Dietrich Jänicke aus Glasow im Landkreis Mecklenburgische Seenplatte nutzt seine jahrzehntelangen Erfahrungen im Haferanbau für die Beratung interessierter Landwirte. Dafür arbeitet er mit der Brüggen-Mühle in Lübeck zusammen.
Hafer zieht sich durch Dietrich Jänickes Leben. Schon als Kind, auf dem vom Vater bewirtschafteten Kirchengut nahe Güstrow aufwachsend, war er als Futterlieferant allgegenwärtig. Nach der Berufsausbildung mit Abitur und dem Studium der Landwirtschaft in Rostock begann der junge Diplom-Ingenieur 1985 als Produktionsleiter auf einer 3.500 ha großen LPG bei Demmin – und baute dort Hafer an, einfach weil er ihn kannte. Er war als Futter gut zu verkaufen, passte super in die Fruchtfolge und war gut für die Böden. Was wollte man mehr.
Als dann die Mauer fiel und sein damaliger Schwiegervater anbot, sich mit 275 ha rückübertragenen Landes als Wiedereinrichter zu versuchen, war Jänicke sofort dabei. Bei der Übernahme im Winter 1990/91 waren einige der Flächen unbestellt. Was machte Jänicke? Genau! Er stellte Hafer darauf. „Saatgut, Know-how und die Kontakte zum Mischfutterwerk in Malchin hatte ich ja.“
Hier stand immer schon Hafer
Mit einem Angestellten und einer Saisonkraft hat er die Dietrich Jänicke Landwirtschaft durch gute und auch schwierige Zeiten gesteuert. Der Betrieb in Glasow, einem Ortsteil von Dargun, wuchs auf heute 408 ha, der Haferanteil nahm von damals 5 % auf heute zwischen 15 und 18 % zu. Wichtig war dem Landwirt immer eine breite Fruchtfolge, so finden sich neben dem Hafer 20 bis 25 % Raps, 20 bis 25 % Gerste, 25 bis 30 % Weizen, 8 bis 10 % Leguminosen und 2 % Zuckerrüben auf den Flächen.
Noch bevor es das Wort Diversität dafür gab, fand er Abwechslung auf den Feldern wichtig: „Ich hatte immer mal Berater da, die haben gesagt: ‚Du musst Raps-Weizen-Gerste machen, dann verdienst du auch Geld.‘ Das fand ich nicht richtig. Auch früher haben die Bauern hier bis zu 35 Prozent Hafer angebaut für ihre Tiere.“
Den Standort mit einer durchschnittlichen Ackerzahl von 42 (zwischen 28 und 62) nennt Jänicke einen Haferstandort: „Wir können hier 75 bis 80 Dezitonnen pro Hektar ernten, es waren auch schon mal 113.“ Was sind denn bitte Haferstandorte? „Du brauchst Wasser. Zu leicht und sandig dürfen sie nicht sein. Aber uns fehlte oft das Wasser in den vergangenen Jahren.“ Seit 2016 beobachtet er immer wieder Trockenheitsextreme, auch dieses Jahr sei ein „Verdrussjahr“ für den Hafer gewesen: „36 Dezitonnen pro Hektar mit viel Gründurchwuchs, bei den Erbsen war es ähnlich wenig. Das macht wirklich keinen Spaß.“
Zudem sei der Standort „steinreich“, fügt er augenzwinkernd an. Davon zeugen beachtliche Felsen, die das Betriebsgelände schmücken. Allerdings wussten das auch schon die Ahnen: Der Ortsname Glasow bedeutet im Slawischen „Ort auf steinigem Boden“.
Aussaat nach Wetter, nicht nach Kalender
Im Anbau stehen bei Jänicke nicht Termine im Vordergrund, sondern die Ansprüche der Sorten. Hafer kommt so früh wie möglich in den Boden, aber eben erst dann, wenn die Bedingungen stimmen. „Durchschnittlich drillen wir am 15. März, aber wir haben auch schon Anfang Februar angefangen. Wenn der Boden befahrbar und oberflächlich trocken und auch die Witterung trocken ist, fahren wir los. Die Drille ist neben dem Mähdrescher die Schlüsselmaschine auf dem Hof.“ Wichtig sei aber, ergänzt er noch, nicht zu früh am Tag zu beginnen: „Der Morgennebel muss weg und der Boden vor allem nach Zwischenfrüchten ausreichend abgetrocknet sein. Wir fahren meist erst so gegen Mittag los. Früher haben wir ‚Ivory’ angebaut, inzwischen ist es ‚Lion’.“
Hafer steht in der Regel nach Getreide, gefolgt von einer Zwischenfrucht – auch das macht er schon länger als es vorgeschrieben ist. Gedüngt werden 80 bis 100 kg N nach Düngebedarfsermittlung, dazu S und Mg vor der Saat, schnellstmöglich eingearbeitet. P und K düngt Jänicke im Herbst als Einzelkomponenten nach den Ergebnissen der Bodenuntersuchung. Mit der ausgefeilten Bestellung und Ernährung nach Bedarf bereitet er dem Bestand die bestmöglichen Voraussetzungen. Und doch wird er regelmäßig durch Frühjahrstrockenheiten zurückgeworfen.
„Züchtung und Mühlen brauchen noch Zeit“
Vielleicht wäre ja Winterhafer eine Option, der zunehmenden Frühjahrstrockenheit zu entkommen? Jänicke wiegt den Kopf: „Es gibt noch keine klassischen Sorten dafür, allerdings einige, die sind durchaus geeignet. Man kann es ja probieren: mit einer Aussaat Anfang November, dann gehen die Bestände im Zwei- bis Dreiblattstadium in den Winter. Wenn dann alle Bedingungen stimmen und ein gewisser Schneeschutz da ist, kommen sie gut durch. Dann ist die Ertragsentwicklung deutlich besser, die Bestände sind wuchsfreudiger, die Erntezeit ist annähernd gleich.“
Allerdings gebe es da noch einige Probleme mit den Abnehmern, fährt er fort: „Die Schäleignung ist etwas anders, sagt die Mühle. Und das Korn ist dunkler. Das kommt natürlich beim Verbraucher nicht so gut an. Da ist noch einiges an Forschungsbedarf.“
Er persönlich, fügt er an, habe mit Winterhafer keine so guten Erfahrungen gemacht: „Wir haben hier regelmäßig im zeitigen Frühjahr Ostwindlagen mit tagelang minus 15 Grad Celsius ohne Schnee. Das schafft der Hafer nicht, ebensowenig die Winterformen von Ackerbohnen und Erbsen.“
Hafermühle statt Vermehrung
In den ersten Jahren der Dietrich Jänicke Landwirtschaft erzeugte Jänicke allerdings noch gar keinen Hafer für die menschliche Ernährung. „Damals habe ich die Sommerkulturen als Vermehrung an diverse Züchterhäuser und den Handel abgegeben.“ Doch irgendwann war er vor allem beim Hafer unzufrieden mit der Wirtschaftlichkeit: „2016 hatte ich endgültig genug von den Erlösen für die Hafervermehrung. Im selben Jahr habe ich auf einem Feldtag jemanden von der Hafermühle Brüggen kennengelernt. Das ist einer der drei großen Haferverarbeiter Deutschlands mit Hauptsitz in Lübeck.“
Bei der Gelegenheit erfuhr er, dass trotz des seit Jahren steigenden Bedarfes (und Absatzes) nicht genug inländische Erzeugung stattfinde und viel importiert werde – unter anderem aus Nordamerika, Osteuropa und im Fall von Brüggen aus Skandinavien. Dabei suchen die Mühlen händeringend Ware aus Deutschland: „Die wollten dann nicht nur Hafer von mir, sondern auch Gerste für Müsli. Und so liefere ich seit 2017 zwischen 300 und 500 Tonnen Hafer und 500 bis 700 Tonnen Gerste nach Lübeck. Die Qualitätsvorgaben waren übrigens noch nie ein Problem.“
Beratung für den Haferanbau
Mit den Jahren wurde die Zusammenarbeit zwischen der Hafermühle und Landwirt Jänicke immer enger. Das sprach sich auch bei den Landwirten in Mecklenburg-Vorpommern herum, die ihn inzwischen zu allen Fragen rund um Hafer oder auch Leguminosen kontaktieren.
Und so beginnt derzeit gerade ein neues Kapitel im Arbeitsleben von Dietrich Jänicke. Den Betrieb hat er im Frühjahr verkauft, nach der vorigen Ernte im Sommer ist er noch mit einer halben Stelle als beratender Geschäftsführer tätig. Nebenbei wird er Anbauberater für Hafer und Leguminosen: „Die Leute rufen mich doch sowieso an. Warum soll ich das nicht gleich offiziell machen?“
Auch für die Brüggen-Mühle, die sehr gern den Haferanbau im Norden ankurbeln möchte, ist das ein Glücksfall. Jänicke hat im vergangenen Jahr schon gemeinsam mit Brüggen auf Feldtagen für den Haferanbau geworben. „Für viele“, hat er dabei erfahren, „ist die Vermarktung eine Hürde, weil der Handel nichts mit Hafer anfangen kann. Man muss also Direktverträge mit der Mühle abschließen, die Ware lagern können und die Lieferung durch eine Spedition organisieren. Und ja, es sind 180 Kilometer von hier bis Lübeck, aber das ist der Mühle bewusst und wird bei der Preisgestaltung berücksichtigt.“
Nun wird Jänicke also Botschafter – ganz ohne Wohnsitzwechsel. Er erhebt keinen Anspruch auf die für Botschafter übliche Anrede „Exzellenz“. Jänickes Exzellenz beruht auf seiner Fachkenntnis über eine immer noch unterschätzte Kultur und seiner Bewunderung für sie: „Ich will Werbung für den Hafer machen!“
Rückläufiger Anbau trotz steigender Nachfrage
Auch für dieses Jahr melden die im Verband der Getreide-, Mühlen- und Stärkewirtschaft zusammengeschlossenen deutschen Hafermühlen trotz stetig steigender Nachfrage einen rückläufigen Anbau. In einer Pressemeldung geben sie bekannt:
Hafer gilt durch sein gutes Nährstoffprofil und seine vielfältigen Einsatzmöglichkeiten als „heimisches Superfood“ – und seine Beliebtheit wächst und wächst. Währenddessen gehen die Anbauflächen für Hafer in Deutschland nach Steigerungen in den vergangenen Jahren wieder zurück. Für 2023 wurden deutschlandweit nun 141.400 ha gemeldet. Noch dramatischer sieht es bei der Erntemenge aus: Diese ist um fast 30 % auf 530.400 t gesunken.
Die Haferanbaufläche in Deutschland ist im zweiten Jahr in Folge im Vergleich zum Vorjahr um fast 12 % zurückgegangen – in allen Bundesländern außer in Baden-Württemberg, das als Einziges einen Flächenzuwachs von 8 % verzeichnet. Die deutlichsten Einbußen bei der Erntemenge im Vergleich zum Vorjahr melden Niedersachen und Schleswig-Holstein mit Rückgängen um 47,5 beziehungsweise 42,7 %. Die rückläufigen Zahlen in Deutschland spiegeln sich auch in der regionalen Beschaffungssituation wider.
In den nächsten Wochen wird sich zeigen, wie sich die Haferqualität insgesamt darstellt. Die ersten Muster und Schälversuche zeigen jedoch schon, dass auch die Haferqualität unter den widrigen Witterungsverhältnissen der vergangenen Monate gelitten hat.
Auch in anderen wichtigen Anbauländern sieht die Situation nicht gut aus: Finnland meldet eine um mindestens 14 % kleinere Anbaufläche als 2022. Ähnlich sieht es in Schweden aus, Kanada meldet 36 % weniger Aussaatfläche. Schwierige Witterungsverhältnisse und Erntebedingungen kommen hinzu. Es gibt in diesem Jahr in Europa und weltweit nicht genug mühlenfähigen Hafer.
Dagegen steht der wachsende Absatz: Allein im Jahr 2022 wurden 4,5 % mehr Haferflocken als im Vorjahr abgesetzt – auch Ergebnis zahlreicher Produktinnovationen. Dabei steigt die Verbrauchernachfrage nach regionalen Produkten.
Auch agronomisch spricht vieles für den Haferanbau wie der hohe Vorfruchtwert oder der geringe Bedarf an Pflanzenschutz- und Düngemitteln. Hafer trägt zur Regeneration des Bodens bei, unterdrückt die Unkrautbildung und reduziert den Krankheitsdruck in der Fruchtfolge.
Landwirte, die in den Haferanbau einsteigen wollen, sollten sich vorab über Vermarktungsmöglichkeiten und Qualitätsanforderungen informieren. Die Mühlen zeigen sich bereit, für regionalen Hafer Preise zu zahlen, mit denen attraktive Deckungsbeiträge erwirtschaftet werden können.
Mehr unter www.vgms.de
Haferverarbeiter seit 155 Jahren
Die H. & J. Brüggen KG, 1868 in Neumünster gegründet und seit 1886 mit Sitz in Lübeck, verarbeitet Hafer und andere Getreide seit 1894. An Standorten in Deutschland, Polen und Frankreich beschäftigt das Unternehmen über 2.000 Mitarbeiter und fertigt Frühstückszerealien für den europäischen und globalen Markt. In vierter Generation wird das Familienunternehmen von den persönlich haftenden Gesellschaftern Hanno Brüggen, Jochen Brüggen und Johannes Brüggen geführt. Produziert werden Eigenmarken für führende europäische und internationale Handelsketten in Premium-, Discount- oder Einstiegspreisqualität, sowohl konventionell als auch bio. Verträge für den Anbau von Hafer vereinbart die Mühle aktuell mit 25 Betrieben aus Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein. Rund 30.000 t, gut 25 % des Bedarfes, liefern somit deutsche Landwirtschaftsbetriebe nach Lübeck. Informationen unter Tel.: 0170-3 18 54 34 oder sven.saedler@brueggen.com
Um mit Landwirten aus der Region praxisnah über den Haferanbau und seine Potenziale und die Absatzmöglichkeiten zu diskutieren, lädt die Hafermühle Brüggen für Anfang November zum Haferforum Nord nach Lübeck ein.