Bauern-Bashing hängt den Bauern zum Halse heraus. Sie fühlen sich in der Öffentlichkeit vielfach unverstanden und als Sündenböcke für echte oder vermeintliche Missstände in der Gesellschaft angeprangert. Doch wie kann eine Veränderung bewirkt werden? Hier soll das Konzept „ZukunftsBauer“ eingreifen, das der DBV initiiert hat. Im folgenden Beitrag wird das Konzept dargestellt.
Wie alles begann: Der Deutsche Bauernverband (DBV) hat das Institut Rheingold Salon mit einer Studie zu Analyse und Gestaltung des öffentlichen Vertrauens in die Landwirtschaft beauftragt. In diesem Zuge wurden 275 Landwirte und 1.033 nichtlandwirtschaftliche Verbraucher befragt und die Ergebnisse ausgewertet. Als wegweisend hat sich im Zuge der Studie das Konzept „ZukunftsBauer“ herausgeschält, das der DBV nun verfolgt. Der Begriff wurde nicht als „ZukunftsBäuerin“ gegendert, weil dadurch der Doppelsinn verloren ginge: der Bauer, der zugleich die Zukunft „baut“. Selbstverständlich sind die Bäuerinnen einbezogen.
Positives Selbstbild
Das Konzept soll ein positives, zukunftsweisendes Bild der Landwirtschaft in die Gesellschaft ausstrahlen. Zugleich soll es nach innen in den Berufsstand wirken und ihn nach vorn blicken lassen. Landwirte sollen in ihrem Selbstverständnis gestärkt werden und sich nicht als Opfer einer missgünstigen Gesellschaft und Politik verstehen, sondern als Protagonisten, die dazu beitragen, Zukunftsprobleme zu lösen, die daran arbeiten, Diskrepanzen zwischen Wunsch und Wirklichkeit zu überwinden, und als Brückenbauer zur Gesellschaft wirken, anstatt in Verteidigungshaltung, Rechtfertigung und Schuldverschiebung zu verharren.
Das Konzept ZukunftsBauer ruht auf drei Säulen: Selbstverständnis, Rollenverständnis und Kommunikation. Wie sehe ich mich selbst? Wie sieht mich die Gesellschaft? Wie kommuniziere ich nach außen, was ich vermitteln will? Das gilt es, sich bewusst zu machen und gegebenenfalls daran zu arbeiten.
Schlüsselbegriff Narrativ
Der Begriff „Narrativ“ ist ein Schlüsselbegriff der Studie und findet sich auf fast allen Seiten, oft mehrfach. Er kommt aus dem Lateinischen und bedeutet wörtlich „Erzählung“. Gemeint sind damit „Kurzgeschichten“ über Angelegenheiten in der realen Welt, die sich weit verbreiten und die Öffentlichkeit stark prägen. Sie reduzieren die Wirklichkeit auf einfache Beschreibungen und stellen sie eingängig und verständlich, manchmal auch zugespitzt, aber möglicherweise einseitig oder verbogen dar.
Der Vorteil von Narrativen: Sie machen die Welt begreifbar. Der Nachteil: Sie können in Vorurteile, Verallgemeinerungen oder Falschdarstellungen münden. Narrative können sowohl positive wie negative Botschaften beinhalten. Ein negatives Beispiel wäre: „Konventionelle Landwirte ruinieren die Natur“, ein positiv formuliertes: „Wir machen euch satt“.
Bei aller kritischen Betrachtung: Wir kommen als Menschen nicht ohne Narrative aus. Außerdem sind sie notwendig, wenn man die Öffentlichkeit für eine gewünschte Zukunft begeistern und sie dabei mitnehmen will.
Ernährerrolle in der Kritik
Als nicht hilfreich stellte die Studie fest, wenn vonseiten der Landwirte ihre Rolle als Ernährer und Versorger der Bevölkerung betont wird. Dies stoße zwar bei Berufskollegen auf Beifall, aber nicht so sehr bei Verbrauchern. Viele andere Berufe, allen voran im Gesundheitswesen, würden schließlich in der Bevölkerung auch als wichtig empfunden, sodass sie den Bauern keine Sonderrolle zubilligt.
Angesichts der Globalisierung werde die Versorgung durch heimische Bauern auch als weniger elementar eingeschätzt. Was die Verbraucher mehr interessiere, sei weniger der Umstand, dass die deutsche Landwirtschaft sie versorgt, als vielmehr, wie sie sie versorgt – und hier kommt wieder die Zukunftsperspektive ins Spiel.
Bei den jüngsten Großdemonstrationen mit Treckerkonvois gegen die geplanten Sparmaßnahmen der Bundesregierung griff diese Sichtweise eher nicht. Zahlreich waren Schilder mit der Botschaft zu sehen „Ohne Bauern kein Essen“. Es wird sich die Frage stellen, wie künftig die Anliegen der Landwirtschaft wirkungsvoll kommuniziert werden können. „Letztendlich wird unsere Rolle immer auch der Ernährer bleiben, aber unsere Rollen erweitern sich“, sagt ZukunftsBauer Jörg Struve im Interview. Die Landwirtin und Agrar-Podcasterin Maja Mokwitz drückt es schärfer aus: „Von der Parole ,Wir machen euch satt‘ sollten wir wegkommen. Das wirkt von oben herab und bietet keine Diskussionsgrundlage.“ https://www.bauernblatt.com/raus-aus-der-blase/
Für Tierwohl und Natur
Als wichtigste Themenfelder für die Selbstdarstellung des ZukunftsBauers stellten sich in der Befragung der Studie Tierwohl und Schutz der Artenvielfalt heraus. Hier könnten Verbesserungen und Innovationen in der Landwirtschaft, die zum Teil wenig bekannt sind, mehr herausgestellt werden. Bei technischen Neuerungen erwartet die Öffentlichkeit allerdings, dass diese im Sinne der Natur erfolgen und diese nicht schädigen. Rein ökonomische Zweckdienlichkeit wird in der Öffentlichkeit kritisch hinterfragt.
Es geht also vor allem darum, den nachhaltigen Wert neuer Technik zu betonen. Insofern sie Arbeit einspart, setzt sie Zeit frei – zum Beispiel für mehr Fürsorge für die Nutztiere. Drohnen helfen beim Schutz von Rehkitzen bei der Ernte. Precision-Farming macht den Einsatz von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln effektiver und verringert ihn aufs Notwendige. Außerdem wäre die Einsicht zu vermitteln, dass auch natürliche Prozesse zerstörerisch wirken können, etwa durch Schädlinge wie Pilze oder Käfer oder durch natürliche Gifte in Lebensmitteln.
Besonders im Bereich der Züchtung verfügen Verbraucher über wenige Kenntnisse. Vor allem Gentechnik ersticke jede Diskussion im Keim, wurde festgestellt. Wenig bekannt sei, dass zum Beispiel Resistenzzüchtung dabei hilft, Pflanzenschutz zu reduzieren.
Ein großes Problem bleibt die ökonomische Seite von wünschenswerten Entwicklungen. Der Preis auf dem Markt ist immer der letztgültige Realitätscheck für eine gewünschte Entwicklung. In der Öffentlichkeit herrscht die Ansicht vor, dass vor allem Lebensmittel für alle Menschen erschwinglich sein müssen. Zugleich werden an die Landwirte Forderungen gestellt, die deren Kosten erhöhen. Die Studie hat festgestellt, dass 51 % der Personen, die günstig einkaufen, die sogenannte Massentierhaltung ablehnen. Hier wie anderswo sei eine Spaltung im Denken zu beobachten: Man nimmt eine bestimmte Haltung ein, deren Konsequenzen man ausblendet.
Handel ins Boot holen
Der Markt reagiert darauf, indem er sich bemüht, konventionelle Produkte nachhaltiger und ökologische Produkte preiswerter zu machen (oder sich den Anschein dessen zu geben). Da der Handel eine mächtige Rolle in der Wertschöpfungskette innehat, sei auch dieser – neben Landwirten und Verbrauchern – in den Prozess ZukunftsBauer einzubeziehen.
Direktvermarktung wie etwa in Form von Hofläden wird von der Studie als gute, aber insgesamt nicht ausreichende Möglichkeit gesehen. Sie schafft wertvolle direkte Beziehungen zwischen Bauern und Kunden und stellt im Sinne regionalen Handels einen wichtigen Baustein im Konzept ZukunftsBauer dar. Doch Direktvermarktung wäre allein mit der Versorgung der Bevölkerung überfordert, schon wegen der Logistik und der Auswahl der Produktpalette (https://www.bauernblatt.com/regionalitaet-braucht-gute-logistik/). Außerdem ist die zusätzliche Arbeitsbelastung durch einen Hofladen für viele Betriebe nicht tragbar.
Der Schwarze Peter
Um ins Handeln zu kommen, lautet eine der wichtigsten Empfehlungen der Studie, aus dem „Schwarzer-Peter-Spiel“ auszusteigen, bei dem Landwirte und Verbraucher sich gegenseitig die Schuld an Missständen zuschieben. Vereinfacht gesagt: Die Bevölkerung wirft der Landwirtschaft Ausbeutung und Zerstörung der Natur vor, die Landwirte der Bevölkerung Naivität und ein „Bullerbü-Ideal“. Eigenes Fehlverhalten wird von beiden Seiten nur selten eingestanden. Auch hieran gelte es ehrlich zu arbeiten.