Mustangs leben noch heute frei in Amerika, aber ihr Lebensraum ist bedroht und jährlich verlieren Tausende ihre Freiheit. Im Rahmen des Mustang-Makeover werden gerettete Tiere aus den Auffangstationen nach Europa gebracht. Dort verbringen sie bis zu 140 Tage bei ausgewählten Trainern, bevor sie im Rahmen des CHIO in Aachen vorgestellt und versteigert werden. Maya Japp aus Großbarkau, Kreis Plön, war in diesem Jahr zum dritten Mal als Trainerin dabei.
„Eigentlich wollte ich nicht mehr mitmachen“, verrät Maya Japp im Hinblick auf das Mustang-Makeover. Nachdem sie zwei Mustangs abgeben musste, wusste die Pferdewirtschaftsmeisterin, wie schwer ihr das fallen würde, obwohl sie ihre ersten beiden Schützlinge in guten Händen weiß.
Schon 2018 hatte sie mit der Stute Diamond mitgemacht. „Mit ihrer neuen Besitzerin bin ich inzwischen sehr gut befreundet. Ich kann Diamond jederzeit besuchen und auch reiten“, freut sich Japp. Ihr zweiter Mustang kam in die Nähe von Köln und auch diese Stute hat es gut getroffen. Doch für die leidenschaftliche Pferdeliebhaberin fühlte es sich jedes Mal an, als ob sie sich die Pferde aus dem Herzen reißen würde. Denn zum normalen Ablauf des Mustang-Makeover gehört es, dass die Pferde nach der Vorstellung beim CHIO Aachen versteigert werden. Von den Einnahmen wird der Flug bezahlt, der Rest geht zur Hälfte in die Mustanghilfe und zur anderen Hälfte an den Trainer.
Als der NDR anfragte, ob sie nicht wieder dabei sein wolle und sich mit der Kamera begleiten lassen würde, kam sie ins Grübeln. „Jeder Mustang hat einen Paten und ich habe dann eine Freundin gefragt, ob sie diese Rolle übernehmen würde“, berichtet Japp. So fand sie eine Lösung für ihr Dilemma: Ihre Freundin übernahm nicht nur die Patenschaft, sondern kaufte den Mustang im Vorfeld. „Damit ich mir nicht wieder ein Pferd aus dem Herzen reißen muss“, erzählt Maya Japp gerührt. Normalerweise werden den Trainern die Pferde zugelost, doch aufgrund der besonderen Situation durfte sich Japp ihren Mustang vorher aussuchen. „Allerdings konnte ich die Pferde nicht vorher sehen. Es gab nur ein paar Fotos“, berichtet die engagierte Trainerin, deren Steckenpferd die Freiarbeit ist.
Schwierige Lebensumstände in den USA
Für das Mustang-Makeover fliegen die Veranstalter, Silke und Michael Strussione, immer eigens in die USA. Die Pferde leben dort in einer schwierigen Situation: In freier Wildbahn würden sie verhungern, denn ihr Lebensraum wird immer kleiner. Doch auch das Einfangen bedeute viel Stress und die Auffangstationen böten ebenfalls zu wenig Platz. „Manche Pferde sterben auch dort, weil sie sich beispielsweise bei Rangkämpfen etwas brechen und man sie nicht anfassen kann“, erklärt Japp.
In den USA dürfen die Mustangs nicht geschlachtet werden. Wer für ein paar Dollar einen Mustang erwirbt, muss diesen mindestens ein Jahr lang halten und versorgen. Danach allerdings können die ehemaligen Wildpferde auf Schlachttransporte nach Mexiko geschickt werden. „Viele Pferde gehen diesen Weg und werden in dem Jahr eher schlecht als recht versorgt“, weiß Japp. Die Strussiones möchten mit dem Mustang-Makeover auf diese Missstände aufmerksam machen und bieten jedes Jahr einigen der Tiere eine neue Chance in Europa.
Das Ehepaar sucht für die Veranstaltung vor allem nach Pferden, die fit aussehen, ein möglichst gutes Gebäude haben und in der Herde nicht schon sehr auffällig sind. Meist sind es fünf Tiere mehr, als Trainer ausgesucht wurden, denn „es fallen immer welche raus, weil sie mehr Zeit brauchen oder gesundheitliche Probleme haben“, erklärt Japp. So wurden auch dieses Jahr zwei Mustangs ausgetauscht und privat vermittelt.
Im Lkw in das zukünftige Zuhause
Maya Japp hatte sich aufgrund der Bilder gleich für das Pferd mit dem Tag 5.781 entschieden. Die etwa siebenjährige, 154 cm große Fuchsstute namens Ntscho-Tschi wurde in South Steens in Oregon geboren und hatte sie neugierig gemacht. Kurz gab es noch Probleme, denn der Test auf PSSM, eine Muskelerkrankung, war verloren gegangen, doch am Ende durfte die Stute nach Großbarkau kommen.
Noch in den USA fand ein sogenanntes Vortraining statt. Das bedeutet, dass den Pferden in einem Zwangsstand ein Halfter übergezogen wird. Daran wird ein Strick befestigt, der dranbleibt. „Anfassen wird nicht geübt. Es wird lediglich der Strick aufgehoben und die Pferde sollen lernen mitzugehen“, berichtet Japp. „Es sind viele Pferde und die Zeit ist kurz“, erklärt sie das Prozedere und man hört, wie viel Unbehagen ihr die Gedanken daran bereiten.
So wird auch ein paar Mal das Verladen geübt, allerdings nicht wie bei uns üblich auf einem Einer- oder Zweierhänger. In Amerika werden die Pferde wie Vieh auf den Hänger getrieben. Dann geht es zu dritt in einem Container in den Flieger, bevor die Trainer ihre Schützlinge am Flughafen abholen. „Ich habe sie ebenfalls frei in einem Lkw nach Hause gefahren“, verrät Japp. Andere Trainer hätten ihre Pferde mit einem normalen Hänger abgeholt, aber dann brauche es einen Seilzug für die Klappe und die Stange könne man nicht schließen: zu gefährlich.
Die Rolle der Leitstute einnehmen
Auf der Anlage von Ina Krüger-Oesert in Großbarkau, wo Maya Johanna Japp ebenfalls zu Hause ist, war schon ein Roundpen vorbereitet. Zum Glück war das Wetter so gut, dass keine Box nötig war. Vorsichtig führte Japp die Stute vom Lkw. Der Strick blieb erst mal dran. „Da wäre ich gar nicht drangekommen“, erklärt sie.
Alle ihre Mustangs waren unterschiedlich. Die erste Stute, Shine like a Diamond, die Japp vor vier Jahren vorstellte, war beispielsweise anfangs sehr gefährlich, weil sie beißend und tretend auf Menschen losging. Ntscho-Tschi hingegen war zwar nie aggressiv, hatte jedoch im Vortraining gelernt, dass sie sich losreißen konnte. „Sie ist einfach gegangen, wenn es ihr zu viel war“, erinnert sich Japp. Heute ist das alles kein Problem mehr. „Das hat sich gelegt, als das Vertrauen so richtig da war. Nach sieben Wochen etwa“, erinnert sich die klassisch-barocke Ausbilderin. Doch sie ist sich sicher: „Würde ich etwas durchsetzen wollen, vor dem sie richtig Angst hat, dann würde dieses Verhalten wohl wieder auftreten.“
Nur 98 Tage hatten Japp und Ntscho-Tschi Zeit, sich auf Aachen vorzubereiten. In den ersten Wochen ging es nur darum, Zeit miteinander zu verbringen. Ein- bis zweimal am Tag arbeitete Japp mit der Stute für eine halbe Stunde. „Mustangs haben gelernt zu überleben. Sie folgen dem Leittier, egal was ist. Erschrecken sie sich vor etwas, das die Leitstute nicht als Problem ansieht, verbrauchen sie unnötig Energie. Die Mustangs dürfen in der freien Wildbahn keinen Schritt zu viel machen. Wenn man es schafft, die Rolle der Leitstute einzunehmen, dann vertrauen sie einem zu 100 Prozent“, berichtet Japp und fügt hinzu: „Dann ist es fast egal, was in Aachen passiert. Wenn ich sage, das Publikum ist okay, dann ist es das auch. So funktioniert das bei unseren Hauspferden nicht mehr. Daher kann ich mit einem Mustang Sachen erreichen, die ich mit meinem selbst gezogenen Vierjährigen nicht könnte.“
„Jeder sollte einen Mustang haben“
In Aachen wird den Trainern weitgehend freie Hand gelassen. Sie müssen eine Trailaufgabe am Boden und geritten sowie eine Horsemanship-Aufgabe zeigen. Dabei reitet jeder Trainer in seiner Reitweise. Am Ende kommt das große Finale, in dem jeder seine Stärken zeigen kann.
Maya Johanna Japp ist in ihrer Arbeit die Harmonie und die Leichtigkeit zwischen Pferd und Reiter besonders wichtig. Und das konnte sie in Aachen beeindruckend unter Beweis stellen: „Wir sind über eine große Wippe, durch ein Ballonfeld, durchs Feuer und durch eine Papierwand geritten und über von Helfern gehaltene Tücher gesprungen“, zählt Japp ihre Vorstellung auf. Danach nahm sie auch noch den Halsring ab, mit dem sie vorher statt einer Trense geritten war, und zog mit Ntscho-Tschi eine Luftballonschleppe durch ein Tuch, das in Wellen geschlagen wurde. Zum Abschluss legte sich die ehemals wilde Mustangstute in das Tuch. Das alles absolvierte die Trainerin mit einer schweren Mittelohrentzündung.
Trotz ein oder zwei Patzern – am Feuersprung zog die Stute einmal vorbei – war Japps Show nach Ansicht vieler Zuschauer die beste. Doch ihr Ziel, nach dem dritten Platz 2018 und dem zweiten Platz 2019 in diesem Jahr zu siegen, schaffte die 31-Jährige nicht. Es gab wohl einige Unstimmigkeiten mit einem der Richter und am Ende kamen Japp und ihre Ntscho-Tschi auf den dritten Platz.
Ein bisschen enttäuscht war Maya Japp schon, aber am Ende siegte die Freude über ihr Pferd: „Jeder sollte einen Mustang haben, denn wenn man ihr Herz erobert hat, gehen sie mit einem durch dick und dünn und durch das ganze Leben“, sagt sie und streichelt zärtlich den Hals ihrer Stute, die nun für immer bei ihr bleiben darf. Es sei gut, dass es dieser Mustang sei, denn sie passe am besten zu ihr.
Auf die Frage hin, ob sie denn nun mit dem Mustang-Makeover abgeschlossen habe, muss sie lachen: „Sag niemals nie. Das Mustang-Fieber ist sehr stark und ansteckend.“Lena Höfer