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Bauern, Bürger und Helfer Hand in Hand

Schäden durch die Sturmflut an der Ostsee
Von Sven Tietgen
Meterhohe Wellen an der Küste bei Hökholz, Kreis Rendsburg-Eckernförde. Foto: Ulrike Baer

Die schwere Sturmflut an der Ostseeküste am vergangenen Wochenende wird wohl als Jahrhundertereignis in die Geschichte eingehen. Von Freitag auf Sonnabend hat sie massive Schäden angerichtet. Genaue Zahlen kann die Landesregierung noch nicht nennen, Schätzungen gehen von einer dreistelligen Millionenhöhe aus. An vielen Stellen entlang der Küste schob der Sturm gewaltige Wassermengen auf die Strände, riss Seebrücken ebenso weg wie Campingplätze und durchbrach an mehreren Stellen die Deiche.

In der Sturmflutnacht waren nach Angaben des Landesfeuerwehrverbandes (LFV) rund 2.500 Feuerwehrleute im Einsatz, unterstützt von Kräften des Technischen Hilfswerks (THW) sowie des Deutschen Roten Kreuzes, des Arbeiter-Samariter-Bundes, der Johanniter-Unfall-Hilfe, des Katastrophenschutzes und sogar der Bundeswehr. Wie viele Brandschützerinnen und Brandschützer aus landwirtschaftlichen Betrieben stammen, ist LFV-Geschäftsführer Volker Arp nicht bekannt. Aber: „Landwirte sind eine gute Säule der Freiwilligen Feuerwehren vor Ort“, erklärte der Erste Hauptbrandmeister des Landes.

Erfolg in Hasselberg

An den Hotspots entlang der Küste kämpften viele Bäuerinnen und Bauern gegen drohende Deichbrüche – in Hasselberg mit Erfolg. Agnes Greggersen war mit Ehemann Christian und Vater Ernst-Wilhelm in der Nacht zu Sonnabend vor Ort: Rund 1 km vom Deich in Hasselberg entfernt füllten Feuerwehrleute Sand in Säcke und Big Bags, die von örtlichen Bauern mit Treckern und Mulden zum Deich gefahren wurden. „Uns war schon bange, so etwas hat keiner von uns erlebt. Das Schlimmste konnte aber verhindert werden“, berichtet Agnes Greggersen.

Bei Gut Oehe strömte Wasser über den Deich, ab 2 Uhr flaute aber der Ostwind ab, und das Wasser zog sich wieder zurück. Hand in Hand wurde gearbeitet, um Löcher im Deich zu stopfen. „Langfristig muss in Sachen Deichverstärkung was passieren“, mahnte die Landwirtin. Damit ist Agnes Greggersen nicht allein: Auch Akteure im Bereich des Deichdurchbruchs bei Damp fordern mehr Unterstützung von Land und Bund für einen dauerhaften Hochwasserschutz.

Durchbruch in Damp

In Damp hat der heftige Sturm nicht nur wie in Kiel viele Boote zerstört. Dort gab es auch einen Deichdurchbruch, der mit viel Anstrengung und vereinten Kräften vorerst gestopft werden konnte. Mit Schleppern und Radladern wurden in der Sturmnacht 200 Big Bags und 4.000 Sandsäcke vom Damper Hafen zur Bruchstelle transportiert. Das Material kam vom Kieswerk Gammelby, die Mitarbeiter dort schufteten die ganze Nacht, um die vom THW mitgebrachten sogenannten Absandanlagen zu befüllen. Rund 300 t Kies wurden verladen. „Es ist selbstverständlich, dass wir in so einer Situation Verantwortung zeigen und helfen, wo wir können“, sagte Betreiber Lars Glindemann von der gleichnamigen Firmengruppe.

Mit einem Wall aus Big Bags wurde die Durchbruchstelle am Deich bei Damp provisorisch verschlossen. Foto: Johannes Dibbern

Im Dauereinsatz an der Durchbruchstelle des 1,5 km langen Deichs war mit vielen Helfern vom nahen Gut Damp und Lohnunternehmen auch Johannes Dibbern. „Wir hatten großes Glück, dass wir jemanden vom THW mit viel Erfahrung von Nordseedeichen dabeihatten. Der wusste genau, wie wir mit dem Material den Deich wasserdicht bekommen“, so der Landwirt und langjährige Vorsitzende des örtlichen Wasser- und Bodenverbandes (WBV) Schwastrumer Au. Trotzdem floss zuvor jede Menge Wasser ins Inland. Alle drei Pumpen des WBV fielen aus: „Der Schaltschrank stand unter Wasser und die Motoren sind abgesoffen“, sagte Dibbern.

Das Wasser machte aus den angrenzenden Waldgebieten von Gut Damp eine regelrechte Sumpflandschaft. „Der Boden ist total aufgeweicht, die Bäume haben keinen Halt mehr. Trotzdem haben wir hier noch Glück gehabt“, sagte der Eigentümer von Gut Damp, Alexander Graf zu Reventlow. So wurden die beiden nahen Campingplätze in Fischleger und Dorotheental, die von Landwirten betrieben werden, schwer getroffen. „Da geht es bei den Betreibern ans Eingemachte und an die Existenz“, so Reventlow. Auch der Eigentümer von Gut Damp befürchtet, dass bei einem nächsten größeren Sturm die provisorisch geflickten Deiche nicht halten werden.

Deicherhöhung gefordert

Viele wissen nicht, dass die Unterhaltung der Deiche in der Region hier Sache der WBV ist. Die Kosten für die anstehenden aufwendigen Instandsetzungen könnten bei einem Haushalt von gerade einmal 3.500 € im Jahr gar nicht gestemmt werden, erklärt Johannes Dibbern, der seit Jahren Deicherhöhungen fordert. Bei einem Besuch vor Ort nach der Sturmnacht hat Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) Hilfen versprochen. „Wir haben mit ihm gesprochen, viele hier sind aber skeptisch“, so Dibbern. Der Eigentümer von Gut Damp hofft, dass es kein politisches Hickhack über die Hilfen gibt: „Naturschutz darf nicht über Küstenschutz stehen.“

Die Sturmflut riss große Löcher in den Deich bei Gut Oehe. 
Foto: Carsten Siewertsen

Gut Oehe evakuiert

Massive Schäden richtete die Sturmflut auch bei Oehe-Maasholm und an der Steilküste bei Kronsgaard an. Die Zerstörungen am Deich vor Gut Oehe waren auch der Auslöser für die Evakuierungen der Anwohner, berichtet Carsten Siewertsen. „Die Wellen sind so stark draufgegangen, dass die Spundwand und Steine herausgespült wurden. Da sind jetzt große Löcher im Deich, so was habe ich noch nie erlebt“, erzählte der Landwirt und zweite Vorsitzende des örtlichen WBV. Big Bags wurden als Wellenbrecher an den Deich gesetzt, dabei halfen auch Baggerfahrer einer örtlichen Baufirma, die in der Nähe ein Neubaugebiet erschlossen. Aber die Angst vor dem nächsten Sturm ist weiter da. „Dabei hat die Sturmsaison noch gar nicht angefangen. Wir haben immer schon gesagt, dass der Deich bei Kronsgaard zu niedrig ist, teilweise ist er nicht mehr als ein Strandwall.“

Abbruch an der Steilküste auf Fehrmarn. 
Foto: Gunnar Müller

Land unter auf Fehmarn

„Land unter“ war auch auf Fehmarn angesagt: Die Sturmflut setzte Campingplätze an der Südküste unter Wasser und riss große Brocken aus der Steilküste heraus. Zahlreiche Helfer stopften Löcher mit Sandsäcken und Big Bags, die mit Schleppern und Anhänger herangeholt wurden. Gunnar Möller, Landwirt und Vorsitzender des Bezirksbauernverbandes Fehmarn, sprach von einem riesigen Schaden. „Die Campingplätze sind ein wichtiges Standbein, das uns immer über den Winter gebracht hat“, erklärte Müller.

Land unter auf den Campingplätzen an der Südküste von Fehmarn.  Foto: Gunnar Müller

Geltinger Koniks retten sich

Positive Nachrichten kamen aus der Geltinger Birk, obwohl die bis zu 500 ha große Fläche überspült wurde. Alle etwa 75 Konik-Wildpferde und 130 Galloways, die das Areal extensiv beweiden, haben die Sturmflut überlebt. „Die Tiere sind in Sicherheit, sie haben sich auf hoch gelegene Stellen zurückgezogen“, berichtete Gerd Kämmer von der Genossenschaft Bunde Wischen. Dennoch musste eine ganze Reihe von Tieren am Schwansener See evakuiert werden, die Rettungsaktion gestaltete sich aber schwierig. „Wir mussten uns regelrecht hinbaggern, ein riesiger Erdplacken versperrte den Weg“, erzählte Kämmer, der auch vier vermisste Galloways wiederentdeckte: Das Hochlandrinder-Quartett rettete sich in ein Waldstück.

Land unter am Eckernförder Strand. Fotos: Ulrike Baer
Am Küstenabschnitt zwischen Hökholz und Bognis  überwinden die Wellen die kleine Steilküste und überspülen den Acker.
Das war einmal die Promenade von Schönhagen, Kreis Schleswig-Flensburg.
Folgen des Sturms in Schönhagen, Kreis Schleswig-Flensburg.
Meterhohe Wellen mit aufgewühltem Sand erreichen die Küste bei Langholz, Kreis Rendsburg-Eckernförde.


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