Wie lässt sich Lungenentzündungen bei Kälbern vorbeugen? Eine landwirtschaftliche Beraterin und ein praktischer Tierarzt geben Schweizer Landwirten Tipps aus ihrem Erfahrungsschatz.
Die Rinder- oder Kälbergrippe ist die häufigste Lungenerkrankung beim Jungvieh. Eine Lungenentzündung führt nicht nur zu kurzfristigen Leistungseinbußen, sondern oft auch zu bleibenden Lungenschäden. Man bemerkt diese nicht immer, doch wirken sie sich später in einer verminderten Leistungsbereitschaft der Tiere aus.
Vorsorge beginnt beim Trockenstehen
„Die Kälbergesundheit beginnt schon bei der Mutter“, erklärt Nathalie Roth von der Fachstelle Rindvieh des Landwirtschaftlichen Zentrums St. Gallen (LZSG). Bereits die Gesundheit und Versorgung der trockenstehenden Kuh wie auch ein sauberes „Geburtsbett“ und eine ruhige, stressfreie Geburt geben dem Kalb einen guten Start ins Leben. Das Ablecken durch die Mutter oder das Abreiben mit Stroh durch den Landwirt fördern die Durchblutung und damit den Kreislauf. „Legt das Kalb dorthin, wo die Mutter frisst“, empfiehlt die Tierhaltungsberaterin. So wird diese zum Ablecken des Kalbes motiviert. In Brustlage kann sich die Lunge besser entfalten.
Das Kalb habe von Natur aus schlechte Karten, da es im Verhältnis zu seinem Körper nur über eine kleine Lunge verfüge. Hinzu komme, dass die Rinderlunge sich nur langsam entwickele. Sie ist erst nach etwa einem Jahr ausgereift. „Stroh ist ein günstiges Medikament“, wirbt Roth. Auch später bietet es dem Kalb Wärme, Witterungsschutz und ein trockenes Nest. Es muss aber immer reichlich vorhanden sein, damit das Liegebett trocken bleibt. Regelmäßiges Entmisten und Einstreuen reduzieren zudem die Bildung von Ammoniak, das die Atemwege des Kalbes reizt. „Es sind viele kleine Dinge, die die Gesundheit des Kalbes unterstützen“, unterstreicht Roth.
„Keine Angst vor Frischluft“
Woran sieht man, ob ein Kalb gesund ist? „Aufmerksame Kälberohren sagen viel über den Allgemeinzustand aus“, weiß die Kuhsignal-Trainerin aus Erfahrung. Einem Kalb, das Kopf und Ohren hängen lässt, ist es nicht wohl. „Tragt im Stall immer einen Fiebermesser bei euch“, empfiehlt sie. Tränende Augen, Nasenfluss, Husten oder verstärkte Atmung weisen auf eine Erkrankung der Atemwege hin. Kranke Kälber lägen eher am Rand der Gruppe und entlang einer Wand, hat sie beobachtet.
Um die Kälber vor Auskühlung zu schützen, lassen sich Betonwände mit Holz- oder Wärmedämmplatten verkleiden. Kälber mit zirka 120 bis 150 kg Lebendgewicht geben pro Tag etwa 4 l Wasserdampf an die Umgebung ab. Dieses Wasser muss mit der Lüftung aus dem Stall entfernt werden. Da im Winter die Luft kälter ist, kann sie weniger Wasser aufnehmen, und man muss häufiger lüften, was nicht unproblematisch für die Gesundheit der Kälber ist. Stoßlüften dauert nur kurz. Am besten lüftet man dann, wenn sich die Tiere in einem geschützten Bereich, beispielsweise am Fressgitter, aufhalten oder sich bewegen.
„Keine Angst vor Frischluft“, ermuntert die Beraterin. Frischluft ist gesund, denn sie ist frei von Staubpartikeln, die Träger von Bakterien, Viren und Pilzen sind. Kälber, die sich dauernd in der Kälte befinden, zum Beispiel in einem Offenfrontstall, haben ein dickes Haarkleid, und die Kälte macht ihnen nichts aus. Probleme gibt es dann, wenn es zu Zugluft kommt oder die Tiere die Kälte nicht gewohnt sind. So könne ein Wechsel vom warmen Stall in den kalten, winterlichen Auslauf zu Erkältungen führen.
Zwischenwände und große Strohballen in Form von Quader- oder Rundballen bieten den Kälbern Schutz vor Kälte und Zugluft. Sauberes Wasser ist nicht nur im Sommer, sondern auch im Winter wichtig. „Stroh, Luft und frisches Wasser sind die günstigsten Medikamente“, fasst die Beraterin zusammen.
Auf Biestmilch und Wasser achten
Hanspeter Fässler, Inhaber der Großtierpraxis im appenzellischen Stein, betont ebenfalls die Bedeutung der Geburt und der ersten Lebenstage für die spätere Entwicklung des Kalbes. In seiner Praxis stellt er fest, dass die Versorgung mit Kolostrum oder Biestmilch oft vernachlässigt wird. Die Biestmilch soll man innerhalb der ersten drei Lebensstunden verabreichen, und davon mindestens 3 l. Je später das Kalb die Milch bekommt, desto weniger Antikörper nimmt es auf und desto anfälliger ist es gegenüber krank machenden Keimen.
Kälber müssen jederzeit Zugang zu Wasser haben. Wie sollen Bakterien im Pansen die Rohfaser aufschließen können, wenn kein Wasser vorhanden ist? Kälber, die Zugang zu Wasser haben, nehmen schneller Heu auf als solche, die nur Milch erhalten. Wasser ist den Kälbern aus einem Eimer oder Selbsttränke-Becken anzubieten, wo sie von oben trinken können, aber nicht an einem Nuckel, damit das Wasser nicht in den Labmagen gelangt. Ein Eisenmangel erhöht die Krankheitsanfälligkeit. Heu ist ein natürlicher Eisenlieferant. Eine Eiseninjektion oder eine orale Eisengabe in den ersten zwei Tagen nach der Geburt sowie in der dritten Lebenswoche bieten einen guten Schutz vor Eisenmangel.
Nur wirksame Antibiotika verwenden
„40 Prozent der Aufzuchtkälber erkranken an Rindergrippe“, hält Fässler fest. Am Anfang steht eine Infektion durch Viren, wobei nur milde Symptome auftreten. Nach etwa drei bis vier Tagen, wenn die Abwehr des Körpers geschwächt ist, siedeln sich Bakterien an. „Die Bakterien räumen auf“, bringt es Fässler auf den Punkt. Es kommt zu Fieber und Atemnot. „Wir müssen schauen, mit welchen Erregern wir es zu tun haben“, erklärt der Tierarzt.
Aufgrund von Abstrichtupfern oder mittels Bronchiallavage lässt er im Labor den Erreger bestimmen und ein Antibiogramm erstellen. Damit lässt sich feststellen, welche Antibiotika gegen die Erreger wirksam sind. Die Bestimmung muss schnell gehen, denn es können Lungensegmente absterben. Antibiogramme seien zwar ein guter und vom schweizerischen Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) vorgeschriebener Weg zur Verringerung von Antibiotikaresistenzen, aber leider seien die Laboranalysen nicht immer rechtzeitig verfügbar. In dieser Zeit schreite die Entzündung fort.
Schutzimpfung als Alternative
Eine Möglichkeit, Lungenentzündungen vorzubeugen, bildet die Schutzimpfung. Die intranasale Impfung schützt vor dem Bovinen Parainfluenza-Virus und BRSV-Infektionen. Der Schutz hält zwölf Wochen an und muss dann erweitert werden. Es gibt aber je nach Bestand viele andere Viren, welche eine Lungenentzündung auslösen können und bei welchen diese Schutzimpfung nicht hilft. Fässler sieht die Zukunft der Immunprophylaxe in einem bestandesspezifischen Impfstoff. Damit ließe sich der Einsatz von Antibiotika verringern, aber die Herstellung solcher Impfstoffe sei aufwendig und der Erwerb für Betriebe mit wenigen Tieren finanziell kaum tragbar.
Dem praktischen Landwirt rät der Tierarzt, nicht zu warten, wenn er Kälber mit Husten oder Atemnot beobachtet, sondern den Tierarzt zu rufen. Je früher, desto besser, denn wie erwähnt, je fortgeschrittener die Lungenentzündung ist, desto mehr kann es zu bleibenden Schäden der Lunge kommen, die sich dann auswirken, wenn das Tier in Stress kommt. Saubere Stallluft, ein warmes Strohbett und bei Kälte vorgewärmtes Wasser sind ein guter Schutz vor Erkrankungen der Atemwege.
Fazit
• bestimmen, wer für die Kälber verantwortlich ist
• Kurze Arbeitswege und eine gute Stallübersicht erleichtern die Arbeit.
• Eine trockene Matratze wärmt die Tiere.
• Viel Stroh ermöglicht den Tieren, sich „einzunisten“.
• Betonwände gegen das Auskühlen der Kälber dämmen
• Frischluft auf Nasenhöhe
• genügend Platz geben, um eine Anreicherung von Keimen zu vermeiden
• Ruhezonen helfen, Stress zu vermeiden.
• dauernder Zugang zu frischem Wasser
Belüftungsschläuche können helfen, frische Luft in Ställe zu bringen und schlechte Luft zu verdrängen. Doch ist darauf zu achten, dass sie hoch genug angebracht sind und keine Zugluft entsteht. Nicht zuletzt kommt es auf die Verteilung und Größe der Löcher im Schlauch an.