Der Resthof im Herzen Schleswig-Holsteins stand im Internet nur einen Tag zum Verkauf, so überwältigend war das Interesse. Freya George und David de Temple erwischten mit Glück den letzten freien Besichtigungstermin und verliebten sich sofort in das idyllische Anwesen. Heute sind sie Besitzer von FreyDaLand. In einem 800-Seelendorf im Kreis Schleswig-Flensburg erfüllten sie sich den Traum vom authentischen und nachhaltigen Leben
in einer Hofgemeinschaft auf dem Lande.
„Möchtest du Zucchinisuppe oder Zucchinikuchen?“, fragt Freya George, während sie die Bauernblatt-Reporterin in die Wohnküche führt. Hier sitzen gerade einige Bewohner zusammen. Einer von ihnen hat für die Gemeinschaft gekocht und gebacken. „Momentan haben wir so viele Zucchini in unserem Gemüsegarten. Wir kommen kaum hinterher, sie zu verarbeiten“, verrät sie schmunzelnd und streicht über ein besonders schönes Exemplar, das frisch geerntet auf dem Tisch liegt.
Fotos: Silke Bromm-Krieger
Seit August vorigen Jahres leben Freya George und David de Temple unweit des Landschaftsschutzgebietes Eider-Treene-Sorge-Niederung in einem Bauernhaus aus dem Jahr 1870. „FreyDaLand“ haben sie ihr 400-m²-Anwesen mit knapp 7.000 m² Garten genannt. Auf dem Gelände gibt es ein Haupt- und ein Nebenhaus, einen Stall, eine Werkstatt, zwei Gartenschuppen und ein Gewächshaus. Ebenfalls steht das historische Backhaus des Dorfes auf dem Grundstück. Es wurde zum schmucken Feriendomizil umgebaut. Der Name FreyDaLand setzt sich aus den Anfangsbuchstaben der Vornamen der jungen Besitzer zusammen, steht symbolisch aber für mehr. „Wir wollen, dass sich hier alle Menschen wohl und frei fühlen“, unterstreicht David de Temple.
Früher wohnten er und seine Partnerin in Flensburg in einer Zweieinhalbzimmerwohnung ohne Balkon. „In der Corona-Zeit fiel uns die Decke auf den Kopf. Schon lange wollten wir raus aus der Stadt, weg vom Lärm und der Hektik, zurück in die Natur. Wir wollten bewusst nachhaltiger leben, unser Obst und Gemüse selbst anbauen und achtsamer mit der Umwelt und ihren Ressourcen umgehen“, erzählt der Student der Angewandten Informatik und gelernte Büchsenmacher. „Uns war klar, dass wir das nicht nur zu zweit wollten, sondern mit Gleichgesinnten. Wir glauben, dass man als Gemeinschaft mehr Wissen hat und resilienter ist als allein. Der schönste Weg ist der gemeinsame“, bringt es Freya George auf den Punkt, die in einem Unternehmen für Erneuerbare Energien in der Kommunikation tätig ist.
Sechs Monate schaute das Paar nach einem geeigneten Objekt, bis es FreyDaLand entdeckte. Dabei ging es mit dem Kauf des Anwesens ins finanzielle Risiko. „Wir finanzieren es über einen Bankkredit, und es fühlt sich für uns richtig an.“ Nach dem Erwerb habe ihre lange Reise begonnen, wie sie sagen. Denn der Gebäudekomplex sieht von außen zwar wie ein wunderschönes, perfektes Kleinod aus, innen hingegen ist er nur zu einem Drittel fertig. Etliche Ausbaureserven stehen noch bereit. Auch im Garten steckt Entwicklungspotenzial, das auf die Erweckung aus dem Dornröschenschlaf wartet. „Wir sind dabei, diverse Projekte in die Tat umzusetzen. Hof und Garten brauchen noch viel Liebe.“
Die beiden 30-Jährigen bewohnen zwei von mehreren Räumen im Obergeschoss des Haupthauses. Im Erdgeschoss gibt es ein Gemeinschaftswohnzimmer mit Kaminofen, eine Wohndiele, Bad, Küche, Hauswirtschafts- und Technikraum sowie Gästezimmer. Über Social-Media-Kanäle und Kleinanzeigen fanden sie Mitbewohner, die sich der Hofgemeinschaft, teilweise auf Zeit oder längerfristig, anschlossen. Momentan wohnen in der WG neben Freya und David die Fahrradmechanikerin Svenja, Sozialpädagogin Ronja, Büroangestellte Jeanette und Vera, die eine Ausbildung zur Käserin macht. Milchbauer Thies und seine Frau Lynn errichten zurzeit auf ihrem Familienbetrieb in direkter Nachbarschaft ein eigenes Wohnhaus. Bis es fertig ist, haben auch sie einen Platz in der bunten Hofgemeinschaft gefunden, die zukünftig gern weiterwachsen will. „Wir sind alle in verschiedenen Lebensabschnitten, haben unterschiedliche Meinungen, Erfahrungen und Essgewohnheiten. Da kann das Zusammenleben manchmal herausfordernd und anstrengend sein. Wichtig ist, offen miteinander zu reden, Dinge, die stören, zeitnah anzusprechen und andere Ansichten auch einmal wertfrei stehen zu lassen“, stellt Freya George heraus. Sie merkt positiv an, dass sie durch das Miteinander Wertvolles lerne und sich stetig in ihrer Persönlichkeit weiterentwickle. David de Temple nickt zustimmend. Leben und leben lassen, lautet sein Motto.
Die Gemeinschaft hat sich verbindliche Regeln und Strukturen für ein harmonisches und konstruktives Zusammenleben gegeben. Einmal wöchentlich trifft sie sich bei einem Essen zum Hofgemeinschaftsmeeting, um über Hofbelange zu diskutieren und zu entscheiden, was arbeitsmäßig ansteht. Die Aufgaben und Verantwortlichkeiten werden dann gleichmäßig verteilt. Jede und jeder bringt sich pro Monat mit 20 Arbeitsstunden in Hof und Garten ein. Regelmäßig nehmen zudem Freiwillige, die WWoofers, am Hofleben teil. Die Abkürzung steht für das Projekt „Worldwide Opportunities on Organic Farms“, das freiwillige Helfer auf ökologische Höfe vermittelt. FreyDaLand beteiligt sich ebenso mit zwei Stellplätzen am „Landvergnügen“. Reisende, die eine entsprechende Mitgliedskarte und Jahresvignette haben, können deutschlandweit bei über 1.400 Gastgebern das Landleben hautnah erkunden und hier mit dem Reisemobil, Campingbus oder Wohnwagen für jeweils 24 Stunden Station machen.
Da der heutige Dauerregen langsam nachlässt, geht es jetzt in Gummistiefeln hinaus auf einen Gartenrundgang. Lebhaft, voller Tatkraft und Begeisterung berichten Freya George und David de Temple, was an Plänen demnächst ansteht und was sie in den vergangenen Monaten schon gewuppt haben. So adoptierten sie eine Gruppe Hühner. Eine Lagerfeuerstelle entstand und Svenja baute eine Schaukelbank, von der man einen herrlichen Blick über angrenzende Wiesen und Felder genießt.
Die Streuobstwiese verspricht bald eine reiche Ernte und 13 Reihen mit liebevoll gehegten Gemüsepflanzen sorgen für manch gesunde Mahlzeit. Von einem Himbeerstrauch pflückt David de Temple spontan eine Handvoll Früchte und bietet sie zum Naschen an. Lecker! Von der Kräuterspirale zupft er einige Blätter und zerreibt sie zwischen den Fingern. Wie fein das duftet! Thymian, Rosmarin, Liebstöckel, Borretsch und Co. wachsen und gedeihen prächtig. „Wir hätten nie gedacht, dass wir einen grünen Daumen haben. Aber den brauchen wir eigentlich auch gar nicht, denn die Natur macht das schon“, meint Freya George. Die ersten Frühkartoffeln hätten sie ebenfalls probiert. Bald seien die Kürbisse erntereif. „Selbstversorger sind wir zu etwa fünf bis zehn Prozent, im Sommer mehr, im Winter weniger, aber wir stehen ja erst am Anfang. Von unseren 250 Kilo Äpfeln aus dem vorigen Jahr konnten wir jedenfalls fast ein Jahr lang essen und Saft trinken.“
Abschließend bleibt die Frage, wie die Nachbarn auf ihre neuen Mitbürger mit neuen Ideen im alten Bauernhaus reagieren. „Sie waren gespannt, was auf dem Hof passieren würde. Deshalb luden wir sie gleich zu einem Nachbarschaftsfest ein, und alle kamen“, freut sich David de Temple. „Wir möchten das, was wir tun, transparent machen, mit unserem Handeln in das Dorf hineinwirken und es mitgestalten“, ergänzt seine Partnerin. Sie kandidierte bei der jüngsten Kommunalwahl für den Gemeinderat und wurde prompt gewählt. Außerdem trat sie dem örtlichen Naturschutzverein bei.
Das Hoffest im Juli mit der Eröffnung eines Hoflädchens lockte rund 250 Nachbarn und Gäste. Ein toller Erfolg für die sympathische, engagierte Hofgemeinschaft, die gleichfalls unter „FreyDaLand“ auf YouTube, Facebook, Instagram und TikTok aktiv ist. „Wir haben im ersten Jahr schon viel geschafft und freuen uns sehr darauf, in Zukunft unseren gemeinsamen Weg in Richtung Selbstversorgung und Nachhaltigkeit weiterzugehen.“