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Der Druck auf die Flächen steigt

Der Ausbau großer Freiflächen-Photovoltaikanlagen (FFPV) in Schleswig-Holstein boomt. Doch die Kritik an ihrem Ausbau wächst durch die steigende Flächenkonkurrenz zur landwirtschaftlichen Produktion gleich mit. Rund 70 Interessierte folgten vergangene Woche im Bildungszentrum für Natur, Umwelt und ländliche Räume (BNUR) in Flintbek einer Informationsveranstaltung mit dem Bauernverband Schleswig-Holstein (BVSH).

„Die Landwirte in Schleswig-Holstein waren schon immer Pioniere und Wegbereiter der Erneuerbaren Energien“, erklärte Wolfgang Stapelfeldt, Vorsitzender des Ausschusses für Nachwachsende Rohstoffe und Erneuerbare Energien des BVSH. Diese seien zwar wichtiger Betriebszweig, um das Einkommen zu stabilisieren, doch bringe ihr ungebremster Ausbau auch Probleme mit sich. Die Bundesregierung forciere nun diesen Ausbau, nachdem man sich hierzulande zu sehr auf günstiges Gas aus Russland verlassen hätte, so Stapfeldt. Beim Thema Photovoltaik befinde man sich in Schleswig-Holstein, im Gegensatz zur Windkraft, allerdings „eher im hinteren Feld“.

Verlust landwirtschaftlicher Fläche vermeiden

„Die Flächenknappheit ist eine der großen Sorgen der Betriebe in Schleswig-Holstein“, führte Stapelfeldt aus. Etwa 50 % der landwirtschaftlichen Flächen seien nicht im Eigentum der wirtschaftenden Berufskollegen, sondern verteilten sich auf Landeigentümer außerhab der Landwirtschaft. Grundsätzlich gebe es vonseiten des BVSH keine Blockadehaltung gegen die FFPV, „wenn es geschafft wird, möglichst wenig wertvolle Ackerböden in Anspruch zu nehmen“. Vorrangig solle der Ausbau daher auf Dächern, Gewerbebauten und Konversionsflächen erfolgen. Darüber hinaus sollten vorzugsweise ertragsschwache Standorte bebaut und auch das Thema Schutzgebiete angesprochen werden, wenn die Aufstellung mit den jeweiligen Schutzzielen vereinbar sei. Stapelfeldt erklärte, beim Bau einer FFPV-Anlage dürfe es zudem nicht zu einer zusätzlichen Flächeninanspruchnahme für naturschutzrechtliche Ausgleichsmaßnahmen kommen. Die Steuerung des Ausbaus über B- und F-Pläne überfordere zudem viele Gemeindevertreter, was dazu führen könne, dass infrage kommende, besonders geeignete Flächen ungenutzt blieben.

Welche rechtlichen Hürden bei der Planung eines Solarparks zu bedenken sind, erläuterte Dr. Lennart Schmitt, Leiter der Umweltabteilung des BVSH. „Wir befürchten einen Run auf die Flächen längs der Autobahnen und Schienenwege“, erklärte der Jurist.

Gute Kommunikation als Daueraufgabe

Neben Hinweisen rund um das Planungs-, Steuer-, Bau- oder auch Pachtrecht hatte Schmitt einen grundsätzlichen Rat an potenzielle Planer: „Daueraufgabe ist eine gute Kommunikation mit Bürgern und Gemeinden.“ Werde sie nicht mitbedacht, könne dies schnell zu Problemen führen. Von besonderer Relevanz für die Landwirtschaft sei die Neuerung, dass für bestimmte Flächen im Außenbereich baurechtliche Hürden herabgesetzt und gleichzeitig ein Erstrecken der Privilegierung durch flankierende Anpassungen im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) erfolgt seien.

Wolfgang Stapelfeldt Foto: jh
Dr. Lennart Schmitt Foto: jh
Ines Marquardt; Steuerberaterin SHBB; Foto: jh
Hans-Heinrich von Maydell Foto: jh
Thies Jensen Foto: jh
René Nissen Foto: jh


Hans-Heinrich von Maydell, Syndikusrechtsanwalt in der Rechts- und Sozialberatung des BVSH, verwies auf den weiten rechtlichen Rahmen, in den ein FFPV-Projekt gestellt werden müsse, und erläuterte, worauf Flächeneigentümer bei der Verpachtung achten sollten. Die Vertragsunterlagen seien nicht immer ausgewogen und nicht alles sei nach eigenem Wunsch abänderbar, weshalb stets eine Prüfung und umfassende Beratung notwendig seien. „Ohne Steuerberater geht es nicht“, gab von Maydell zu bedenken. Eigentümer müssten sich die Frage stellen, was in Bezug auf die vorläufige Planung passiere, wenn später Änderungen einträten. So müsse etwa bereits zu Beginn mitbedacht werden, dass naturschutzrechtliche Ausgleichsmaßnahmen womöglich nicht umkehrbar seien, wenn nach Ablauf der Vertragszeit wieder eine landwirtschaftliche Nutzung auf der Fläche angestrebt werde.

Auf die steuerlichen Fallstricke  von FFPV-Anlagen bei Umsatz-, Einkommen- und Grundsteuer sowie bei Bewertung und Erbschaftsteuer wies Ines Marquardt, Steuerberaterin der SHBB Steuerberatungsgesellschaft, hin. Die Option zur Umsatzsteuerpflicht vermeide Diskussionen um steuerpflichtige und steuerfreie Anteile. Marquardt riet, freiwillig eine Regelversteuerung von 19 % zu wählen. Je nach Bewertung der FFPV-Fläche als landwirtschaftliches oder als Grundvermögen und je nach Zeitpunkt der Verpachtung (vor oder nach dem Bewertungsstichtag; durch den Erblasser oder den Erben) könnten ungünstigenfalls hohe Erbschaftsteuern fällig werden.

Für René Nissen und Thies Jensen von der Wattmanufactur aus Galmsbüll haben richtig geplante, gebaute und betriebene FFPV-Anlagen das Potenzial, Mehrwerte in allen beteiligten Bereichen zu schaffen. Beide stellten die ökologischen Maßnahmen im Solarpark Klein Rheide sowie der Moor-PV-Anlage in Lottorf (das Bauernblatt berichtete in Ausgabe 18/2022) vor. Nissen regte die Einführung einer „neuen EEG- und GAP-förderfähigen Flächenkategorie“ für extensive Agri-PV an und warb für einen Neubeginn der Diskussion: „Wir müssen uns fragen, wo die PV-Anlagen hinsollen, und nicht, wo sie nicht hinsollen.“

Die (Klär-)Schlammpeitzger

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Sie erinnern sich vielleicht: Der Schlammpeitzger ist ein seltener kleiner Fisch, der das Zeug hat, Baumaßnahmen an Flüssen zu verhindern. Der lustige Name verleitet zu Überlegungen, was das Tierchen wohl tut, wenn es „den Schlamm peitzigt“. Vor Kurzem hat das schleswig-holsteinische Umweltministerium (MEKUN) den neuen Abfallwirtschaftsplan (AWP) verabschiedet. Was dieser für die Entsorgung von Klärschlamm vorsieht, könnte auch mit einem solch kuriosen Wort wie „peitzgen“ beschrieben werden – gleichermaßen unverständlich, allerdings nicht so lustig. 

Ein Schwerpunkt des Teilplans Klärschlamm im AWP ist die Verpflichtung zur Rückgewinnung von Phosphor, in der Tat ein wichtiges Anliegen. Phosphor ist das Grundelement für Dünger und weltweit ein knappes Gut, die größten Vorkommen liegen außerhalb Europas, vor allem in Marokko und China. Es muss vorgesorgt werden, dass die Bestände nicht mehr und mehr verloren gehen. Ab 2029 müssen zunächst die größten, ab 2032 auch die mittelgroßen Kläranlagen ihren Klärschlamm einer Phosphorrückgewinnung zuführen. Dies erfolgt im Zuge der Verbrennung des Schlamms.

Nun ist Klärschlamm für nicht Vieh haltende landwirtschaftliche Betriebe ein willkommener Dünger, erhalten sie ihn doch gratis von benachbarten Kläranlagen, die froh sind, ihn auf diese Weise loszuwerden. Der Schlamm darf dabei natürlich festgelegte Schadstoffgrenzwerte nicht überschreiten. Die gute Nachricht: Klärwerke mit unter 50.000 Einwohnerwerten dürfen auch weiterhin an Landwirte liefern. Auch die Ausbringung auf den Feldern führt ja den im Klärschlamm enthaltenen Phosphor einer Wiedernutzung in Kreislaufwirtschaft zu. 

Die schlechte Nachricht: Die Menge des für die Landwirtschaft verfügbaren Klärschlamms wird sich deutlich verringern. Schon in den vergangenen zehn Jahren hat sich diese Menge fast halbiert, die Menge des thermisch verwerteten Klärschlamms etwa verdoppelt. Für 2032 prognostiziert das MEKUN, dass die Menge des landwirtschaftlich ausgebrachten Klärschlamms nur noch ein Drittel des Wertes von 2013 betragen wird. Die betreffenden Betriebe werden also entsprechend Dünger einkaufen müssen.

So weit kann man diese Entwicklung als Diktat der Notwendigkeit verstehen. Die Krux dabei: Bisher gibt es noch gar keine technische Möglichkeit der Phosphorrückgewinnung in Schleswig-Holstein. In Kiel ist eine Monoverbrennungsanlage für Klärschlamm mit Rückgewinnungstechnik in Planung, eine ohne diese Technik in Stapelfeld im Bau. Nun kommt die aktuelle Nachricht, dass die Planung der Kieler Anlage vorerst gestoppt wurde. Die Kosten seien drastisch gestiegen und machten den Bau unwirtschaftlich, so die Betreiber. Der Markt werde beobachtet, sobald die Preise sänken, werde man wieder loslegen. Das MEKUN gibt sich zuversichtlich, dass das rechtzeitig klappt.

Was abzusehen ist: Klärschlamm wird in weit höherem Ausmaß als jetzt auf Reisen in auswärtige Verbrennungs- und Rückgewinnungsanlagen gehen. Dass dies ökologische Nachteile verursacht, dafür sieht sich das Umwelt(!)-Ministerium nicht zuständig und verweist auf die Verantwortung der Klärschlammerzeuger. Dass dies zusätzliche Kosten verursachen wird und wie diese umgelegt werden sollen  – auch da hebt das MEKUN die Hände: Sache der Kommunen!

Die ganze im Kern sinnvolle und notwendige Angelegenheit zielt von hinten durch die Brust ins Auge: Erst wird eine Bestimmung erlassen, dann fehlen die technischen Voraussetzungen, am Schluss müssen die Betreiber sehen, wie sie klarkommen, und das wird teuer und unökologisch. Man könnte auch sagen: Hier wird Klärschlamm gepeizigt. Das versteht man nicht? Eben!

Weniger Klärschlamm zur Düngung verfügbar

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Klärschlamm wird bislang bevorzugt als Dünger auf landwirtschaftlichen Flächen ausgebracht, vor allem von nicht Vieh haltenden Betrieben. Dies wird künftig weit weniger möglich sein, denn ab 2029 gilt die Rückgewinnungspflicht von Phosphor aus Klärschlamm.

Klärschlamm ist ein Abfallprodukt, das es in sich hat. Da er den wichtigen Pflanzennährstoff Phosphor enthält, gebunden in Phosphat, eignet er sich gut als Dünger, besonders für Ackerbaubetriebe. Deshalb ist die Landwirtschaft ein willkommener Abnehmer von Klärschlamm meist nahe gelegener, kleiner Kläranlagen, größere Anlagen transportieren ihn auch über weitere Strecken. Bedingung ist, dass der Klärschlamm entsprechende Grenzwerte von unerwünschten Stoffen wie Arzneimitteln, Chemikalien oder Reifenabrieben nicht überschreitet.

Der Rückgang und seine Gründe

Über Jahre hinweg betrug der Anteil der landwirtschaftlichen Entsorgung von Klärschlamm gut 70 %. Diese Bezugsquelle wird in Zukunft weit weniger zur Verfügung stehen. Ab 2029 gilt allgemein die Rückgewinnungspflicht für Phosphor in den Kläranlagen. Das Ministerium für Energiewende, Klimaschutz, Umwelt und Natur Schleswig-Holstein (MEKUN) hat den entsprechenden Abfallwirtschaftsplan (AWP) Mitte Dezember verabschiedet.

Das gesamte Klärschlammaufkommen in Schleswig-Holstein bewegte sich in der vergangenen Dekade zwischen 70.000 und 80.000 Mg (Megagramm = t), wobei der stärkste Rückgang um rund 10.000 Mg von 2016 auf 2017 zu verzeichnen war (siehe Tabelle). Der Anteil des landwirtschaftlich ausgebrachten Klärschlamms – bis dahin zwischen 50.000 und 55.000 Mg – sank sogar von seinem Höchststand um rund 20.000 auf rund 37.500 Mg und stieg seitdem wieder leicht an.

Zu dem Zeitpunkt griff nicht nur die neue Klärschlammverordnung, sondern auch die neue Düngeverordnung. Vor allem das weitreichende Herbstdüngeverbot auf Ackerland, aber auch die pauschale 20%ige Reduktion des Düngebedarfes sorgten für eine sinkende Abnahme von Klärschlamm durch Landwirte.

Löwenanteil der großen Anlagen

Ab 2029 dürfen Kläranlagen der Klasse 5 – also mit mehr als 100.000 EW (Einwohnerwerten) – ihren Klärschlamm nicht mehr landwirtschaftlich ausbringen, sondern müssen ihn verbrennen und dabei den Phosphor vor der Verbrennung oder aus der Asche entnehmen. Ab 2032 gilt dies auch für Anlagen mit mehr als 50.000 EW (Klasse 4b). 17 Anlagen der landesweit 782 gehören diesen beiden größten Klassen an, hier fallen bisher rund 70 % des gesamten Klärschlamms von Schleswig-Holstein an. Die 68 Kläranlagen mit mehr als 10.000 EW produzieren sogar mehr als 93 % des Klärschlamms.

2021 hat der Anteil der thermischen Entsorgung den der landwirtschaftlichen erstmals überschritten, und dies, obwohl weiterhin hauptsächlich außer Landes verbrannt werden muss. Es wird prognostiziert, dass das gesamte Klärschlammaufkommen in Schleswig-Holstein bis 2032 auf rund 63.000 Mg leicht zurückgeht. Für die landwirtschaftliche Ausbringung sollen dann, nur noch vonseiten kleinerer Kläranlagen, aber nur noch rund 14.000 Mg zur Verfügung stehen – bloß etwa ein Drittel des Tiefstwertes von 2017 und ein Viertel des Höchstwertes von 2016.

Das Ausbringen von Klärschlamm auf landwirtschaftlichen Flächen ist dann zwar weiterhin erlaubt – handelt es sich dabei doch um eine Art „Rückgewinnung“ von Phosphor durch Kreislaufwirtschaft –, aber die Landwirte können künftig bei Weitem nicht mehr so viel beziehen wie bisher. Wenn sie den für den Dünger erforderlichen Phosphatanteil auf andere Weise beziehen, wird dies vermutlich zusätzliche Kosten verursachen, deren Höhe noch schwer abzuschätzen ist. Klärschlamm erhalten sie hingegen kostenlos oder sogar mit einer Abnahmeentlohnung.

Derzeit werden 40,5 % des Klärschlamms in Schleswig-Holstein landwirtschaftlich ausgebracht, 58,9 % verbrannt (2021) – dies allerdings hauptsächlich außerhalb des Bundeslandes, da noch nicht genügend Verbrennungskapazitäten bestehen. Und je größer die Anlagen, desto weiter sind auch die Entfernungen zum Acker.

Zwei neue Großverbrennungsanlagen

Zur Verbrennung in großem Maßstab sollen zwei Monoverbrennungsanlagen in Kiel sowie in Stapelfeld im Kreis Stormarn gebaut werden. Grundsteinlegung in Stapelfeld war im November 2022. Diese beiden Anlagen sollen laut MEKUN in der Lage sein, den gesamten Klärschlamm in Schleswig-Holstein zu verbrennen. Eine Phosphorrückgewinnung aus der Asche ist allerdings nicht in der Stapelfelder Anlage vorgesehen, nur in der Anlage in Kiel. Die wird in die dort bereits vorhandene Müllverbrennungsanlage integriert – ein Leuchtturmprojekt, das die gesamte Verwertungskette abdeckt.

Nun kam vor zwei Wochen die überraschende Meldung: Die Planung des Neubaus in Kiel wird vom Betreiber aus finanziellen Gründen für vorerst zwei Jahre gestoppt. Die Kosten für den Bau seien unerwartet stark gestiegen. Der Markt werde beobachtet, wenn die Preise genügend fielen, werde mit der Planung fortgefahren. Die gesetzliche Vorgabe zur Phosphorrückgewinnung begrüßt die Branche, das gebe Investitionssicherheit.

Das MEKUN gibt sich zuversichtlich: „Sollte sich die Stadt Kiel in zwei Jahren für den Bau der Anlage entscheiden, würde sie immer noch vor 2029 fertiggestellt werden können.“

Mehr Schlamm wird auf Reisen gehen

Das Klärwerk Bülk der Stadt Kiel in Strande ist eines der größten in Schleswig-Holstein. Derzeit wird der Klärschlamm von dort rund 500 km weit zu einer Verbrennungsanlage gefahren.

Was aber, wenn nicht? Dann ist davon auszugehen, dass Klärschlamm künftig in noch größerem Umfang als bisher auf Reisen gehen muss. Auch sollen Zwischenlager ausgebaut werden, die insgesamt 59 % der jährlich anfallenden Klärschlammmenge in Schleswig-Holstein aufnehmen könnten.

Auf die Frage, ob der zu erwartende erhöhte „Reiseumfang“ von Klärschlamm nicht auch ökologische Nachteile mit sich bringe, antwortet das MEKUN, die Entscheidung, welcher Entsorgungsweg unter Einhaltung der Vorgaben der Klärschlammverordnung der geeignete Weg sei, obliege den Klärschlammerzeugern. Das Umweltministerium habe darauf keinen Einfluss. Für vermutlich zusätzlich anfallende Kosten dieser Maßnahmen sei die jeweilige Kommune verantwortlich.

Landwirtschaftliche Ausbringung weiter möglich

Das Umweltministerium betont, dass für Kläranlagen unter 50.000 EW auch künftig die landwirtschaftliche Klärschlammverwertung zulässig sei. Außerdem können die bei der künftig vorgeschriebenen Rückgewinnung anfallenden phosphorhaltigen Aschen direkt als Düngemittel oder Ausgangsstoff für Düngemittel verwertet werden.

In der Klärwerkbranche geht man hingegen davon aus, dass landwirtschaftliche Ausbringung in der Zukunft faktisch kaum mehr vorkommen werde – wegen der allgemeinen Schadstoffbelastung.

Online kann der Abfallwirtschaftsplan heruntergeladen werden unter https://t1p.de/mdpbj

Er ist allerdings auf dem Stand von Januar 2021, und Werteerfassungen sind meist nur bis 2018 berücksichtigt.

Stellenabbau wegen Absatzkrise

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Der dänische Fleischhersteller Danish Crown (DC) muss aufgrund der schwierigen Marktsituation und gesunkener Exportmöglichkeiten von Schweinefleisch nach China Kosten einsparen und Mitarbeiter entlassen.

Wie das Unternehmen am Montag mitteilte, hat sich seit dem Sommer 2021 die Marktrealität durch die geringeren Importe der Volksrepublik und die Folgen des Ukraine-Kriegs mit Inflation und Kaufzurückhaltung der Verbraucher spürbar verschlechtert. Deshalb müsse DC nun einen neuen Weg gehen, um die Ziele der Feeding-the-Future-Strategie zu erreichen, was auch den Abbau von 150 Stellen bei Angestellten sowie Kapazitätsverringerungen in Deutschland beinhalte.

„Diese dramatischen Veränderungen sind innerhalb kürzester Zeit eingetreten. Wir können die Markttrends zwar nicht ändern, dafür aber an unserem eigenen Geschäft arbeiten“, erklärte DC-Vorstandschef Jais Valeur. Die eigene Strategie basiere auf einem stabilen und starken Markt mit positiven Aussichten; nun sei alles auf den Kopf gestellt. Zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und Sicherstellung des Kapitals für geplante Investitionen müssten nun Kosten gesenkt und Prozesse verschlankt werden. Laut DC wird angestrebt, jährlich Kosten in Höhe von 50 Mio. € einzusparen. Dies soll unter anderem durch eine Straffung von Funktionen erreicht werden, vom Verkauf über die Produktion und Servicefunktionen bis hin zur Verwaltung. Die zukünftigen Aktivitäten in den Produktionsstätten und Schlachtbetrieben des Konzerns hängen laut DC hochgradig von der Marktentwicklung ab.

Der erste Schritt zur Effizienzsteigerung sei kürzlich in Deutschland mit der angekündigten Schließung der Produktionsstätte in Boizenburg erfolgt. Den rund 200 Beschäftigten dort werde soweit wie möglich eine Beschäftigung in einer der anderen Produktionsstätten des DC-Konzerns angeboten.

Mecklenburg-Vorpommerns Landwirtschaftsminister Dr. Till Backhaus (SPD) bedauerte die Standortschließung. Diese sei auf die dramatische Entwicklung im Schweinebereich mit deutlichen Bestandsrückgängen und ungelösten Fragen zum Umbau der Tierhaltung zurückzuführen. „Ich habe Bundesagrarminister Cem Özdemir (Grüne) bei einem persönlichen Gepräch im Dezember nochmals auf die Folgen dieser Politik hingewiesen“, erklärte Backhaus.

Nächster Schritt bei DC ist laut Konzernführung die Verringerung der Schlachtkapazitäten des Schlachtbetriebs in Essen (Oldenburg) um bis zu 40 % bis zum 1. Mai. Danach werde der Konzern die künftigen Kapazitäten festlegen. An den Investitionen in Großbritannien will der dänische Fleischkonzern hingegen festhalten. AgE

Jais Valeur. Foto: DC

IER: Deutschland will Schwellenwert verdoppeln

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Deutschland wird sich bei den Verhandlungen zur Überarbeitung der europäischen Industrieemissionsrichtlinie (IER) für eine deutliche Anhebung des Schwellenwerts für die Zahl von Großvieheinheiten (GVE) in der Rinderhaltung einsetzen. Das hat Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) beim Agrarrat am Montag in Brüssel deutlich gemacht.

Nach den Vorstellungen der Bundesregierung sollen Betriebe ab 300 GVE in den Anwendungsbereich der novellierten Richtlinie fallen; der Vorschlag der Kommission sieht dagegen die Grenze schon bei 150 GVE vor.

300 GVE passend

„Das ist ein realistischer Vorschlag“, so Özdemir zur Position der Bundesregierung. Gebraucht würden realistische Zahlen, die sich an den nationalen Gegebenheiten orientierten. 300 GVE sei passend für Deutschland, weil dann die kleinbäuerliche Landwirtschaft „auf jeden Fall“ außen vor bleibe. Grundsätzlich steht der Grünen-Politiker hinter der Ausweitung der Richtlinie. Auch die Aufnahme der Rinderhaltung sei angesichts ihres Beitrages bei den Methan- und Ammoniakemissionen „sachgerecht“. Dem berechtigten Anliegen dürfe aber durch Schwellenwerte, die nicht auf Akzeptanz stießen, kein Schaden zugefügt werden. Berücksichtigt werden muss laut Özdemir auch das Verhältnis von Kosten und Nutzen. Änderungen an der Richtlinie dürften die in der Tierhaltung dringend erforderlichen Investitionen für einen besseren Umwelt- und Tierschutz nicht erheblich erschweren. Auch strukturelle Fragen hinsichtlich des Mehraufwandes für mittelständische Betriebe und mögliche Folgen für den ländlichen Raum müssten berücksichtigt werden. Der Vorstoß, die Schwellenwerte des Kommissionsvorschlages zu überarbeiten, wird von einer breiten Mehrheit der Mitgliedstaaten befürwortet, darunter auch Frankreich, Spanien und Österreich.

Weitgehend unbeeindruckt von den Einwänden der Ressortchef zeigte sich EU-Umweltkommissar Virginijus Sinkevicius. Ihm zufolge hat sich die Kommission für die „ausgewogensten“ Schwellenwerte entschieden und dabei auch das Verhältnis von Kosten und Nutzen berücksichtigt. Betroffen seien weniger als ein Fünftel der tierhaltenden Betriebe in der EU.

Einsatz der Krisenreserve

Zum möglichen Einsatz der Krisenreserve im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) äußerte sich EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski. Laut dem Polen könnten die Gelder dazu verwendet werden, den Landwirten in den EU-Mitgliedstaaten, die direkt an die Ukraine angrenzen, unter die Arme zu greifen. Bulgarien, Rumänien, Polen sowie Ungarn seien nämlich besonders von ukrainischen Agrarlieferungen betroffen, die zollfrei über die EU-Solidaritätskorridore auf den Binnenmarkt gelangten, konstatierte der Agrarkommissar.

Gleichzeitig stellte er fest, dass die Kommission an den seit Sommer vergangenen Jahres geltenden Handelserleichterungen für die Ukraine festhalten wolle. „Brüssel ist mit Kiew weiterhin solidarisch“, betonte Wojciechowski.

Schärfere Transportvorgaben

„Anspruchsvolle“ Vorschläge zu der für dieses Jahr geplanten Novellierung des EU-Tierschutzrechts hat die zuständige Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides angekündigt. Für die Zypriotin steht an vorderster Stelle, dass die neuen Vorgaben das Tierwohl in der Europäischen Union und auch global deutlich verbessern müssten. Dies gelte vor allem für das Tiertransportrecht, betonte Kyriakides.

Zuvor hatte Portugal im Rat eine Erklärung vorgestellt. In dieser wird die Brüsseler Behörde gemahnt, Lebendtiertransporte nach Drittstaaten nicht pauschal zu untersagen. Unterstützt wird dieser Vorstoß von Frankreich, Spanien, Rumänien, Griechenland sowie Irland, Litauen und Lettland. Die portugiesische Agrarressortchefin Maria do Céu Antunes warnte auch grundsätzlich vor zu vielen Einschränkungen und Verboten in Sachen Tiertransport. Wichtig sei, den Anforderungen eines funktionierenden EU-Binnenmarktes gerecht zu werden. Zudem sind der Sozialistin zufolge Alternativen zum Transport von Lebendtieren stärker zu fördern.

Derweil konstatierte Özdemir, dass „die Lücken beim Thema Tierschutz“ dringend zu schließen seien. Das gelte gerade auch für die Tiertransporte. 

GAP: Minister fordern mehr Einbindung

Die Agrarminister der Mitgliedstaaten sollten bei sämtlichen Entscheidungen mit Auswirkungen auf die Landwirtschaft mit am Tisch sitzen. Das ist die Kernforderung eines „Kompetenzbriefs“, den 16 Ressortchefs auf Initiative Österreichs an die schwedische Ratspräsidentschaft geschickt haben.

„Wir haben derzeit die Situation, dass in verschiedensten EU-Ratsgremien Entscheidungen und Themen diskutiert werden, die die Landwirtschaft betreffen, aber am Ende des Tages ohne die Expertise der Land- und Forstwirtschaft entschieden werden“, kritisierte der Wiener Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig. Vornehmlich im Blick hat er dabei die Umwelt- und die Klimaschutzpolitik. Der ÖVP-Politiker verwies auf die Versorgungssicherheit in Europa. Diese sei seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine ein Thema von absoluter Priorität. „Da können nicht gleichzeitig Dossiers in Diskussion stehen, die eine Reduktion der land- und forstwirtschaftlichen Fläche vorsehen“, so Totschnig. Das würde bedeuten, die Versorgung mit Lebensmitteln, Nachwachsenden Rohstoffen oder Erneuerbaren Energien zu verringern.

Neben Österreich haben auch Finnland, Griechenland, Italien, Kroatien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, Polen, Rumänien, Slowakei, Slowenien, Tschechien, Ungarn und Zypern den Brief unterzeichnet. AgE

Lageraufschläge für Kartoffeln noch nicht absehbar

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Im Bundesgebiet wurde zuletzt von einem ausgeglichenen Kartoffelmarkt berichtet. Dies gilt sowohl für die Verarbeitungsware als auch für den Frischmarkt. Das Preisniveau bleibt verglichen mit vielen Vorjahren auf erhöhtem Niveau stabil. Weder von der Käuferseite noch von den Produzenten kamen Impulse, die eine Änderung zuließen. In Westeuropa kam es hingegen teilweise, anders als hierzulande, in der vergangenen Woche zu Preisaufschlägen.

Die Kartoffelernte 2022 fiel mit 10,26 Mio. t rund 1 Mio. t (–9,3 %) kleiner aus als im Vorjahr. Damit ergibt sich dennoch ein Selbstversorgungsgrad von 143 %. Hintergrund war neben den zum Teil schwierigen Witterungsverhältnissen auch die reduzierte Anbaufläche. Ein Nord-Süd-Gefälle mit besseren Ernteergebnissen im Norden und weniger guten Erträgen im Süden spiegelt die Situation in der Saison 2022/23 wider. Entsprechend werden auch innerhalb des Bundesgebietes Kartoffeln in andere Regionen gefahren werden. In einigen EU-Nachbarländern gab es bedingt durch Wetterkapriolen ebenso ernüchternde Ernteergebnisse. Die EU-27 erzielte eine Erntemenge von 45,7 Mio. t (–4 Mio. t gegenüber Vorjahr), wobei in Nordeuropa die Erntemengen größer und südlich von Polen die Erntemengen kleiner ausfielen als gewöhnlich. Damit werden in den Importländern auch Kartoffeln aus anderen EU-Nachbarländern wie beispielsweise Frankreich fehlen.

Aktionsware fördert Absatz

Derzeit laufen häufig Kartoffelwerbeaktionen. Verschiedene Lebensmitteleinzelhändler und Discounter beteiligen sich. Dabei werden dem Verbraucher Kleingebinde, aber auch größere Netze für kleines Geld angeboten. Ein 2,5-kg-Beutel kann in dieser Woche für 1,59 €, sprich 0,64 €/kg, erworben werden. Ein 5-kg-Netz wird mit 2,99 €, also für 0,60 €/kg verkauft. Diese Verkaufsaktionen regen die Nachfrage an. Es wird im Zusammenhang mit den Werbeaktionen der vergangenen Wochen von gestiegenen Absatzmengen berichtet. Angeboten werden dabei auch Partien, die eine eingeschränkte Lagerfähigkeit aufweisen. Die hohen Temperaturen nach dem zwischenzeitlichen Wintereinbruch im Dezember mobilisieren die Kartoffeln in den Normallagern. Auch wenn hierzulande der größere Anteil der Kartoffeln in gekühlten Lagern liegt, kommt es zur Auslagerung.

Parallel zu den stabilen Preisen für Speisekartoffeln erzielt Frittenrohstoff in den Benelux-Ländern zunehmend höhere Kurse. Auch der April-Kontrakt an der Börse in Leipzig zieht daher an. Gestützt von den Preisen in den Nachbarländern, speziell Belgien, erreicht der Terminmarkt bald die Marke von 30 €/ dt. Am belgischen Markt werden gezielt freie Mengen nachgefragt. So ist auch davon auszugehen, dass der Anbau sich ausdehnen könnte. Aus den Niederlanden wird berichtet, dass verbesserte Konditionen bei den Vertragsverhandlungen und Aussichten auf Boni verlockender sein könnten als beispielsweise der preislich zurzeit schwächelnde Getreideanbau.

Export läuft langsam an

Zum Jahresende 2022 rechneten Marktteilnehmer mit Lageraufschlägen für Kartoffeln aus den Kühllagern ab etwa Ende Januar. Zu Beginn der 4. KW 2023 hat sich diese Erwartung nicht bestätigt. Sicherlich hat der eine oder andere Hoffnung, dass es im Februar noch zu Aufgeldern kommen kann. Marktbeteiligte sprechen aber auch schon davon, dass die Erntemengen 2022 für die aktuelle Saison ausreichen könnten und die Preise dementsprechend bis zum Start der Frühkartoffelsaison nicht weiter steigen. Dem gegenüber steht das langsam anlaufende Exportgeschäft. Länder Ost- und Südosteuropas fragen Kartoffeln nach. Bisher lagen die Preisvorstellungen zwischen deutschen Produzenten und den Importeuren zu weit auseinander. Höchstens Partien mit geringer Qualität habe man zu den geforderten Kursen abgegeben. Seit vergangener Woche wird von einer Steigerung der Exporttätigkeit berichtet. Zudem gehen Marktbeteiligte davon aus, dass mehr ägyptische Frühkartoffeln den Weg nach Ost- und Südosteuropa finden werden, deren Versand derzeit anläuft.

Landnutzungsänderung treibt den Klimawandel

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Um „Transformationsprozesse in Krisenzeiten“ ging es gestern (26. Januar) bei der 73. Hochschultagung der Agrar- und Ernährungswissenschaftlichen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU). Obwohl die Plenarvorträge im Internet gestreamt wurden, kamen mehr als 150 Interessierte persönlich ins Audimax der CAU.

Von Prof. Matin Qaim, Agrarökonom an der Universität Bonn, erfuhren die Besucher, dass weltweit rund 830 Mio. Menschen hungern. Die meisten davon lebten in Asien (55 %) und Afrika (37 %). „Auf diese beiden Kontinente müssen wir schauen“, betonte Qaim. Der Anteil der Hungernden habe zwar seit 1945 kontinuierlich abgenommen, seit 2005 stagniere dieser Wert jedoch bei zirka 10 % der Weltbevölkerung. Nährstoffdefizite wiesen zudem mehr als ein Drittel der Weltbevölkerung auf. Das seien vor allem Menschen, die sich gesunde Ernährung nicht leisten könnten.

Zu Unrecht verteufelt

Qaim erinnerte daran, dass die Preise für Weizen bereits vor Kriegsausbruch in der Ukraine hoch waren. Das liege an einem zu geringen Produktionswachstum bei steigender Nachfrage. Dazu kämen hohe Energiepreise und „Schocks“, wie die Corona-Pandemie, Kriege und Klimawandelfolgen. „Wenn die Produktion sinkt, gibt es eine Flächenausdehnung, vor allem im globalen Süden, – oft verbunden mit Abholzung – was wir eigentlich nicht wollen,“ erläuterte der Bonner Hochschullehrer.

Ihm zufolge wirkt der Klimawandels deutlich negativer auf die Regionen der Welt, die schon jetzt die meiste Armut und den meisten Hunger aufwiesen. Richtung Nordpol erwarte man wegen der Erderwärmung hingegen Ertragssteigerungen. Qaim folgerte: „Man muss unsere Verantwortung für die Produktion von Lebensmitteln hinterfragen und auch die Folgen für Migrationsbewegungen im Blick haben.“

Er räumte ein, dass intensive Landwirtschaft negative Umweltauswirkungen hat. Allerdings führe diese auch dazu, dass insgesamt weniger Fläche gebraucht werde. „Der Landnutzungswandel ist der größte Faktor für die Treibhausgasemissionen der Landwirtschaft. Das gilt auch für Artenvielfalt“, unterstrich Qaim. Ertragssteigerungen blieben daher das „A und O“. Die Frage sei: Wie bekommen wir Ertragssteigerungen hin, während wir gleichzeitig weniger Mineraldünger und chemischen Pflanzenschutz verwenden?

Chancen sieht er in neuen Technologien der Pflanzenzüchtung. Nach Stand der Wissenschaft liefere die Nutzung von Gentechnik – wo sie angewendet werden dürfe – 22 % Mehrertrag bei einem um 37 % reduzierten Pestizideinsatz. Die Nutzenwirkungen für Gentechnik seien in Entwicklungsländern deutlich größer, als in Industrieländern.

Vor allem in Europa hemmten bislang massive Akzeptanzprobleme. Nicht weil es nicht zuverlässig funktionieren würde, sondern weil es keinen politischen und gesellschaftlichen Willen gebe. Qaim appellierte: „Ich sehe nicht, dass wir die Ziele des Green Deal erreichen können, ohne die neuen genomischen Verfahren einzusetzen.“ Bio allein sei jedenfalls nicht die Lösung. Man würde nur Umwelt- und Klimaeffekte auslagern, da weniger exportiert und mehr importiert würde.

Arbeiten im Kriegsland

Hans Wenzl hat 2003 in der Ukraine einen Ackerbaubetrieb mit 1.500 ha übernommen. Der Betrieb liegt auf der Luftlinie zwischen Kiew und Odessa, zirka 200 km südlich der ukrainischen Hauptstadt. Durch kontinuierliches Wachstum bewirtschaftet der Betrieb heute mehr als 4.000 ha. Wenzl berichtete: „Ich habe es damals nicht fassen können, dass die Russen in die Ukraine einmarschiert sind.“ Dass der russische Präsident Wladimir Putin wirklich einen Krieg entfacht, sei undenkbar gewesen. Man habe dann im Team der Unternehmensführung entschieden, weiter zu arbeiten. „Vier Männer von uns gingen zum Militär. Jetzt sind sie an der Front“, schilderte Wenzl. Trotz des Krieges habe die Vermarktung der Ernteprodukte relativ gut geklappt. Zahlungsmittel bei der Vermaktung von Zuckerrüben sei aktuell Zucker. „Wir können entscheiden, ob wir den selbst vermarkten oder an die Zuckerfabrik verkaufen“, erläuterte Wenzl. Weitere wichtige Kulturen im Betrieb seien Weizen, Raps, Sonnenblumen und Mais. Zudem gebe es zwei Saatzuchtstationen vor Ort, eine von Limagrain, eine von Bayer.

Die Sonnenblumen bleiben nach Wenzels Angaben im Land. Raps und Weizen würden hingegen in Richtung Odessa zum Teil in den Export vermarktet. Mais werde auch international vermarktet. Im vergangenen Jahr seien die Preise trotz des Krieges sehr gut gewesen. Auch in diesem Jahr ist Wenzl bisher zufrieden. Die Transporte nach Odessa und auch über das schwarze Meer funktionierten erstaunlich gut. Die Großhändler hätten gekauft. Dünger ist laut Wenzl sehr teuer geworden. Aufgrund des Krieges bestünden aber die größten Probleme für die meisten Betriebe in der Ukraine bei der Beschaffung von Diesel.

Wenn Druck zu Angst wird

Ihre Erfahrungen aus einem ganz anderen Themenfeld berichtete Karen Hendrix. Die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie beschäftigt sich mit psychischen Belastungen von Landwirten. Früher seien ihre Patienten überwiegend zwischen 45 und 60 Jahre alt gewesen. Aktuell kämen aber immer mehr junge Bauern zu ihr, die den Betrieb ihrer Eltern übernommen haben und massive Zukunftsängste hätten. Als Beispiel erzählte sie von einem Schweinehalter, der sich von allen Seiten bedroht fühle, von Dokumentationspflichten, Kontrollen und gesellschaftlichem Druck. Dazu komme die Angst um die wirtschaftliche Perspektive. „Kein Landwirt will derjenige sein, der einen viele hundert Jahre alten Betrieb aufgibt“, so Hendrix. Nach den Erfahrungen aus ihren Gesprächen führe das oft zu suizidalen Gedanken. Die Ärztin berichtete von einer Studie nach der 46 % aller Landwirte unter psychische Belastungen leiden. Das seien deutlich mehr als in der Normalbevölkerung.

„Was Landwirte auffrisst, ist die zunehmende überbordende Bürokratie“, erklärte Hendrix. Problematisch sei zudem die kritische Darstellung der Landwirte in den Medien, zum Beispiel als Umweltvergifter und Tierquäler. Das gehe schon in der Schule los, wenn Landwirtskinder von ihren Mitschülern diskriminiert würden. Dazu komme, dass Städter oft gar nicht mehr genau wüssten, was eine moderne Landwirtschaft ausmacht.

Auch Schulden seien „ein wahnsinnig großer Anlass für Depressionen“. Diese Last könne zum Beispiel zu Schlafproblemen führen. Ein neues Problem seien Wölfe. Ein Schäfer, der auf seiner Koppel mit 20 verletze und angefressen Schafe auffand sagte wörtlich zu ihr: „Das halte ich nicht mehr aus.“ Ein klares Signal für psychische Belastung ist laut der Expertin sozialer Rückzug. „Wenn man nicht mehr ausgeht, die Post nicht mehr geöffnet“, beschreibt Hendrix. Irgendwann würden dann die Tiere nicht mehr ordentlich versorgt.

Die Ärztin rät, dass man sich in solchen Situationen jemandem anvertraut. Sie betonte: „Es funktioniert nicht, wenn der Lack nach außen glänzt, aber der Motor kaputt ist.“ Sich mit anderen auszutauschen sei oft schon eine große Hilfe. 

Prof. Matin Qaim
Hans Wenzl
Karen Hendrix
Prof. Simone Fulda
Werner Schwarz
Ute Volquardsen
Prof. Georg Thaller. Fotos: rq


Zitate

Prof. Simone Fulda, Präsidentin der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel:
Neben Forschung und Lehre arbeitet die Agrar- und Ernährungswissenschaft intensiv an Technologie- und Wissenstransfer.

Werner Schwarz (CDU), Landwirtschaftsminister:
Agrarpolitik ist wissensbasierte Politik. Schleswig-Holstein hat aktuell den Vorsitz der Agrarministerkonferenz. Themen sind dort die Umsetzung der Vorschläge der „Borchert-Kommission“ und die Gemeinsame Agrarpolitik nach 2027. Es braucht attraktive Programme, um die Landwirte aus den Direktzahlungen heraus in die Honorierung von Nachhaltigkeitsleistungen zu bekommen.

Ute Volquardsen, Präsidentin der Landwirtschaftskammer:
Die Wertschätzung für Lebensmittel ist gestiegen. Da die Produktion auf den Betrieben teurer geworden ist, steigen auch die Preise für unsere Produkte.

Prof. Georg Thaller, Dekan der Agrar- und Ernährungswissenschaftlichen Fakultät:
Das Thema „Transformationsprozess in Krisenzeiten“ wurde schon vor dem Beginn des Krieges in der Ukraine gewählt. Es gab also bereits multiple Krisen, die dieses Thema hervorgebracht haben. Immer weniger Agrar-Studierende haben einen direkten Bezug zur Landwirtschaft. Wir müssen deshalb in die Schulen und unsere Themen in den Sozialen Netzwerken mehr und besser platzieren.

Poststreik: Digitales Bauernblatt auch in dieser Woche frei verfügbar

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Wegen eines erneuten Streiks der Post an vielen Standorten in Schleswig-Holstein kann es in dieser Woche abermals zu Verzögerungen bei der Zustellung des Bauernblattes kommen. Damit Printabonnenten dennoch zeitnah das Bauernblatt lesen können, steht auch die aktuelle Ausgabe als kostenfreier Download zur Verfügung.

Sie können die Ausgabe 4 HIER herunterladen. 

Bislang gut durch den Winter gekommen

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Die Aussaat im zurückliegenden Herbst konnte insgesamt unter guten Bedingungen abgeschlossen werden. So blieben nach Schätzung des Statistikamtes Nord die Aussaatflächen für die Kulturen Winterweizen und Winterroggen gegenüber dem Vorjahr nahezu konstant, während für die kleinere Kultur Wintertriticale ein Anstieg um 7 % auf 9.900 ha verzeichnet wurde.

Bemerkenswert sind die Anstiege in der Anbaufläche von Wintergerste um 8 % auf 73.600 ha nach der Reduktion im letzten Jahr sowie der erneute Ausbau der Winterrapsfläche um 9 % auf nun 81.300 ha.

Bei der Aussaat hatte der Winterraps teilweise das Problem, dass die Saat in einer Phase mit trockenem Saatbett erfolgte, vorhergesagte Niederschläge nicht eintraten und oftmals nur ein Teil der Saat auflaufen konnte. Durch den ab der zweiten Septemberwoche fallenden Regen konnte jedoch ein Auflaufen der bis dahin nicht gekeimten Samen beobachtet werden. Hierdurch waren allerdings in vielen Regionen deutlich heterogen entwickelte Bestände anzutreffen.

Die Getreideaussaat erfolgte für Wintergerste und Winterweizen teilweise sehr früh in den ersten Septembertagen aus Angst vor regenbedingt schwierigen Bodenbedingungen. Während im September regional deutlich über 100 mm Niederschlag fielen, blieb der Oktober jedoch ausgesprochen mild und trocken. Die in dieser Phase erfolgten Getreidesaaten konnten aufgrund der wieder günstigen und warmen Bodenbedingungen sehr gut und zügig auflaufen. Durch den weiteren Witterungsverlauf mit sehr milden Temperaturen konnten insbesondere die späten Getreidesaaten bis in den November hinein stark profitieren. Gleichzeitig sind frühe Saaten in Wachstum und Entwicklung sehr weit fortgeschritten.

Bei Wintergerste konnte vielerorts Mehltau beobachtet werden und im Winterweizen sortenabhängig ein deutlicher Ausgangsbefall mit Septoria tritici. Da aber eine sehr hohe Triebzahl angelegt ist, dürften aktuell durch Triebverluste keine Probleme zu erwarten sein. Dennoch sollte ein erhöhter Ausgangsbefall mit dem Einsetzen des Frühjahres genauer beobachtet werden. Im Winterraps sind mittlerweile die durch Trockenheit anfänglich nicht aufgelaufenen kahlen Bereiche geschlossen, jedoch sind viele Bestände weiterhin heterogen.

Trotz der stark gesunkenen Temperaturen Ende November und Mitte Dezember kam es bei überwiegend vorhandener Schneebedeckung der Pflanzen bei Temperaturen von bis zu –12 °C nicht zu Auswinterungsschäden.

Fazit

Aktuell präsentieren sich die Wintergetreidebestände wie auch der Winterraps gut, dabei lassen die milden Temperaturen latentes Wachstum der Bestände zu. Gleichzeitig gilt es zu kontrollieren, wie sich bislang nicht oder nicht erfolgreich bekämpfte Ungräser und Unkräuter entwickelt haben. Die von Dezember bis Mitte Januar gefallenen Niederschläge sind in erster Linie notwendig, um an den Standorten mit besseren Böden wieder die Bodenwasservorräte in tieferen Schichten zu füllen. Dennoch sind häufig staunasse Bereiche in den Schlägen zu beobachten gewesen. Teilweise sind neben den beschriebenen Blattkrankheiten Aufhellungen durch anaeroben Stress in alten Fahrspuren und verdichteten Teilbereichen zu erkennen, auch der Mangel an Mikronährstoffen zeigt sich stellenweise. Um nach Ende der Sperrfrist erste Maßnahmen der Vitalisierung mit Mikronährstoffen und Düngung mit Stickstoff, Schwefel und Grundnährstoffen fahren zu können, wird wieder eine gute Befahrbarkeit benötigt.

Einige Punkte werden kritisch gesehen

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Alles wird zurzeit teurer –und ganz besonders gestie­gen sind nun auch die Tierarzt­rechnungen. Das liegt an der neuen Gebührenordnung für Tierärzte (GOT), die seit November 2022 gültig ist. An einigen Punkten wird Kritik geäußert, nicht nur von der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN).

In einem Seminar der Persönlichen Mitglieder (PM) der FN erklärte nun der Tierarzt Dr. Kai Kreling die Hintergründe und den Aufbau der neuen Gebührenordnung und warb für die Teuerung.

„Sie sind es gewohnt, von mir einen medizinischen Vortrag zu hören. Aber da ich Mitglied in der GOT AG bin, spreche ich heute zu diesem Thema“, führte Dr. Kai Kreling in sein Referat ein. Kreling ist einer von vier Tierärzten, die zwar nicht beteiligt, aber immerhin gefragt wurden, als die neue Gebührenordnung erarbeitet wurde. „Denn die GOT ist für Tierärzte und nicht von Tierärzten“, machte der Fachmann gleich zu Beginn klar. Die Anpassung wurde vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft aufgrund einer Studie vorgenommen und vom Bundesrat beschlossen. Damit habe die GOT den Rang eines Gesetzes. Hintergrund für die Verankerung der Bezahlung eines Tierarztes als Gesetz sei der Auftrag des Staates, die Ernährung des Menschen zu gewährleisten.

Die bisher gültige Fassung der GOT wurde 1999 verfasst. Danach hatte es zwar 2007 und 2017 pauschale Anpassungen von 12 % und 2020 auch Zusätze für den Notdienst gegeben, insgesamt sei der Leistungskatalog aber veraltet gewesen. „Wir haben heute Behandlungsmöglichkeiten, die es vor 20 Jahren schlicht noch nicht gab“, erklärte Kreling. Für diese neuen Methoden seien Fort- und Weiterbildungen sowie teilweise die Anschaffung teurer Geräte nötig.

Auch zeitlich betreiben Tierärzte einen hohen Aufwand, schließlich können Pferde an 365 Tagen rund um die Uhr krank werden. „Bisher war es normal, dass Tierärzte als Einzelkämpfer unterwegs waren und sehr viel gearbeitet haben. Dafür fehlt uns heute der Nachwuchs“, erläuterte der Experte, der in Rheinland-Pfalz eine Pferdeklinik betreibt. Statt sich selbstständig zu machen, seien die jungen Tierärzte heute lieber als Angestellte beschäftigt, eventuell sogar mit nur 30 Stunden pro Woche.

In Deutschland würden zwar viele Tierärzte ausgebildet, doch es verließen auch viele das Land in Richtung England oder Skandinavien, wo die Gehälter deutlich höher seien. „Viele Kollegen stehen vor dem Problem, dass niemand ihre Praxen übernehmen will. Da kommen dann Investoren und kaufen sich ein. So entsteht ein finanzgesteuertes System, wo vorher viele Idealisten waren. Diese Tendenz können wir aber noch aufhalten“, warb Kreling für Verständnis.

Die Untersuchung des Auges wird unter Teil C „Organsysteme“ der neuen Gebührenordnung geführt. Ihr geht die allgemeine Untersuchung aus den Grundleistungen (A) voraus.

Pauschale Gebühr für Hausbesuche

Die Idee hinter der Neuauflage der GOT war also, angemessene Gebührensätze zu schaffen und den Leistungskatalog zu aktualisieren. Nun solle der Tierarzt mit dem einfachen Satz der GOT zurechtkommen. Er dürfe aber in begründbaren Fällen auch mit dem zwei- oder dreifachen und beim Notdienst mit dem vierfachen Satz abrechnen. Ausschlaggebend seien verschiedene Faktoren wie etwa Zeitaufwand, Schwierigkeitsgrad und für den Notdienst der Zeitpunkt.

Auch der Wert des Pferdes sei entscheidend: „Bei einem teuren Pferd ist die Wahrscheinlichkeit höher, in Regress genommen zu werden“, verdeutlichte Kreling. Die örtlichen Verhältnisse könnten ebenfalls zur Erhöhung des Satzes herangezogen werden: „Wenn ich den Jährling im Schmuddelwetter erst einmal eine halbe Stunde über die Wiese jagen muss, kann ich den Satz erhöhen.“

Die Notdienstzeiten lägen unverändert zwischen 18 und 8 Uhr sowie am Wochenende und an Feiertagen. Hier seien mindestens der zweifache Satz sowie die Notdienstpauschale von 59,90 € brutto abzurechnen. „Das ist kein Vorschlag, sondern bindend“, machte der Referent klar. Da die GOT einem Gesetz gleichgestellt sei, könne es auch keinen Rabatt geben, wenn man beispielsweise fünf Pferde statt einem impfe.

Die Notdienstpauschale ist eine von mehreren Neuerungen. Eine weitere ist die Berechnung des Wegegeldes, die früher möglich war und heute ein Muss ist. Es fallen 4,17 € brutto pro Doppelkilometer, mindestens jedoch 15,47 € brutto an. Das Wegegeld sei eine Aufwandsentschädigung und könne natürlich aufgeteilt werden, wenn in einem Stall mehrere Pferde zu behandeln seien.

Einer der größten Kritikpunkte an der neuen GOT ist die zusätzliche Hausbesuchsgebühr von 41 € brutto. Diese wird pro Pferd erhoben und kann nicht aufgeteilt werden, es sei denn, die Pferde gehören alle einem Besitzer. Hat der Tierarzt also eine Anfahrt von 10 km, werden schon 82,70 € brutto fällig, bevor er das Pferd überhaupt angeguckt hat. Diese pauschale Hausbesuchsgebühr lehnt die FN ab. In einem veröffentlichten Interview sagte Soenke Lauterbach, Generalsekretär der FN: „Der Pferdepraktiker ist üblicherweise darauf ausgelegt, als Fahrpraxis unterwegs zu sein. Das heißt, ein Einbestellen der Pferde in die Praxis ist in der Regel gar nicht möglich oder vorgesehen.“

Damit im Zusammenhang stehe die pauschale Einordnung des Pferdes als „nicht landwirtschaftlich genutztes Tier“, die von der FN ebenfalls vehement abgelehnt wird. Die Kosten für die Behandlung von Nutztieren seien nach der GOT niedriger als die Behandlungskosten für Haustiere. „Das widerspricht der klaren Einordnung des Pferdes als landwirtschaftliches Nutztier, beispielsweise im EU-Recht. Die fehlerhafte Auslegung der Bundestierärztekammer führt unter anderem dazu, dass eine tierärztliche Behandlung auf einem Pferdebetrieb mit dem im Normalfall nicht vorgesehenen Hausbesuch eines Kleintierpraktikers gleichgesetzt wird, und sorgt für eine weitere Erhöhung der Tierarztkosten“, kritisierte Lauterbach.

Das Röntgen ist eine der wenigen Leistungen, die günstiger geworden sind. Infolge der Digitalisierung ist es viel einfacher geworden, an die Bilder zu kommen.Fotos (3): Imago

Sonderregelung für Turniertierärzte?

Dr. Kai Kreling ist einer von vier Tierärzten, die zwar nicht beteiligt, aber immerhin gefragt wurden, als die neue Gebührenordnung erarbeitet wurde. Foto: privat

Dr. Kai Kreling sieht das anders: „Das Pferd ist in den seltensten Fällen ein landwirtschaftliches Nutztier.“ Er sieht diese Ziffer in der nötigen Wirtschaftlichkeit des Tierarztberufes bestätigt und weist darauf hin, dass die Zeit im Auto eben auch Geld kosten müsse, weil sie nicht mit der Behandlung von Tieren verbracht werden könne.

Ein weiterer Streitpunkt ist der Einsatz des Turniertierarztes. Wie oben beschrieben müssen an den Wochenenden mindestens der zweifache Satz sowie die Anfahrt und die Hausbesuchsgebühr abgerechnet werden. „Es ist schwierig, weil die meisten Turnierveranstalter das ehrenamtlich machen“, erkannte Kreling an, der mit seiner Praxis selbst viele Turniere betreut. Trotzdem werde er wohl aufgrund der neuen Gebührenordnung sein Engagement auf Turnieren zurückfahren: „Ich kann das nicht finanzieren“, sagte er.

Die FN möchte hier eine andere Regelung etablieren: Bei geplanten Tätigkeiten am Wochenende falle auch keine Vergütung im Sinne eines Notdienstes an, zum Beispiel wenn eine reguläre Sprechstunde am Sonnabend angeboten wird. Die FN fordert analog dazu, dass ein rechtzeitig im Voraus vereinbarter Turnierdienst durch den Turniertierarzt nicht mit dem zweifachen Satz abgerechnet werden muss, sondern der einfache Satz greift.

Neben den neuen, zum Teil strittigen Ziffern und der Erhöhung der Gebühren um etwa 20 bis 25 % enthält die GOT auch eindeutig positive Neuerungen. So hat sie eine neue, übersichtliche Struktur bekommen und ist überall einsehbar. Da die einzelnen Ziffern auf der Rechnung genannt werden müssen, ist sie auch nachvollziehbar.

Sie beginnt mit dem Paragrafenteil, in dem steht, was der Tierarzt wie organisieren und abrechnen muss. Darauf folgen die Grundleistungen, also Beratungen und allgemeine Untersuchungen, mit den ersten 86 Ziffern. Hier wird mit Ziffer vier auch die allgemeine Untersuchung genannt, für die 36,60 € brutto anfallen. Ist ein Pferd also lahm, fallen nach der oben aufgemachten Rechnung schon knapp 120 € an, bevor das Bein überhaupt angefasst wurde, und das natürlich nicht im Notdienst. Diese allgemeine Untersuchung sei aber zwingend nötig: „Auch wenn das Pferd lahm ist, kann eine andere Problematik dahinterstecken“, erklärte Kreling. Jede Diagnose fange immer mit der allgemeinen Untersuchung an.

In Versicherungen investieren

Im Teil B „Besondere Leistungen“ mit den Ziffern 87 bis 275 geht es um Leistungen wie Bescheinigungen, Gutachten und Labor sowie Diagnostika wie Röntgenuntersuchungen und Kernspintomografie. „In diesem Teil tauchen die vielen neuen Diagnostikleistungen auf, die wir in den vergangenen 20 Jahren dazubekommen haben, also beispielsweise MRT und CT“, so Kreling. In Teil C mit den Ziffern 281 bis 980 geht es um Organsysteme, also beispielsweise Herz, Kreislauf, Gefäße oder Gynäkologie und Geburtshilfe.

Nicht nur für Tierbesitzer sei die Umstellung auf die neue GOT eine große Aufgabe, auch die Tierärzte müssten sich jetzt erst einmal in den neuen Strukturen orientieren. Das sei auch für sie unangenehm, aber das Ganze sei eine Investition in die Zukunft, um die Versorgung der Pferde sicherzustellen.

Um die Tierarztkosten in einem bezahlbaren Rahmen zu halten, empfahl Kreling eine OP-Versicherung und/oder eine Pferdekrankenversicherung. „Der Markt wird sich da in Zukunft erweitern“, sagte er voraus. In anderen Ländern seien schon viel mehr Pferde versichert. Die FN empfiehlt außerdem, den Tierarzt nach Möglichkeit nur innerhalb der normalen Arbeitszeiten zu kontaktieren. „Gibt es ein Problem mit dem Pferd, sollte dementsprechend frühzeitig Kontakt zur Tierarztpraxis des Vertrauens aufgenommen werden“, sagte Lauterbach.

Auch die Aneignung eines guten Basiswissens zur Pferdegesundheit sei generell sinnvoll und helfe im Ernstfall dabei, eine Bagatellverletzung beziehungsweise Krankheitsbilder, die keine sofortige tierärztliche Behandlung im Notdienst erfordern, von einem dringenden Notfall (zum Beispiel Kolik, Augenverletzungen, starke Blutungen, allergische Reaktionen, Nageltritt) abzugrenzen. „Im Zweifelsfall sollte aber immer ein Tierarzt hinzugezogen werden“, sagte Lauterbach, der aber auch riet: „Ist eine Rechnung nicht nachvollziehbar, raten wir dazu, die Tierärztin oder den Tierarzt darauf anzusprechen.“

Vielleicht bringt eine Erhöhung der Gebühren auch den einen oder anderen Pferdehalter dazu, noch einmal seine Haltung zu überdenken. Denn ein gesundes Pferd braucht keinen Tierarzt und Vorbeugen ist besser als Heilen.