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Im Alltag den Überblick behalten

Beratung rund um das Geld: Arbeitszeitmanagement in Milchviehbetrieben
Von Prof. Dr. Torben Tiedemann, Fachhochschule Kiel
Das Melken ist die zeitaufwendigste Tätigkeit. Hier wirken sich demnach Veränderungen am meisten aus. Foto: Isa-Maria Kuhn

„Der Tag hat 24 Stunden – wenn das nicht reicht, nehmen wir noch die Nacht dazu.“ Eigentlich ist dieser Spruch scherzhaft gemeint. Mancher Milchviehhalter kann hingegen gar nicht darüber lachen, denn vielfach ist auf dem Betrieb mehr als genug zu tun. Neben den Routinearbeiten wie Melken, Füttern und Kälbertränken bringen die Arbeitstage täglich neue Herausforderungen mit sich: kranke Tiere, Schwer- oder Frühgeburten oder defekte Maschinen sind nur einige davon, und nebenbei muss auch noch die Büroarbeit organsiert werden. Gefühlt läuft man dann permanent der Zeit hinterher. Auf Dauer führt das zu Stress und ­Unzufriedenheit.

Nicht alle Betriebsleiter sind mit ihrer Arbeitssituation unzufrieden, wie eine aktuelle Onlinebefragung des Fachbereichs Agrarwirtschaft der Fachhochschule Kiel zeigt.

Während ungefähr ein Drittel der Befragten die betriebliche Arbeitsbelastung als zu hoch em­p­fand, war ein weiteres Drittel der Befragten mit ihrer Work-Life-Balance zufrieden. Dabei hing die Bewertung augenscheinlich nicht von der Betriebsgröße ab, denn die bewirtschaftete Fläche und die Zahl der Kühe waren in diesen beiden Gruppen auf ähnlichem Niveau. Unterschiede zeigten sich hingegen bei der Zahl der im Betrieb beschäftigten Arbeitskräfte. Auf den Betrieben der unzufriedenen Betriebsleiter wurden durchschnittlich 1,7 zusätzliche Vollarbeitskräfte beschäftigt. Trotzdem musste der Chef pro Woche sogar fünf Stunden mehr arbeiten, als dies in der Gruppe der zufriedenen Betriebsleiter der Fall war. Das lässt den Schluss zu, dass es an der Arbeitsorganisation und dem Personalmanagement hapert. Beiden Punkten kommt eine Schlüsselfunktion für die Zufriedenheit, aber auch für den wirtschaftlichen Erfolg zu.

Arbeitserledigung als wichtige Kostenposition

Die Arbeitserledigungskosten stellen in Milchviehbetrieben eine wichtige Kostenposition dar. Mit einem Anteil von ungefähr 25 % an den Vollkosten sind die Arbeitserledigungskosten nach den Futterkosten die zweitgrößte Kostenkomponente. Sie setzen sich zum einen aus den variablen und fixen Maschinenkosten für die Melk- und Fütterungstechnik und zum anderen aus den Personalkosten zusammen. Die Personalkosten, die sowohl die Löhne für angestellte Mitarbeiter als auch einen Lohnansatz für die Unternehmerfamilie umfassen, machen dabei knapp drei Viertel der Arbeitserledigungskosten aus. In der Praxis wird die Bedeutung der Personalkosten – gerade in Familienbetrieben – häufig unterschätzt, da es sich beim Lohnansatz um kalkulatorische Kosten handelt, die sich nicht direkt auf das Portemonnaie auswirken. Die Effizienz des Arbeitseinsatzes stellt jedoch einen der größten Wirtschaftlichkeitshebel für eine ökonomische Milchproduktion dar.

Oft hilft der Blick von außen, um Zeitfresser auszumachen und Abläufe zu verbessern. Foto: Isa-Maria Kuhn

Immer Prioritäten richtig setzen

Um eine hohe Arbeitseffizienz zu erreichen, geht es nicht nur darum, die Dinge richtig zu tun, sondern vor allem darum, die richtigen Dinge zu tun. Viele Aufgaben werden nicht wegen ihrer Wichtigkeit, sondern aufgrund von Vorlieben, äußerem Druck oder aus reinem Zufall vorrangig erledigt. Es sollte regelmäßig hinterfragt werden, welche Dinge zuerst und von der Betriebsleitung selbst zu erledigen sind, welche Aufgaben delegiert werden können und ob zu bestimmten Arbeiten auch mal bewusst Nein zu sagen ist. Die Strukturierung der Arbeit und das Delegieren von Aufgaben werden umso wichtiger, je mehr Mitarbeiter im Betrieb vorhanden sind. Die Erstellung von Wochenarbeitsplänen und von sogenannten Standardarbeitsunterweisungen kann in diesem Zusammenhang sehr hilfreich sein, um die Arbeitszeit effektiver zu nutzen.

Die Zeitfresser identifizieren

Einen ersten Ansatzpunkt zur Optimierung der Arbeitszeit bildet die Überprüfung der Melkroutine, denn das Melken macht in der Regel mehr als 50 % der täglichen Arbeitszeit in Milchviehbetrieben aus. Mittels entsprechender Handy-Apps ist die Zeiterfassung und -auswertung heute sehr einfach möglich. Die in Übersicht 2 dargestellte Praxiserhebung verdeutlicht, dass die Melkzeit in einem 2×12-­Fischgrätenmelkstand durch einen zweiten Melker nicht halbiert, sondern lediglich um ein Drittel verkürzt werden kann. Während des Melkens ist die zweite Arbeitskraft nicht voll ausgelastet. Dies ist vorteilhaft, wenn viele Tiere zu selektieren sind oder neue Färsen angelernt werden müssen. Es kostet den Betrieb pro Tag aber ungefähr 100 min an Arbeitszeit. Einzelbetrieblich ist bewusst abzuwägen, ob das Melken zu zweit wirklich notwendig ist, denn bei einem Stundensatz von 15 €/h entstehen am Tag Mehrkosten von 25 €.

Neben der Höhe der Investition spielt auch die Lust an Technik eine wichtige Rolle. Foto: Isa-Maria Kuhn

Auch Kleinigkeiten kosten Zeit

Neben den großen Baustellen gibt es in der Praxis aber auch viele Kleinigkeiten, die im Alltag Zeit kosten. Die Reparatur eines schwergängigen Gatters oder die Investition in einen zusätzlichen Besen rentieren sich sehr schnell, wenn man sich nur einmal vor Augen führt, dass jede zusätzliche Minute pro Tag auf das Jahr gesehen eine Mehrarbeit von sechs Stunden ausmacht. Hier hilft es, die Arbeitsabläufe kritisch zu beleuchten und regelmäßig mit den Mitarbeitern über Verbesserungen zu sprechen. Auch ein Blick von außen durch Berater oder Berufskollegen kann wertvolle Anregungen bringen.

Gezielt Investitionen vornehmen

Gute Dienste zur Erleichterung der täglichen Routinearbeiten im Stall leisten dabei technische Geräte wie Einstreuverteiler, automatische Spalten- und Futterschieber, Milchtaxi oder Brunsterkennungssystem. Häufig erleichtern diese Geräte nicht nur täglich anfallende Arbeiten, die andernfalls auch gerne vernachlässigt werden, sondern helfen dadurch auch, die Produktionstechnik (Stallhygiene, Futteraufnahme, Zwischenkalbezeit) zu verbessern. Die Investitionssummen sind mit Beträgen zwischen 5.000 € und 25.000 € meist überschaubar und zahlen sich schnell aus.

Bei größeren Technikinvestitionen, wie zum Beispiel automatischen Melk- und Fütterungssystemen, sollte hingegen genauer gerechnet werden. Betrachtet man nur die Kostenseite, sind erhebliche Zeiteinsparungen pro Jahr notwendig, damit sich die Investitionen rentieren (vergleiche Übersicht 3).

Bei einer Investition in eine automatische Fütterungsanlage für 200.000 € mit einer Nutzungsdauer von 15 Jahren müssen – je nach Stundensatz – im Jahr zwischen 1.000 und 1.350 Stunden eingespart werden. Wer jedoch mit so spitzem Bleistift rechnet, muss sich auch Gedanken über mögliche Leistungssteigerungen durch gezieltere Futtermischungen und mehrmaliges Füttern pro Tag machen. Daneben spielen Aspekte wie die Affinität zu Technik und die zukünftige Verfügbarkeit von Arbeitskräften auch eine wichtige Rolle.

Fazit

Trotz oder gerade wegen der hohen Arbeitsbelastung sollten Milchviehhalter regelmäßig reflektieren, welche Aufgaben delegiert werden können und wie eine effizientere Gestaltung der Arbeitsabläufe möglich ist. Dies sollte auch mit allen Mitarbeitern regelmäßig besprochen werden. Es geht insbesondere darum, die Zeitfresser im Betrieb zu finden, damit die Arbeitsbelastung für die Unternehmerfamilie nicht zu hoch wird. Da man selbst zu Betriebsblindheit neigt, kann die Einbindung von Berufskollegen und Beratern sinnvoll sein. Hinzu kommt, dass es gerade für wachsende Milchviehbetriebe zunehmend schwerer wird, gute Mitarbeiter zu finden. Deshalb sollten kleinere Investitionen, die die tägliche Arbeit erleichtern und die Arbeitsmotivation erhöhen, vorrangig umgesetzt werden. Größere Investitionen in arbeitssparende Stalltechnik sollten hingegen gezielt geplant und umfassend einzelbetrieblich kalkuliert werden.

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