Haubarg, Geesthardenhaus, Hallenhaus, Katen – jede Region ist geprägt von dem für sie typischen Baustil vergangener Zeiten, basierend auf damaligen, meist landwirtschaftlichen Arbeits- und Wohnzwecken. Für heutige Verhältnisse spielen sie kaum mehr ein Rolle und werden zunehmend durch moderne, oft auch ausländische Bauweisen verdrängt. Wie lässt sich regionale Baukultur für zeitgemäße Wohn- und Nutzungsarten weiterentwickeln, um sie zu erhalten? Mit dieser Frage beschäftigt sich das Projekt „Bordesholmer Haus“, in dem Fachhochschulstudenten drei verschiedene Nutzungskonzepte entwickelten.
Regionale Baukultur neu denken, alte Werte neu entdecken – das sind die Ansätze des Projektes. „Dabei geht es nicht darum, Vorhandenes zu kopieren, sondern mit Blick auf Funktion und Nachhaltigkeit weiterzuentwickeln“, erklärt der Bürgermeister der Gemeinde Sören und stellvertretender Landrat des Kreises Rendsburg-Eckernförde, Manfred Christiansen, als Initiator und Leiter des Projektes.
Die Idee dazu entwickelte sich bei ihm unter anderem aus einer China-Reise vor einigen Jahren. „Ich besuchte den Drei-Schluchten-Staudamm im Jangtsekiang und erfuhr vor Ort von der Problematik der Einwohner, die durch Zwangsumsiedlung in höhere Bergregionen unter anderem ihre ursprüngliche Behausungen und somit ihre Heimat verloren, da die neuen Zweckbauten nicht denen ihrer heimatlichen Umgebung entsprachen. Gleichzeitig reiste mein Sohn mit einer Wirtschaftsdelegation durch Japan und lernte die Weiterentwicklung japanischer Baukultur mit neuen Baustoffen kennen“, erinnert sich Christansen. Nach einem Erfahrungsaustausch stellte sich ihm die Frage: „Warum nicht auch über die Weiterentwicklung des Bordesholmer Hauses nachdenken?“ Dabei soll es beim Um- oder Neubau in erster Linie darum gehen, regionaltypische Bau- und Stilelemente des Hauses aufzugreifen und diese mit neuen Techniken und Materialien zu einem den heutigen Ansprüchen angepassten Bau- und Nutzungskonzept weiterzuentwickeln, also Altes mit Neuem zu verbinden. Niemand wolle mehr in eine Kopie eines alten Bauernhauses ziehen, „aber wenn wir es schaffen, die regionaltypische Architektur mit neu geschaffenen Werten zu verbinden, tragen wir damit zum Erhalt wertvoller Baukultur bei“, so Christiansen.
Ihm falle immer öfter negativ auf, wie Menschen beim Hausbau im ländlichen Raum unter anderem versuchten, ihre Urlaubserinnerungen an Schweden, die Toskana oder andere Länder zu verwirklichen, oder immer mehr Stadthäuser auf dem Dorf Einzug hielten. „Dadurch schwindet die Identität. Doch birgt das Streben nach einem Leben auf dem Land auch die Chance, zum Beispiel durch die kommunale Bauleitplanung, das regionale Bauen wieder in den Vordergrund zu stellen“, schlägt Christiansen vor.
Das Projekt „Bordesholmer Haus“ sei dafür als Start- und Beispielprojekt angelegt und diene als Denkanstoß und Impuls für ähnliche identitätsstiftende Vorhaben im Land. „Eventuell lässt sich daraus sogar ein Schleswig-Holstein-Design entwickeln“, so Christiansen. Gefördert wird es durch den Kreis Rendsburg-Eckernförde und private Sponsoren. Projektträger und -begleiter ist das Amt Bordesholm.
Hervorgegangen aus dem Niedersachsen- oder auch Hallenhaus, entwickelte sich im alten Amt Bordesholm eine eigene Form, die sich seit dem 18. Jahrhundert als Bordesholmer Haus in der Region verbreitete. Kennzeichen des Hauses sind unter anderem die klar gegliederte, einfache Bauweise in Fachwerk mit einem hohen Reetdach, unter dem auf der ganzen Länge des Hauses die Ernte- und Futtervorräte lagerten, mit einem großen Eingangstor (Grootdör) und dem vorspringenden, meist dreigeteilten Brettergiebel. Unter dem Dach waren Wohnen und Viehhaltung, wie damals üblich, vereint. Durch die Grootdör betrat man die große Diele oder auch Tenne, an deren Seiten die Tiere in den Kübbungen (Mistgängen) standen, am Ende der Diele befand sich die Feuerstelle. Als Rauchhaus hatte das Gebäude zunächst keinen Schornstein. Dadurch war das Gebäudeinnere ständig vom Rauch des offenen Herdfeuers (Flett) erfüllt. Der Rauch zog über die Grootdör, kleine Windaugen im Giebel sowie durch Undichtigkeiten im Reetdach ab. Der Rauch konservierte das Gebälk, machte darin aufgehängte Schinken und Wurst haltbar, trocknete das auf dem Dachboden gelagerte Futter und Heu und hielt Schädlinge fern, war aber auf Dauer der Gesundheit der Bewohner nicht zuträglich, deren Wohnräume sich hinter der Feuerstelle befanden. Schlafkojen für Bedienstete befanden sich in der Tenne hinter den Boxengängen der Tiere. Ein Schwippbogen (zentrale Feuerstelle mit Bilegger) sorgte später für Rauchabzug und ein rauchfreies Heizen der Wohnräume. Aus dieser baulichen Grundform des Gebäudes entwickelte eine studentische Arbeitsgruppe der Fachhochschule Kiel Vorschläge für Kommunalbauten, die neben den eben genannten Aspekten in einer Broschüre anschaulich dargestellt werden. Eine Idee ist es, den Bautyp „Bordesholmer Haus“ zu einer erlebnisorientierten Markthalle zu entwickeln. Ein weiteres Konzept schlägt die Umwandlung in ein Begnungshaus mit multifunktionaler Nutzung vor, in einer dritten Idee wird das Haus als nachhaltiges Tagungs- und Veranstaltungszentrum für individuelle Weiterbildungen dargestellt mit weiteren Nebengebäuden, Garten und einer Tiny-House-Siedlung. Für die Umsetzung der Konzepte könnten EU- und nationale Förderprogramme genutzt werden.
„Diese Ideen können in aktuelle Planungen von kommunalen und privaten Bauvorhaben einfließen“, so der Projektleiter. Auch Mischformen wären denkbar. „Ebenso sollten die Gemeinden beim Aufstellen von Flächennutzungs- und Bebauungsplänen prüfen, ob sie regionale Stilelemente zur begrenzten Übernahme mit vorschlagen wollen“, erklärt Christiansen.