Im ersten Teil der Abschlussanalyse standen Kennzahlen der Rentabilität eines Beispielbetriebes im Mittelpunkt. Nun werden die Bereiche Stabilität und Liquidität untersucht, um die wirtschaftliche Situation des Beispielbetriebes möglichst vollständig beurteilen zu können.
Ein stabiles Unternehmen wächst. Um die Preissteigerungen im Konsum- und im Wirtschaftsbereich auszugleichen, ist eine Umsatz- beziehungsweise Gewinnsteigerung notwendig. Dieses Wachstum kann kontinuierlich oder in Schüben erfolgen und sollte anteilig mit Eigenkapital finanziert sein.
Eigenkapitalbildung und Stabilität
Eine Eigenkapitalbildung im mehrjährigen Durchschnitt ist somit eine wesentliche Kenngröße für die Unternehmensstabilität (Tabelle 1). Die Veränderung des Eigenkapitals lässt sich für das Einzelunternehmen auf der Passivseite der Bilanz ablesen. Der Gewinn und die Einlagen in den Betrieb mehren das Eigenkapital, während die Entnahmen zu einer Eigenkapitalabnahme führen.
Durch angepasste Entnahmen sollte der Gewinn nicht aufgebraucht werden. Stattdessen sollte ein angemessener Betrag für die Eigenkapitalbildung verbleiben (diese kann durch Tilgung von Fremdkapital erfolgen oder durch Ansparen). Welcher Betrag angemessen ist, kann nur im Einzelfall bestimmt werden. Faustzahl: Anteile von 10 % bis 30 % vom Gewinn. Je höher der Fremdkapitalanteil, je größer der Investitionsrückstand und je größer das Produktions- und Preisrisiko sind, desto größer sollte die Eigenkapitalbildung sein.
Die landwirtschaftliche Familie muss Entnahmen für ihre Lebenshaltung tätigen. Sie kann mit Entnahmen aber auch Vermögen außerhalb der landwirtschaftlichen Buchführung aufbauen. Diese „Entnahmen zur Bildung von Privatvermögen“ sind gesondert zu betrachten. Dieses Geld kann unter Umständen wieder in den Betrieb zurückfließen. Ist dies in einem der folgenden Wirtschaftsjahre der Fall, so haben diese „Einlagen aus Privatvermögen“ die Familie nicht reicher gemacht, da ihr dieses Kapital schon gehörte. Die Kennzahl, die diese Kapitalströme zwischen dem landwirtschaftlichen Betrieb (Bilanz) und dem privaten Vermögensbereich der Familie berücksichtigt, ist die „bereinigte Eigenkapitalveränderung bei Unternehmern“. Sie ist die richtige Kennzahl, wenn der Kapitalaufbau für die Person beurteilt werden soll. Der Beispielbetrieb bildet 47.600 € Eigenkapital. Das entspricht 36 % des bereinigten Gewinns.
Was besagt die Eigenkapitalquote?
Die Eigenkapitalquote ist ein zweiter wichtiger Kennwert für die Stabilität des Unternehmens, denn sie beeinflusst die Kreditwürdigkeit. Gerade Betriebe mit wenig Eigentumsfläche müssen hier sensibel sein und nach größeren Wachstumsschritten Phasen des Eigenkapitalaufbaues einplanen. Für Personengesellschaften gilt auch hier, dass die Einbeziehung der Sonderbilanzen in die Berechnung sinnvoll sein kann.
Da in Steuerbilanzen der Wert des Feldinventars fehlt, ist dieser für betriebswirtschaftliche Auswertungen zu ermitteln und in die Berechnung aufzunehmen. Zur Ermittlung der Eigenkapitalquote müssen alle relevanten Vermögenswerte des Unternehmens auf der Aktivseite aufgeführt und bewertet sein. Von diesem Wert ist dann das Fremdkapital abzuziehen. Was übrig bleibt, ist das Eigenkapital des Betriebes, das dann ins Verhältnis zum Gesamtkapital gestellt wird. Der Beispielbetrieb hat 68 % Eigenkapitalanteil. Im Durchschnitt für alle niedersächsischen Betriebe liegt dieser Wert bei zirka 80 %.
Liquidität richtig bewerten
Liquide ist ein Unternehmen, wenn es jederzeit seinen Zahlungsverpflichtungen termingerecht nachkommen kann. Ob dies im betrachteten Wirtschaftsjahr der Fall war, lässt sich aus dem Jahresabschluss nicht ablesen. Für die Beurteilung der Liquidität ist der Abschluss daher nur eingeschränkt geeignet. Rückblickend kann jedoch ermittelt werden, welche Summe an Geldmitteln dem Betrieb im Wirtschaftsjahr zur Verfügung stand. Dieser Betrag wird als Cashflow I bezeichnet (Tabelle 2). Zur Berechnung sind ausgehend vom Gewinn alle Aufwendungen, die keine Ausgaben waren – für die also kein Geld geflossen ist – zum Gewinn hinzuzurechnen. Alle Erträge, die keine Einnahmen verursacht haben, sind vom Gewinn abzuziehen.
Diese Korrekturen beinhalten hauptsächlich die Abschreibungen. Sie sind ein großer Aufwandsposten, dem keine Ausgaben zugrunde liegen, die also nicht „bezahlt“ werden müssen. Die Abschreibungen stellen die kalkulatorische Wertminderung des Anlagevermögens (Gebäude, Maschinen) durch die Nutzung dar. Weitere Positionen, die den Gewinn beeinflussen, aber keinen Geldfluss beinhalten, können Bestandsänderungen im Tiervermögen und im Umlaufvermögen sein (siehe Beispiel in Tabelle 2).
Der so ermittelte Geldbetrag wird durch Einlagen in den Betrieb aufgestockt und durch die Entnahmen gemindert. Mit dieser Berechnung erhält man den Cashflow II. Aus dem Cashflow II sind nun noch die Kredittilgungen zu leisten. Es ergibt sich der Cashflow III, der die verfügbaren Eigenmittel für Investitionen darstellt. Der Beispielbetrieb ist hier mit 59.000 € gut aufgestellt. Sollte der Cashflow III negativ ausfallen, so müsste neues Fremdkapital für die Tilgungsleistungen der bestehenden Kredite aufgenommen werden.
Für das betriebliche Controlling ist vor allem die Zahlungsfähigkeit in den kommenden Wochen und Monaten von hoher Relevanz. Hierfür werden Liquiditätsplanungen erstellt, für die wiederum der Jahresabschluss als Grundlage dienen kann. Denn die Prognose aller Einnahmen und Ausgaben für die Planungsperiode fällt leichter, wenn man die Zahlen des letzten Jahres als Ausgangspunkt wählt. Der Betriebsleiter muss diese Werte dann an den aktuellen Produktionsumfang und die Preiserwartungen im Absatz und Bezug anpassen.
Zu den weiteren Controllinginstrumenten, die auf dem Jahresabschluss basieren, gehört die Vollkostenrechnung. Alle Erträge und Aufwendungen werden hierbei auf die Betriebszweige des Unternehmens aufgeteilt. Die Ergebnisse von mehrjährig durchgeführten Vollkostenrechnungen bilden dann eine gute Grundlage für anstehende Produktions- und Investitionsentscheidungen.
Fazit
Sofern der Jahresabschluss zeitnah zur Verfügung steht und wie beschrieben ausgewertet und genutzt wird, ist er immer noch das teuerste Buch im Regal, aber sein Geld wert.