Das Verbundprojekt „AI4Calf – Steuerung von Stall-Belüftungen mittels künstlicher Intelligenz zur Verbesserung der Nachhaltigkeit am Beispiel eines Kälberstalls“ setzt bei der Frage nach automatisierter Lüftungssteuerung an. In Zusammenarbeit mit der Fachhochschule Kiel und den Universitäten Kiel und Lübeck werden Daten aus verschiedenen Quellen genutzt, um einen Algorithmus zur Lüftungssteuerung des Holsteiner Kälberstalls am Lehr- und Versuchszentrum Futterkamp anzulernen.
Die Steuerung der Lüftung im Kälberstall ist eine Aufgabe, die nicht nur große Expertise erfordert, sondern auch essenziell ist, um die Gesundheit der Kälber zu erhalten. Gleichzeitig fehlt es an automatischen Steuerungssystemen. Künstliche Intelligenz (KI) könnte die Automatisierung an dieser Stelle einen entscheidenden Schritt weiterbringen. Obwohl KI in einigen Bereichen schon erfolgreich eingesetzt wird, gibt es noch keine Lösung für die Lüftungssteuerung in Rinderställen. In Kaltställen, wie dem Holsteiner Kälberstall am Lehr- und Versuchszentrum Futterkamp, wird das Stallklima erheblich durch die Wetterlage und weitere Umgebungsfaktoren beeinflusst. Kommt es durch niedrige Außentemperaturen oder starken Wind zu niedrigen Temperaturen, starken und schnellen Temperaturschwankungen oder Zugluft, können Atemwegserkrankungen folgen. Ebenso kann bei hohen Außentemperaturen und ungünstiger Einstellung der Lüftung ein Wärmestau entstehen, der zu Hitzestress führen kann. Unabhängig davon, ob es zu warm oder zu kalt ist oder Zugluft entsteht: Jeder dieser Herausforderungen kann durch eine möglichst optimal gesteuerte Lüftung begegnet werden. Die Steuerung von Jalousien, Lüftern, Türen, Toren und Klappen bedarf einiger Expertise und der Berücksichtigung einer Vielzahl von Einflussfaktoren aus der Umwelt, aber auch von den Kälbern selbst.
Vorgehensweise beim Projekt „AI4Calf“
Innerhalb des Projektes „AI4Calf“ werden Daten aus verschiedenen Quellen herangezogen, die als Input für die KI genutzt werden. Der Soll- beziehungsweise Istzustand des Stallklimas fließt mittels Innentemperatur, Luftfeuchte, Luftgeschwindigkeit sowie Luftqualität (CO2, Ammoniak) in die KI ein. Aus der Umgebung des Stalls werden Temperaturen, Niederschläge, Windstärke und -richtung sowie die Strahlungsintensität der Sonne mittels Wetterstation ermittelt. Diese Wetterdaten werden auch aus der Wettervorhersage integriert. Die Beobachtung der Kälber im Hinblick auf ihre Aktivität (Kamera) und Gesundheit sowie Daten aus Herdenmanagementsystem und Tränkeautomaten dienen als weiterer Input und lassen Rückschlüsse auf die Qualität des Stallklimas zu. Der Gesundheitsstatus wird regelmäßig durch einen geübten Experten anhand einer Checkliste zur Kälbergesundheit des Thünen-Instituts erfasst. Behandlungen, Impfungen und weitere Eingriffe, zum Beispiel das Enthornen, werden aus dem Herdenmanagementsystem bereitgestellt.
Sammlung der relevanten Daten
In der ersten Phase des Projektes werden zunächst Sensoren und Kameras installiert, die die Witterung, das Stallklima und die Aktivität der Kälber beobachten. Diese Daten werden zunächst gespeichert und durch weitere Daten, zum Beispiel Tränkemengen, ergänzt. Unter Berücksichtigung der Entscheidungen des Herdenmanagers beziehungsweise der Stallmitarbeiter zur Position der Jalousien, Lüfter, Türen und Tore wird die KI dann angelernt. Wichtig zu berücksichtigen ist, dass neu installierte Technik, zum Beispiel die Wetterstation, und bereits Vorhandenes, zum Beispiel die Tiererkennung des Tränkeautomaten, sich nicht negativ beeinflussen. Die Frequenzen der verschiedenen Techniken müssen so abgestimmt sein, dass keine Beeinträchtigung der Datenübertragung entsteht und der Betriebsablauf nicht gestört wird. Nach Sicherstellung aller Datenflüsse folgt die nächste Phase des Projektes.
Trainingsphase im Projekt
In der zweiten Phase des Projektes findet die sogenannte Trainingsphase statt. Dieser Lernprozess der KI ist vergleichbar mit der menschlichen Art des Lernens. Ziel des Lernprozesses ist es, dass der Algorithmus wiederkehrende Muster und Zusammenhänge, zum Beispiel geschlossene Türen bei niedrigen Temperaturen, kennenlernt. Vergleichen kann man die KI in dieser Zeit mit einem „unsichtbaren Auszubildenden“, der keine Vorkenntnisse im Bereich Lüftungssteuerung und Tiergesundheit hat. Dieser Auszubildende muss also alle Bereiche im Rahmen der Lüftungssteuerung kennen- und die Zusammenhänge erkennen lernen. Entsprechend gilt für Mensch und KI gleichermaßen „Man lernt nie aus“.
Selbstständiger Einsatz der KI
Im letzten Schritt übernimmt die angelernte KI die Steuerung des Lüftungssystems und ist dann in der Lage, Jalousien, Klappen und Ventilatoren selbstständig zu steuern. Dazu läuft der „unsichtbare Auszubildende“ pausenlos durch den Kälberstall und dessen Umgebung und behält alle Einflussfaktoren auf das Stallklima im Blick. Aus dieser Phase lässt sich ableiten, ob das Gelernte verinnerlicht wurde und die richtigen Entscheidungen getroffen werden. Rückmeldung und Kommunikation mit dem „unsichtbaren Auszubildenden“ ist entscheidend, um festzustellen, ob der Lernprozess erfolgreich war. Erkennt man hier große Wissenslücken, muss nachjustiert werden. Entscheidendes Kriterium bleibt neben dem Stallklima die Gesundheit der Kälber. Die Kälbergesundheit ist und bleibt die entscheidende Referenz. Ist der Sollzustand durch die Entscheidungen der KI erreicht, es treten aber gleichzeitig vermehrt Atemwegserkrankungen auf, ist die Lüftungsteuerung nicht optimal. Besonders solche Zusammenhänge müssen dem „unsichtbaren Auszubildenden“ sofort zurückgemeldet werden. So kann die KI optimiert und ihre Vorteile effektiv genutzt werden. Sie sollte an diesem Punkt ausreichend gelernt haben und kann selbstständig eingesetzt werden.
Übertragbarkeit in die Praxis
Nach der Lern- und Einsatzphase am Lehr- und Versuchszentrum Futterkamp soll die entwickelte KI in die Praxis übertragen werden. Dieser Schritt ermöglicht der KI, sich weiterzuverbessern und sich mit möglichst vielen unterschiedlichen Betrieben vertraut zu machen. So kann gewährleistet werden, dass die KI unabhängig von der Bauart des Stalls arbeiten kann. Zusätzlich zur KI im Kälberstall ist so dann auch denkbar, die Lüftung im Milchviehstall durch KI zu steuern. Insbesondere die wachsende Herausforderung des Hitzestresses ist hier zu nennen. Durch frühzeitiges Erkennen von hohen Temperaturen im Außenbereich und im Stall kann ebenso frühzeitig eingegriffen werden.
Fazit
„AI4Calf“ entwickelt eine KI-Lösung zur Automatisierung der Lüftungssteuerung in Kaltställen. Am Beispiel des Holsteiner Kälberstalls am Lehr- und Versuchszentrum Futterkamp wird ein KI-Algorithmus entwickelt und angelernt. Die KI vergleicht stetig den Ist- und Sollzustand des Stallklimas und steuert die Lüftung anhand dieser und weiterer Informationen über die Witterung. Die wichtigste Referenz sind die Gesundheit und das Tierwohl der Kälber. Ziel ist es, die KI so gut anzulernen, dass sie in die breite Praxis übertragen und auf andere Stallungen angewendet werden kann.