Die Erstversorgung des Kalbs unmittelbar nach der Geburt ist entscheidend, um vor allem die rechtzeitige Aufnahme von ausreichend hochwertigem Kolostrum (Biestmilch) sicherzustellen. Geschieht dies zu spät, sind die Kälber nicht ausreichend mit Immunglobulinen (Antikörper) geschützt und die Wahrscheinlichkeit einer Infektionskrankheit steigt. Digitale Technik wie ein Abkalbesensor kann hier ein wertvoller Helfer sein, wie der folgende Artikel unserer Digitalisierungsserie beschreibt.
Wann kalbt die Kuh? Der errechnete Geburtstermin ist nur ein Anhaltspunkt, da Schwankungen um sechs Tage vor und zurück nicht unüblich sind. Arbeitstechnisch ist es unmöglich, innerhalb dieses Zeitraums durchgehend die hochträchtige Kuh zu betreuen. Mithilfe des Schwanzsensors Moocall lassen sich Kalbungen vorhersagen. Der Betrieb Lohse aus Hennstedt im Kreis Steinburg testet den Abkalbemelder, um zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort zu sein.
Die Erstversorgung ist entscheidend
Mindestens 3 l Biestmilch innerhalb der ersten drei Lebensstunden – der Leitsatz zur Kälbererstversorgung bleibt aufgrund des Plazentatyps der Wiederkäuer entscheidend. Während bei Menschen die Nachkommen bereits während der Schwangerschaft über die Plazenta passiv immunisiert werden, ist dies unter anderem bei Wiederkäuern nicht möglich, da dort der mütterliche Blutkreislauf vollständig vom Blutkreislauf des Nachkommens getrennt ist.
Immunglobuline können bei Kühen lediglich über die Biestmilch transferiert werden. Hierfür ist die Darmwand der Kälber nach der Geburt 24 Stunden für Immunglobuline passierbar. Allerdings nimmt der Anteil der aufnehmbaren Antikörper bereits während der ersten 24 Stunden stark ab. Schon sechs Stunden nach der Geburt können nur noch 50 % der Immunglobuline die Darmwand passieren. Folglich ist nicht nur die Menge der verabreichten Biestmilch, sondern auch der Zeitpunkt der Verabreichung maßgeblich.
Eine schlechte Biestmilchversorgung erhöht die Sterberate der Kälber um mehr als 35 %. Außerdem verschlechtern auch kleinere Infektionen im Kalbesalter die spätere Milchleistung und Nutzungsdauer merklich. So kann die Milchleistung in der ersten Laktation bei ehemals an Durchfall erkrankten Kälbern im Vergleich zu gesunden Kälbern um 344 kg niedriger sein. Sofern eine Durchfallerkrankung aufgrund des geschwächten Immunsystems gemeinsam mit einer Atemwegserkrankung auftritt, kann die Milchleistung in der ersten Laktation sogar um 480 kg zurückgehen.
Familienbetrieb Lohse testet die Technik
Auf dem Familienbetrieb Lohse in Hennstedt wird die menschliche Tierkontrolle zurzeit durch SenseHub-Halsbandsensoren von Allflex unterstützt. Die Halsbänder werden umschichtig zwei Wochen vor dem errechneten Abkalbetermin bis zur positiven Trächtigkeitsuntersuchung umgehängt. Betriebsleiter Jan Lohse schätzt insbesondere die Auswertungen der Wiederkauaktivität. Dies ermöglicht ihm, die Kuh in den Tagen nach der Geburt optimal zu überwachen und typische Stoffwechselerkrankungen wie Milchfieber oder Ketose vorzeitig zu erkennen.
Im Bereich der Kalbeüberwachung wünscht sich der technikbegeisterte Milchviehalter aber genauere Informationen. Das SenseHub-System warnt bei zu langen Geburtsvorgängen, die beispielsweise auf einer von der Vorderendlage abweichenden Kälberposition beruhen. Wenn die Kalbung jedoch reibungslos verläuft, bleibt eine Meldung aus. Gefahren wie Atemnot durch Verschleimung von Nase und Maul oder eine zu späte Biestmilchversorgung bleiben außerhalb der morgendlichen und abendlichen Tierkontrollen groß.
„Bei gut versorgten Kälbern merkt man keinen Unterschied. Ist aber ein Kalb zum Beispiel aufgrund längerer Wartezeit auf das Kolostrum schlechter versorgt, bewirkt das in den kommenden Wochen eine deutlich höhere Krankheitsanfälligkeit. Das Kalb läuft einfach nicht so gut durch“, teilt Lohse seine Erfahrungen. Er tränkt – wenn möglich – 4 l Kolostrum. Durch den Einbau seines DeLaval-Melkroboters ist er nicht mehr an die Melkzeiten gebunden oder muss Kolostrum auftauen.
Der Betrieb Lohse bewirtschaftet neben der Milchviehhaltung 160 ha Ackerland und 40 ha Grünland mit einer 250-kW-Biogasanlage. Um insbesondere auch in den Arbeitsspitzen der Außenwirtschaft Kalbungen zwischen den Stallzeiten rechtzeitig begleiten zu können, testet der Betriebsleiter mit BeSt-SH den Abkalbemelder Moocall.
Wie funktioniert der Schwanzsensor Moocall?
Der Abkalbemelder von Moocall ist ein Schwanzsensor mit integriertem Lagesensor. Ähnlich wie ein Smartphone ein Drehen des Bildschirms durch einen Lagesensor erkennt, erfasst Moocall die Ausrichtung des Kuhschwanzes. Das physiologische Wegheben des Schwanzes mit Eintritt der Geburt löst einen Alarm aus.
Die Warnmeldungen können sowohl per SMS und Push-Nachricht per App an zwei Handynummern versandt werden als auch per E-Mail an bis zu drei Konten. Die Alarmmeldungen setzen sich zusammen aus einer ersten Meldung, nachdem eine starke Aktivität in der vorigen Stunde erkannt wurde, und einer zweiten Meldung, wenn die starke Aktivität bereits zwei Stunden anhält. Laut Herstellerangaben ereignet sich eine Stunde nach der zweiten Warnmeldung die Geburt.
Die Alarmmeldungen werden per SMS oder E-Mail an den Landwirt versandt. Foto: Ruben Soth
Des Weiteren sendet der Sensor Warnmeldungen bei zu niedrigerem Batterieladestand (ab 15 %) und wenn der Sensor vom Kuhschwanz gerutscht ist. Die Kommunikation erfolgt über Mobilfunk. Hierfür besitzt der Moocallsensor eine integrierte SIM-Karte, sodass keine Internetverbindung benötigt wird.
Der Schwanzsensor ist auf Höhe der Scheide anzubringen. Die Fixierung erfolgt über ein Ratschensystem. Damit es nicht zu Druckstellen am Kuhschwanz kommt, ummantelt der Sensor den Schwanz mit einer Gummierung. Trotz alledem muss der Sensor dem Muttertier behutsam angezogen werden, sodass es nicht zu Abschnürungen kommt. Moocall kann drei Tage vor dem errechneten Geburtstermin angebracht werden.
Der Sensor wird per Druckknopf angeschaltet und leuchtet in einem Farbcode abhängig vom Sensorzustand (Akkuladestand, eingeschaltet/ausgeschaltet, Abkalbung im Vorgang). Zusätzlich zum Farbcode und den SMS-Warnmeldungen können alle relevanten Vorgänge in der kostenfreien App verfolgt werden. Die Akkuladung hält laut Hersteller 30 Tage. Anschließend kann der Sensor per USB-mini-Anschluss aufgeladen werden (das Ladekabel wird mitgeliefert).
Zur Reinigung des Sensors kann die rote Gummierung entfernt und gewaschen werden. Der Sensor darf nur mit Bürste und feuchtem Tuch gesäubert werden. Moocall wird in Deutschland von Kerbl vertrieben.
Die Kosten belaufen sich auf 329,00 € (inklusive Mehrwertsteuer). Datentarife und Servicegebühren für die Kommunikation sind inbegriffen. Ab dem dritten Jahr fällt eine jährliche Servicegebühr von 150,00 € an.
Weitere marktverfügbare Abkalbemelder sind beispielsweise der Patura-Schwanzsensor und die iVet-Vaginalspange mit integriertem Thermometer. Darüber hinaus besitzen viele Aktivitätsmesssysteme ebenso eine Anwendung zur Abkalbeerkennung – zum Beispiel die Pansenboli von smaXtec, die Halsbandsensoren von Medria oder die Fußsensoren Bayern Watch von Bayern Genetik. Diese Systeme bieten einen deutlich breiteren Funktionsumfang als reine Abkalbemelder, sind dafür jedoch mit einem entsprechend größeren Investitionsvolumen verbunden.
Erfahrungen des Praktikers mit dem Verfahren
„Dass der zeitliche Abstand zwischen der zweiten Alarmmeldung und der tatsächlichen Kalbung so gut passt, hätte ich nicht erwartet“, schildert Betriebsleiter Jan Lohse seine ersten Eindrücke. Laut Herstellerangaben kommt das Kalb eine Stunde nach der zweiten Meldung. Auf dem Hof Lohse kam das Kalb etwa eine Stunde und 10 min nach der Handyalarmmeldung.
Jan Lohse kann sich einen langfristigen Einsatz des Moocall-Sensors sehr gut vorstellen: „Ich weiß, wann die Geburt beginnt, und kann frühzeitig kontrollieren, ob es sich um eine Schwergeburt handelt. Durch die genaue Vorhersage kann ich dann das neugeborene Kalb schnell ausreichend mit Kolostrum versorgen.“
Die Technik ist sehr simpel einzustellen und zu bedienen. Lediglich das Umschnallen des Sensors am Kuhschwanz bedarf einiger Übung. Ist der Sensor zu fest geschnallt, kommt es zu Druckstellen. Bei den ersten Anwendungen ist es daher ratsam, in kürzeren Abständen zu kontrollieren, ob die Stärke der Fixierung passend ist. Bei der ersten Kuh waren zwei Stunden nach dem Anbringen von Moocall Abdrücke der Lamellen der Gummierung sichtbar. Nachdem der Sensor lockerer geschnallt war, ergaben sich keine weiteren Druck- oder Abschnürungsprobleme.
„Man muss beim Umschnallen feinfühlig sein. Ich denke, das wird sich aber mit der Zeit auch einspielen“, sagt Lohse. Als der Sensor zu locker befestigt war, rutschte Moocall bis zum Schwanzende und hielt sich lediglich an Verkotungen des Schwanzes. Daraufhin gab es eine Kalbewarnmeldung mit einer erhöhten Aktivität. Die zweite Warnmeldung blieb jedoch aus, sodass sich eine Falschmeldung daraus erschließen ließ. Bei der Tierkontrolle konnte der Sensor wieder neu angelegt werden.
Zum Test der Verlustmeldung wurde der Sensor bewusst abgestreift und in die Kalbebox gelegt. Es erfolgte eine Warnmeldung, dass der Sensor sich nicht mehr am Schwanz befindet. Leider kam diese Nachricht erst mit knapp zwei Stunden Zeitverzug. Zum Anlegen fixierte der Landwirt die Kühe im Fressgitter. „So gerne mögen die Kühe sich nicht an den Schwanz fassen lassen. Da ist es am einfachsten, wenn drei Tiere gemeinsam am Fressgitter fixiert werden. Dann ist es kein Problem.“
Jan Lohse könnte sich den Abkalbesensor sehr gut in Kombination mit einer Stallkamera im Abkalbebereich vorstellen. So hätte er auch vom Feld aus die Möglichkeit, bei einer Moocall-Warnmeldung sich zunächst über die Kamera einen ersten Eindruck zu verschaffen. „Die Kälber muss man in Watte packen, dann werden das auch großartige Kühe“, fasst Jan Lohse zusammen.
Fazit
Der Moocall-Abkalbemelder ermöglicht es, zeitgenaue Vorhersagen von Kalbungen direkt auf das Handy oder per E-Mail zu erhalten. Dadurch lassen sich Schwergeburten früher erkennen und die Erstversorgung zeitnäher durchführen. Ein Einsatz ist neben der Stallhaltung auch bei Weidekalbungen denkbar, wo der Aufwand einer visuellen Tierkontrolle besonders hoch ist. Moocall kann auch bei Kälbern aus Embryonentransfer, für die eine hohe züchterische und ökonomische Vorleistung erbracht wurde, hilfreich sein, um sich gegen Gefahren rund um die Geburt abzusichern.
Anwender und Firmen, die an kostenfreien Systemtests digitaler Techniken aus der Tierhaltung und dem Ackerbau interessiert sind, können sich für das Betriebsnetzwerk unter best-sh.de/betriebsnetzwerk/ unverbindlich anmelden. Neben Systemtests besteht die Möglichkeit, sich per Newsletter über neuste praxistaugliche Techniken zu informieren und auf Betriebsexkursionen zu Systemvorführungen mit weiteren Landwirten in einen Austausch zu kommen. Weitere Infos dazu erteilt der Autor unter rsoth@lksh.de