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Die Wahrheit füttern

Rinder aktuell: Tägliche Analyse des Grundfutters mit NIRS-Sensoren
Von Ruben Soth, Landwirtschaftskammer SH
Landwirt Florian Bornholdt ermittelt mit dem X-NIR direkt am Maissilo die Inhaltsstoffe seines Grundfutters. Foto: Ruben Soth

Grassilage ist nicht gleich Grassilage und Maissilage nicht gleich Maissilage. Die Inhaltsstoffe des Grundfutters schwanken im Silo beachtlich. Die Futtermittelration basierend auf einer Futtermittelprobe langfristig einzustellen, birgt die Gefahren, Potenzial in der Milchleistung zu verschenken, Futtermittelreste zu provozieren und die Kuh unter ihrem Bedarf zu versorgen. NIRS-Sensoren ebnen neue Wege, um die Inhaltsstoffe des Grundfutters regelmäßig, wenn nicht sogar vor jeder Fütterung zu analysieren und die Ration tagesaktuell anzupassen.

Bei NIRS-Sensoren denkt man häufig an den Einsatz am Güllewagen oder dem Häcksler. Hier ermöglichen diese Sensoren, den N- oder P-Gehalt der Gülle in Echtzeit während der Ausbringung zu messen beziehungsweise die Inhaltsstoffe des Ernteguts direkt an der Maschine mitzuschreiben. Gleichermaßen können NIRS-Sensoren aber auch ihren Mehrwert in der Rinderfütterung ausspielen.

Die Nah-Infrarot-Reflexions-Spektroskopie (NIRS) basiert auf einer Lichtreflexion des zu analysierenden Substrats im Nahinfrarotbereich (in der Regel 800 bis 2.500 nm). Folglich strahlt der NIRS-Sensor beim Einsatz zur Rationsgestaltung das Grundfutter mittels einer Halogenlampe an. Das Licht wird dann entweder absorbiert, durchgelassen oder reflektiert.

Der NIRS-Sensor misst die Lichtreflexion in Wellenlängen. Die verschiedenen Inhaltsstoffe reflektieren charakteristisch in unterschiedlichen Wellenlängenbereichen. Um diesen Zusammenhang auszuwerten, greift jeder NIRS-Sensor auf einen Kalibrationsdatensatz zurück, der auf nasschemischen Laboranalysen basiert. Anhand dieser Kalibrationsdaten wird über die gemessene Reflexion auf die Inhaltsstoffe zurückgeschlossen.

Regelmäßige Beprobung entscheidend

Um die Schwankungen der Inhaltsstoffe des Grundfutters im Silo darzustellen, wurden im Rahmen des Experimentierfelds „BeSt-SH“ in Abständen von etwa 14 Tagen Futtermittelproben direkt am Silostock von verschiedenen Projektbetrieben gezogen.

Die Abbildung zeigt exemplarisch die Schwankungen des TS- und des Proteingehalts in ein und demselben Grassilo zu verschiedenen Entnahmezeitpunkten. Die größte gemessene Abweichung des TS-Gehalts lag innerhalb von 16 Tagen bei über 5,7 %. Der TS-Gehalt aus der Laboruntersuchung, nach dem der Landwirt die Ration berechnet hat, liegt bei etwa 34 % (Horizontale). Es ist zu erkennen, dass der Landwirt mit der jetzigen Ration nicht nur den TS-Gehalt stark überschätzt, sondern auch durchgehende Schwankungen vernachlässigt. In diesem Fall füttert der Landwirt weniger Trockenmasse/Nährstoffe als berechnet – die Kuh ist für ihr maximales Leistungspotenzial nicht optimal versorgt, die Milchleistung sinkt.

Familienbetrieb testet den NIRS-Sensor

Der moderne Futterbaubetrieb der Familie Bornholdt aus Osterhorn im Kreis Pinneberg legt großen Wert auf die optimale Futterversorgung der knapp 400 Milchkühe. Daher wird die Grassilage bereits am Vorabend vorgemischt und für den nächsten Tag bereitgelegt, um ein möglichst homogenes Futter am nächsten Morgen vorlegen zu können. Die Maissilage wird am Morgen abgekratzt. Um die aktuellen Wetter- und Grundfutterbedingungen bei der Rationsplanung zu berücksichtigen, wird einmal die Woche aus dem vorgemischten Grundfutter eine Gras- und Maisprobe gezogen und mit dem Föhn getrocknet. Anhand des ermittelten TS-Gehalts wird die Ration für die Folgetage angepasst.

Von dem Prozess ist Betriebsleiter Florian Bornholdt aber noch nicht voll überzeugt: „Das ist eigentlich zu langsam. Es dient derzeit nur als Nachkontrolle, um überhaupt ein Gefühl dafür zu bekommen. Eigentlich müssten wir täglich vor der Fütterung den TS-Gehalt ermitteln und direkt die Mengen anpassen.“

Die selbst gebaute Trocknungsstation aus einem Kanalgrundrohr, Föhn und Sieb benötigt für Ergebnisse jedoch mindestens eine Dreiviertelstunde – zu viel Zeit jeden Morgen vor dem Füttern. Deshalb testete der fortschrittliche Ausbildungsbetrieb den X-NIR von dinamica generale, der in Deutschland von der Firma Agropartner Land- und Forsttechnik GmbH vertrieben wird.

Der X-NIR im Detail

Der X-NIR ist ein NIRS-Sensor als Handgerät. Mais- und Grassilage können innerhalb von 1 min direkt am Silostock oder am vorgemischten Futter, wie auf dem Betrieb Bornholdt, analysiert werden. Dabei ist die Analysebandbreite nicht auf den TS-Gehalt beschränkt. Darüber hinaus werden der Stärke-, Rohprotein-, Rohasche- und Rohfettgehalt sowie ADF und NDF ermittelt. Eine Messung setzt sich aus fünf Einzelmessungen an verschiedenen Punkten der Silage zusammen.

Die Bedienung des Geräts erfolgt über den 4“-Touchscreen. Dadurch, dass sowohl die Scannereinheit als auch die Recheneinheit im Gerät verbaut ist, benötigt der Sensor keine Internetverbindung. Das beschleunigt nicht nur die Messung, sondern macht eine Anwendung auch auf Betrieben mit schlechter Netzabdeckung möglich.

Trotz alledem bleibt der X-NIR mit einem Gewicht von 1,6 kg leicht und handlich. Falls der Landwirt die Messdaten weiterverarbeiten oder über den Speicher des Geräts (etwa 60 Messungen) hinaus ablegen möchte, besteht die Möglichkeit, die Daten entweder per USB-Stick zu exportieren oder per Internet in das betriebseigene Cloudsystem GoCloud zu laden.

Sensoren im Praxisvergleich

Der Kaufpreis des X-NIR liegt bei 10.020 €. Optional kann über eine jährliche Lizenzgebühr von 1.530 € auf Kalibrations-Updates, Ersatzteile (Lampe, Dichtung, Glas) und auf Lizenzen für die Cloud-Software zugegriffen werden. Neben dem X-NIR von dinamica generale vertreibt trouw nutrition in Deutschland ebenso einen Handscanner namens NutriOpt.

Während dieser Sensor preislich deutlich attraktiver ist, konnte der NutriOpt den Praktiker Florian Bornholdt im Betriebsalltag nicht überzeugen. Gründe hierfür sind vor allem, dass es sich um ein absätziges System handelt. Die Bedienung und Auswertung erfolgt weitgehend nicht direkt am Sensor, sondern über ein damit verbundenes Smartphone oder Tablet. Dabei störte den Milchviehhalter vor allem, dass keine Hand mehr frei ist, stets eine Internetverbindung vorliegen muss und die Auswertung aufgrund der Datenübertragung deutlich länger dauerte. Darüber hinaus muss dieser Sensor selbstständig mit einem Weißabgleich regelmäßig kalibriert werden, während der X-NIR dies eigenständig macht.

Erfahrungen des Praktikers

Kuhliebhaber Florian Bornholdt setzte den X-NIR über den Testzeitraum täglich vor der Fütterung ein, um vornehmlich den TS-Gehalt der Mais- und Grassilage zu betrachten. Dabei überzeugten den Betriebsleiter vor allem die leichte Bedienung und die Schnelligkeit: „Mit dem Gerät hat man sich direkt eingefuchst, und dann ging das ratz-fatz.“

Um die Genauigkeiten der NIRS-Analyse im Betriebsalltag zu beurteilen, wurden die Proben sowohl auf dem Betrieb nach herkömmlicher Art gegengetrocknet als auch teils mit Laborproben verglichen. Während die Ergebnisse für die Maissilage erstaunlich gut waren, überzeugten die Werte der Grassilage nicht gänzlich. Das liegt vor allem daran, dass Grassilage per se mittels NIRS schwerer zu analysieren ist. Aufgrund dessen, dass die Grasbestände insbesondere auf Dauergrünlandflächen sich aus verschiedenen Gräsern/Kräutern zusammensetzen, ist das Messen einer homogenen Probe am Silostock schwer. Der Messkegel des NIRS-Sensors trifft nur einen Bruchteil des Gesamtfutters.

Um die Ergebnisse im Gras zu verbessern, bietet die Agropartner GmbH an, anhand von Laboranalysen der eigenen Grassilage die allgemeingültige Kalibration auf die betriebseigene Silage detaillierter zuzuschneiden. Das könnte die Genauigkeit noch wesentlich verbessern.

Für einen dauerhaften täglichen Einsatz wünscht sich Florian Bornholdt aber ein integrierteres System. So ist der Einsatz des NIRS-Sensors zum Beispiel auch verbaut an der Fräse des Selbstfahrfuttermischwagens möglich. Hier ist das Fazit des Landwirts eindeutig: „Sollte ich mir einen Selbstfahrer kaufen, würde ich den integrierten NIRS-Sensor mitbestellen.“

Die Tendenz des technikaffinen Tierhalters geht aber weiter zur Automatisierung. Neben der derzeitigen Umstellung auf automatisches Melken mit sechs Lely-Melk­robotern wünscht er sich die automatische Fütterung mit NIRS. „Ich bin mir aber sicher, dass das der Weg für die Zukunft der Fütterung ist“, fasst der Landwirt den NIRS-Praxiseinsatz zusammen.

Videos zum Einsatz des NIRS-Sensors auf dem Betrieb Bornholdt: https://www.youtube.com/watch?v=jioNHD9vgM8

Fazit

Der X-NIR-Handscanner ermöglicht eine Grundfutteranalyse auf dem Betrieb in 1 min. Schwankungen in den Inhaltsstoffen des Grundfutters können dadurch tagesaktuell festgestellt und in der Ration angepasst werden. Im Praxiseinsatz überzeugten vor allem die Handhabung und Schnelligkeit, während die Genauigkeit bei der Grassilage nicht ganz genügte.

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