Eigene Schlachtung war früher auf den Höfen gang und gäbe, heute kommt sie fast gar nicht mehr vor. Einen Eindruck davon konnten Besucher jetzt im Landwirtschaftsmuseum Meldorf in Dithmarschen bekommen: Fleischer Michael Jannsen, ebenfalls aus Meldorf, zerlegte vor ihren Augen ein halbes Schwein.
Kaum ein Wort fiel in der Einleitung häufiger als das Wort „Veterinär“. Sowohl Museumsleiter Alexander Eggert als auch Schlachter Jannsen beteuerten, dass hier alles vorschriftsmäßig und abgesprochen ablaufen werde. Rund 20 Anrufe von besorgten Bürgern habe es im Vorfeld gegeben. Die waren offensichtlich nicht gekommen, stattdessen bereits zum Vormittagstermin 270 interessierte Besucher, darunter auch Familien mit Kindern. Die wenigen Fragen aus dem Publikum betrafen die Verwendung bestimmter Schlachtteile: „Wird die Schulter auch geräuchert?“, „Mit was füllt man die Dicke Rippe?“ oder „Kennen Sie Kehlebraten? Der war immer für Opa.“
Die Verwendung der Teile war denn auch Janssens Hauptmotiv bei der Demonstration, die er heiter-launig und phasenweise auf Plattdeutsch vorbrachte. „Vor 70, 80 Jahren war ein Überfluss noch nicht gegeben. Jeder hielt ein Schwein. Da war das Schlachtfest ein Fest! Das Fleisch wurde frisch verwurstet, alles vom Schwein wurde verarbeitet, das war nachhaltig.“
Zur Verwendung kam ein Strohschwein aus der Haltung von Hof Kolster in Barlt. Den Schlachtkörper zersägte Jannsen zunächst in drei Hauptteile – Vorderteil, Mittelteil und Schinken. „Aus dem Kopf wurde Sülze gemacht oder Presskopf“, erklärte er, „die Backe gesalzen oder geräuchert.“
Im Mittelteil befinden sich die Koteletts und der Bauch – „das schneidet sich wie Marzipan“. Bauchfleisch eigne sich hervorragend für Leberwurst, natürlich mit Leber dazu – die Innereien durfte er nicht mitbringen. Da ist er wieder geistig präsent, der Veterinär!
„Wurst selber zu machen ist gar nicht so schwer, wenn man ein Rezept und einen Fleischwolf hat“, empfiehlt der Meister. Das abgeschnittene Fett dient ebenfalls für die Wurstherstellung oder ausgelassen als Schmalz – „ein wunderbarer Energieträger“. Nackenspeck komme beispielsweise in die italienische Mortadella, „diese weißen Stückchen“. Überhaupt Nackensteaks: „Das Beste vom ganzen Schwein, ich bin ein bekennender Nackenfan!“
Dann kommt der Schinken dran. Vorher das Bein abgeschnitten – Vorder- oder Hinterbein als Eisbein, „das braucht Zeit und Arbeit für die Zubereitung, hat man heute meist nicht“. Der Deckenspeck des Schinkens sei sehr weich, gut für streichfähige Wurst, etwa die Dithmarscher Spezialität „Eierleberwurst“. Der Schinken als Ganzes – mit oder ohne Röhrenknochen – geht dann in Salz und drei Stunden in den Backofen oder in einer Form fünf Stunden gekocht für Kochschinken. Überhaupt die Knochen: „Das Rote Kreuz möchte die zum Üben für die Behandlung von Knochenbrüchen.“ Kein Witz – die DRK-Leute stehen schon vor der Tür und warten.
Als krönenden Abschluss kocht Jannsen aus Schweineblut, Essig und Gewürzen Schwarzsauer. Das fordert ein wenig Geduld von allen: rühren, rühren, rühren. „Da darf mich keiner anrufen.“ Schon vor dem Mix musste das Blut lange gerührt werden, um das Eiweiß auszufällen, damit es nicht gerinnt. Noch abgeschmeckt, dann darf jeder, der mag, probieren. „Ich habe bisher 70 Lehrlinge ausgebildet, nur 20 von ihnen essen Schwarzsauer, aber probiert haben sie alle.“ Die Schlange, die sich bildet, ist ganz schön lang. Natürlich probiert auch der Reporter: Schmeckt nicht schlecht, aber sein Leibgericht wird es nicht.
Familie Wolter mit den Kindern Alma (8), Okke (6) und Lisbeth (4) ist aus Heide gekommen. Berührungsängste mit dem Thema haben sie nicht. „Ich esse jeden Tag Fleischwurst“, sagt Okke. Jetzt wissen sie, wo sie herkommt. Schlachter Janssens Rat zum Schluss: „Fleisch ist ein wunderbares Lebensmittel. Kaufen Sie es beim Fleischer Ihres Vertrauens, vielleicht weniger oft, aber dafür ordentliches!“
Am Nachmittag werden noch einmal gut 100 Leute kommen, dann ist die zweite Hälfte des Schweines dran.