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Alternativen zum Diesel

Neuheiten bei den Traktoren auf der Agritechnica
Von Alexander Czech , Landwirtschaftskammer NRW
Der Hybrid CVT von Steyr ist eine mit Silber prämierte Neuheit. Fotos: Alexander Czech

Das vergangene Jahrzehnt war im Bereich der Traktoren vor allem geprägt von der Implementierung moderner Motoren mit entsprechender Abgastechnologie zur Einhaltung der vorgeschriebenen Abgasstufen. Die momentanen Entwicklungen knüpfen nahtlos hier an, denn die Antwort auf die Frage, welche Antriebstechnik die Landwirtschaft von morgen bewegt, scheint noch nicht endgültig gefunden. Die Hersteller haben allerdings einige Entwicklungen vorangetrieben, die auf der Agritechnica bereits ausgestellt wurden.

Nachdem der Pkw-Sektor zunehmend elektrifiziert wird, sind auch im Bereich der Landwirtschaft erste Schlepper mit elektrischen Antrieben zu finden. Dabei kann unterschieden werden zwischen dem dieselelektrischen und dem rein elektrischen Antrieb. Ersterer treibt einen Generator an, der die elektrische Leistung dann auf weitere Antriebsmotoren überträgt. So wird weiterhin Diesel als Treibstoff getankt.

Beim rein elektrischen Antrieb sind Akkumulatoren verbaut, die als Energiequelle dienen und so einzelne Leistungsabnehmer versorgen. Die große Herausforderung liegt dabei in der Energiedichte der momentan verfügbaren Akkus. Selbst bei den aktuell leistungseffizientesten Akkus liegt die Energiedichte bei etwa 5 kg/ kWh. Für 100 kW Leistung ist ein Akku von mindestens 500 kg nötig, was in etwa 28 l Diesel bei einem üblichen Wirkungsgrad von 30 % eines Dieselmotors entspricht. Dennoch haben Elektrotraktoren aufgrund ihrer hohen Systemeffizienz zweifelsfrei ihren Platz in der Landwirtschaft verdient und werden das Feld bis etwa 100 kW Leistung zukünftig verstärkt besetzen.

Als bekanntester Vertreter der Elektrotraktoren auf der Agritechnica war der schon 2017 vorgestellte Schmalspurschlepper e107V Vario von Fendt zu sehen. Die Serienproduktion startet 2024. Weitere Modelle sollen in den nächsten Jahren folgen. Neben Fendt hat auch der CNH-Konzern zwei Schlepper mit batterieelektrischem Antrieb vorgestellt: New Holland T4 Electric Power und Case IH Farmall 75C Electric. Aber auch andere Hersteller sowie Start-ups und Hochschulen arbeiten mit Nachdruck an der Entwicklung von Elektroschleppern, sodass auf der nächsten Messe mit weiteren Modellen unterschiedlicher Hersteller gerechnet werden kann.

Kleinere Schlepper lassen sich verhältnismäßig gut mit elektrischen Antrieben und Batterien ausrüsten.
Die Dieselalternative Wasserstoff sollte möglichst nachhaltig mithilfe Erneuerbarer Energien produziert worden sein.
Noch im Prototypenstatus: Bei Kubota wird auch für kleinere Traktoren intensiv an autonomiegeeigneten Systemen gearbeitet.
Die neu vorgestellte 600er Serie von Fendt soll über 5,8 t Nutzlast verfügen – eine stolze Ansage in der 150-200-PS-Klasse.
JCB hat in den vergangenen Jahren viel Erfahrung im Offroad-Bereich mit Wasserstoff als Kraftstoff gesammelt.
Unter der Haube des Methantraktors findet sich durch die nicht notwendige Abgasaufbereitung ungewohnt viel Platz.
Case IH hat sein neues Flaggschiff mit 778 PS Maximalleistung auf der Agritechnica vorgestellt.
Erste elektronisch angetriebene Anbaugeräte im Prototypenstatus gibt es bereits.
Der Range-Extender im Frontanbau verfügt über einen Methanoltank und eine Brennstoffzelle. Hiermit soll die Reichweite im Arbeitsalltag ausgebaut werden.
In Rot hervorgehoben ist die verbaute Sensorik für einen autonomen Einsatz.


Methan zum Ackern?

Mit der Einführung des New Holland T6.180 Methane Power haben Gasmotoren Einzug in die Landwirtschaft erhalten. New Holland hat nun mit dem T7.270 Methane Power LNG einen leistungsstärkeren Schlepper vorgestellt, der mit Flüssiggas betrieben werden soll und deshalb mit einer Silbermedaille der DLG-Neuheitenkommission geehrt wurde. Auf der Messe noch als CNG-Schlepper ausgestellt, wird das LNG-Modell flüssiges (Bio-)Methan als Kraftstoff nutzen. Der große Vorteil liegt in der höheren Energiedichte des verflüssigten Methans. So will man laut eigener Aussage auch längere Arbeitszeiten bei schwererer Arbeit ermöglichen.

Die Schlepper fallen in ihrem äußeren Erscheinungsbild kaum auf, unter der Motorhaube jedoch fehlt einiges, denn die bei Dieselmotoren notwendige Technik zur Abgasnachbehandlung ist bei den Gasmotoren fast vollständig entfallen. Methan als Kraftstoff zu nutzen, ist gerade dann sinnvoll, wenn vor Ort eine Biogasanlage das Gas produziert. So ergibt sich eine Kreislaufwirtschaft, bei der der Betrieb neben Landwirtschaft auch Energiewirtschaft betreiben kann. Auch andere Hersteller haben mit der Entwicklung von Gasmotoren begonnen, bislang ist aber noch kein fertiges Produkt in einem Schlepper marktverfügbar.

Was kann Wasserstoff leisten?

Neben Methan stellt Wasserstoff als Kraftstoff für einige Schlepperhersteller eine mögliche Lösung dar – entweder um ihn wie Methan zu verbrennen oder um ihn in Brennstoffzellen in elektrische Energie umzuwandeln. Kubota und JCB stellten auf ihren Messeständen verschiedene Motoren vor, die Wasserstoff als Gas verbrennen und damit als Antriebssystem zukünftig in den Maschinen eingesetzt werden sollen. Auch Deutz-Fahr als großer Motorenhersteller hat die Entwicklung im Wasserstoffbereich wahrgenommen und wird 2024 mit einem 270 PS starken Wasserstoffmotor (zunächst für den rein stationären Betrieb geeignet) in Serienproduktion gehen. Die Weichen der Motoren(-produzenten) sind gestellt. Es bleibt offen, wie sich die Infrastruktur künftig darstellt, denn diese ist bei Gas als Antriebsstoff herausfordernd.

Im Modellprojekt „H2 Agrar“ wird aktuell untersucht, inwieweit sich Wasserstoff in Traktoren mit Brennstoffzellen eignet. Fendt hat hierzu einen Schlepper mit entsprechender Technik ausgerüstet und ausgestellt. Da Brennstoffzellen relativ träge sind, ist immer eine Batterie als Zwischenspeicher verbaut, um kurzfristige Lastspitzen abfedern zu können. Das Projekt läuft noch, daher sind erste Ergebnisse erst zu erwarten. Einige Prototypen konnten sich die Besucher der Agritechnica auf dem Fendt-Stand bereits ansehen.

HVO könnte eine geeignete Lösung der Zukunft sein

Im Zusammenhang mit alternativen Kraftstoffen fällt zudem immer häufiger auch der Begriff „hydrierte Pflanzenöle“ (HVO). Die Eigenschaften ähneln dem Diesel sehr, weshalb das Interesse der Branche relativ hoch ist. Viele Motoren sind bereits vom Hersteller für HVO freigegeben. Dieser Kraftstoff ist zurzeit nur in sehr begrenzten Mengen verfügbar, demzufolge teurer als Diesel, und die rechtliche Einordnung als Kraftstoff, um HVO legal zu verkaufen, steht noch aus. Sie soll im Frühjahr 2024 erteilt werden. Viele Motoren sind außer für Diesel auch für HVO als Kraftstoff zugelassen.

Auch John Deere ist bereits seit Längerem auf der Suche nach möglichen alternativen Kraftstoffen und hat mit dem Multi-Fuel-Schlepper ein fertiges Konzept vorzuliegen. Neben Biodiesel kann der Traktor auch Pflanzenöl oder konventionellen Diesel als Kraftstoff verarbeiten. Sofern die politischen Weichenstellungen gegeben sind, wird auch hier ein entsprechendes Angebot an Schleppern zu finden sein.

Steyrs Hybrid CVT wurde ebenfalls mit einer Silbermedaille gekürt. Dabei wird ein E-Antrieb mit einem stufenlosen, leistungsverzweigten Getriebe kombiniert. Bis zu 75 kW elektrische Leistung können dabei auf die Vorderachse übertragen werden. Ein Boostmodus sowie der „Pull-in-Turn“-Effekt (minimaler Wendekreis) werden durch die Hybridisierung möglich. Außerdem steht für elektrisch angetriebene Anbaugeräte eine entsprechende Steckdose zur Verfügung.

Erste Schlepper bald schon autonom unterwegs

Neben dem großen Bereich der Antriebstechnik hat die Agritechnica gezeigt, dass auch die Autonomie einen hohen Stellenwert bei den Schlepperherstellern aus aller Welt hat. Alle größeren Firmen haben Traktoren mit entsprechenden Sensoren ausgestellt. In der Regel sind dies nur Prototypen, da die politischen Weichenstellungen in Deutschland wie europaweit noch nicht gegeben sind, um einen vollautonomen Betrieb auf dem Acker zu ermöglichen.

Der Trend zeigt, dass Standardtraktoren mit Kabinen zunächst mit entsprechender Sensorik ausgerüstet werden, um autonom arbeiten zu können. Ob und wann Kabinen entfallen, bleibt abzuwarten. Einen Traktor ohne Kabine hat Case IH schon 2016 präsentiert, lange vor der aktuellen Diskussion. Aus der Branche ist teilweise zu hören, dass abgewartet wird, bis der Automobilsektor so weit ist, um autonom fahren zu können, denn dann ist auch der Weg frei für den autonomen Betrieb auf dem Acker.

Dass es doch noch größer und stärker geht, haben die Traktorenhersteller auch auf dieser Messe wieder eindrucksvoll gezeigt. Claas und Case IH haben neue Topmodelle ihrer Großtraktoren Xerion und Quadtrac präsentiert. Über 650 PS sollen auch mit größten Grubbern und Sämaschinen zurechtkommen. Dass die 1.000-PS-Schallmauer im Traktorenbereich durchbrochen wird, scheint in Anbetracht der Entwicklungen nicht unmöglich.

Wer einen ehrlichen Blick auf die Nutzlast nach Abzug des Eigengewichts von der zulässigen Gesamtmasse beim Schlepper wirft, wird oftmals verblüfft sein. Häufig ist diese nicht ausreichend, um die auf dem Betrieb eingesetzten Maschinen legal auf der Straße bewegen zu dürfen. Fendt hat mit der neu vorgestellten 600er Serie einen besonderen Fokus auf die Nutzlast gelegt und soll über 5,8 t bieten. Selbst befüllte Anbausämaschinen mit groß dimensioniertem Frontgewicht sollten damit legal im Straßenverkehr bewegt werden dürfen.

Vor allem das Thema Antrieb/Kraftstoff der Zukunft beschäftigt die Branche und bindet viele Kapazitäten. Der Trend zeigt, dass es je nach Anforderungsprofil der Maschine und Leistungsklasse unterschiedliche Alternativen zum Diesel geben wird. Die Hersteller konnten (wieder einmal) unter Beweis stellen, dass es immer noch größer und stärker geht.

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