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Dem Nitrat hinterherbohren

Tiefbohrungen als Beratungsinstrument
Von Anjouli Hein, Heinrich Hack, Dr. Franz Antony, Ingus GmbH
Durchführung einer Nitrat-Tiefbohrung auf dem Acker mittels eines Bohrhammers und Rammkernsonden. Fotos: Ingus

Viele Landwirte und Landwirtinnen fragen sich, wie stark ihre Flächenbewirtschaftung die Nitratwerte im Bodensickerwasser wirklich beeinflusst. Klar ist, dass die Höhe der Nitratwerte wesentlich vom Herbst-Nmin-Wert am Ende der Vegetationsperiode bestimmt wird, der wiederum von der Rest-Nmin-Menge direkt nach der Ernte, der Intensität der Bodenbearbeitung vor Winter und der Art der folgenden Winterbegrünung abhängt. Im Gegensatz zur Nmin-Beprobung dringt die Methode der Nitrat-Sulfat-Tiefbohrung deutlich tiefer (mehrere Meter) in den Boden ein.

Die Methode erfasst die Nitratkonzentration, die infolge der Flächenbewirtschaftung über Winter aus dem Wurzelraum der Böden auswäscht und die langfristige Grundwasserqualität bestimmt. Sie wird seit mehr als drei Jahrzehnten in der Trinkwasserschutzberatung erfolgreich eingesetzt und auch im Zuge der Wasserrahmenrichtlinien-Beratung in einem begrenzten Umfang angeboten.

Schlüsselindikatoren zur Bewertung

Der Herbst-Nmin-Wert (0 bis 90 cm) gibt den mineralischen Stickstoffgehalt im Boden zu Beginn der Sickerwasserperiode (meist ab Oktober/November) an. Er ist damit der beste Indikator für die Bewertung des Nitrataustrages aus der Wurzelzone in die Sickerwasserdrainzone (siehe Zonenmodell, Abbildung 1). Dabei gilt eine sehr einfache Regel: Je geringer der Herbst-Nmin-Wert, umso geringer ist die Nitratbelastung im Sickerwasser.

Über die viel diskutierten Grundwasser-Messstellen wird die Nitratkonzentration des Grundwassers dagegen in deutlich größeren Tiefen gemessen. Die dortigen Nitratwerte sind vielfach erheblich geringer, als es die gemessenen Herbst-Nmin-Werte und deren Umrechnung auf die jährliche Sickerwasser-Neubildung der Böden erwarten lassen.

Deswegen kann der Einsatz von Nitrat-Tiefbohrungen als zusätzliche Informationsquelle und effektives Beratungsinstrument zur Erfassung der tatsächlichen, landwirtschaftlich bedingten Nitratauswaschung eines Schlages sinnvoll sein, denn sie schließen im Rahmen eines systematischen Nitratmonitorings gemäß Zonenmodell (Abbildung 1) die Lücke zwischen den Herbst-Nmin-Messungen im Wurzelraum und den Nitratuntersuchungen in Grundwasser-Messstellen.

Quelle: Ingus

Tiefer Einblick unter den Wurzelraum

Bei der Durchführung von Nitrat-Sulfat-Tiefbohrungen werden auf grundwasserfernen Ackerschlägen (Grundwasser tiefer als 5 m unter Gelände) zirka 3 bis 5 m tiefe Bohrungen gesetzt und ab zirka 1,2 m in 30- bis 50-cm-Schichten schrittweise nach unten auf Nitrat und Sulfat untersucht. Die Fotos oben zeigen eine Nitrat-Sulfat-Tiefbohrung in der Praxis auf einer Grünlandfläche. Je nach Klimaraum, Bodenart und Mächtigkeit der Sickerzone (mindestens 3 m) bilden die Werte mehrere zurückliegende Sickerwasser-Neubildungsjahre ab.

Analyse eines Nitrat-Sulfat-Tiefenprofils

Die Ergebnisse einer Nitrat-Sulfat-Tiefbohrung werden in Form eines Nitrat-Sulfat-Tiefenprofils dargestellt. Abbildung 2 zeigt die Ergebnisse in Form eines Tiefenprofils einer typischen Mais-Winterweizen-Fruchtfolge am östlichen Rand des Beratungsgebietes Holsteinische Vorgeest im Jahr 2021. Es handelt sich hier um einen leichten Standort auf lehmigem Sand bis etwa 3 m Tiefe. Unter dem Sand folgt bis 5 m Tiefe ein sehr dichter toniger Lehm (Geschiebelehm/-mergel der letzten Eiszeit), in dem sauerstoffarme Verhältnisse vorherrschen.

Im Erntejahr 2020 wurde auf der Beprobungsfläche Silomais angebaut, davor 2019 Winterweizen. In Abbildung 2 (linke Hälfte) ist zu sehen, dass die Nitratkonzentration im Sickerwasser bis zu einer Tiefe von zirka 300 cm überwiegend bewirtschaftungsbedingt ist. Die Begründung dafür ist, dass der Maisanbau im Herbst 2020 einen Herbst-Nmin-Wert von 71 kg N/ha hinterlassen hat. Dieser wurde danach im Winterhalbjahr 2020/2021 ausgewaschen und hat in 120 bis 200 cm Tiefe zu 88 mg NO3/l geführt. Der vorherige Weizen hat im Herbst 2019 einen etwas höheren Herbst-Nmin-Wert von 80 kg N/ha hinterlassen, der im Winterhalbjahr 2019/2020 ausgewaschen wurde und zum Zeitpunkt der Bohrung im Spätsommer 2021 in 200 bis 300 cm Tiefe zu 102 mg NO3/l geführt hat.

Quelle: Ingus

Natürlicher Nitratabbau im tieferen Unterboden

Ab 350 cm Bodentiefe, also dem Übergang vom sauerstoffreichen Sand in den dichten, sauerstoffarmen Geschiebelehm, fällt der Nitratwert schrittweise ab, während parallel der Sulfatwert in fast gleichem Umfang ansteigt. Im Ergebnis liegt in 500 cm Tiefe die Nitratkonzentration dann deutlich unterhalb des geltenden Richtwertes der EG-Nitrat-Richtlinie (50 mg NO3/l) und spricht auf den ersten Blick für eine gewässerschonende Bewirtschaftungsweise.

Allerdings ist diese Annahme bei genauerer Betrachtung ein Trugschluss, denn der Grund für den Rückgang der Nitratwerte ist nicht die Bewirtschaftung, sondern die sogenannte Denitrifikation (Nitratabbau), die hier bereits oberhalb des Grundwassers in der Sickerwasserdrainzone einsetzt. Dieses Phänomen ist nahezu in der gesamten Jungmoränen-Landschaft Ostholsteins verbreitet.

In Abbildung 2 ist zu erkennen, dass der Sulfatgehalt in den höheren Bodenschichten zunächst vergleichsweise gering ist und ab einer Bodentiefe von 350 cm wegen der einsetzenden Denitrifikation fast sprunghaft ansteigt und sich mehr als verdoppelt.

Fazit

Auf grundwasserfernen Standorten kann über Nitrat-Tiefbohrungen die bewirtschaftungsbedingte Nitratauswaschung sehr gut erfasst werden. Diese ist umso geringer, je geringer die Herbst-Nmin-Werte sind. Um die Herbst-Nmin-Werte effektiv zu reduzieren, stehen den Betrieben verschiedene bewährte Bewirtschaftungsmaßnahmen zur Verfügung, welche besonders zum Ende der Vegetationsperiode eine entscheidende Rolle spielen können. Dabei ist das Ziel, überschüssiges Nitrat im Boden vor dem Winter zu vermeiden.

Auf eine zusätzliche Herbstdüngung sollte daher verzichtet oder diese entsprechend auf den Bedarf der Kulturpflanze reduziert werden. Alle Formen der Bodenbearbeitung, insbesondere die Pflugfurche im Herbst, begünstigen die Stickstoffmineralisation und erhöhen damit die potenziellen Nitratausträge. Eine reduzierte Bodenbearbeitung sollte daher angestrebt werden.

Bereits im Boden gelöster Stickstoff kann durch den Anbau von winterharten Zwischenfrüchten oberirdisch gebunden werden. Die folgende Hauptfrucht kann von diesem Stickstoff wiederum profitieren. Darüber hinaus bieten Zwischenfrüchte weitere Vorteile beim Erosionsschutz. Sie bedecken den Boden, schützen vor Wind- und Wasserabtrag und vor der mechanischen Einwirkung bei starken Regenereignissen in der vegetationsarmen Zeit.


Was ist Denitrifikation?

Im Untergrund lebende Bakterien (sogenannte Denitrifikanten) wandeln unter bestimmten Bedingungen das aus der Flächenbewirtschaftung ausgewaschene Nitrat im Sickerwasser in Stickstoffgas (N2) um. Nitrat ist ab diesem Zustand nicht mehr messbar. Diese chemo-lithotrophe Denitrifikation genannte Reaktion dient den Bakterien zur Energiegewinnung und findet immer dann statt, wenn a) geringe Sauerstoffgehalte vorliegen, b) Nitrat von oben eingetragen wird und c) oxidierbare Stoffe, zum Beispiel Metallsulfide (FeS2), im Gestein vorhanden sind. Die Sulfide werden dabei nach und nach aufgebraucht, sodass das Abbaupotenzial langfristig verloren geht. Als Abbauprodukt bei diesem Prozess entsteht wasserlösliches Sulfat (SO42- ), das mit dem Sickerwasser weiter nach unten wandert. Mithilfe von Nitrat-Tiefbohrungen und der zusätzlichen Analyse von Sulfat kann man gut erfassen, ob bereits oberhalb der Grundwasseroberfläche Denitrifikation stattfindet.


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