Unter der Überschrift: „Das neue Gold – Preisexplosion bei Düngemitteln“ lud der Industrieverband Agrar (IVA) Ende vergangener Woche zu einer Onlineveranstaltung ein.
Laut Dr. Sven Hartmann, Fachbereichsleiter Pflanzenernährung und Biostimulanzien beim IVA, befindet sich der Düngemittelmarkt in einer nie da gewesenen Ausnahmesituation. „Die Preise für Düngemittel sind seit Mitte 2021 stark angestiegen und anhaltend hoch. Besonders betroffen sind Stickstoffdünger, bei denen Preissteigerungen bis zu 300 Prozent zu beobachten sind“, so der Experte. Auch Düngemittel mit Phosphat und Kali seien betroffen. Der Überfall Russlands auf das Nachbarland bringe außer riesigem Leid für die Menschen auch weitere Preisanstiege mit sich.
Neben der Preisexplosion machten aufgrund von Lieferengpässen bei Rohstoffen und gestörten Handels- und Lieferketten regional zunehmend auch die Verfügbarkeiten zu schaffen. Hartmann erklärte: „Viele Landwirte sind für die nun startende Saison noch nicht ausreichend mit Dünger eingedeckt – auch weil sie auf niedrigere Preise gehofft haben.”
Effiziente Düngung
wichtig wie nie
Marco Fleischmann, Vorsitzender des IVA-Fachbereichs Pflanzenernährung, betrachtete die Entwicklung auf den Rohstoffmärkten und deren Auswirkungen. „Seit dem dritten Quartal 2021 beobachten wir einen deutlichen Preisanstieg bei Rohstoffen und Düngemitteln“, so Fleischmann. Der Kriegsausbruch habe die Situation verschärft. Schließlich sei die Region Russland, Ukraine, Belarus ein wichtiger Handelspartner im Düngemittel- und Agrarsektor für die Europäische Union.
Langfristig sei die Suche nach „Green Ammonia“, also nachhaltig hergestellten Düngemitteln, eine Lösung. Einige Mitgliedsunternehmen arbeiteten bereits daran.
Zunächst gehe es aber darum, mehr Effizienz und Einsparungen zu erreichen, unter Absicherung gleichbleibender Erträge und Qualitäten. Hier seien moderne und nachhaltige Technologien gefordert. Trotz hoher Kosten sei die bedarfsgerechte und ausgewogene mineralische Düngung essenziell für die Ertragsabsicherung. Zusätzlich müssten weitere Hilfsmittel wie Digitalisierung und Präzisionslandwirtschaft, Inhibitoren und Biostimulanzien für die höchstmögliche Ausnutzung der Nährstoffe sorgen.
Am Beispiel Schwefel erinnerte er daran, dass die Versorgung der Bestände mit diesem Element bei gleichbleibendem N-Einsatz die Ausnutzung erhöht. Auch in Roten Gebieten könnten so Erträge gesichert werden.
Digitale Hilfsmittel und langfristige Planung
Landwirt Marco Gemballa aus Mecklenburg-Vorpommern beschrieb, wie er auf seinem 600-ha-Betrieb mit der aktuellen Situation umgeht. Drastisch schwankende Niederschlagsmengen – vor allem in den Vegetationsmonaten – hätten den Anbau trotz möglicher Bewässerung seit Jahren herausgefordert. Auch deshalb gehöre höchste N-Effizienz seit Jahren zu den Zielen der Agrargesellschaft am Graben. Eine Maßnahme sei eine weite Fruchtfolge, die auch Fruchtarten mit hoher N-Effizienz wie Mais und Zuckerrüben enthalte. Auch organische Düngung werde genutzt, sei aber in dieser Region mit nur einem Viertel des durchschnittlichen Tierbesatzes Deutschlands nicht ganz einfach. Daneben bediene man sich ausgiebig der bereits von Fleischmann angesprochenen digitalen Hilfsmittel. „Mit N-Fotoanalyse, Biomassekarten und daraus abgeleiteten Streukarten erreichen wir beim eingesetzten Stickstoff eine Düngeeffizienz von 80 Prozent“, berichtete Gemballa. Der N-Sensor helfe bei der N-Einsparung, was sich in der Verringerung des N-Saldos auf 32 kg/ha ausdrücke. Gleichmäßige, höhere Erträge, weniger Lager sowie gleichmäßige und höhere Proteingehalte seien ebenfalls darauf zurückzuführen. Auch beim Phosphat habe man eine höchstmögliche Ausnutzung und damit einen Saldo von nur 2 kg/ha erreicht. Gemballa beschrieb: „Je mehr eingesetzter Nährstoff mit dem Erntegut abgefahren wird, desto besser. Das Ziel ist höchste Effizienz.“
Glücklicherweise kaufe sein Betrieb Düngemittel bereits ein Jahr im Voraus. So habe er für die aktuelle Saison bereits vor Beginn der Preissteigerungen eingekauft. Viele Berufskollegen hätten auf eine spätere Beruhigung der Preissteigerung gehofft und deshalb den Einkauf lange hinausgezögert – mit den aktuell dramatischen Folgen. Doch auch ihn werde für das kommende Jahr der Preissprung hart treffen. Er rechnete vor: „Bei unseren mehrjährig 165 Kilo N pro Hektar rechnen wir mit Kostensteigerungen nur beim N-Dünger von 350 Euro pro Hektar. Weitere 150 Euro kommen für die anderen Nährstoffe hinzu.“ Aktuell könne man die Kostensteigerungen durch höhere Marktpreise wettmachen. So nutze sein Betrieb erste Vorverkäufe für die Ernte 2023 zur Absicherung. Catrin Hahn