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Wojciechowski sagt, es dauert noch

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So schnell, wie die Agrarminister es gerne hätten, werden die Entscheidungen von der Kommission nicht getroffen, Aussaatplanung hin oder her. Eine Entscheidung der EU-Kommission über eine mögliche Aussetzung der Regelungen zur Stilllegung und zum Fruchtwechsel wird aller Voraussicht nach noch eine Weile auf sich warten lassen. Das lassen Äußerungen einer Kommissionssprecherin erwarten.

Zwar hatte EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski zu Beginn der Woche auf dem EU-Agrarratstreffen erklärt, dass ein entsprechender Entwurf für eine Durchführungsverordnung zur einjährigen Nichtanwendung der ab dem kommenden Jahr geltenden Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) vorliege. Eine Kommissionssprecherin teilte jetzt allerdings gegenüber dem Nachrichtendienst Agra-Europe mit, dass bei dem für Dienstag angesetzten Treffen des Kollegiums der Kommissare eine Entscheidung dazu nicht auf der Tagesordnung stehe.

Zudem scheint der von Wojciechowski angekündigte Entwurf dem Vernehmen nach noch nicht beschlussreif zu sein. So wurde vonseiten beteiligter Kommissionskreise auf Anfrage erklärt, dass das Kollegium „noch etwas Zeit braucht, um einen Text zu erarbeiten“. Wann es also in Brüssel zu einer beschlussreifen Entscheidung kommen kann, ist auch angesichts der jetzt beginnenden Sommerpause völlig unklar. Unterdessen scheint dem landwirtschaftlichen Berufsstand angesichts der bevorstehenden Herbstaussaat die Geduld auszugehen. Zuletzt hatte etwa der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied, deutlich gemacht, dass die Landwirte jetzt dringend Klarheit über die Förderbedingungen der GAP benötigten, damit sie ihre Aussaat nach der Ernte planen könnten. „Jeder Tag zählt“, so die klare Ansage des Verbandspräsidenten. age

Kutschen versus Reiter

Pferde werden nicht geländesicher geboren, das wissen alle Reiter und Fahrer. Deshalb sollte man sich und sein Pferd auf alle möglichen Situationen vorbereiten. Das geht beispielsweise in sogenannten Gewöhnungskursen.

Häufig fällt ein Problem erst auf, wenn man mitten in einer gefährlichen Situation steckt. „Wir sind der Meinung, dass Vorsicht besser ist als Nachsicht. Daher haben wir eine Reihe von Gewöhnungskursen gegen mögliche Schreckmomente im Gelände geplant“, sagt Stacy Bradtke vom Verein Reit- und Fahrwege Schleswig-Holstein. Ziel ist es, Pferd und Reiter mehr Sicherheit und Selbstvertrauen zu geben.

Der erste Gewöhnungskurs fand in Dithmarschen auf dem Hof Islandpferde von der Holstenau bei Familie Iwannek statt. In dem Tageskurs „Kutschen versus Reiter“ drehte sich alles um das Schreckgespenst Kutsche. „Obwohl das Wetter nicht ganz auf unserer Seite war, erschienen trotzdem fast alle Teilnehmer hoch motiviert zum Training“, freute sich Bradtke.

In mehreren Phasen wurde alles geübt. Von der Kutsche, die nicht angespannt einfach mitten auf dem Platz stand, bis hin zur Kutsche, die auf unebenem Boden klappernd und in allen Gangarten von vorne und von hinten überholt werden sollte. „Die Abschnitte wurden immer im individuellen Tempo von Teilnehmer und Pferd absolviert“, betont Bradtke, der es wichtig ist, dass jeder die Zeit bekommt, die er braucht. Am Ende des Kurses waren alle Teilnehmer mit dem Ergebnis sehr zufrieden und haben jetzt mit Sicherheit weniger Angst, im Gelände auf eine Kutsche zu treffen. pm

Es braucht immer noch etwas Zeit

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Der erste EU-Agrarrat unter tschechischer Ratspräsidentschaft hat in Brüssel stattgefunden. Dabei hat das Land den Landwirtschaftsministern die Schwerpunkte seines Arbeitsprogramms präsentiert. Neuer Agrarratspräsident wird bis zum Jahresende Zdenek Nekula sein.

Die Landwirtschaftsminister der EU-Mitgliedstaaten wollen wissen, wie es weitergeht. Sie haben die Brüsseler Kommission aufgefordert, ihre eingereichten Strategiepläne für die im kommenden Jahr beginnende Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) zeitnah anzunehmen.

Der amtierende EU-Agrarrats­präsident, Tschechiens Landwirtschaftsminister Zdenek Nekula, stellte allerdings nach dem EU-Agrarratstreffen klar, dass auch nach der offiziellen Genehmigung durch die Kommission in vielen Mitgliedstaaten zusätzliche Zeit für die endgültige Ratifizierung benötigt werde. Es sei aber für die Landwirte wichtig, weit vor dem 1. Januar 2023 Klarheit über die dann geltenden Regelungen zu erhalten, um ihre Anbauplanungen anzupassen.

EU-Agrarkommissar Janusz Woj­ciechowski wies beim Agrarrat darauf hin, dass viele EU-Länder ihre Pläne zu spät eingereicht hätten und dies zu Verzögerungen im sogenannten strukturierten Dialog geführt habe. Bei fünf EU-Ländern – nämlich Frankreich, Polen, Spanien sowie Dänemark und Portugal – sei es aber zumindest informell bereits zu einer Einigung gekommen, so der Agrarkommissar. Daher könnten diese zeitnah mit einer Zustimmung durch die Brüsseler Behörde rechnen. Die entsprechenden endgültigen Bescheide werden laut Wojciechowski voraussichtlich Anfang September veröffentlicht.

Frankreichs Landwirtschaftsminister Marc Fesneau und sein spanischer Amtskollege Luis Planas drängten gegenüber der Kommission darauf, schnell die offiziellen Entscheidungen vorzulegen. Die Landwirte und die nationalen Zahlstellen brauchten zeitnah Klarheit über das weitere Vorgehen. Für Deutschland wird es nach der um zwei Monate verspäteten Abgabe des Strategieplans offenbar zusehends eng. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) kündigte an, die Bundesrepublik werde im September ihren überarbeiteten Strategieplan vorlegen. Er hoffe dann auf eine schnelle Bewilligung durch die EU-Kommission. Özdemir sprach von einem „äußerst engen Zeitplan“. Die rechtzeitige Umsetzung sei nur mit „größten Anstrengungen aller Beteiligter zu schaffen“. age

Strengere Regeln zum Tiertransport gefordert

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Die EU-Kommission hat eine deutliche Verschärfung der Regeln für Tiertransporte zugesichert. Der im kommenden Jahr dazu geplante Vorschlag werde die neuesten wissenschaftlichen Standards zum Tierwohl enthalten, kündigte die zuständige EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides beim Agrarrat in Brüssel an.

Die Gesundheitskommissarin erinnerte daran, dass die jüngste Überarbeitung der aktuellen Verordnung vor mehr als 15 Jahren erfolgt sei und daher dringend eine Anpassung vorgenommen werden müsse. Es sei beispielsweise vorgesehen, Langstreckentransporte in Drittstaaten zu verbieten und stärker auf digitale Kontrollinstrumente zu setzen. „Voll und ganz einverstanden“ zeigte sich Stella Kyriakides mit den Forderungen einer Gruppe von fünf EU-Mitgliedstaaten zu Tiertransporten. Anlässlich des Agrarrats forderte Deutschland zusammen mit Dänemark, Belgien, den Niederlanden und Schweden in einem Positionspapier unter anderem eine EU-weite Höchsttransportdauer von Schlachttieren ein. Verlangt wird, die maximale Transportdauer auf acht Stunden zu begrenzen.

Außerdem sollten Versorgungsstellen in Drittstaaten nach einheitlichen Standards zertifiziert werden, die dem EU-Recht entsprechen. Ferner wird darauf gedrängt, dass die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) prüft, ob das Mindestalter für den Transport von Kälbern gemäß der Europäischen Tierschutztransportverordnung aus wissenschaftlicher Sicht erhöht werden sollte. Im Weiteren sprechen sich die fünf Mitgliedstaaten dafür aus, künftig auch die Zeit von Straßentransporten auf einem Schiff als Beförderungs- und nicht als Ruhezeit einzustufen. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne): „Der europäische Weg muss wirksam zu mehr Tierschutz führen – und dafür braucht es bessere gemeinsame Regeln.“ age

Kreisvorsitzende sprechen über ihre Erfahrungen

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Es stehen Wahlen an im Bauernverband Schleswig-Holstein – von der Orts- über die Bezirks- und Kreisebene bis zum Landesvorstand. Einige Amtsinhaber treten nicht mehr an. Deshalb werden vor allem junge Landwirtinnen und Landwirte gesucht, die bereit sind, sich im Ehrenamt des Verbandes zu engagieren. Das Bauernblatt hat die Kreisvorsitzenden nach ihren Erfahrungen befragt – und warum sich das Ehrenamt auch für einen selbst lohnt.

Hans-Peter Grell (65) hat in Duvensee im Kreis Herzogtum Lauenburg einen Betrieb mit 550 Milchkühen und weiblicher Nachzucht, bewirtschaftet 400 ha. Im Bauernverband engagiert ist er seit rund 40 Jahren, angefangen bei den Junglandwirten. Kreisvorsitzender ist er seit fünf Jahren – aus Altersgründen darf er nicht mehr antreten. Seit 2002 ist er außerdem Bürgermeister der Gemeinde Duvensee.

Was hat Grell damals bewogen, sich ehrenamtlich zu engagieren? „Dinge für den Berufsstand gegenüber der Politik zu bewegen und dass der Berufsstand anerkannt bleibt und gewertschätzt wird“, sagt er. Man müsse ohnehin eine gewisse Form von Öffentlichkeitsarbeit machen, und mit einem Mandat könne man mehr Einfluss ausüben als ohne. „Man bekommt Kontakte zu Entscheidungsträgern. Der Bauernverband ist ein geachteter Gesprächspartner, weil der Berufsstand bodenständig ist.“

Die Kontroversen im Land seien vor zehn Jahren größer gewesen als heute, findet Grell. Der Landesverband gehe mehr auf Konsens als auf Konfrontation, und „das praktizieren wir vor Ort sehr intensiv“, betont er und gibt ein Beispiel: „Das Duvenseer Moor sollte Naturschutzgebiet werden. Vier betroffene Dörfer haben das verhindert. Heute regelt den Naturschutz ein Verein mit 380 Mitgliedern und 24 Gemeinden. Es ist ein guter Kompromiss, ein Vorzeigeobjekt.“ Im Kreisverband Herzogtum Lauenburg sei die Auseinandersetzung mit dem Naturschutz sehr intensiv, da es viele Landschaftselemente gebe, die dafür lukrativ seien: Seen und der höchste Anteil an Wald in Schleswig-Holstein. An deren Rändern seien auch die Landwirte betroffen, etwa bezüglich der Was­serwirtschaft.

Was möchte der Ehrenamtler jungen Landwirten, die sich engagieren, auf den Weg mitgeben? „Die Familie muss mitziehen“, sagt er. „Ich konnte den KBV-Vorsitz nur übernehmen, weil da mein Sohn bereits den Betrieb leitete.“

Ausgleich findet Hans-Peter Grell in der Musik: Er spielt Trompete bei der Original Duvenseer Blasmusik. Auch die Söhne spielen mit. 

Der Fehler ist, nichts zu machen

Heiner Staggen, KBV Plön

Heiner Staggen (66) führt in Rendswühren-Schipphorst im Kreis Plön einen Milchviehbetrieb mit 150 Milchkühen und 180 Jungrindern und Kälbern. Er bewirtschaftet 187 ha Acker und 40 ha Dauergrünland. Besonderheiten des Betriebs sind Schulklassen auf dem Hof und Sortenversuche. Der Betrieb wurde 2017 für den schönsten Knick Schleswig-Holsteins ausgezeichnet. Staggen engagiert sich in landwirtschaftlichen Ämtern seit seinem 16. Lebensjahr, seit 15 Jahren ist er Kreisvorsitzender – auch er darf aus Altersgründen nicht mehr antreten. Unter anderem hat er Ehren­ämter bei der Landwirtschaftskammer, der Erzeugergemeinschaft und im Gemeinderat.

Heiner Staggen am Feldversuch mit Wintergerste ‚Mela’ (vorne) und Winterweizen

„Der Bezirksvorsitzende hatte mich angesprochen, und ich hatte Lust, mit Gleichgesinnten eigene Vorstellungen durchzusetzen“, erinnert sich Staggen daran, wie er sich damals zum ersten Amt bereit erklärte. „Das Ehrenamt hat mich persönlich sehr weitergebracht, denn Problemstellungen anderer geben auch Rückschlüsse für den eigenen Betrieb.“ Man bekomme viele Kontakte und gesellschaftliche Anerkennung. „Ich habe immer Leute zur richtigen Zeit kennengelernt.“ Heute sei der Verband weiblicher geworden: „Junge Landwirtinnen sprechen mich an und fragen: Wie können wir uns engagieren?“ Das findet er gut.

Zum Kreisverband Plön gehören auch die Höfe im Bereich der Stadt Neumünster und im Osten von Kiel, dadurch habe man alle Ämter mehrfach. Eine Betriebslage am Stadtrand habe Nachteile durch mehr Verkehr und Erholungssuchende, aber Vorteile für Direktvermarktung und Pferdebetriebe.

Jungen Landwirtinnen und Landwirten gibt Heiner Staggen folgende Ratschläge: sich einbringen und Gleichgesinnte finden, um die Aufgaben auf mehrere Schultern zu verteilen; gute Netzwerke über moderne Medien nutzen; offen sein für Neues, auf Menschen zugehen, sich mit anderen Meinungen auseinandersetzen. Sein Fazit: „Man macht nichts verkehrt, der Fehler ist, nichts zu machen.“

Man ist an der Spitze der politischen Entwicklung

Friedrich Klose, KBV Stormarn

Friedrich Klose (63) ist am Rand von Trittau im Kreis Stormarn am Milchviehbetrieb Klose-Kühler KG beteiligt mit 300 Milchkühen, 350 ha und Biogas. Der Betrieb wurde beim Deutschen Bauerntag 2022 für zukunftsorientierte Ausbildung ausgezeichnet. In der Jugend war Klose Landjugendvorsitzender, seit 29 Jahren ist er im Kreisvorstand und seit fünf Jahren Kreisvorsitzender. Eine weitere Kandidatur ist aus Altersgründen nicht erlaubt. Klose sitzt unter anderem im Bildungsausschuss der Landwirtschaftskammer und im Prüfungsausschuss.

Friedrich Klose im Kälberstall

Der Antrieb, etwas zu verbessern, sei seine Motivation für sein Engagement, sagt er, ein besonderes Anliegen sei ihm die fachliche Kompetenz in der Bildung. Als Problem sieht er, dass junge Landwirte heute eine hohe Planungsunsicherheit vorfänden – „Das war früher einfacher“, sagt er: „Man weiß bei Investitionen nicht, ob sie in zwei Jahren noch politischen Bestand haben.“ Im Kreis Stormarn sei zudem die Nähe zu den Großstädten Hamburg und Lübeck prägend, die Flächenkonkurrenz sei dadurch enorm.

Den Verband empfindet Klose als „BV-Familie, in die ich richtig aufgenommen wurde. Man lernt interessante Leute kennen, spricht mit Entscheidungsträgern – und findet auch Gehör! Man bekommt Weitblick über den Betrieb hinaus, ist auf dem neuesten Stand der politischen Entwicklung und schon an der Entstehung beteiligt.“ Und man bekomme mit, wie viel das Hauptamt des Verbandes leiste.

Klose begrüßt, dass konventionelle und ökologische Landwirtschaft enger zusammengerückt seien. „Wir haben nur eine Landwirtschaft und dieselben Probleme. Wir haben bloß verschiedene Kunden.“

Junge Landwirtinnen und Landwirte, die sich engagieren möchten, sollten zu Hause den Rücken frei haben. „Der Betrieb muss auch funktionieren, wenn der Betriebsleiter nicht da ist. Es können schon mal zwei- oder dreimal in der Woche Termine anfallen, die kann man nicht ständig absagen.“ Am besten fange man mit nur einem Ehrenamt an und schaue dann, wie es für einen laufe.

Teambildung ist für Klose besonders wichtig – auf allen Ebenen. „Der KBV sollte nicht nur in einer Person sichtbar sein.“ Den Kreisvorstand informiert er regelmäßig über alle Themen, beteiligt die Junglandwirte und Bezirksvorsitzenden. Und man sollte eine positive Einstellung zu Veränderungen pflegen: „Wer sich zuerst mit einem Problem beschäftigt, ist der Entwicklung schon voraus.“

Keine Angst vor alten Schlaumeiern!

Lutz Schlünzen, KBV Ostholstein-Lübeck

Lutz Schlünzen hat seinen Ackerbaubetrieb (450 ha) mit Geflügelhaltung und Direktvermarktung in Lensahn-Nien­rade im Kreis Ostholstein vor vier Jahren an seinen Sohn verpachtet. Seit etwa 25 Jahren ist er im Bauernverband engagiert, Kreisvorsitzender seit fünf Jahren – als 65-Jähriger darf er nun nicht mehr antreten. Unter anderem ist er auch Repräsentant der Landwirtschaftskammer. Und Schlünzen sitzt seit 28 Jahren im Kirchengemeinderat Lensahn und engagiert sich dort aktuell beim Thema Wiedervernässung von Kirchenpachtland.

Lutz Schlünzen vor dem Hofladen mit Direktvermarktung

„Wir brauchen eine Berufsstandsvertretung, um unsere Anliegen einzubringen. Wir haben uns zu sehr aus der Mitte der Gesellschaft heraus und in eine Opferrolle begeben“, lautet die Motivation für sein Engagement. Das aber gebe ihm viel Lebensqualität zurück. „Ich habe Menschen in allen möglichen Bereichen kennengelernt. Der dadurch gewonnene Weitblick bringt auch etwas für den eigenen Betrieb, etwa wenn man sich vor dem Kauf eines Düngerstreuers mit Kollegen austauscht. Wer einmal dabei ist und sich damit identifizieren kann, der wächst dabei und wächst hinein.“ Junge Menschen sollten nicht zu alt werden, bis sie in Verantwortung gingen.

Das Zusammenspiel von Haupt- und Ehrenamt im Verband nennt Schlünzen eine „Topgeschichte“. „Bei Problemen bekommt man sofort belegbare Argumente und Argumentationshilfe, kann Hintergründe erfragen. An die kommt man nur heran, wenn man mitmacht.“ In der heutigen Zeit sei alles viel schneller geworden. „Man fährt mit GPS, ist mit dem Handy immer erreichbar, programmiert Maschinen.“

Ackerbaulich verfügt der Norden des Kreises über beste Gebiete, außerdem gibt es hier die Prägung durch die alten adligen Güter. Eine Besonderheit im Kreis Ostholstein: Die Bauern sind auch betroffen von der Hinterlandanbindung der Fehmarnbeltquerung und der geplanten 380-kV-Leitung.

Als Tipps gibt Lutz Schlünzen jungen Landwirtinnen und Landwirten auf den Weg: „Habt keine Angst vor alten Schlaumeiern! Habt den Mut, Fragen zu stellen und Ideen in den Raum zu werfen, aber setzt auch Grenzen der eigenen Belastbarkeit und akzeptiert die Grenzen anderer!“ 

Man wächst hinein und wächst dabei

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Im Bauernverband stehen Wahlen an – von der Orts- über die Bezirks- und Kreisebene bis zum Landesvorstand. Auch ein neuer Präsident wird gewählt, doch darum soll es hier nicht gehen, sondern darum: In dieser Wahlperiode werden viele Ehrenamtler vor allem aus Altersgründen nicht mehr antreten. Bei Kreisvorsitzenden schreibt die Satzung vor, dass nicht mehr gewählt werden kann, wer das 63. Lebensjahr vollendet hat, und das trifft bereits auf mehr als die Hälfte der 13 bisherigen Kreisvorsitzenden zu. Und nur vier bekunden bisher, wieder zur Verfügung zu stehen.

Für den neuen Kreisvorsitz ist zwar in der Regel eine personelle Lösung angebahnt, doch ist es eminent wichtig, dass junge Leute im Ehrenamt nachrücken. Es ist Konsens im Verband: Wir müssen jünger werden! – Und weiblicher, wird ebenfalls einmütig betont. Letzteres ist allerdings auf den oberen Verbandsebenen bisher nicht in Sicht, auf unteren Ebenen könnte – und sollte – es anders aussehen.

Nun mag die befürchtete zeitliche Belastung durch ein Ehrenamt manche jungen Landwirtinnen und Landwirte abschrecken. Der Betrieb zu Hause verlangt vollen Einsatz, junge Familien brauchen Aufmerksamkeit, Kinder Zuwendung. Ist das zu wuppen? Und was hat man selbst davon, wenn man Zeit und Energie investiert? Im Vorfeld der Wahl hat das Bauernblatt alle derzeitigen Kreisvorsitzenden besucht und nach ihren Erfahrungen befragt, die Serie beginnt in dieser Ausgabe auf Seite 14. Einheitlicher Tenor: „Das Ehrenamt hat mir unheimlich viel gebracht.“

Als Grundmotiv schält sich bei allen Befragten heraus: Ich will mich für den Berufsstand und die Kollegen auf politischer Ebene einsetzen, und ich kann deutlich mehr erreichen über das Sprachrohr des Verbandes. Da finde ich Gehör bei Politikern, Amtspersonen und anderen Verantwortlichen des öffentlichen Lebens. Ich treffe Leute, die ich sonst nicht kennengelernt hätte, bekomme Kontakte auf allen Ebenen und baue ein Netzwerk auf. Der Lohn für diesen Einsatz: vor allem ein großer Weitblick über den sprichwörtlichen Tellerrand hinaus. Ich bin dicht am Puls der Zeit, erhalte frühzeitig wichtige Informationen, und manchmal kann ich dies auch für den eigenen Betrieb vorteilhaft umsetzen. So die einmütigen Erfahrungsberichte. Die gute Zusammenarbeit mit dem Hauptamt wird dabei durchweg gerühmt.

Wie ist es mit der zeitlichen Belastung? Die wird nicht abgestritten. Der Betrieb zu Hause gehe vor, ganz klar. Wichtig sei, dass die Familie hinter dem ehrenamtlichen Engagement stehe und es unterstütze. Und auf Bezirksebene oder im Kreisausschuss sei die Belastung noch überschaubar. Aufgaben in den Gremien zu verteilen, nicht alles alleine machen zu wollen, sei ohnehin das Gebot. „Einfach mal ausprobieren und schauen, ob es einem liegt“, lautet der Rat. „Keine Angst, Fragen zu stellen und Ideen einzubringen.“ Man wächst hinein, und man wächst dabei. Und dabei müssen die Alten die Neuen da abholen, wo sie stehen.

Darin ähneln sich die Antworten der Kreisvorsitzenden, doch jeder von ihnen hat auch besondere Erfahrungen gemacht. Es lohnt sich, die Beiträge zu lesen. Und laut den Befragten lohnt sich auch die Bewerbung für ein Amt.

Prognose der Getreideernte in Schleswig-Holstein

Nach der ersten Schätzung des Statistikamtes Nord wird für Schleswig-Holstein in diesem Jahr eine Getreideernte von knapp 2,5 Mio. t erwartet, damit läge die Erntemenge auf dem Niveau des Vorjahres. Die diesjährige Getreideanbaufläche (ohne Körnermais) stieg leicht um 600 ha auf 303.100 ha.

Allein 1,3 Mio. t oder 53 % der gesamten Getreideerntemenge werden voraussichtlich auf die flächenstärkste Getreideart Winterweizen entfallen. Der erwartete Hektarertrag von 88 dt/ha liegt für Winterweizen knapp über dem sechsjährigen Durchschnittswert. Da die Anbaufläche im Vergleich zum Vorjahr leicht gefallen ist (–4 %), geht die geschätzte Erntemenge um 59.000 t (–4 %) im Vergleich zum Vorjahr zurück. Winterweizen steht in diesem Jahr auf rund 150.900 ha.

Die Aussaatfläche der Wintergerste veränderte sich ebenfalls nur gering um –1 % auf 68.200 ha gegenüber dem Vorjahr und führte durch einen höher prognostizierten Hektarertrag zu einem Zuwachs bei der Erntemenge auf 586.700 t. Nach der Prognose würde sich ein Hektarertrag von 86 dt ergeben, das wären 4 % über dem Mittel der letzten sechs Jahre und 2 % über dem Vorjahreswert von 84 dt/ha.

Roggen und Wintermenggetreide wurden auf einer Fläche von 34.300 ha angebaut, die Erntemenge wird voraussichtlich bei 249.100 t und damit 8 % unter der des letzten Jahres liegen. Der Hektar­ertrag wird auf knapp 73 dt geschätzt und läge damit 1 % unter dem Niveau des Vorjahres. Die Erntemenge von Triticale wird bei einer um gut 1.000 ha ausgeweiteten Anbaufläche und einem Hekt­arertrag von gut 79 dt voraussichtlich 73.600 t betragen. Triticale steht auf 9.300 ha.

Die Anbaufläche von Sommergetreide vergrößerte sich deutlich um knapp 26 % auf insgesamt 40.400 ha. Aufgrund der erwarteten guten Hektarerträge kann beim Sommergetreide mit einer Erntemenge von 254.600 t gerechnet werden. Sommerweizen und Sommergerste wurden in ihrer Anbaufläche um zusammen knapp 9.000 ha ausgeweitet.

Der Anbauumfang des Hafers nahm um 2 % ab. Mit einem zu erwartenden Hektarertrag von knapp 65 dt würde die Erntemenge um 1.300 t unter dem Vorjahreswert liegen (18.600 ha).

Die Winterrapsfläche ist auf 74.700 ha gestiegen (Vorjahr 62.000 ha) und liefert voraussichtlich eine Erntemenge von 287.500 t, das wären 26 % mehr als 2021. Der durchschnittliche Hektarertrag wird momentan auf knapp 39 dt / ha prognostiziert und würde damit den Vorjahreswert übertreffen.

In Schleswig-Holstein sind im Jahr 2022 nach den vorläufigen Ergebnissen der Bodennutzungshaupt­erhebung auf rund 654.400 ha Ackerfrüchte angebaut worden. Die Ackerfläche entspricht damit in etwa dem Wert des Vorjahres, so das Statistikamt Nord.

Hülsenfrüchte zum Drusch wurden auf 14.700 ha ausgesät ­(+22 %). Der größte Flächenanteil entfiel hier auf die Ackerbohnen, denen als Eiweißlieferant große Bedeutung zukommt. Der Anbau von Hackfrüchten, wie zum Beispiel Kartoffeln und Zuckerrüben, konnte ebenfalls einen Anstieg um gut 11 % auf 17.500 ha verzeichnen.

Der Silomais ist trotz der Flächenreduzierung um 8 % auf 163.800 ha weiterhin anbaustärkste Ackerkultur in Schleswig-Holstein. Der Gras­anbau auf Ackerland nahm mit 29.300 ha etwas weniger Fläche als im Vorjahr ein (–13 %). Auch das brachliegende Ackerland verminderte sich um 4 % und belief sich auf 12.100 ha. Dauergrünland bedeckte 321.500 ha (+1 %) der landwirtschaftlichen Nutzfläche.

Die endgültigen Erntemengen für Getreide und Raps sind vom weiteren Witterungsverlauf in der Erntephase abhängig und können daher von dieser ersten Schätzung abweichen. Diese Prognose beruht auf den Angaben der amtlichen Ernteberichterstatter zum Stand Ende Juni 2022 und den vorläufigen Ergebnissen der diesjährigen Bodennutzungshaupterhebung. Fachliche Infos dazu erteilt: Cora Haffmans, Tel.: 04 31-68 95-93 06, E-Mail: ernte@statistik-nord.de
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Tierwohl – einfach, messbar, ohne Mehraufwand

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Wie ist Tierwohl messbar? Welche Indikatoren eignen sich für eine objektive Tierbeurteilung? Wie können Tierwohlindikatoren einfach und zeitsparend erfasst werden? Um diese Fragestellungen zu beantworten und die betriebliche Eigenkontrolle für Milchviehhalter zu vereinfachen, arbeitete die operationelle Gruppe (OG) „Tierwohl-Check” seit fast vier Jahren an einer praxistauglichen und digitalen Lösung.

Die Projektergebnisse und Anwendungsbeispiele wurden auf der Abschlussveranstaltung am 10. Mai in Rendsburg präsentiert. Nach Begrüßung durch Dr. Jörg Piepenburg, Landeskontrollverband (LKV) Schleswig-Holstein, der Entstehung und Verlauf sowie die Mitglieder der operationellen Gruppe vorstellte, übermittelte Dr. Heinrich Terwitte Grußworte vom zuständigen Ministerium und stellvertretend als Förderer der EIP-Projekte.

Dr. Heiner Kahle, Kirsten Wosnitza, Dr. Heinrich Terwitte, Dr. Ole Lamp, Daniela Stadter, Hannah Lehrke, Dr. Jan Brinkmann, Benito Weise, Claus Solterbeck und Dr. Jörg Piepenburg (v. li.) auf der Abschlussveranstaltung des Projekts „Tierwohl-Check“. Foto: Manfred Röstel

App: Entwicklung und Anwendung

Dr. Ole Lamp (Landwirtschaftskammer SH) moderierte die Veranstaltung. Über die Herausforderungen der App-Entwicklung sowie über die Vorteile der digitalen Datenerhebung informierte Daniela Stadter, Landeskontrollverband (LKV) Schleswig-Holstein.

Claus Solterbeck, Mitglied der operationellen Gruppe „Tierwohl-Check“, berichtete über die Anwendung der App in seinem Betrieb. Foto: Manfred Röstel

Die Vorteile der digitalen Datenerhebung liegen vor allem in der automatischen Berechnung von bereits vorhandenen Daten und den eingetragenen Werten. Die Tierwohl-Check-App ist eine browserunabhängige, auf jedem mobilen Endgerät (unter m.tierwohl-check-sh.de) aufrufbare Web-App. Mit ihr werden Daten zu Indikatoren am Tier (zum Beispiel Körperkondition oder Klauenzustand) sowie zum Stallumfeld, zum Beispiel zu Liegeplatzverhältnis oder Tränkestellen, erhoben. Eine Ergebnisübersicht steht dem Nutzer direkt nach der Datenerfassung zur Verfügung und wird anhand von Ziel- und Alarmwerten übersichtlich für jeden Indikator dargestellt.

Anschließend berichtete der aktive Landwirt und OG-Mitglied Claus Solterbeck von den positiven Effekten durch die Anwendung der Tierwohl-Check-App auf seinem Betrieb. „Die positive Entwicklung der Tiergesundheit ist für mich stetige Motivation, mich zu verbessern“, sagte er.

Passgenaues E-Learning zur Tierbeurteilung

Für eine verlässliche Tierbeurteilung erarbeitete die OG ein passgenaues E-Learning zur Tierwohl-Check-App. „Wenn wir möchten, dass es unseren Kühen rundum gut geht, dann ist es wichtig, ergebnisorientiert zu arbeiten und das Tierwohl anhand von tierbezogenen Indikatoren zu bewerten“, leitete Dr. Jan Brinkmann vom Thünen-Institut für ökologischen Landbau in Trenthorst seine Vorstellung ein. Auf dieser Plattform können die Anwender die Datenerhebung der Tierindikatoren erlernen. Es steht kostenfrei im Internet unter elearning.tierwohl-check.de zur Verfügung. Strukturiert in sechs Module, gibt es umfangreiche Informationen zur Durchführung der betrieblichen Eigenkontrolle, nützliche Hinweise und Hintergrundinformationen, Definitionen und Berechnungsgrundlagen zu den Indikatoren, praktische Merkblätter und eine Anleitung zur Datenerhebung. Die Inhalte orientieren sich am aktuellen Stand des Wissens der Tierwohlforschung. Auch für Tierärzte und Berater kann das E-Learning wertvolle Informationen zur Tierbeurteilung vermitteln.

Tierwohl-Check-App als Beratungstool

Hannah Lehrke von der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein zeigte das Potenzial der Tierwohl-Check-App im Einsatz der Betriebsberatung. Mit dem Leitsatz „Ich kann nur steuern, was ich auch messen kann“ veranschaulichte sie den Zusammenhang von Tierwohl, Ökonomie, Ökologie und Sozialem. „Tierwohl ist Teil der moralischen und ethischen Verantwortung gegenüber unseren Nutztieren, es ist entscheidend für die gesellschaftliche Akzeptanz der Nutztierhaltung sowie ökonomischen Mehrwert“, machte Lehrke klar.

Die Relevanz des Tierwohls in Bezug auf die ökonomische Beurteilung von Lahmheiten und wie hoch der betriebliche Schaden in Summe der Krankheitsfälle ausfallen kann, stellte sie eindrucksvoll in einem Rechenbeispiel dar. Durch den Einsatz der Tierwohl-Check-App können Schwachstellen erkannt, Einzeltiere identifiziert und gezielt Maßnahmen festgelegt werden. „Die Investition in das Tierwohl lohnt sich, und durch die Verminderung von Krankheitsfällen können schnell Einsparungen erzielt werden“, resümierte die Mitarbeiterin im Fachbereich Rind der Landwirtschaftskammer.

Wie Kühe die Welt erleben

Wie Kühe ihre Umgebung wahrnehmen und wie Kuhhalter mit dem Wissen darüber das Tierwohl in ihrem Stall beeinflussen können, zeigte Benito Weise vom Landwirtschaftlichen Bildungszentrum in Echem interaktiv in seinem Vortrag zur Sinneswahrnehmung beim Rind. Rinder als Fluchttiere können besonders gut bis zu einer Frequenzhöhe von 35.000 Hz hören, der Mensch im Vergleich nur bis 19.000 Hz. Dies war ein enormer Vorteil der wilden Vorfahren der Hausrinder, so konnten Warnrufe von Vögeln oder das Knacken im Gebüsch, wenn sich zum Beispiel ein Wolf anschleichen wollte, besser wahrgenommen werden.

Benito Weise fesselte die Zuhörer mit seinem Vortrag über die Wahrnehmung der Kühe. Foto: Manfred Röstel

Gleichzeitig bedeutet es aber auch, dass Kühe beim Hören von hohen Frequenzen in Stress geraten, vor allem wenn ihnen die Geräusche unbekannt sind. Auch beim Sehvermögen der Kuh gibt es für die Halter im Umgang mit den Tieren einige Unterschiede zum Sehvermögen des Menschen zu berücksichtigen. Das Auge der Rinder braucht fünf bis sechs Mal länger, um sich an wechselnde Lichtverhältnisse zu gewöhnen. Daher bleiben die meisten Tiere beim Wechsel von sehr dunklen in sehr helle Stallbereiche stehen und weigern sich weiterzugehen. Aus diesen Gründen sollten Kuhhalter die Stalltechnik regelmäßig auf störende Geräusche mit hohen Frequenzen überprüfen sowie den Tieren bei Übergängen von wechselnden Lichtverhältnissen Zeit für die Gewöhnung und Anpassung der Augen geben.

Tierwohl ist Mehrwert

Das Schlusswort der Veranstaltung sprach Dr. Heiner Kahle von der Rinderzucht Schleswig-Holstein. „Tierwohl ist Mehrwert“ – so lautete das Motto des Projektes. ­Dieser Mehrwert hat mehrere Dimensionen: Mehrwert für die Tiere, für die Anwender und Mehrwert infolge einer ressourcenschonenden Erzeugung hochwertiger Nahrungsmittel.

Tierwohl ist ein Produktionsfaktor. Die OG „Tierwohl-Check” wünscht sich eine weite Verbreitung der Projektergebnisse in der landwirtschaftlichen Praxis sowie in der schulischen und betrieblichen Ausbildung, in der Betriebsberatung und tierärztlichen Bestandsbetreuung.

Fazit

Die Einsatzmöglichkeiten der kostenfreien Tierwohl-Check-App und des passgenauen E-Learnings gehen weit über die systematische Analyse des Tierwohls hinaus. Der gesellschaftlichen Forderung nach einer Verbesserung des Tierwohls wird damit ebenso Rechnung getragen wie auch dem Wunsch der Landwirtinnen und Landwirte nach einer fortlaufenden Optimierung ihrer Betriebe, unabhängig von Haltungsform und Betriebsausrichtung.

„Mein kleiner Elefant“

Das Ziel von Ulrike Schmidt heißt Le Pin au Haras. Der kleine ­französische Ort rund 200 km westlich von Paris ist in diesem September Austragungsstätte für die Weltmeisterschaft von 80 Einspännerfahrern aus 15 Nationen.

Die Einspännerfahrerin Ulrike Schmidt aus dem Kreis Plön ist seit vielen Jahren unter den Top 15 der nationalen Rangliste unterwegs. Doch erst vor Kurzem wurde sie in den Championatskader aufgenommen. „Das macht mich sehr stolz“, berichtet Schmidt. Die Qualifikationen für die Weltmeisterschaft sei sie nur so mitgefahren: „Ich habe nicht damit gerechnet, dass wir uns so gut schlagen.“ Unter anderem gewann sie eine der Geländeprüfungen und machte mit weiteren guten Leistungen auf sich aufmerksam.

Schmidt ist nicht nur Amateurin, sondern fährt auch mit dem von ihr selbst ausgebildeten Freiberger Nicolai, genannt „Krümel“. Dieser hat als leichtes Kaltblut nicht den gleichen Bewegungsablauf wie ein hochgezüchtetes Sportpferd und tut sich daher in der Dressur eher schwer. „Das ist und bleibt unsere schwächste Disziplin. Krümel ist halt ein kleiner Elefant, aber wir haben unter dem Sattel viel gearbeitet und mit dem Bundestrainer der Ponyfahrer, Michael Swiezynski, viel trainiert“, berichtet Schmidt.

Unter anderem habe Krümel gelernt, in der Dressur auf „Heckantrieb“ umzuschalten. Sonst sei er eher „mit Allrad unterwegs“, was dem Paar in seiner besten Disziplin, dem Marathonfahren, zugutekommt. „Ich denke, dass wir für die deutsche Mannschaft sehr wertvoll sein könnten“, sagt die Fahrerin.

Bevor es aber so weit ist, gibt es noch ein weiteres Sichtungsturnier. Anfang August wird das Erfolgsteam schon einmal nach Frankreich reisen. In Chablis erwartet die Fahrer ein CAI2* und CAI3*. „Dieses Turnier erscheint uns als letzte Sichtung besonders wertvoll, weil hier noch einmal der Leistungsstand der deutschen Fahrer gegen internationale Konkurrenz getestet werden kann“, so Michael Swiezynski.

Die 45-jährige Plönerin hat dafür auf jeden Fall schon mal den Familienurlaub geopfert, und das, obwohl sie ihre Chancen gegen die Besten der Welt noch zurückhaltend einschätzt. Doch von fachkundiger Seite werden ihr durchaus vielversprechende Chancen auf ein gutes Abschneiden attestiert. Ulrike Schmidt selbst wacht manchmal morgens auf und denkt: „Ach, was könnten wir dann noch erreichen?“ Sie fände es auch nicht schlimm, wenn sie erst bei der nächsten Weltmeisterschaft starten dürfte.

Das sollte auch mit Krümel noch klappen, denn ein Tierarzt hat dem 15-jährigen Freiberger gerade größte Fitness attestiert. „Er meinte, er hätte selten so ein unverbrauchtes Pferd in dem Alter gesehen“, freut sich Schmidt und ist auch stolz darauf. Schließlich bedeutet das, dass sie in Training und Haltung vieles richtig gemacht hat.

Wildkräuter – Heilmittel für den Boden

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Dass viele Wildpflanzen, die in freier Natur und in unseren Gärten wachsen, nicht einfach nur „Unkraut“ sind, sondern wichtig für die biologische Vielfalt, für Wildtiere und oft auch Heilpflanzen für uns Menschen, dringt langsam wieder mehr in unser Bewusstsein. Viele Arten können aber noch mehr: Sie wirken heilsam und ausgleichend auf den Boden und unterstützen Wachstum und Fruchtbarkeit benachbarter und nachfolgender Kulturpflanzen.

Weil freie Flächen während der Hauptwachstumszeit schnell wieder von neu auflaufenden Wildkräutern besiedelt werden, empfinden wir das sommerliche Jäten oft als mühsame Arbeit. Ein kräftiges Wachstum von Wildpflanzen deutet aber auch auf einen vitalen Boden hin. Wir können uns also auch freuen, wenn es viel zu jäten gibt, zumal wir aus der Zusammensetzung der Wildpflanzen viel über den Zustand unseres Bodens erfahren können.

Zeigerpflanzen

Immer ruhen auch im Gartenboden Tausende von Samen, von denen die wenigsten in Erscheinung treten. Wenn plötzlich „über Nacht” eine bestimmte Wildkraut­art aus dem Boden zu schießen scheint, ist das ein Hinweis darauf, dass sich im Gleichgewicht des Bodens etwas verändert hat und nun genau dieser Pflanzenart optimale Bedingungen bietet.

Wo Hahnenfuß sich ausbreitet, ist der Boden staunass und oft verdichtet. Foto: Anke Brosius

So weisen etwa Hahnenfuß, Breitwegerich und Schachtelhalm auf verdichtete Böden und auf Staunässe hin, während Vogelmiere und Ehrenpreis bevorzugt auf lockeren, humusreichen Gartenböden wachsen. Wo Brennnesseln und Franzosenkraut (Galinsoga) üppig sprießen, ist der Boden reich an Stickstoff. Wiesensalbei, Wolfsmilch und Wegwarte deuten auf einen kalkreichen Untergrund hin, dagegen siedeln sich beispielsweise Sauerampfer oder Fingerhut bevorzugt auf leicht saurem Erdreich an.

Wiesensalbei zeigt kalkreichen Boden an. Foto: Anke Brosius

Pflanzen geben aber nicht nur als Zeigerpflanzen wertvolle Hinweise auf den Zustand des Bodens, die Spontanvegetation fördert auch die Bodenfruchtbarkeit. Pionierpflanzen wie Löwenzahn, Greiskraut und Gänsekresse lockern mit ihren tiefen, kräftigen, verzweigten Wurzeln schwere und verdichtete Böden und schließen den Boden für nachfolgende anspruchsvolle Kulturen auf. Sie sind außerdem in der Lage, Nährstoffe aus tiefer liegenden Schichten zu ziehen, welche die meisten Kulturpflanzen nicht erreichen.

Lebendige Düngung

In der Permakultur werden Pflanzenarten, die dank ihres Wurzelsystems besonders gut in der Lage sind, Nährstoffe aus tieferen Erdschichten aufzunehmen und in ihren Blättern anzureichern, als „dynamische Akkumulatoren“ bezeichnet. Dazu gehören auch Gehölze wie Robinien, Erlen und vor allem die Ölweide (Elaeagnus), welche zuweilen als Düngebusch für Obst- und Nussbäume genutzt wird. Wenn die Blätter im Herbst und Winter auf die Erde fallen oder krautige Pflanzen ganz abwelken, gelangen die gespeicherten Nährstoffe durch den Verrottungsprozess mithilfe von Regenwürmern und Mikroorganismen in die oberen Bodenschichten, wo benachbarte ausdauernde oder nachfolgende Pflanzen von ihnen profitieren können.

Schachtelhalm holt Kieselsäure aus tiefen Schichten nach oben.  Foto: Anke Brosius

Zu den dynamischen Akkumulatoren unter den Wildkräutern gehören beispielsweise Beinwell, Löwenzahn, Schafgarbe und Schachtelhalm, aber auch der häufiger als Gartenkraut bekannte Borretsch. Manche Pflanzen verfügen dabei über die Fähigkeit, große Mengen einzelner Nähr- und Mineralstoffe aufzunehmen und in konzentrierter Form in ihren Blättern zu speichern. Ackerschachtelhalm mit seinen metertiefen Wurzelsträngen speichert etwa besonders viel Silizium (Kieselsäure), das die Zellwände der Pflanzen gegen Eindringen von Pilzen und anderen Schaderregern stärkt. Brennnesseln sind dafür bekannt, dass sie viel Stickstoff speichern, außerdem lagern sie Eisen ein. Die Asche von Brenn­nesseln enthält bis zu 6 % ­Eisen.

Wichtige Spurenelemente

Beinwell (Symphytum officinale), der bevorzugt auf feuchten Böden wächst, speichert mithilfe seiner tiefen Wurzeln viel Kalium, aber auch Silizium, Magnesium, Phosphor, Eisen und Kalzium. Da Kalium nur in wenigen organischen Düngern in größerer Menge vorkommt, ist Beinwell als Mulchmaterial oder Zutat zu Düngejauchen besonders wertvoll. Als Unterpflanzung von Obstbäumen liefert Beinwell außer Kalium auch Phosphor und Kalzium, welche für die Blüten- und Fruchtbildung wichtig sind. Weil die meisten Obstbäume eher flach wurzeln, kommt es zwischen den beiden Kulturen auch kaum zu Wasser- und Nährstoffkonkurrenz. Ein weiterer Kaliumsammler ist Giersch, der außerdem Eisen, Kupfer und Mangan in seinen Blättern speichert.

Löwenzahn zieht eine Vielzahl an ausgewaschenen ­Nährstoffen und Spurenelementen aus der Tiefe, darunter Silizium, Mangan, Kalzium, Kalium, Natrium, Phosphor, Schwefel, Eisen, Zink und Kupfer. Über verrottende Blätter, aber auch durch Ausstreuen des Blütenpollens, der besonders viele Spurenelemente wie Bor, Mangan, Kupfer, Nickel, Molybdän und Kobalt enthält, gelangen diese Mikronährstoffe in den Boden. Darüber hinaus öffnet Löwenzahn mit seinen langen Pfahlwurzeln Kanäle in tiefere Bodenschichten, in die dann auch die Wurzeln der weniger kräftigen Kulturpflanzen eindringen können.

Stechapfel (Datura stramonium) speichert viel Phosphor. Foto: Anke Brosius

Dass Leguminosen wie Klee und Luzerne den Boden mit Stickstoff anreichern, kennen wir schon von der klassischen Gründüngung her. Außerdem sammeln Leguminosen aber auch viel Phosphor, der für die Blütenbildung wichtig ist. Beides können wir uns bei Beerensträuchern und Obstbäumen zunutze machen, indem wir die Pflanzen im Wurzelbereich der Obstgehölze als Dauergründüngung wachsen lassen. Auch Stechapfel (Datura stramonium) und das Knöterichgewächs Buchweizen verfügen über eine hohe Phosphorspeicherfähigkeit. Den Stickstoff der Leguminosen, der durch die im Boden absterbenden Knöllchenbakterien für andere Pflanzen verfügbar gemacht wird, kann Beinwell in Form von pflanzlichem Material speichern.

Sonnenblumen werden zur Sanierung verseuchter Böden verwendet. Foto: Anke Brosius

Die Fähigkeit einiger Pflanzenarten, große Mengen an Mineralien aus dem Boden zu ziehen und in ihrem Gewebe zu speichern, kann man sich auch dort zunutze machen, wo Stoffe im schädlichen Übermaß vorhanden sind. So werden etwa Hanf oder Sonnenblumen zur Sanierung von mit Schwermetallen verseuchten Böden eingesetzt (Phytosanierung). Brennnesseln wachsen bevorzugt auf Böden mit Schrott und alten Maschinen und regulieren so den Eisenstoffwechsel des Bodens.

Hilfreiche Nachbarschaften

Einige Pflanzen wirken nicht erst nach dem Abwelken oder Abblühen, sondern auch schon während der Vegetationsperiode über ihre Wurzelausscheidungen direkt fördernd auf Nachbarpflanzen:

Taubnesseln fördern das Wachstum von Nachbarpflanzen. Foto: Anke Brosius

Kamille lindert nicht nur Entzündungen und Krämpfe bei Menschen, sondern wirkt auch heilsam auf kränkelnde Nachbarpflanzen. Insbesondere unterstützt sie das Gedeihen von Zwiebel- und Kohlgewächsen. Die Ausscheidungen von Baldrian, Taubnessel und Schafgarbe fördern benachbarte Gemüsepflanzen im Wachstum. Die Nachbarschaft der wilden Malve beeinflusst Salat, Möhren und Petersilie günstig. Fingerhut unterstützt die Gesundheit von Kartoffeln, Tomaten, Kirsch- und Apfelbäumen. Kräuter wie Minze, Salbei und Majoran entwickeln in der Nähe von Brennnesseln mehr ätherische Öle und damit Aroma.

Wurzelausscheidungen

Manche Wildkräuter wie Kamille und Wegwarte, aber auch Ringelblume und Borretsch geben über ihre Wurzeln Ausscheidungen ab, die Nematoden und Pilze abwehren, was nicht nur ihnen selbst, sondern auch benachbarten und Folgepflanzen zugutekommt. Löwenzahn fördert das Blühen und Reifen von Früchten benachbarter Pflanzen, was sich besonders bei Erdbeeren bemerkbar macht. Junge Regenwürmer halten sich gern in der Nähe von Löwenzahnwurzeln auf. Auch die Wurzelausscheidungen von Brennnesseln sind bei Regenwürmern beliebt, die ja für die Bodenfruchtbarkeit „zuständig“ sind. Vielleicht auch deswegen fördern unter Obstbäume gepflanzte Brennnesseln deren Fruchtbarkeit und erhöhen den Ertrag.

Nährstoffanreicherung durch Wildpflanzen ist im Grunde also eine Form natürlicher Gründüngung. Zwar sollten wir zumindest im Gemüsegarten die vitalen Wildkräuter die Beete nicht überwuchern lassen. Aber wir können uns entscheiden, die eine oder andere wilde Pflanze (vorerst) stehen zu lassen, oder uns andernfalls beim Jäten über die hilfreichen Wirkungen mittels Mulch oder Kompost freuen. Auch wenn wir ausgerissene Wildpflanzen als Mulchmaterial und Flächenkompostierung an Ort und Stelle liegen lassen, kommen diese Stoffe über das Verrotten, also den Abbau durch die Bodenorganismen, den Kulturpflanzen zugute.