Als Begriffe wie Klimawandel und Energiewende noch nicht die politische Diskussion beherrschten, bauten Georg Muus und sein Vater Robert Muus bereits das erste klimaneutrale Heizwerk in Horsdorf. Seit knapp 20 Jahren produziert das Vater-Sohn-Duo auf seinem Bauernhof vor allem mit Holzhackschnitzeln wohlige Wärme und versorgt mittlerweile fast alle Bewohner damit. Jetzt bauten die Landwirte die nächste Heizungsgeneration ein – und wollen ihr Projekt an einem Tag der offenen Tür am 9. März vorstellen.
In Horsdorf, das zur Großgemeinde Stockelsdorf bei Lübeck gehört, bewirtschaftet Familie Muus einen Bauernhof mit 400 ha Land. Raps, Weizen, Gerste und Rüben werden angebaut, bis vor zehn Jahren war auch Schweinehaltung angesagt. Der Hof bildete zudem aus, im Jahr 2006 brachte ein Lehrling Georg und Robert Muus auf die Idee eines Holzhackschnitzel-Heizwerks. „Der junge Mann kam aus Süddeutschland, dort waren und sind solche Heizungen viel verbreiteter als bei uns im Norden“, erzählt Robert Muus. Der heute 70-jährige Horsdorfer und Sohn Georg (42) wurden auch nach Bayern eingeladen. „Anders als bei uns gibt es dort Waldgenossenschaften. Dafür haben wir aber jede Menge Knicks und durch die Knickpflege ist Brennstoff damit überhaupt kein Problem“, erklärt Muus senior mit einem Lächeln.
Überzeugungsarbeit notwendig
Wieder zu Hause gründete Familie Muus die Firma TEM GbR, die Abkürzung steht für Thermo Energie Muus. Von der Idee eines Heizwerks vor Ort mit Nachwachsenden Brennstoffen ließ sich in der Anfangsphase eine Handvoll Nachbarn in der Dorfmitte überzeugen – und damit genug Teilnehmer, dass die Investitionsbank Schleswig-Holstein Fördermittel bereitstellte. „Wir bekamen gerade so viel Zuschüsse, dass wir den Mut hatten, mit dem Projekt anzufangen“, erinnert sich Georg Muus, der auch als Geschäftsführer der TEM GbR fungiert.
Fördergelder und viel Eigenleistung
Der Familienbetrieb investierte in eine erste 125-kW-Heizung und legte 300 m Leitungsrohre für die Warmwasserversorgung zu den ersten Dorfkunden. Die verfeuerten Holzhackschnitzel heizten problemlos auf mehrere Häuser verteilte 1.250 m2, das Konzept und auch der Abnahmepreis von damals 5,2 ct/kWh überzeugten bald viele weitere Horsdorfer. Bis dahin wurde im Dorf vor allem mit Öl oder Holz geheizt, eine Gasleitung führte nicht dorthin. Ein weiteres Argument für die zusätzlichen Interessenten waren Fördermittel der KfW-Bank: In den Erweiterungsjahren 2008/2009 erhielten die Neukunden Zuschüsse von 1.800 € für den Einbau der Übergabestationen im Haus. Der Ausbau des Netzes wurde mit 60 € pro laufendem Meter Fernwärmerohr gefördert.
Die Kosten konnten die TEM GbR niedrig gestalten, auch weil die rund 2.500 zusätzlichen Rohrmeter von Familie Muus in Eigenleistung verlegt wurden. „In Absprache mit den Dorfbewohnern konnten wir die Anschlussrohre vielfach im Gartenboden verlegen, damit sparten wir Konzessionsabgaben, weil wir nicht über die Gemeindestraßen gehen mussten“, erläutert Georg Muus. Gut 50 Wohneinheiten galt es damals anzuschließen. Dafür investierten die Betreiber in eine weitere Heizung mit 360 kW Leistung, die „alte“ Heizung wurde durch ein Gerät mit 190 kW ersetzt. Die beiden Neugeräte verfügten zudem bereits über eine automatische Zugreinigung.
Für die Heizkessel konnte Familie Muus auch schnell eine weitere Quelle von ungewöhnlichem Brennmaterial erschließen, denn in wenigen Kilometern Entfernung produziert ein Unternehmen Eisstiele aus Holz. Bei der Herstellung fällt immer wieder Ausschuss an – die Stiele für die kalten Leckereien sind nicht gerade genug oder entsprechen nicht den geforderten Maßen. Die Eisstiele werden aus Buchenholz gefertigt, ein anderes Holz kommt aus Geschmacksgründen nicht infrage. „Für uns ist das natürlich nur gut, Buche hat schließlich einen hohen Heizwert“, freut sich Seniorchef Robert Muus.
Eisstiele werden mit Hackschnitzeln gemischt
Mit eigenen Fahrzeugen holt der Familienbetrieb die ausgemusterten Eisstiele von der Produktionsfirma ab. Auf dem Hof lagern sie geschützt unter Dach – anders als das frisch geschredderte Holz vom Knickputz. In riesigen Haufen trocknen die Holzhackschnitzel zunächst unter freiem Himmel, acht Wochen dauert diese Phase. „Unter Dach können wir die frisch geschredderten Holzschnitzel anfangs nicht trocknen, in der aufsteigenden Feuchtigkeit ist zu viel Säure enthalten, die würde das Dach schnell kaputt machen“, erklärt Georg Muus. Die getrockneten Holzhackschnitzel werden dann mit den Eisstielen gemischt und landen im sogenannten Holzbunker. Das Heizmaterial wird von dort automatisch den Kesselanlagen zugeführt, die vor Kurzem erneuert wurden.
„Die beiden alten Heizungsanlagen waren ausgeschöpft, weil jetzt rund ein halbes Dutzend weitere Dorfbewohner anschließen wollten“, begründet Georg Muus die erneute Investition. Die Nachfrage ebbte auch während der Corona-Krise nicht ab, als die Betreiberfamilie die Preise erhöhte. Den Schritt vollzogen die Muus‘ nicht nur wegen der geplanten Erneuerungen mit zusätzlichen gesetzlichen Anforderungen, die erfüllt werden müssen. „Die Rohstoffkosten stiegen ebenso wie der Strompreis. Wir haben aber darauf geachtet, dass wir unterhalb der Energiepreisbremse bleiben“, erklärt der TEM-Geschäftsführer mit Blick auf den diesjährigen Preis von 7,86 ct/kWh.
Das weiterhin ungebrochene Interesse im Dorf dürfte auch mit einer besonderen Auszeichnung zusammenhängen: Im Jahr 2017 wurde Georg Muus zum „Landwirt des Jahres“ in Deutschland nominiert. Der studierte Landwirt erhielt die Nominierung für den Ceres-Award zusammen mit zwei anderen Berufskollegen, das Trio gehörte laut Jury des Deutschen Landwirtschaftsverlags zu den drei besten Landwirten in der Kategorie „Energielandwirtschaft“. Ausgewählt wurde Georg Muus nicht nur deshalb, weil zum Nominierungszeitpunkt rund 80 % von Horsdorf ihre Wärme durch Heizmaterial aus Nachwachsenden Rohstoffen bezogen. Die Besonderheit liegt darin, dass keinerlei landwirtschaftliche Fläche für die Produktion des Brennmaterials blockiert wird.
Holzabfälle als Brennmaterial
„Wir nutzen Holzabfälle, die sowieso anfallen, für den Betrieb des Heizwerks muss nichts extra auf landwirtschaftlichen Flächen angebaut werden“, betont Muus, der sich wie sein Vater über die Nominierungs-Auszeichnung sehr gefreut hat. Stolz ist das Duo auf die kürzlich neu verbauten Heizkessel des Herstellers Hargassner. Beide sind extra nach Österreich gefahren, um sich den Hersteller und seine Produkte genau anzusehen und Anlagen auszuwählen, die auf die Bedürfnisse ihres Heizwerks zugeschnitten sind.
In Horsdorf arbeiten jetzt zwei Hargassner-Heizkessel mit jeweils 330 kW Leistung. Den Jahresverbrauch an Holzhackschnitzeln beziffert der Familienbetrieb auf rund 2.500 m³. „Wenn es mal richtig kalt wird, können am Tag durchaus bis zu 15 Kubikmeter in den Brennraum wandern“, erklärt Georg Muus. Am Tag der offenen Tür am 9. März werden neben den Installateuren der Firma Kohlhoff Gebäudetechnik auch Vertreter der Herstellerfirma Hargassner für Fragen zur Verfügung stehen. Etwa zum Abgaswärmetauscher der Anlage, der zusätzliche 10 kW Wärme aus den Abgasen zieht. Gern erklärt werden auch die vollautomatische Entaschung oder die Zuführung zum Brennraum, die mit einer Zellenradschleuse ausgestattet ist. Dort werden zu groß geratene Holzstücke auf die passende Größe zerhackt.
„Das ganze Dorf profitiert“
Georg und Robert Muus freuen sich auf jeden Besucher, besonders aber auf Kolleginnen und Kollegen aus der Landwirtschaft. „So ein klimaneutrales Heizwerk ist eine tolle Sache, das ganze Dorf profitiert davon, auch das Feuerwehrhaus hängt da mit dran“, erklärt Muus senior. Projekte dieser Art lohnen sich für Landwirte wie für die angeschlossenen Hauseigentümer in der Umgebung. Denn nach dem kürzlich verabschiedeten Heizungsgesetz der Ampel-Koalition können Abnehmer mit bis zu 50 % Förderung rechnen. Ein weiterer Vorteil: Nach den Vorgaben des Heizungsgesetzes sind die Kunden nicht mehr verpflichtet, bei Haussanierungen energetische Maßnahmen wie neue Fenster oder zusätzliche Wärmedämmungen vorzunehmen.
Das Interesse im Land an dem nachhaltigen Heizwerk sei groß, berichten die Betreiber. Immer wieder rufen Gemeindewerke oder Kommunen an, Nachfragen gibt es auch von Privatleuten. „Wir hatten auch schon Lübecker in der Leitung, die bei uns anschließen wollten. Aber das geht natürlich nicht, wir können ja keine 20-Kilometer-Leitung bis zu den Leuten legen“, sagt Muus senior.
Bei der Investition in die neue Heizanlage, die mit rund 330.000 € zu Buche schlägt, bleibt die TEM GbR aber nicht stehen. Als nächstes Projekt plant Familie Muus Ende dieses Jahres den Bau einer KWK-Anlage. Die Abkürzung steht für Kraftwärmekopplung, Kernstück der Anlage ist ein Holzvergaser. Unter Ausschluss von Sauerstoff glost das Holz im Brennraum, dabei entstehen Holzgas und Wärme. Bis zu 50 kW Wärme liefert die Anlage, wichtiger ist den Betreibern aber die elektrische Leistung: Rund 20 kW Strom werden produziert – und zwar Tag und Nacht.
KWK-Anlage ergänzt Solarstrom
Für das Wärmenetz in Horsdorf gehen Georg und Robert Muus von mindestens 8.000 Volllaststunden der KWK-Anlage aus. Der KWK-Strom ergänzt damit den Solarstrom aus der bereits vorhandenen Photovoltaikanlage auf dem Dach des Bauernhofs. „Die Solaranlage liefert Strom ja nur tagsüber, zusammen mit dem KWK-Strom stellen wir damit 100 Prozent Eigenstrom für den Betrieb bereit“, erläutert Georg Muus. Refinanziert wird die geplante Anlage mit einem Investitionsvolumen von rund 150.000 € über den Preis des überschüssigen Stroms, der eingespeist und an der Strombörse verkauft wird. Brennstoff für die KWK-Anlage gibt es vor Ort genug: Der Familienbetreib handelt seit vielen Jahren mit Kaminholz und anderen Brennstoffen verschiedenster Art.




