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Alles vom Schwein ist wertvoll

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Eigene Schlachtung war früher auf den Höfen gang und gäbe, heute kommt sie fast gar nicht mehr vor. Einen Eindruck davon konnten Besucher jetzt im Landwirtschaftsmuseum Meldorf in Dithmarschen bekommen: Fleischer Michael Jannsen, ebenfalls aus Meldorf, zerlegte vor ihren Augen ein halbes Schwein.

Kaum ein Wort fiel in der Einleitung häufiger als das Wort „Veterinär“. Sowohl Museumsleiter Alexander Eggert als auch Schlachter Jannsen beteuerten, dass hier alles vorschriftsmäßig und abgesprochen ablaufen werde. Rund 20 Anrufe von besorgten Bürgern habe es im Vorfeld gegeben. Die waren offensichtlich nicht gekommen, stattdessen bereits zum Vormittagstermin 270 interessierte Besucher, darunter auch Familien mit Kindern. Die wenigen Fragen aus dem Publikum betrafen die Verwendung bestimmter Schlachtteile: „Wird die Schulter auch geräuchert?“, „Mit was füllt man die Dicke Rippe?“ oder „Kennen Sie Kehlebraten? Der war immer für Opa.“

Die Verwendung der Teile war denn auch Janssens Hauptmotiv bei der Demonstration, die er heiter-launig und phasenweise auf Plattdeutsch vorbrachte. „Vor 70, 80 Jahren war ein Überfluss noch nicht gegeben. Jeder hielt ein Schwein. Da war das Schlachtfest ein Fest! Das Fleisch wurde frisch verwurstet, alles vom Schwein wurde verarbeitet, das war nachhaltig.“

Zur Verwendung kam ein Strohschwein aus der Haltung von Hof Kolster in Barlt. Den Schlachtkörper zersägte Jannsen zunächst in drei Hauptteile – Vorderteil, Mittelteil und Schinken. „Aus dem Kopf wurde Sülze gemacht oder Presskopf“, erklärte er, „die Backe gesalzen oder geräuchert.“

Nicht nur Koteletts und Schinken, sondern auch Kopf und Pfoten (v. li.) des Schweins („Snuten un Poten“) werden der Verwendung zugeführt.  Fotos: Tonio Keller

Im Mittelteil befinden sich die Koteletts und der Bauch – „das schneidet sich wie Marzipan“. Bauchfleisch eigne sich hervorragend für Leberwurst, natürlich mit Leber dazu – die Innereien durfte er nicht mitbringen. Da ist er wieder geistig präsent, der Veterinär!

„Wurst selber zu machen ist gar nicht so schwer, wenn man ein Rezept und einen Fleischwolf hat“, empfiehlt der Meister. Das abgeschnittene Fett dient ebenfalls für die Wurstherstellung oder ausgelassen als Schmalz – „ein wunderbarer Energieträger“. Nackenspeck komme beispielsweise in die italienische Mortadella, „diese weißen Stückchen“. Überhaupt Nackensteaks: „Das Beste vom ganzen Schwein, ich bin ein bekennender Nackenfan!“

Dann kommt der Schinken dran. Vorher das Bein abgeschnitten – Vorder- oder Hinterbein als Eisbein, „das braucht Zeit und Arbeit für die Zubereitung, hat man heute meist nicht“. Der Deckenspeck des Schinkens sei sehr weich, gut für streichfähige Wurst, etwa die Dithmarscher Spezialität „Eierleberwurst“. Der Schinken als Ganzes – mit oder ohne Röhrenknochen – geht dann in Salz und drei Stunden in den Backofen oder in einer Form fünf Stunden gekocht für Kochschinken. Überhaupt die Knochen: „Das Rote Kreuz möchte die zum Üben für die Behandlung von Knochenbrüchen.“ Kein Witz – die DRK-Leute stehen schon vor der Tür und warten.

Als Krönung kochte Schlachter Jannsen Schwarzsauer, das, wer wollte, anschließend verkosten durfte. 

Als krönenden Abschluss kocht Jannsen aus Schweineblut, Essig und Gewürzen Schwarzsauer. Das fordert ein wenig Geduld von allen: rühren, rühren, rühren. „Da darf mich keiner anrufen.“ Schon vor dem Mix musste das Blut lange gerührt werden, um das Eiweiß auszufällen, damit es nicht gerinnt. Noch abgeschmeckt, dann darf jeder, der mag, probieren. „Ich habe bisher 70 Lehrlinge ausgebildet, nur 20 von ihnen essen Schwarzsauer, aber probiert haben sie alle.“ Die Schlange, die sich bildet, ist ganz schön lang. Natürlich probiert auch der Reporter: Schmeckt nicht schlecht, aber sein Leibgericht wird es nicht.

Familie Wolter mit den Kindern Alma (8), Okke (6) und Lisbeth (4) ist aus Heide gekommen. Berührungsängste mit dem Thema haben sie nicht. „Ich esse jeden Tag Fleischwurst“, sagt Okke. Jetzt wissen sie, wo sie herkommt. Schlachter Janssens Rat zum Schluss: „Fleisch ist ein wunderbares Lebensmittel. Kaufen Sie es beim Fleischer Ihres Vertrauens, vielleicht weniger oft, aber dafür ordentliches!“

Am Nachmittag werden noch einmal gut 100 Leute kommen, dann ist die zweite Hälfte des Schweines dran. 

Effiziente Arbeitsplanung bestimmt den Stundenlohn

Die gestiegenen Kosten für Futter und Energie sind derzeit die Themen, die auch Geflügelhalter beschäftigen. Neben den Fragen rund um den Tierschutz und die Umweltwirkung ist auch die der Wirtschaftlichkeit einmal mehr in den Fokus gerückt. Daher stellen sich viele Betriebsleiter unter anderem die Frage, wo die meiste Arbeit auf dem Betrieb anfällt und welche Arbeitsschritte effizienter gestaltet werden könnten.

Gerade in der Mobilstallhaltung wird immer wieder der erhöhte Arbeitsaufwand gegenüber einer konventionellen Legehennenhaltung diskutiert. Allein unter dem Dach des Bundesverbands Mobile Geflügelhaltung (BVMG) wurden im Jahr 2022 430.000 Mobilplätze vereint. Davon entfallen über 98 % auf die Eierproduktion, was laut BVMG die Versorgung mit Schaleneiern von rund 780.000 Konsumenten abdeckt. Nordrhein-Westfalen weist mit rund 31,8 % bundesweit die größte Anzahl an Tierplätzen in der Mobilstallhaltung auf. Daher wurde dieses Thema im Rahmen eines Projektes der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen in Zusammenarbeit mit der Fachhochschule Soest genauer untersucht, hinzugezogen wurden auch Betriebe aus Schleswig-Holstein. Ziel der Untersuchung war herauszufinden, welche Arbeiten rund um die Haltung von Tieren in einem mobilen Stall anfallen und welchen Anteil des Arbeitsaufwandes diese ausmachen.

Die Befragung wurde bundesweit vorgenommen. Die Verteilung der Betriebe und Ställe auf die einzelnen Bundesländer ist der Tabelle 1 zu entnehmen. Die insgesamt 36 in die Befragung eingeflossenen Mobilställe verteilten sich auf insgesamt 27 Betriebe (16 Haupt-, elf Nebenerwerbsbetriebe). Dabei flossen maximal zwei Ställe je Betrieb in die Auswertung ein. 29 der Mobilställe wurden dabei konventionell bewirtschaftet, sieben nach EG-Öko-Verordnung. Bei der Auswahl der Betriebe wurde darauf geachtet, dass in der Arbeitserledigung bereits in mindestens ein bis zwei abgeschlossenen Herdendurchgängen Erfahrungen gesammelt und eigene Optimierungsgedanken eingebracht worden waren.

Die Daten der Betriebe wurden mittels eines Fragenkatalogs erhoben und die anfallenden Arbeitszeiten in einer darauf abgestimmten Tabelle erfasst. Mit den erhobenen Kennzahlen wurde versucht, die rund um die Mobilstallhaltung anfallenden Arbeiten möglichst detailliert zu erfassen. Um ein breites Gesamtbild zu bekommen, wurde das Augenmerk darauf gelegt, eine größtmögliche Variation der aktuell am Markt verfügbaren Mobilställe (einschließlich Größenvarianten) zu erfassen.

Um welche Daten ging es?

Im Rahmen der Befragung wurden zudem erhoben:
Daten rund um den Standort
Wegentfernung
Flächenart und Größe
Beweidungs- und Zaunform
Zeitaufwand für das Einsammeln der Eier
Nachfüllen des Futters
Versetzen des Mobilstalls
Impfmanagement

Wenn bei den einzelnen Arbeitsvorgängen Wegezeiten anfielen, wurden diese separat berücksichtigt, um sie bei der Gesamtauswertung differenzierbar ­darzustellen.

Die aus den 27 Betrieben und 36 Mobilställen eingeflossenen Daten und damit der rechnerische Durchschnittsbetrieb sind in Tabelle 2 beschrieben.

Um die Arbeitszeiten in der Mobilstallhaltung zu erfassen, wurden die erhobenen Daten auf die Anfangshenne (AH – die anfangs eingestallten Hennen) bezogen. So ergibt sich bei durchschnittlich 712 eingestallten Hennen eine durchschnittliche Gesamtarbeitszeit von zirka 0,75 Stunden je AH über alle erfassten Betriebs- und Stallvarianten hinweg. Die angefallene Arbeitszeit gemittelt über alle Betriebe ist der Tabelle 3 zu entnehmen.

Zeitfaktor „Handling der Eier“

Um herauszufinden, welcher Arbeitsschwerpunkt welchen Anteil an der Gesamtarbeitszeit je AH ausmacht, ist in Abbildung 1 der prozentuale Anteil der Tätigkeitskategorien an der Arbeitszeit je AH dargestellt. Dabei wird deutlich, dass einen Großteil der Gesamtarbeitszeit mit rund 17 % die Wegezeit ausmachte. Dabei war die individuell benötigte Wegezeit vor allem von der Entfernung des Mobilstalles zum Hauptsitz des Betriebes abhängig, welche im Durchschnitt etwa 400 m betrug.

Den größten Faktor der Gesamtarbeitszeit nimmt das Handling der Eier in Anspruch. Dabei wurde der Zeitaufwand für das Eierhandling rein auf die Arbeit im/am Stall bis zur Tür Eierpackstelle bezogen. Hier flossen die Arbeitszeit für Eiersammlung, Reinigung des Eiersammeltisches und des Eiersammelbandes, Reinigung/Nachstreuen der Nester und Erfassung des Tagesgeleges ein. Die unterschiedlichen Formen der Eiervermarktung hinter der Tür Eierpackstelle flossen nicht mit ein, da sortierter/unsortierter Verkauf, unter Umständen mit und ohne anteiligem Verkäufer oder Pflege des Verkaufsstandorts, zu großen Ergebnisvarianten geführt hätten.

Da neben dem Handling der Eier die Wegzeiten der größte Zeitfaktor waren, wurde überprüft, ob es einen Zusammenhang zwischen der Entfernung des Mobilstalls zum Hof und der investierten Zeit je AH (Abbildung 2) gab. Die Ergebnisse zeigen, dass selbst bei geringer Entfernung zur Hofstelle längere Arbeitszeiten je AH auftreten können als bei weiten Wegstrecken.

Zudem wurde der Zusammenhang zwischen der Anzahl der Anfangshennen und der investierten Zeit je Anfangshenne untersucht.

Die Arbeitszeit je AH nimmt exponentiell mit der Zahl der eingestallten Tiere ab (Abbildung 3). Dieser Effekt war besonders bei Stallgrößen bis zirka 1.000 Hennen zu sehen. Ab 1.000 Hennen sank die investierte Arbeitszeit je Henne nicht mehr merklich. Nachdem gerade bei kleinen Beständen ein großer Einfluss festzustellen war, näherte sich die Arbeitszeit einem Plateauwert von 0,57 Stunden pro AH (95 % Vertrauensintervall: 0,37 bis 0,76).

Das heißt, dass es bei den hier untersuchten Betrieben auch bei Herden von 2.000 und mehr Tieren nicht machbar war, auf eine Arbeitszeit von im Mittel unter 0,57 Stunden je AH zu kommen. In den befragten Betrieben ist also eine Verringerung der Arbeitszeit bis zu etwa 34 min/AH zu erkennen, wobei eine weitere Vergrößerung der Herde keine weitere Reduktion der Arbeitszeit (bezogen auf die AH) mit sich bringen würde.

Zwischen der Arbeitszeit je Anfangshenne und der Nutzungsdauer der Herde (Mittelwert: 402,3 Tage, Minimum: 300 Tage, Maximum: 546 Tage) sowie zwischen der Herdengröße und der Nutzungsdauer der Herde konnte in den untersuchten Betrieben kein Zusammenhang nachgewiesen werden. Das heißt, der hier beobachtete Effekt ist nicht auf Unterschiede in der Nutzungsdauer zurückzuführen.

Fazit

Die Befragung insgesamt hat ergeben, dass die Mobilstallhalter und -halterinnen durchschnittlich etwa 40 min Gesamtarbeitszeit je Anfangshenne benötigen. Davon entfallen rund 17 % auf die Wegezeit, wobei Betriebe mit größeren Herden im Mobilstall weniger Arbeitszeit je Henne aufbringen mussten. Die Ergebnisse zeigen, dass es Arbeiten gibt, die grundsätzlich bei der Anschaffung eines Mobilstalles anfallen. Es kann sich aber aus arbeitswirtschaftlicher Sicht durchaus lohnen, eine größere Herde – und damit einen größeren Mobilstall – anzuschaffen, wobei eine Arbeitszeit von etwa 34 min je eingestalltem Tier aber mindestens veranschlagt werden sollte.

Um die eigene Arbeit möglichst effizient und arbeitswirtschaftlich gut zu gestalten, sollten zudem mehrere Arbeitsschritte zusammengefasst und verknüpft werden, um beispielsweise die durchschnittlich anfallende Wegstrecke auf ein Mindestmaß zu reduzieren. Auf diese Weise könnten Zeit und somit auch Kosten recht einfach gesenkt werden. Helfen könnten im Alltag eine Checkliste an der Hofstelle, um Verbrauchsmaterialien mit zum Mobilstall zu nehmen, und eine entsprechende Liste im Stall, um möglichst alle Arbeiten in einem Gang zu erledigen. Dies kann vor allem bei mehreren Mitarbeitern oder unterschiedlichen Zuständigkeiten für die Arbeiten am Mobilstall hilfreich sein.

Ungebremster Niedergang der deutschen Schweinehaltung

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Die Erzeugung von Schweinen und deren Fleisch ist im vergangenen Jahr in Deutschland so stark gesunken wie nie zuvor. Nach vorläufigen Daten des Statistischen Bundesamtes (Destatis) kamen 2022 nur noch 47,10 Millionen Schweine an die Haken der hiesigen Schlachtbetriebe; das waren 4,77 Millionen Stück oder 9,2 % weniger als im Vorjahr. Mitberücksichtigt sind in dieser Statistik auch die Hausschlachtungen. Weniger Tiere wurden im Bundesgebiet zuletzt 2004 verarbeitet. Innerhalb von nur fünf Jahren hat sich das Schlachtviehangebot um gut 11,3 Millionen Schweine oder fast ein Fünftel verringert.

Der Einbruch bei den Schlachtungen war 2022 ausschließlich auf das geringere Schweineangebot aus heimischen Ställen zurückzuführen. Dieses nahm im Vorjahresvergleich um 4,85 Millionen oder 9,6 % auf 45,87 Millionen Tiere ab. Die Zahl der hierzulande geschlachteten Schweine aus dem Ausland nahm dagegen erstmals seit längerem wieder zu, und zwar um 6,5 % auf 1,23 Millionen Stück. Die Landwirte lieferten im vergangenen Jahr ihre Tiere mit einem um rund 600 g auf 95,2 kg verringerten Schlachtgewicht an die Schlachtstätten, was den Produktionsrückgang zusätzlich verschärfte. Die Schweinefleischerzeugung verringerte sich gegenüber 2021 um 485.200 t oder 9,8 % auf knapp 4,49 Mio. t. Auch dies war das geringste Niveau seit 2004.

Die seit Längerem sinkenden Schweinebestände, geringere Ferkelimporte, stark gestiegene Betriebskosten, eine nachlassende Schweinefleischnachfrage, rückläufige Drittlandsexporte, Probleme mit Hofnachfolgern sowie zunehmende Auflagen und fehlenden Planungssicherheit durch die Politik sind laut Analysten wesentliche Faktoren für den Niedergang der hiesigen Schweineproduktion. Dieser war im vergangenen Jahr in allen Bundesländern zu spüren. Ausnahme war Sachsen, wo die Schweineschlachtungen auf geringem Niveau um 16,9% auf 217.580 zulegten. Mit 16,10 Millionen Tieren kamen die meisten Schweine in Nordrhein-Westfalen an die Haken; im Vorjahresvergleich war das ein unterdurchschnittliches Minus von 5,7 %. Dahinter folgte Niedersachsen mit 15,06 Millionen geschlachteter Schweine, was einen Rückgang von 10,8 % entsprach. AgE

Welchen Fußabdruck hat Milch?

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Klimaschutz ist in aller Munde, auch in der Milchwirtschaft. In einer aktuellen Umfrage unter deutschen Meiereien (n = 57) gaben 60 % an, sich bereits seit einiger Zeit mit der Bilanzierung von Treibhausgas (THG)-Emissionen zu beschäftigen. Dies gilt jedoch in erster Linie für die Verarbeitungsebene. Erst gut ein Drittel der befragten Meiereien bilanziert THG-Emissionen auch oder ausschließlich auf Milcherzeugerbetrieben. Dies wird sich jedoch ändern.

Gut 70 % (n = 38) der befragten Meiereien gaben Ende 2021 an, sich innerhalb der nächsten fünf Jahre mit der Erhebung von THG-Emissionen auf landwirtschaftlichen Betrieben auseinandersetzen zu wollen. Sie erwarten, dass der Druck vonseiten des Lebensmitteleinzelhandels und der Industriekunden diesbezüglich deutlich ansteigen wird und sehen auch, dass die Erhebung und Verbesserung des THG-Fußabdrucks für das Image der Branche in der Gesellschaft wichtig ist.

Dass die Einbeziehung der landwirtschaftlichen Betriebe in die Klimaschutzaktivitäten der Meiereien sinnvoll ist, zeigt sich vor allem auch darin, dass etwa drei Viertel der Emissionen in der Wertschöpfungskette Milch auf den Milchviehbetrieben direkt entstehen (Abbildung 1).

Weniger als 20 % der Emissionen entfallen im Durchschnitt auf die Verarbeitung der Milch in den Meiereien, der Rest der Emissionen fällt zu etwa gleichen Teilen im Handel oder beim Verbraucher an.

Große Varianzen beim Fußabdruck der Milch

Literaturwerte zeigen eine große Varianz des THG-Fußabdrucks, sowohl zwischen Ländern als auch innerhalb bestimmter Regionen und Produktionssysteme. Dafür gibt es mehrere Gründe:

a) die große Heterogenität der Milchviehbetriebe selbst und

b) die unterschiedliche zugrunde liegende Methodik in der Erfassung und Berechnung.

Große Vielfalt unter den Milchviehbetrieben

Wie groß die Varianz zwischen den Milchviehbetrieben ist, zeigen beispielhaft Untersuchungen der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL). Dort wurden knapp 100 bayerische Milchviehbetriebe mit der gleichen Methodik analysiert. Für den THG-Fußabdruck ergab sich eine Spannbreite zwischen 0,8 und 1,8 kg CO2eq/kg Milch. Die Analyse zeigt auch, dass sich kein eindeutiger Zusammenhang mit nur einem Produktionsparameter (beispielsweise der Milchleistung) herstellen lässt, sondern dass die Emissionsintensität je Kilogramm Milch im landwirtschaftlichen Betrieb von mehreren Faktoren beeinflusst wird. Dazu gehören neben der Art der Fütterung und Futterproduktion, inklusive Lager und Ausbringung von Gülle, auch Herdenleistungsparameter wie Tiergesundheit, Remontierungsrate, Milchleistung und weitere Aspekte.

• Unterschiede in der Methodik

Während alle THG-Fußabdruck-Berechnungen zunächst das gleiche Ziel verfolgen, unterscheiden sich die Methodiken jedoch im Detail und führen somit zu unterschiedlichen Ergebnissen. Wesentliche Unterschiede resultieren aus

a) den gesetzten Systemgrenzen (welche Treibhausgase aus der (Vor-)Kette werden berücksichtigt?)

b) den gewählten Allokationsfaktoren (wie werden die Emissionen auf die Nebenprodukte, zum Beispiel Fleisch, verteilt?) und

c) den gewählten funktionellen Einheiten (worauf bezieht sich mein Fußabdruck, zum Beispiel auf das Kilogramm energie- und fettkorrigierter Milch, das Kilogramm Milcherzeugnis oder auf die Nährstoffeinheit?).

Je nachdem welche ­Fragestellung beantwortet, welche Prozesse oder Produkte miteinander verglichen werden sollen, werden unterschiedliche methodische Ansätze gewählt. Wichtig ist, sich der Unterschiede und ihrer Wirkung auf die Ergebnisse bewusst zu sein, und sich bei der Auswahl an Standards zu orientieren (zum Beispiel BEK-Standard, IDF-Standard). Sollen Effekte innerhalb der Milchproduktion gemessen werden, sind die Emissionen pro Kilogramm Milch ausschlaggebend. Sollen hingegen verschiede Ernährungsweisen verglichen werden (zum Beispiel pflanzliche versus tierische Produkte), ist es sinnvoller, die Emissionen je Nährstoffeinheit zu betrachten.

Ein Fußabdruck macht noch keine Veränderung

Die Kenntnis des betrieblichen Fußabdrucks führt noch nicht automatisch zu einer Reduzierung der Emissionen. Dafür müssen Erkenntnisse über die zugrunde liegenden Managementmaßnahmen und Handlungsoptionen vorliegen.

Das QM-Nachhaltigkeitsmodul Milch liefert hier mit seinem umfassenden Nachhaltigkeitsmonitoring wichtige Informationen. In dem Branchentool wird kein eigener betrieblicher Fußabdruck berechnet, es werden aber die wichtigsten Managementmaßnahmen, die zu einer Reduzierung des Fußabdrucks beitragen können, auf den Betrieben erhoben.

Inzwischen liegen die Auswertungen von knapp 5.000 Milchviehbetrieben in Deutschland vor (Abbildung 2), und es zeigt sich, wo viele Milcherzeuger bereits einen Beitrag zum Klimaschutz leisten – beispielsweise mit dem Erhalt von Dauergrünland, der Erzeugung Erneuerbarer Energien und der Umsetzung von betrieblichen Energiesparmaßnahmen –, und auch, wo noch Optimierungsbedarf besteht – insbesondere im Bereich der Gülleausbringung und in der Nutzung extensiver Grünlandflächen.

Auch beproben zahlreiche Betriebe bisher weder ihr Grundfutter noch ihre Gülle auf Inhaltstoffe und verlassen sich hier zu sehr auf Standardwerte aus der Literatur. Die Ergebnisse aus dem QM-Nachhaltigkeitsmodul Milch können für Meiereien und Milcherzeuger eine gute Grundlage sein, gemeinsam über Klimaschutzmaßnahmen zu diskutieren, Minderungsmaßnahmen umzusetzen und die Erfolge zu dokumentieren.

Kräfte in der Branche bündeln

Aktuell arbeiten viele Meiereien an der Umsetzung von Klima-Pilotprojekten. Diese Initiativen sind sinnvoll und wichtig. Der Heterogenität der Milcherzeugung werden die Einzelprojekte jedoch nicht gerecht. Um die Betriebsleiterinnen und Betriebsleiter möglichst schnell mit Erkenntnissen aus diesen Leuchtturmbetrieben zu unterstützen und ihnen die Chance zu geben, einen Leuchtturmbetrieb zu finden, der zu ihren Gegebenheiten passt, wäre es sinnvoll, auch hier die Kräfte in der Branche zu bündeln und auf gemeinsamen Wissenstransfer zu setzen. Klimaschutz ist keine Aufgabe einzelner Betriebe oder Unternehmen, sondern eine Aufgabe der gesamten Branche.

Schwarz: „Jagd ist unverzichtbar“

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Den Jahresbericht zur biologischen Vielfalt in Schleswig-Holstein haben das Landwirtschaftsministerium (MLLEV) und das Umweltministerium (MEKUN) am Dienstag gemeinsam in Kiel vorgestellt.

Die ehemals als Jagd- und Artenschutzbericht bekannte Publikation enthält unter anderem folgende Schwerpunkte:

Das neue Lebensraumtypenprioritätenkonzept des Landes (Schutzgebietsoffensive) legt zusammen mit der Biotopkartierung den Fokus auf die prioritär erforderlichen Maßnahmen zur Umsetzung der Biodiversitätsziele der Europäischen Union.

Mit der „Artenkenneroffensive“ als Teil der Biodiversitätsstrategie bietet das Land Schleswig-Holstein zahlreiche Bildungsangebote zum Erhalt der biologischen Vielfalt an. Das Angebot umfasst Maßnahmen wie den „Senior-Naturbotschafter“ für Kindertagesstätten, „Draußen-Tage“ für pädagogische Fachkräfte mit besonderem Schwerpunkt Biodiversität, Angebots-Module zur Biodiversitäts-Projektwoche in der Sekundarstufe I zusammen mit dem IQSH und den Aufbau einer Lernwerkstatt Biodiversität.

Neue Daten sollen ermittelt und vorhandene Daten veröffentlicht und nutzbar gemacht werden. Beispiel ist die landesweite Biotopkartierung.

Der Bericht enthält außerdem Beiträge zum Brutvogelmonitoring, Bestandsentwicklungen von Gänsepopulationen, die Rote Liste der Brutvögel Schleswig-Holsteins, und Informationen zum Rotmilanprojekt.

Neben den statistischen Erhebungen zur Jagd gibt es zudem zwei Fachbeiträge aus diesem Bereich: Ein Artikel befasst sich mit dem Wild-Wald-Konflikt und zeigt Lösungswege auf, wie diesem zwischen Waldbesitzern und der Jägerschaft dialogorientiert begegnet werden kann. Ein anderer Bericht befasst sich mit verschiedenen Fragestellungen rund um das Rotwild. Um einer genetischen Verarmung entgegenzuwirken, kommt der sinnvollen und realisierbaren Wiedervernetzung von Lebensräumen eine besondere Bedeutung zu.

Landwirtschaftsminister Werner Schwarz (CDU) zeigte sich vom steigenden Interesse für die Jagd erfreut. Mit rund 22.000 Jagdscheininhabern gehöre Schleswig-Holstein bundesweit zur Spitzengruppe. „Als Forst- und Jagdminister begrüße ich es, dass sich auch immer mehr junge Menschen für diese anspruchsvolle Ausbildung begeistern können und somit einen wichtigen Beitrag zur Bewahrung der biologischen Vielfalt und des Naturhaushaltes leisten“, betonte Schwarz. Zum Schutz der Wälder und unserer Kulturlandschaften und damit zum Erhalt unserer Artenvielfalt sei die Jagd unverzichtbar. Neben der Afrikanischen Schweinepest (ASP) stelle auch die Geflügelpest eine Gefährdung dar, die aktuell viel Aufmerksamkeit fordert und die Jagd beeinflusse.

„Klima- und Artenkrise hängen untrennbar miteinander zusammen“, erklärte Umweltminister Tobias Goldschmidt (Grüne). Der Jahresbericht lege schonungslos offen, wie in Folge von Hochwasserereignissen ganze Brutstätten von schützenwerten Vogelarten weggespült würden. Nahrungsketten junger Seeschwalben würden empfindlich gestört, da sie aufgrund klimatischer Veränderungen kaum noch Fische fänden, zeigte sich Goldschmidt besorgt. MLLEV/MEKUN

Der komplette Bericht

Tierhaltungsumbau: Borchert verliert die Geduld

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Jochen Borchert redet Klartext. Drei Jahre nachdem die von ihm geleitete Kommission ihre Vorschläge für einen Umbau der Tierhaltung in Deutschland vorgelegt habe, fehle noch immer eine klare Orientierung, wohin die Reise geht, sagt der frühere Minister im Gespräch mit dem Pressedienst Agra-Europe. Er wirft der Politik Scheinheiligkeit vor. Sie berufe sich auf die Empfehlungen des Kompetenznetzwerks, setze sie aber allenfalls in Bruchstücken um.

Deutliche Kritik übt der Vorsitzende an Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne). Auch bei ihm gebe es „eine Lücke zwischen anerkennenden Worten und politischen Taten“. Die Vorlagen aus seinem Haus seien „völlig unzureichend“. Offenbar gebe es nach wie vor Blockaden in den Ampelfraktionen, über die sich der Minister nicht hinwegsetzen könne.

Borchert wirft einem Teil der Koalition vor, sie wolle einen Abbau der Tierhaltung statt deren Umbau. Angesichts des gegenwärtigen „dramatischen Ausstiegs“ von Schweinehaltern sei dies „ein völlig verkehrter Ansatz“. Kein Verständnis hat der ehemalige Bundeslandwirtschaftsminister für die Erwartung, dass sich mehr Tierwohl allein über den Markt erreichen lässt.

Borchert schließt nicht aus, dass die Kommission ihre Arbeit wieder aufnehmen wird. Voraussetzung seien allerdings praktikable Vorschläge, mit denen eine Transformation der Nutztierhaltung tatsächlich durchzuführen sei. Entscheidend seien staatliche Tierwohlprämien, die vertraglich abgesichert sind, 20 Jahre laufen und die höheren Kosten zu 90 % bis 100 % ausgleichen. Zur Finanzierung hält der frühere Haushaltspolitiker eine Mehrwertsteuerlösung für den praktikabelsten Weg.

Das Kompetenznetzwerk werde mit seiner Entscheidung zur Fortsetzung seiner Tätigkeit nicht bis zum Sankt Nimmerleinstag warten, betont Borchert: „Irgendwann wird sich die Frage stellen, ob es noch Sinn macht, an dem Projekt weiterzuarbeiten, wenn die Möglichkeiten zur Umsetzung in dieser Legislaturperiode von Monat zu Monat geringer werden“. Ob er selbst an Bord bleibe, werde von den Rahmenbedingungen abhängen: „Ich habe wenig Lust, wie in den letzten Monaten immer wieder die Empfehlungen zu vertreten und zu hören, dass wir tolle Vorschläge vorgelegt haben, aber politisch passiert nichts.“ AgE

Jochen Borchert. Foto: rq

Orgelbau kann starten

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„Das ist ein großer Tag für uns, ein Meilenstein in der Geschichte der Marienkirche“, begrüßte Dr. Kirsten Geißler vom Vorstandsteam des Fördervereins Marienkirche in Bad Segeberg die Gäste, die sich zur feierlichen Unterzeichnung des Orgelbauvertrages in St. Marien versammelt hatten. Der 2016 gegründete Verein hat es in sechs Jahren geschafft, die Sanierung der Segeberger Marienkirche und den Neubau der Orgel im Gesamtvolumen von rund 3 Mio. € zu sichern.

Zunächst mussten in der Kirche in zwei Bauabschnitten Mauerwerksprobleme und Feuchtigkeitsschäden beseitigt werden, auch das Gestühl wurde erneuert, sodass es wieder einen Mittelgang gibt, die Elektrik war desolat und auch an manchem anderen hatte der Zahn der Zeit in den vergangenen 800 Jahren bös genagt.

Erst nach diesen Vorbereitungen konnte man an eine neue Orgel denken, denn das alte Exemplar stammte ursprünglich aus dem 19. Jahrhundert und war dann in den 1920er und 1930er Jahren mit zusammengesuchten Teilen aus zwei anderen Orgeln mehr schlecht als recht repariert worden. Schon vor Jahren war sie unspielbar und ist daher abmontiert worden, die beiden Kirchenmusiker Andreas Maurer-Büntjen und Fabio Paiano mussten sich seitdem mit einer mobilen Kleinorgel begnügen. Nachdem im Mai 2022 durch den fundierten Förderantrag EU-Geldmittel in Höhe von 799.523,05 € über die AktivRegion Holsteins Herz zugesagt wurden und im November letzten Jahres weitere 120.000 € für die Sanierung des Turmraumes aus dem Kulturmittelfonds der Bundesregierung dazukamen, konnte die europaweite Ausschreibung für eine neue Orgel mit etlichen Besichtigungsreisen zu Referenzobjekten fortgesetzt werden. „Wir haben uns gefühlt wie eine Frau im Schuhladen“, findet Kirsten Geißler. In Konstanz fand man dann eine Winterhalter-Orgel, die unter ähnlichen Bedingungen wie in Bad Segeberg eingebaut war. „Das wäre toll, wenn wir so etwas bekommen könnten“, meinte Kirsten Geißler und Andreas Maurer-Büntje ergänzte: „Ich habe schon auf vielen Orgeln gespielt, aber das war einfach die Stradivari unter den Orgeln.“

Kirchenmusikdirektor Andreas Maurer-Büntjen (li.) und Claudius Winterhalter zeigen, wie die fertig gebaute Orgel einmal aussehen soll. 2025 könnten die ersten Töne erklingen.

Claudius Winterhalter aus dem Dorf Oberharmersbach im Schwarzwald hatte den Orgelbaubetrieb 1980 von seinem Vater Franz übernommen und seitdem mit seinen rund zehn Mitarbeitern 100 Orgeln neu gebaut und weitere 50 renoviert. Er setzt auf Traditionelles, benutzt aber auch Karbon-Stäbe und andere Hightech-Materialien. Wie auch Hans-Martin Petersen, Kirchenmusikdirektor und Orgelsachverständiger der Nordkirche, erklärte, arbeitet er an jeder Einzelnen der 3.278 Orgelpfeifen so lange, bis es einen tollen Gesamtklang ergibt. Mit vier Monaten Planungszeit für die Segeberger Orgel rechnet Winterhalter, zumal die Orgel nicht wie üblich vor einer Rückwand steht, sondern von vorn und hinten betrachtet werden kann. So müssten dann die Pfeifen ganz anders ausgerichtet werden als normalerweise. Auch plant er für die höheren Töne liegende statt stehender Pfeifen, alle aus verschiedenen Zinn-Blei-Gemischen einzeln gegossen und gewalzt. Für die großen, bis zu 7 m langen Basspfeifen verwendet er 20 Jahre lang abgelagertes Eichenholz. „Das ist auch ein regionaler Unterschied“, erklärt er, „im Norden verwendet man traditionell Eiche, im Süden Deutschlands eher Kiefer dafür.“

Er findet, dass die Marienkirche hervorragende Voraussetzungen durch die Montage auf einer Art Emporenbrücke im Kirchenschiff bietet, und freut sich schon auf das Einweihungskonzert. „Die alte Orgel wog rund 17 Tonnen, meine neue wird mit rund zehn Tonnen etwas leichter“, schätzt er. Lieferprobleme zum Beispiel durch den Ukraine-Krieg sieht er nicht, er könne sich auf langfristige Lieferanten verlassen. – Nur der Preis für das Eichenholz hat sich im letzten Jahr verdoppelt. Gedanken macht er sich noch über die Bekrönung des Pfeifenfeldes auf beiden Seiten der Orgel. Traditionell wird über den Pfeifen ein goldfarbenes Schmuckornament angebracht. Hier denkt er an vier Metallbögen, die in unterschiedlichen Höhen den Namen „Bach“ symbolisieren. Erkennbar wohl nur dem, der Noten lesen kann.

Wie Kirsten Geißler nach der Unterschrift unter den Orgelbauvertrag erläuterte, wird nun unmittelbar nach Ostern mit dem Bau begonnen. Die Eingangshalle wird freigelegt, dadurch ein freier Blick vom Haupteingang nach oben geschaffen, im Kirchenschiff dahinter eine Brücke eingebaut, auf der dann später die Orgel stehen wird. Mit dem Einweihungskonzert rechnet man derzeit für das Osterfest 2025. Auch dafür hat Kirchenmusikdirektor Andreas Maurer-Büntjen schon Ideen: „Wir wollen nicht auswürfeln, wer von uns das erste öffentliche Konzert auf der Orgel geben darf, sondern eine Veranstaltung machen, auf der jeder nacheinander die Möglichkeiten der neuen Orgel präsentiert.“ So würde Fabio Paiano möglicherweise Popularmusik bieten, er selbst eher Bach spielen. „Ich freue mich schon auf dieses Einweihungskonzert“, sagte Orgelbauer Claudius Winterhalter, denn er findet es mit knapp 70 Jahren immer noch toll, wenn die Ergebnisse seiner Arbeit für viele Jahrzehnte die Zuhörer begeistern. 

Meisterin des feinen Porzellans

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„Porzellan ist mehr als nur ein Material. Porzellan ist Leidenschaft“, sagt Diplom-Designerin Daniela Abendroth. In ihrer kleinen Porzellanmanufaktur im Herzen Kiels entstehen nach eigenem Design in liebevoller Handarbeit Schmuckstücke, Wohnaccessoires und Geschirr aus lichtdurchlässigem, dünnwandigem Porzellan. Handwerkskunst, die nicht nur schön aussieht, sondern auch alltagstauglich ist.

In ihrer Werkstatt stehen an diesem Sonnabendmorgen diverse Utensilien auf dem Tisch bereit: drei Drehscheiben, drei Gipsformen, drei Stoppuhren. „Heute möchte ich weiße Mini-Vasen und Ringschälchen gießen“, verrät die gebürtige Berlinerin. In einem Bottich hat sie dafür aus Wasser und Porzellanpulver, das aus Kaolin, Feldspat und Quarz besteht, eine Gießmasse angerührt und anschließend durchgesiebt. „Damit die Masse so cremig und fein wie möglich wird“, bemerkt sie. In ihre selbst gefertigten Gipsformen gießt sie nun die Flüssigkeit hinein. Sie stellt die Stoppuhren an und wartet 4 min, bis die Masse anzieht, um danach zügig den Überschuss in einen Eimer zurückzugießen. Nach etwas mehr als einer Stunde öffnet sie behutsam die zweiteiligen Formen, die sie zuvor mit einem Gummiband fixiert hatte. Heraus kommen drei weiche Vasen-Rohlinge. Daniela Abendroth stellt sie vorsichtig für einige Tage zum Trocknen auf ein Regal. Später wird sie die Gießnähte versäubern und die Werkstücke für den Schrühbrand bei 920 °C in den Brennofen stellen. „In diesem ersten Brand werden aus den getrockneten Formlingen Restfeuchte, kristallgebundenes Wasser sowie organische Bestandteile gelöst und verbrannt. Hierdurch verfestigen sie sich und verwandeln sich in einen stabileren Zustand, in sogenannte Scherben“, erklärt sie.

Die angerührte Porzellanmasse gießt Daniela Abend­roth in die bereitgestellten Vasenformen.

Ist der Schrühbrand beendet und die Werkstücke sind ausgekühlt, erhalten sie eine transparente Glasur. Im nun folgenden Glattbrand bei 1.280 °C schmilzt diese auf den Scherben aus und bildet eine glasartige Oberfläche. Nach dem Brennen werden die Vasen 15 % ihrer Masse verloren haben und deshalb kleiner als der ursprüngliche Rohling sein. Ist der insgesamt mehrtägige Brennprozess abgeschlossen, schleift und glättet Daniela Abendroth in einem letzten Arbeitsschritt die Vasenböden. Fertig! Da sie keine Massenware produziert, sollten Kunden einige Wochen Wartezeit für ein individuell angefertigtes Stück einplanen. Dafür wird es mit viel Liebe, Herz und Perfektion hergestellt. „Geradlinig, reduziert in der Formensprache, zeitlos, skandinavisch, funktional“, so bezeichnet die 39-Jährige ihren unverwechselbaren Stil, für den sie 2009 mit dem Lilienthal-Designförderpreis ausgezeichnet wurde. Dies ist ein Förderpreis des Landes Mecklenburg-Vorpommern, der Hochschule Wismar und des DesignZentrums Mecklenburg-Vorpommern für Absolventen des Fachbereichs Design.

Neben weißem Porzellan stellt die Mutter einer Tochter auch farbiges in Pastelltönen her oder kombiniert weißes mit farbigem Porzellan. Dazu gibt sie Farbpigmente in die Gießmasse. Die gängigen Farben Lila, Gelb, Koralle, Rosa oder Türkis stehen stets fertig angerührt bereit. Gestaltet sie ein Windlicht, ein Leuchtobjekt oder eine Schale, legt sie am weichen Rohling gern einen zusätzlichen Arbeitsgang ein: Mit Bohrern, Skalpellen, Nadeln, Besteck aus der Patisserie und Pinzetten schneidet oder ritzt sie filigrane Muster hinein. Namen, Sprüche, Hochzeits- oder Geburtstagsdaten kann sie auf Wunsch ebenfalls daraufstempeln und so ganz persönliche Erinnerungsstücke schaffen.

Nach zirka einer Stunde kann die Künstlerin die Formen öffnen und die weichen Rohlinge entnehmen.

„Ich entwickle mich jeden Tag weiter und versuche, das Material Porzellan immer wieder neu zu entdecken und herauszufordern. Es ist ein Teil von mir, mein Leben“, so die Künstlerin. Wenn es die Zeit erlaubt, experimentiert sie und formt Skulpturen nach eigenem Entwurf. Eine Auswahl ist im Schaufenster in Szene gesetzt. Wie sie zum Porzellan kam? Daniela Abendroth lächelt verschmitzt: „Das war Liebe auf den ersten Blick!“ Und die begann nach dem Abitur während ihres Produktdesignstudiums in Wismar. „Da absolvierte ich ein Praktikum bei einer Porzellandesignerin und ein Praxissemester in einer Wiener Porzellanmanufaktur. Ich wusste sofort: Einzigartige Dinge aus Porzellan zu kreieren, das ist es, was ich machen will.“ Nach dem Diplom 2009 schrieb sie zwei Jahre später an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle ihre Master-Thesis. Anschließend zog sie nach Kiel um – der Liebe wegen. Ihr Partner Hannes, Leistungssportler im Segeln und Schiffsbauingenieur, lebte schon dort. „2011 machte ich mich als Designerin selbstständig und gründete mein eigenes Label ‚abendroth-porzellan‘. 2012 kam unsere Tochter Matilda zur Welt“, so Daniela Abend­roth. In der Werkstatt im Knooper Weg 109 ist sie seit sechs Jahren. Hier können Besucher der Künstlerin bei der Arbeit über die Schulter schauen und im angeschlossenen Lädchen stöbern. Interessierte, die selbst kreativ werden wollen, lernen unter ihrer Anleitung in Workshops das Gießen von Gefäßen oder das Gestalten eines Schmuckanhängers. „Bei all meinen Aktivitäten ist es praktisch, dass wir über der Werkstatt unsere Wohnung haben. So sind die Wege kurz, und ich kann Beruf und Familie gut miteinander vereinbaren“, freut sie sich. Beim Werkstattrundgang merkt die Künstlerin beiläufig an, dass sie eine Fachbibliothek rund ums Porzellan besitze, aus der sie immer wieder Inspiration und Wissen ziehe. Spontan taucht sie in die spannende Historie des weißen Goldes ein, wie das Material auch genannt wird. „Porzellan wurde erstmals im Jahr 620 in China hergestellt. Doch die Hersteller hielten die Materialzusammensetzung und die Herstellungsmethode geheim“, weiß sie zu berichten.

Daniela Abendroth verziert ihre Werkstücke gern mit filigranen Mustern. Dafür nutzt sie unterschiedliche Bohrer und Skalpelle.

Erst um 1300 fand das chinesische Porzellan durch den Weltreisenden, Händler und Abenteurer Marco Polo (1254-1324) seinen Weg nach Europa. Ab dem 17. Jahrhundert – einige Quellen nennen schon das 16. Jahrhundert – wurde es in größeren Stückzahlen über See- und Handelswege nach Europa importiert. Hier erfreute es sich besonders in Königs- und Fürstenhäusern großer Beliebtheit. Es avancierte zum teuren Statussymbol.

Doch wie man es herstellte, blieb weiterhin ein Mysterium. Dann kam August der Starke (1670-1733), sächsischer Kurfürst und polnischer König. Er war ein großer Porzellanliebhaber und beauftragte den Alchimisten Johann Friedrich Böttger und den Naturforscher und Physiker Ehrenfried Walther von Tschirnhaus, Licht ins Dunkel zu bringen. Ihnen wurden der Bergrat Gottfried Pabst von Ohain und fachkundige Berg- und Hüttenleute zur Seite gestellt. Nach unzähligen Versuchsreihen gelang es den Männern tatsächlich, das Herstellungsgeheimnis zu entschlüsseln und das Porzellan quasi zum zweiten Mal zu erfinden. Sie stellten 1708 den ersten Gegenstand aus weißem Porzellan auf der Albrechtsburg in Meißen her. Diese gilt heute als die Geburtsstätte des europäischen Porzellans. 1710 wurde hier zudem die erste deutsche Produktionsstätte unter dem Namen „Königlich-Polnische und Kurfürstlich-Sächsische Porzellan-Manufaktur“ gegründet. Meißen! Bis heute assoziiert man in aller Welt diesen Ort im Freistaat Sachsen mit kostbarem und schönem Porzellan.

Auch wenn einige Menschen meinen, das einstige Statussymbol habe mittlerweile ein angestaubtes Image und merklich an Strahlkraft eingebüßt, hält Daniela Abendroth voller Überzeugung dagegen. Über die Jahre hinweg hat sie sich einen treuen Kundenstamm aufgebaut, der den Wert ihrer handgefertigten Produkte im modernen Design zu erkennen und zu schätzen weiß. „Aber meine Kunden entscheiden sich meist nicht mehr für ein komplettes Porzellangeschirr für zwölf Personen, sondern bringen lieber mit ein, zwei ausdrucksstarken Vasen, Bechern und Kerzenhaltern frischen Wind auf den Tisch, oder sie gönnen sich ein besonderes Einzelstück“, beobachtet sie. Auch weiterhin wird die Designerin deshalb mit Freude in ihrer Werkstatt stehen und feine Dinge kreieren, um die Faszination des weißen Goldes in viele Wohnräume zu bringen. Weitere Infos unter abendroth-
porzellan.de

Die fertigen Stücke sind vielseitig im Haushalt einsetzbar und sehen dabei auch noch hübsch und dekorativ aus. 

Teresa Bücker zu Gast in Nordfriesland

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Zu einer digitalen Lesung ist die Journalistin, Autorin und Bloggerin Teresa Bücker am Donnerstag, 9. Februar, um 19 Uhr in Nordfriesland zu Gast. Bücker schreibt aus einer feministischen Perspektive zu gesellschaftlichen Themen der Gegenwart und wird ihr neues Buch „Alle Zeit“ vorstellen. „Menschen sind unterschiedlich zeitarm und unterschiedlich zeitsouverän, und das nicht zufällig, sondern als Ergebnis gesellschaftlicher Machtstrukturen. Zeitgerechtigkeit ist keine Luxusfrage, sondern eine Frage demokratischer Rechte. Zeitgerechtigkeit kann das Leben vieler Menschen verbessern und unsere Gesellschaft krisenfester, solidarischer und freier machen. Sie legt den Grundstein für eine Politik, die den Planeten erhalten kann“, schreibt Teresa Bücker im Vorwort ihres neuen Buchs. Angeboten wird die Veranstaltung vom KreislandFrauenverband Nordfriesland in Kooperation mit den Gleichstellungsbeauftragten der Ämter Südtondern und Mittleres Nordfriesland sowie der Stadt Husum. Anmeldung bis 6. Februar im Sekretariat des Christian-Jensen-Kollegs, Tel.: 0 46 71-602 99 20.

„In jeden Vorstand gehört eine Frau“

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Unternehmerinnen in der Landwirtschaft sollen in den Gremien der berufsständischen Vertretungen künftig noch präsenter werden. „In jeden Vorstand, in jedes Gremium gehört mindestens eine Frau“, betonte die Vizepräsidentin des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Susanne Schulze ­Bockeloh, beim Unternehmerinnenforum des DBV auf der Internationalen Grünen Woche.

„Bilder von Vorständen, die nur aus Herren bestehen, sind Bilder von gestern“, sagte Susanne Schulze Bockeloh, DBV-Vizepräsidentin und Vorsitzende des DBV-Unternehmerinnenausschusses. In einigen Landesbauernverbänden gebe es mittlerweile ebenfalls Fachausschüsse für Unternehmerinnen, aber dies sei noch nicht durchgängig. Jeder könne einen Gründungsantrag für einen solchen Fachausschuss stellen. Wer heute keinen Fachausschuss für Frauen gründe, sei nach den Worten von Schulze Bockeloh „für die Zukunft nicht da“.

DBV-Präsident Joachim Rukwied bekräftigte den Wunsch, dass weitere Landesverbände Fachausschüsse für Unternehmerinnen gründen sollten. Die Landwirtschaft werde weiblicher, und die Expertise der Frauen müsse in den Verbänden stärker eingebracht werden, argumentierte Rukwied. Er hatte sich bereits früher dafür eingesetzt, den Bauernverband „jünger und weiblicher“ zu machen, und gilt als Treiber für die Einrichtung des neuen Fachausschusses.

Die frauenpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Nicole Bauer, betonte, es müsse selbstverständlich werden, dass Männer und Frauen gemeinsam im Verband Verantwortung übernähmen. Der DBV-Fachausschuss Unternehmerinnen in der Landwirtschaft ist im Mai 2022 gegründet worden. Schulze Bockeloh fasste die drei Hauptaufgaben zusammen: „Das Netzwerk untereinander ausbauen, Frauen zu stärken und ihre agrarpolitischen Themen voranzubringen.“ age