Die Ampel-Koalition hat ein Etappenziel beim angestrebten Umbau der Tierhaltung erreicht. Der Bundesrat billigte am vorigen Freitag das Tierhaltungskennzeichnungsgesetz (TierHaltKennzG). Ebenfalls Zustimmung fanden die vom Bundestag beschlossenen baurechtlichen Erleichterungen. Sie sollen Stallum- und -neubauten ermöglichen, die zur Anpassung an die Anforderungen des Kennzeichnungsgesetzes notwendig sind. Keine Mehrheit gab es indes für die Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung (TierSchNutztV).
Der Bundesrat bekräftigte in einer Entschließung zum Tierhaltungskennzeichnungsgesetz den weiteren politischen Handlungsbedarf. Darin fordern die Länder den Bund auf, die Regelungen zur verbindlichen staatlichen Haltungsformkennzeichnung auf den gesamten Lebenszyklus des Schweines und auf andere Tierarten auszuweiten, ferner die Außer-Haus-Verpflegung und die Gastronomie in die Kennzeichnungspflicht einzubeziehen und diese auf verarbeitete Fleischprodukte auszudehnen. Zudem soll der Bund ein langfristiges Finanzierungskonzept vorlegen. Dazu gehöre insbesondere auch eine Ausgestaltung der laufenden Tierwohlprämien im Rahmen langfristiger und rechtssicherer Verträge.
Mehr Tierschutz, mehr Geld
Mit Genugtuung wurden die Bundesratsentscheidungen zum Tierhaltungskennzeichnungsgesetz und zur Änderung des Baurechts in den Reihen der Grünen aufgenommen: Für Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir ist damit klar: „Der zukunftsfeste Umbau der Tierhaltung kommt!“ Nach Jahren des Stillstands erhielten die Bäuerinnen und Bauern eine Perspektive, „in der sie mit mehr Tierschutz gutes Geld verdienen können sollen“. Sein Ziel sei, „dass auch künftig gutes Fleisch aus Deutschland kommt“. Özdemir räumte zugleich ein, dass weitere Schritte notwendig seien. Sein Haus arbeite bereits an der zügigen Erweiterung der Tierhaltungskennzeichnung, zunächst auf die Gastronomie und verarbeitete Produkte. Danach werde man weitere Nutztierarten, Lebensphasen und Vertriebswege einbeziehen. Bei der Herkunftskennzeichnung wolle man ebenfalls noch weitergehen.
Auch in der Grünen-Bundestagsfraktion zeigte man sich erleichtert. Für die Fraktionsvorsitzende Britta Haßelmann und Agrarsprecherin Renate Künast ist nunmehr eine Grundsatzentscheidung für eine verpflichtende Haltungskennzeichnung für alle tierischen Erzeugnisse gefallen. Verbraucher könnten in Zukunft eine bewusste Kaufentscheidung für mehr Tierschutz treffen. Bauernfamilien könnten sich am Markt besser darstellen, weil ihr Mehraufwand für bessere Haltungsformen erkennbar sei.
Nur gut gemeint
Das Gesetz sei „zwar gut gemeint, aber nicht in allen Aspekten gut gemacht“, erklärte der Vorsitzende der Agrarministerkonferenz (AMK), Schleswig-Holsteins Ressortchef Werner Schwarz (CDU), nach der Bundesratssitzung. Die Entscheidung der Länderkammer könne nur ein erster Schritt in Richtung einer zukunftsfähigen Tierhaltung sein. Schwarz sieht nun den Bund gefordert, seinen Ankündigungen Taten folgen zu lassen und schnellstmöglich gemeinsam mit den Ländern weitere notwendige Schritte auf den Weg zu bringen. Beim Thema Stallumbauten stünden viele Betriebe in den Startlöchern; derzeit werde ihr Engagement oftmals noch durch bau- und immissionsschutzrechtliche Vorgaben ausgebremst. „Dies müssen wir vereinfachen und Landwirtinnen und Landwirte in die Lage versetzen, den Umbau zu mehr Tierwohl einfacher zu realisieren“, forderte der CDU-Politiker.
Erhebliche Defizite
Für Mecklenburg-Vorpommerns SPD-Ressortchef Dr. Till Backhaus ist ein Anfang gemacht, der jedoch nicht ausreiche. Als „Stückwerk“ kritisierte Baden-Württembergs CDU-Landwirtschaftsminister Peter Hauk die Regelungen. Sein Magdeburger Amtskollege Sven Schulze (CDU) sprach von einem „wenig geglückten Gesetz“, dem er nicht zustimmen könne. Er kritisierte ebenso wie die nordrhein-westfälische Landwirtschaftsministerin Silke Gorißen (CDU) das fehlende Finanzierungskonzept für den Umbau.
Auch von den Grünen kam Kritik: Für die hessische Agrarministerin Priska Hinz und ihren sächsischen Kollegen Wolfram Günther ist mit dem Kennzeichnungsgesetz ein erster Schritt getan, dem jedoch weitere folgen müssten. Thüringens Staatskanzleichef Prof. Benjamin Immanuel Hoff (Die Linke) rief auf, bei der Weiterentwicklung der Regelungen die Belange der ostdeutschen Betriebe im Auge zu behalten.
Der Präsident des Deutschen Raiffeisenverbandes (DRV), Franz-Josef Holzenkamp, hielt auch nach der Bundesratsentscheidung an seiner grundsätzlichen Kritik fest. Für ihn ist und bleibt das Tierhaltungskennzeichnungsgesetz „ein unausgegorenes Stückwerk, das weder zu mehr Tierwohl, noch zu einer besseren Verbraucherinformation führt“. Holzenkamp hatte ein aktuelles Beispiel parat: Die Kennzeichnung sei beschränkt auf frisches und gefrorenes Schweinefleisch aus Deutschland, bei Grillware suche der Verbraucher aber vergeblich nach einem Hinweis zur Tierhaltung, da marinierte Ware ausgenommen sei. „Und dies ist nur eine der Schwächen im Gesetz“, betonte der Raiffeisen-Präsident.
Erfolg im Baurecht
WLV-Präsident Hubertus Beringmeier, der auch als DBV-Veredlungspräsident fungiert, zeigte sich mit den ebenfalls vom Bundesrat gebilligten Änderungen im Baurecht zufrieden. Damit entfielen endlich die baurechtlichen Hemmnisse für zahlreiche Betriebe, die ihre Ställe hin zu weiterem Tierwohl umbauen wollten. Nun komme es darauf an, das Immissionsschutzrecht so anzupassen, dass etwa der Umbau zu Ställen mit Außenklima und Frischluft künftig möglich werde. Beringmeier bezeichnete eine Anpassung des Bundesimmissionsschutzgesetzes als dringend erforderlich, um überhaupt Änderungen vorhandener Stallbauten hin zu mehr Tierwohl realisieren zu können. Eine Privilegierung oder Abweichung von Vorgaben des Bundesimmissionsschutzgesetzes im Sinne einer Verbesserungsgenehmigung für Tierwohlställe sei weiterhin nicht gegeben. Tierwohl und Emissionsschutz müssten in Einklang gebracht werden.
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BVSH-Einschätzung
Zufrieden zeigte sich der BVSH-Vizepräsident Dietrich Pritschau: „Mit der Änderung des Baugesetzbuches fallen die baurechtlichen Hemmnisse für zahlreiche Betriebe, die ihre Ställe hin zu weiterem Tierwohl umbauen wollen.“ Es sei durch intensive Arbeit des DBV und des BVSH gelungen, dass der Umbau nicht zwingend mit einem Bestandsabbau verbunden sei. Aber noch seien nicht alle Tierwohlumbauten erfasst, insbesondere nicht für die Sauenhaltung, bei der die 2021 beschlossenen Änderungen der Tierschutz-Nutztierhaltungs-VO umgesetzt werden müssen. Gleiches gelte für die Einbeziehung erst nach 2013 gebauter Ställe, die durch nachträglichen Flächenverlust baurechtlich als gewerblich gelten. „Hier setzen wir auf den Bundesrat, über den weitere gesetzliche Anpassungen insbesondere aus Schleswig-Holstein gefordert werden. Weitere Unterstützung durch Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack und Minister Schwarz (beide CDU) ist ausdrücklich zugesagt worden“, so Pritschau. bb
BMEL: Keine Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung
Die Ablehnung der Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung kam überraschend, nachdem der Agrarausschuss des Bundestages die Zustimmung empfohlen hatte. Das sorgte für einen politischen Schlagabtausch.
Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) sprach von einem Wermutstropfen und warf den unionsregierten Ländern „reine Parteipolitik“ vor. Die Entscheidung habe jedoch keine Auswirkungen auf die Einführung der Tierhaltungskennzeichnung.
SPD-Agrarsprecherin Susanne Mittag nannte die Ablehnung der Verordnung „überaus bedauerlich“. Damit fehle dem Tierhaltungskennzeichnungsgesetz die Grundlage für die Umsetzung vor Ort. Mittag appellierte an das Bundeslandwirtschaftsministerium, schnellstmöglich Gespräche mit den Ländern aufzunehmen. Demgegenüber bescheinigte der agrarpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Albert Stegemann, der Länderkammer, sie habe selbstbewusst gezeigt, „dass sie Özdemirs unzureichende Pläne für eine staatliche Tierhaltungskennzeichnung nicht einfach so durchwinkt“. Stegemann wies den gegenüber den Ländern erhobenen Vorwurf der Parteipolitik zurück. Gleichzeitig hielt der CDU-Politiker dem Grünen-Minister eine Täuschung der Öffentlichkeit vor, wenn er behaupte, es gebe eine Herkunftskennzeichnung, mit der die landwirtschaftlichen Tierhalter in Deutschland gegenüber Wettbewerbern aus dem Ausland punkten könnten. Tatsächlich habe die EU-Kommission Özdemir immer wieder vertröstet, wenn es um die Einführung einer umfassenden verpflichtenden Herkunftskennzeichnung gehe. age