Ende Mai blicken die hiesigen Landwirte mit Sorge auf ihre Felder. Die Trockenheit in diesem Frühjahr hat deutliche Spuren hinterlassen. Vereinzelt konnten einige Schauer um die Osterfeiertage das Schlimmste verhindern, doch regional sind bereits sichtbare Schäden zu erkennen. Dünne Getreide- und Rapsbestände, die zu früh abreifen, lassen in diesem Jahr nur unterdurchschnittliche Erträge erwarten. Durch die Ende Mai einsetzenden Regenfälle sollten sich jedoch die Schäden etwas abmildern.
Die hiesigen Ackerbauern blicken auf eine schwierige Vermarktungssaison 2024/25 zurück. In Schleswig-Holstein begann das Getreidewirtschaftsjahr bereits im Sommer 2024 mit enttäuschenden Erträgen. Trotz der kleinen Erntemenge hierzulande sorgen vor allem die umfangreichen Exporte aus dem Schwarzmeerraum für einen spürbaren Preisrückgang am Weltmarkt. Der Matif-Weizenkurs fiel von 269 €/t im Mai bis Ende August 2024 auf 189 €/t. Erst die Eskalation im Nahost-Konflikt, die US-Präsidentenwahl und die Trockenheit bei der Weizenaussaat in Russland sorgten für einen Anstieg der Kurse für B-Weizen Anfang Januar 2025 auf bis auf 240 €/t. Unterstützt durch weltweit reduzierte Ernteprognosen und mit dem Hinweis auf nachlassende Exporte aus Russland und der Ukraine konnten sich die Weizenkurse bis Anfang Februar im Bereich von 235 €/t behaupten. Die Verkündung der Importzölle der USA durch die Trump-Regierung sorgte anschließend, für Unruhe und Verunsicherung an den internationalen Getreidemärkten. Eine Folge der US-Zölle war ein deutlich höherer Euro-Kurs, der die Wettbewerbsfähigkeit von EU-Weizen auf dem Weltmarkt reduziert hat. Auch die weltweite Nachfrage nach Weizen zeigte Anzeichen von Schwäche. Insbesondere China reduzierte seine Importe, was zu einem Rückgang des globalen Handelsvolumens führte. Prognosen für die Ernte 2025/26 deuten auf eine mögliche Erholung der globalen Weizenproduktion hin. Diese Erwartungen führen zu einem vorsichtigen Verhalten der Marktteilnehmer und drückten die Preise.
Eine leichte Marktbelebung
Um Mitte der 21. Woche zeigt sich eine Marktbelebung im hiesigen Getreidehandel. Der Matif-Weizenkurs hatte am 21. Mai mit 212 €/t die Marke von 200 € überschritten. Grund für den Anstieg der Kurse war eine erneute Wende am Wettermarkt. In Russland reichten die jüngsten Niederschläge bislang nicht aus, um mögliche Schäden in den Weizenbeständen zu verhindern. Ähnliches gilt für den Bereich rund um die Ostsee. Auch in China sorgt aktuell eine Dürre in den Weizenanbaugebieten für mögliche Ernteeinbußen. In den USA entwickeln sich die Getreidebestände ebenfalls nicht immer wie erhofft, wie die jüngsten Bonituren ergeben haben. Parallel dazu sorgte Saudi-Arabien für Bewegung am Weltmarkt. 620.000 t Weizen sollen im Herbst aus der Schwarzmeerregion in das arabische Land geliefert werden. Die USA konnten zudem Kontrakte über Weizenlieferungen Richtung Japan und Mexiko abschließen. Neben den Entwicklungen durch Angebot und Nachfrage bleibt auch die Politik ein entscheidender Faktor im Getreidehandel.
Die USA und China haben sich Mitte Mai darauf geeinigt, die gegenseitigen Importzölle für 90 Tage zu reduzieren. Das sorgt an den Märkten für Hoffnung, dass China wieder mehr Soja und Weizen importiert. Ein endgültiger Friedensschluss im Handels- und Zollkrieg ist dies jedoch noch nicht. Auch die EU hat vorerst Gegenmaßnahmen gegen die US-Einfuhrzölle ausgesetzt. Großbritannien hat sich bereits mit den USA geeinigt. Unter anderem verpflichtet sich das Vereinigte Königreich, mehr Agrargüter wie Rindfleisch und Ethanol aus den USA einzuführen. Diese Entwicklung beobachten die EU-Landwirte mit Sorge, da sie als Vorbild für ein Abkommen zwischen der Europäischen Union und den USA dienen könnte. Ein anderer politischer Einfluss auf die hiesigen Agrarmärkte könnte sich aus den Beziehungen der EU zur Ukraine ergeben. So plant die EU-Kommission, zu den vor dem Krieg geltenden Zollkontingenten für die Ukraine zurückzukehren. Mit dieser Maßnahme würde die Lockerung des EU-Außenschutzes gegenüber der Ukraine wieder aufgehoben werden. Es könnten vor allem Einfuhren von Körnermais, aber auch von Eiern und Geflügel gedrosselt werden.
Saisonüblich beginnt im Süden Spaniens in diesen Tagen die Getreideernte in Europa. Durch ausreichende Niederschläge in Südeuropa in diesem Frühjahr sind die Kulturen dort in einem relativ guten Zustand, sodass man hier von überdurchschnittlichen Erträgen ausgehen kann.
Globale Weizen-Rekordernte
Das amerikanische Landwirtschaftsministerium USDA hat Mitte Mai seinen monatlichen WASDE-Report veröffentlicht, der die globale Angebots- und Nachfragesituation an den Agrarmärkten einschätzt. Darin erwarten die Analysten Rekordernten für Weizen und Raps. Die Maisbestände fallen dagegen auf den tiefsten Stand seit zwölf Jahren. Die Weizenbestände legen leicht zu.
Die europäische Kommission schätzt die gesamte EU-Getreideernte auf etwa 280 Mio. t, was einem Anstieg von 10 % gegenüber dem Vorjahr entspricht. Für Weizen sieht man ein Plus von 13 % auf 134 Mio. t und für Körnermais von 10 % auf 65 Mio. t. Die EU-Gerstenernte könnte 51 Mio. t erreichen, was über dem fünfjährigen Schnitt liegt. Nach ersten Schätzungen sieht man auch für Deutschland durch eine deutlich höhere Anbaufläche einen Anstieg der Weizenernte um 15 % gegenüber dem Vorjahr. Die Gerstenernte sollte dagegen kaum größer als im Vorjahr ausfallen. Auch in Schleswig-Holstein hat sich die Aussaatfläche von Wintergetreide im Herbst 2024 gegenüber dem nassen Vorjahr deutlich erhöht. Das Statistische Landesamt geht davon aus, dass hierzulande 28 % mehr Weizen und 12 % mehr Gerste ausgesät wurden. In der vorletzten Maiwoche lag der Erzeugerpreis für Brotweizen der alten Ernte bei zirka 204 €/t. Für Vorkontrakte lassen sich etwa 197 €/t erzielen. Für Futterweizen liegen die Kurse jeweils etwa 20 €/t darunter. Die Gebote für Wintergerste aus dem Jahr 2024 lagen zu dem Zeitpunkt bei rund 192 €/t. Gersten-Kontrakte für die neue Ernte werden mit etwa 170 €/t gehandelt.
Rapskurse wieder im Aufwind
Auch die Matif-Rapsnotierungen zeigen deutliche Schwankungen. Der Angebotsdruck zum Erntebeginn 2024 sorgte für einen Rückgang der Terminkurse auf etwa 450 €/t. Seitdem bewegen sich die Kurse stetig aufwärts und erreichten Mitte November ein Niveau von 547 €/t. Als Grund werden die schlechte Rapsernte in der EU und der nachlassende Rapsimport aus der Ukraine genannt. Dazu kommt, dass China seine Nachfrage nach Soja aus Furcht vor einem Handelskonflikt nach der Wahl von Donald Trump zum neuen US-Präsidenten erhöht hat. Mit Schwankungen erreichte der Matif-Rapskurs Mitte April nochmals ein Niveau von 544 €/t. Die Zuspitzung des Zoll- und Handelskonflikts mit den USA sorgte für rückläufige Soja- und Rohölkurse. In diesen Sog gerieten auch die Rapspreise, die an der Matif Ende April bis auf 460 €/t nachgaben. Seitdem stabilisiert sich die Marktlage, sodass Ende Mai wieder 488 €/t erreicht wurden. Die höheren Erzeugerpreise haben die Umsätze auf Erzeugerebene kaum beleben können. Die alte Ernte ist mittlerweile vermarktet, für Vorkontrakte ist der aktuelle Preis vielen Landwirten noch nicht hoch genug. Doch auch die Mühlen zeigen wenig Nachfrage. Die aktuelle Versorgung ist ausreichend. Für den weiteren Verlauf rechnet man mit günstigen Importen. Die EU bezieht nach wie vor große Mengen an Raps aus dem Ausland. Australien hat sich inzwischen zum Hauptlieferanten vor der Ukraine entwickelt. Auch Kanada liefert deutlich mehr als in den Vorjahren. Aus welchen Ländern demnächst welche Mengen an Raps eingeführt werden, hängt jetzt auch von der Entwicklung des Zoll- und Handelsstreits mit den USA ab. Hierzulande werden Ende der 21. Woche etwa 455 €/t für Raps der alten Ernte gezahlt. Vorkontrakte für die neue Ernte können mit zirka 455 €/t abgesichert werden.
Die EU-Kommission prognostiziert eine europäische Rapsernte von etwa 18,99 Mio. t, gegenüber 16,9 Mio. t im Vorjahr. Für Deutschland sieht man eine um 4,8 % reduzierte Anbaufläche von 1,11 Mio. ha (minus 4,8 %). Der Ertrag wird bundesweit auf etwa 36 dt/ha (minus 0,5 %) geschätzt. Dies würde einer Erntemenge von etwa 4,01 Mio. t (minus 5,2 %) entsprechen. In Schleswig-Holstein rechnet man eher mit einer um 8 % gegenüber dem nassen Vorjahr vergrößerten Anbaufläche.
Fazit
• Die Erzeugerpreise für Weizen bewegen sich aktuell auf dem Niveau der beiden Vorjahre, die für Raps leicht darunter.
• Vergrößerte Anbauflächen für Wintergetreide sprechen für eine höhere Erntemenge in der EU und in Deutschland.
• Schäden durch die lange Trockenheit sind in den Kulturen sehr wahrscheinlich. Die Höhe lässt sich schwer abschätzen.
• Neben Angebot und Nachfrage nimmt auch die Politik starken Einfluss auf die landwirtschaftlichen Märkte. Welche Entscheidungen hier getroffen werden, ist oft schwerer vorhersehbar als der Verlauf der Witterung.