Die Bildungsoffensive für Landwirtschaft, Ernährung und Verbraucherschutz (BiLEV) des Kieler Landwirtschaftsministeriums (MLLEV) ist ein wichtiger Baustein der Umsetzung des Thesenpapiers, das im Rahmen des Dialogprozesses zur Zukunft der Landwirtschaft in Schleswig-Holstein erstellt wurde. Über die Hintergründe und darüber, wann BiLEV an den Start geht, spricht MLLEV-Staatssekretärin Anne Benett-Sturies im Interview mit dem Bauernblatt.
Wieso entwickelt das Landwirtschaftsministerium eine Bildungsoffensive?
Wir sehen die BiLEV als Kernelement unseres Dialogs zur Zukunft der Landwirtschaft. Die am Dialogprozess Beteiligten haben immer wieder deutlich gemacht, dass es für den gelungenen Brückenschlag der Zukunftsthemen der Landwirtschaft in die Gesellschaft mehr Wissen braucht, und zwar mehr Wissen über die Zusammenhänge: Wie werden unsere Lebensmittel erzeugt? Wie werden sie verarbeitet? Welche Aspekte des Verbraucherschutzes haben in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen?
Wie ist die Abgrenzung der BiLEV zu anderen Projekten wie „Schulklassen auf dem Bauernhof“?
Ich möchte nicht den Begriff Abgrenzung verwenden. Die BiLEV richtet sich gezielt an die Sekundarstufen I und II, also eine andere Zielgruppe. Das Projekt „Schulklassen auf dem Bauernhof“ leistet entscheidende Basisarbeit – im Schwerpunkt für Grundschulen. Außerdem gibt es viele weitere zertifizierte außerschulische Lernorte – darunter auch Höfe, die schon aktiv sind, ob das Versuchsgut Lindhof der CAU oder der Ringstedthof in Lübeck, um nur zwei Beispiele zu nennen. All das werden wir insgesamt sichtbarer machen mit der Bildungsoffensive. Die BiLEV selbst soll stärker die jungen Erwachsenen ansprechen. Dort sind wir teilweise schon mit sehr individuellen und manchmal auch mit Fehlvorstellungen konfrontiert. An dieser Stelle im Sinne der Wertschätzung für unsere Landnutzung und für unsere Lebensmittelerzeugung stärker aufzuklären und dabei auch Detailaspekte zu betrachten – das ist unser Ansatz mit der Bildungsoffensive.
Mit Landwirtschaft, Ernährung und Verbraucherschutz sprechen Sie sehr viele Themen an. Welche Bedeutung hat dafür das Akteursnetzwerk?
Wir haben das vergangene Jahr und den Anfang dieses Jahres darauf verwendet, ein großes Akteursnetzwerk aufzubauen. Es gehörten von Anfang an die Institutionen aus dem Dialogprozess dazu, zum Beispiel der Bauernverband, aber auch die Landwirtschaftskammer, Verbände wie ProVieh, Feinheimisch, der BUND oder die Verbraucherzentrale. Und wir bekommen weiter Anfragen von Institutionen und außerschulischen Lernorten, die an der Bildungsoffensive teilhaben möchten. Dieses Akteursnetzwerk ist der Quell der Themen und auch der praktischen Umsetzung. Es geht darum, die Themen so aufzubereiten, dass sie auch in die Lehrplananforderungen passen. In Zusammenarbeit mit dem Bildungsministerium haben wir die Europa-Universität Flensburg mit an Bord geholt. Dort wird sichergestellt, dass die Themen so aufbereitet werden, dass Lehrkräfte das Material der jeweiligen Lerneinheit auch in der Vorbereitung, während der Durchführung und in der Nachbereitung nutzen können. Bereits in der Pilotphase waren und sind Lehrkräfte daran beteiligt, die einzelnen Themenkonzepte zu erarbeiten.
Wie viele Lerneinheiten sollen insgesamt erstellt werden?
Die BiLEV befindet sich in einem aufwachsenden Prozess. Derzeit sind 25 Bildungskonzepte fertig, und dabei ist die thematische Vielfalt schon riesig. Es geht von Pflanzenzüchtung und Saatgutgewinnung über die Bedeutung des Bodens, Biodiversität in der Landwirtschaft bis hin zu Tierzucht, Tierwohl und der Herstellung tierischer Lebensmittel. Die Tierhaltung ist dabei ein sehr sensibler Bereich – gerade bei jungen Menschen –, der mit vielen Fragen verbunden ist, denen sich verschiedene Betriebe stellen wollen. Insgesamt sind aktuell weitere 57 Bildungskonzepte in Vorbereitung. Da die Konzepte für verschiedene Betriebe anwendbar sind, gehen wir davon aus, dass sich das Angebot sehr schnell in die Fläche vervielfacht.
Können Sie die Schulen in Schleswig-Holstein flächendeckend bedienen?
Wir wollen die Angebote schulnah haben, deshalb brauchen wir dieses weite, dezentrale Akteurs-netzwerk. Unser Ziel ist, Qualität zu sichern und diesen hohen Qualitätsanspruch auch umzusetzen. Dafür bieten wir in Zusammenarbeit mit der Universität Flensburg Ende September zwei Workshops an. Beide Termine waren nach Bekanntgabe sofort ausgebucht. Daran sieht man die große Bereitschaft der Betriebe, sich fit zu machen für diese besondere Zielgruppe. Wir haben jetzt bereits so viele Wartende auf der Warteliste, dass die für Oktober angesetzten Workshops schon fast ausgebucht sind. Das werden nicht die letzten sein. Es wird fortlaufend neue Workshops geben. Diese Qualifizierung ist uns ein Kernanliegen, damit die Betriebe in die Lage versetzt werden, diesen durchaus auch kritischen jungen Menschen die Zusammenhänge zu erklären. Es geht darum, ihnen Alltagskompetenz zu vermitteln, selbst die richtige Entscheidung treffen zu können – und die ist immer individuell.
Das ist sicher ein hoher Aufwand für die Betriebe. Gibt es eine Aufwandsentschädigung?
Wir haben vor, den Betrieben eine Aufwandsentschädigung zu zahlen, weil der Qualitätsanspruch, den wir setzen, wirklich eine umfassende Vorbereitung erfordert, zum Beispiel im Vorkontakt mit den Lehrkräften. Was wir nicht machen werden, ist eine logistische Unterstützung dahingehend, dass der Transport der Schulgruppe finanziert wird. Wir möchten, dass die Lehrkräfte sowie die Schülerinnen und Schüler mit einem gewissen Eigenengagement beim Betrieb ankommen.
Wie ist Ihre Vorstellung, wie sich die Bildungsoffensive weiterentwickelt?
Wir werden im Herbst dieses Jahres mit einem ersten Bildungskatalog mit ausprobierten Konzepten herauskommen. Es wird ein aufwachsender Katalog sein. Zudem setzen wir gemeinsam mit dem Akteursnetzwerk alles daran, dieses Projekt zu verstetigen, um den Prozess zur Zukunft der Landwirtschaft in Schleswig-Holstein wirklich untersetzen zu können und ihn in der Gesellschaft stärker ankommen zu lassen.
Mehr Informationen zu BiLEV auf den Internetseiten des MLLEV und der Europa-Universität Flensburg
Ein Video des Akteursnetzwerk-Treffens im Mai auf Hof Steffen: