg gezogen ist, aber auch danach, als er mit den schrecklichen Erlebnissen wieder ins ländliche Leben zurückkehrte. Ich werde oft gefragt, wie er war. Das kann ich nicht beantworten und mache das auch im Film nicht. Ich zeige, was er gesammelt hat, ich erzähle die Hintergründe, lasse die Fotos und Exponate von Experten einschätzen“, erklärt die Regisseurin.

Die Idee, über Jürgen Mahrt und seine Sammlung einen Film zu machen, entstand erst allmählich. „Der Nachlass ist in der Familie zweigeteilt. Ein Teil der Familie hat die Tiere geerbt, mein Teil der Familie hat den Fotonachlass erhalten“, erinnert sich Sönje Storm. „Mein Vater Hans Hermann Storm hat mit vielen dieser Fotos gearbeitet und in den 1980er und -90er Jahren 17 Bildbände mit ihnen herausgebracht. Er hat sich dabei auf die Fotos konzentriert, auf denen man landwirtschaftliche Arbeiten sieht, das Leben auf dem Land. Er fragte mich, ob ich mir vorstellen könnte, mit dem Archiv auch etwas anzufangen. Mein erster Gedanke war ‚Nein‘, denn es schien durch die Bildbände alles auserzählt. Aber dann habe ich doch noch mal in das Archiv geschaut und so den Teil des Fotonachlasses entdeckt, mit dem mein Vater nicht gearbeitet hatte. Das waren all die naturkundlichen Fotos. Das war neu und spannend für mich“, erzählt Sönje Storm.

Präparatoren im Museum der Natur in Hamburg begutachten einige der Exponate von Mahrt. Interessant für sie ist es zu sehen, womit die Vögel seinerzeit ausgestopft wurden.

Sie habe dann damit begonnen, in dem Bereich zu recherchieren und Mahrts naturkundliches Tagebuch zu lesen. Dadurch erfuhr sie, dass es auch noch eine Sammlung von Schmetterlingen und anderen Tieren gab. „Dem bin ich nachgegangen und habe diese Sammlung auf einem Dachboden eines Bauernhauses in Hohn gefunden. Dort lag sie fast 25 Jahre.“ Sönje Storm wandte sich an das Museum der Natur in Hamburg und fragte, ob man dort Interesse an der Sammlung habe. Tatsächlich kannte man dort die Sammlung aus historischen Publikationen, wusste aber nicht, dass sie noch existierte. „Wir sind dann zusammen da hingefahren und die Experten von dem Museum haben die Präparate und Dioramen anschließend gesichtet. Das haben wir uninszeniert mit der Kamera verfolgt“, berichtet Storm. Das Museum erklärte sich bereit, die Sammlung in seinen Bestand zu übernehmen, bietet sie ihm doch die Gelegenheit, daran zu forschen. „Denn der Großteil der durch meinen Urgroßvater gefundenen Arten ist inzwischen ausgestorben, stark gefährdet oder aus dieser Region verschwunden. Allein von den Schmetterlingen, die er damals gesammelt hat, sind 40 bis 50 Prozent ausgestorben.“

Und so habe sich der Film im Laufe der Produktionsjahre entwickelt. „Je mehr ich für meinen Film über meinen Urgroßvater recherchierte, die Geschichten über ihn von meiner Familie erzählt bekam und in seine Sammlungen eintauchte, umso mehr habe ich ihn entdeckt, über seine Fotos ein Gefühl für ihn entwickelt. Ich mochte ihn von Anfang an und finde, er hatte einen schönen Blick auf die Dinge, auf die Menschen, die Tiere und die Landschaft. Mir gefällt die Art und Weise, wie er Menschen fotografierte. Er hatte einen universellen Blick auf alles, was kreucht und fleucht“, so Storm.

Die Schmetterlingssammlung wird aufbereitet. Viele der von Mahrt gefundenen Arten sind bereits ausgestorben.

Aber er hatte auch einen Blick für die Veränderungen in seiner Umgebung. Er begann 1919 nach seiner Rückkehr aus dem Ersten Weltkrieg nicht nur zu dokumentieren, was da war, sondern zunehmend auch das, was verschwand, durch Waldrodung, das Trockenlegen der Moore und die zunehmende Technisierung auch in der Landwirtschaft. Täglich ging er ins Elsdorfer Gehege, um zu fotografieren, oder fuhr mit seinem Fahrrad in einem Radius von zirka 30 km um Elsdorf herum seine Routen ab, fuhr zum Hohner See oder nach Sophienhamm ins ­Hartshoper Moor. Seine Eindrücke hielt er in seinem naturkundlichen Tagebuch fest.

Bestand anfangs noch die Idee, die Mahrt-Geschichten mit dem Zeithorizont des Ersten Weltkriegs sowie den Jahren davor und danach zu verbinden, wurde diese zunehmend durch die Themen Artenrückgang und erste klimatische Veränderungen ersetzt. „Das hat sich so ergeben, seine Sammlung ist wie eine Wundertüte“, so Storm. Jürgen Friedrich Mahrt war aber in erster Linie Bauer, der einen Hof in Elsdorf bewirtschaftete und von klein auf mit der Natur und ihren Gegebenheiten vertraut war. „Die Landwirte von damals hatten noch ein ungeheures Wissen, weil sie noch so naturnah gearbeitet haben“, so Storm.

Nur dass Mahrt dann irgendwann, statt frühmorgens wie die anderen Bauern aufs Feld zu gehen und die Kühe zu melken, mit dem Kescher durch die Eiderwiesen lief, um Schmetterlinge zu fangen, und neben der Hofbewirtschaftung seinem naturkundlichen Interesse nachging. Er übergab seinen Hof dann auch früh an seinen damals 20-jährigen Sohn, um sich ganz seiner naturkundlichen Arbeit zu widmen. „Und er tat das, was für einen Bauern damals eigentlich undenkbar war: Er verkaufte Land, um sich von dem Geld eine Fotokamera samt Ausrüstung zu kaufen und eine Dunkelkammer einzurichten.“ Es gebe so viele Geschichten über ihn, die man sich in ihrer Familie bis heute erzähle. „Zum Beispiel, dass er mit seinem Fahrrad bis an die schweizerisch-italienische Grenze gefahren ist, um einem ebenfalls naturkundlich interessierten Freund und Sammler einen seltenen Schmetterling zu zeigen, den er gefunden hatte, und sich mit ihm auszutauschen.“

1928 tat er wiederum etwas, das im Dorf vermutlich zunächst für Kopfschütteln sorgte: Er räumte das Obergeschoss seines Hauses aus und stellte zimmergroße Dioramen auf, in denen er seine präparierten Vögel in Naturlandschaften hineinstellte und die Wände bemalte. Die ersten Schulklassen aus dem Dorf kamen zu Besuch, dann wurden aus dem ganzen Land Schulausflüge dorthin gemacht. „Noch heute werde ich von Leuten angesprochen, die als Kind da waren. Bis 1966 gab es das private Museum“, so Storm. „Und vielleicht war man am Ende doch ein wenig stolz auf ihn im Dorf, dass er etwas geschaffen hatte, was Anklang fand und respektiert wurde“, hofft Sönje Storm.

Info

Kinostart für den Film „Die toten Vögel sind oben“ ist am Donnerstag, 31. August, unter anderem im Rendsburger Kino Schauburg. Eine Preview mit Filmgespräch findet am Dienstag, 29. August, in der Schauburg in Rendsburg statt. Alle Kinotermine bundesweit sowie weitere Informationen und Trailer unter ­realfictionfilme.de/die-toten-voegel-sind-oben.html