Der Landeshauptausschuss des Bauernverbandes SchleswigHolstein (BVSH) tagte am Mittwoch vor Beginn der Norla im Detlef-Struve-Haus in Rendsburg. An diesem Termin findet die traditionelle Aussprache mit dem Landwirtschaftsminister statt. Landesbauernpräsident Klaus-Peter Lucht brachte die Erwartungen der Landwirtinnen und Landwirte an die Landesregierung auf den Punkt und machte deutlich, dass die Zeit läuft, für alles, was mit dem Erreichen der politisch gesetzten Klimaziele zu tun hat, und das zum Gelingen auch Schlüssel in der Hand der Ministerien liegen.
Der Landesbauernpräsident Klaus-Peter Lucht stellte in seiner Begrüßung heraus, dass es im vergangenen Jahr zu einigen Gesprächen mit Werner Schwarz (CDU) kam und dass er den Austausch schätze. Anerkennend hob Lucht hervor, dass der Dialogprozess zur Zukunft der Landwirtschaft in Schleswig-Holstein vom Ministerium für Landwirtschaft, Ländliche Räume, Europa und Verbraucher (MLLEV) weitergeführt und der Rahmen der Teilnehmer erweitert wurde, unter anderem um Vertreter des Gewässerschutzes. Der Dialogprozess sei weiterhin ein geeignetes Instrument zu zeigen, dass Landwirtschaft engagiert und Willens sei in Veränderungsprozesse einzusteigen. Keinen Zweifel ließ Lucht allerdings daran, dass die ureigenste Aufgabe der Landwirtschaft die Nahrungsmittelproduktion ist. Die Krisen dieser Zeit, wie Corona hätten unter anderem gezeigt wie anfällig Logistikketten sind, der russische Überfallskrieg auf die Ukraine habe gezeigt, dass man auf einmal keinen Weizen mehr exportieren kann und die letzte Ernte habe gezeigt, dass es nicht selbstverständlich sei Brotgetreide zu produzieren, auch nicht an einem Gunststandort wie Schleswig-Holstein.
Tierwohl fällt untern Tisch
Erschüttert zeigte sich Lucht über die Berliner Ampelregierung beim Thema Tierwohl, dass sie die Ergebnisse, die die Borchert-Kommission erarbeitet habe, unter den Tisch kehre durch Nichtstun. Lucht erwartet, dass das Thema von den CDU-Agrarministern in Berlin und auf der Agrarministerkonferenz (AMK) in Kiel angesprochen wird. Schleswig-Holstein habe immer noch eine wettbewerbsfähige Tierhaltung, die erhalten werden müsse, wohlwissend dass es ohne Fördermittel nicht gehe. Dennoch seien tragfähige Rahmenbedingungen erforderlich, um die Wettbewerbsfähigkeit zu unterstützen, so Lucht. Defizite an Innovation und Entwicklung sieht Lucht beim Moorschutz. Es sei keine Lösung, wenn die Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein weiter durch massiven Flächenkauf agiere und die Struktur und Existenz landwirtschaftlicher Betriebe gefährde. Die Landwirtschaft wisse sehr genau, dass sie Klimaschutzmaßnahmen umsetzen müsse und arbeite an Lösungen. Dazu zähle die Idee der Flächengenossenschaft. Dabei sollen über einen gemeinsamen Pool, Flächen dem Klimaschutz zur Verfügung zu stellen und gleichzeitig energetisch genutzt werden, um die Produktion zu erhalten. Lucht betonte, dieses Modell richte sich nicht gegen die Stiftung. Deren Weg sei jahrelang wahrscheinlich richtig gewesen, doch jetzt müsse man nach angepassten Methoden und mehr Flexibilität suchen. Er brachte die Landgesellschaft als Flächenvermittler ins Gespräch.
Zu viele Wölfe und Gänse
Nach der jüngsten Wolfsattacke im Landkreis Stade sprach Lucht das Thema erneut vor Minister Schwarz an und mahnte weitergehende rechtzeitige Entscheidungen und ein Gegensteuern an, bevor es zu Rudelbildungen komme. Er nannte das Beispiel Niedersachsen, dass als SPD-geführtes Land beim Wolfsmanagement aktiver voran gehen wolle. Die Überpopulation der Nonnen- und Graugans im Land sei bei der jüngsten Rindermastbereisung wieder deutlich geworden. Er fand es sehr schade, dass die Landesregierung bei der EU einen Antrag zur Bestandsregulierung gestellt habe, der abgelehnt wurde. Dennoch sei der Eindruck entstanden, dass bislang nicht alle Maßnahmen, die möglich seien auch ausgeschöpft würden. Lucht bat, wissenschaftlichen Rat hinzuzuziehen, um zu Lösungen einer Bestandsregulierung zu kommen. Es sei erschreckend, dass die Rinder haltenden Betriebe in den betroffenen Regionen 30 % mehr Futterfläche benötigen, wegen Gänsefraß. Lucht sprach sich gegen die Einrichtung eines Nationalpark Ostsee (NPO) aus, dass heiße aber nicht, dass der Bauernverband gegen den Schutz der Ostsee sei. Er warnte vor einer zentral aufgebauten Nationalparkverwaltung und dem Verlust des Mitspracherechtes der Landwirtschaft. Er bat Schwarz bei den Gesprächen in der Koalition Flagge zu zeigen für die Landwirtschaft. Mit Blick auf die kommende AMK im September in Kiel kündigte Lucht eine Demonstration an, die den Protest gegenüber der Bundespolitik zeigen solle. Gleichzeitig sei es Zeit, die CDU-Agrarminister zu unterstützen durch diese Aktion, vor allem beim Tierschutzgesetz.
Fachlichkeit statt Grillen
Landwirtschaftsminister Werner Schwarz (CDU) dankte Lucht für die fachliche und konstruktive Ansprache statt eines „Ministergrillens“, wie Streitgespräche beim traditionellen Landeshauptausschuss auch genannt werden. Für Schwarz hat die Ampelkoalition in Berlin mit dem Rücktritt der Borchert-Kommission eine echte Chance „vergeigt“. Für schwerwiegend hält er, dass die Politik keinerlei Orientierung für die Betriebe gebe. Er erwarte „in naher Zukunft“ Vorschläge für eine Ausrichtung der Tierhaltung und fordert mehr Geld für mehr Tierwohl über alle Tierarten und die gesamte Warenkette von der Bundesregierung. Bei allen Diskussionen liegt auch für Schwarz das Thema Klimaschutz obenauf, wie er sagte. Dabei habe die Ernährungssicherung für ihn die oberste Priorität. Doch sei Klimaneutralität in der Nahrungsmittelproduktion nicht möglich, das müsse berücksichtigt werden. Der landwirtschaftliche Anteil am Klimaschutz gehe in beide Richtungen. Es komme zu CO2-Einträgen über die Tierhaltung, hier könne über weitere Klimaanpassungsmaßnahmen gesprochen werden. Gleichzeitig ermögliche die Landwirtschaft über konservative Bewirtschaftung Einlagerungsmöglichkeiten.
Wettbewerbsfähigkeit zählt
Der Koalitionsvertrag verpflichte zur Klimaneutralität, zu der auch die Landwirtschaft ihren Beitrag leisten müsse. Dafür sei Unterstützung nötig, am besten durch eine Verbindung zwischen Wissenschaft und Praxis. Nur Demonstrationsbetriebe zu errichten sei keine Lösung, die Produktionsvoraussetzungen müssten ökonomisch und wettbewerbsfähig sein, so Schwarz. Zum Nature Restoration Law (NRL) der EU, zur Naturwiederherstellung, meinte Schwarz, die Karten würden mit dem Weggang von EU-Kommissar Frans Timmermanns neu gemischt. Wichtig sei ihm, innerhalb Europas eine wettbewerbsfähige Land- und Forstwirtschaft zu erhalten. Der ergebnisoffene Konsultationsprozess zum NPO dauere noch an, erklärte Schwarz. Die Demonstrationen würden wahrgenommen und er persönlich fühle sich in seiner Skepsis bestätigt, dass der geplante NPO nicht mit dem Nationalpark Wattenmeer zu vergleichen sei. Sein Ministerium verhalte sich neutral und arbeite an Möglichkeiten neben einem Nationalpark. Schwarz betonte, mit dem heutigen Recht und heutigen Maßnahmen habe man ausreichend Möglichkeiten. Zur Schlachthofschließung in Bad Bramstedt führte Schwarz an, dass es keine Möglichkeit des Eingreifens gäbe in die strategischen Entscheidungen der Besitzer. Er sehe sehr wohl große Verunsicherung in der Vermarktungskette und erste preisliche Abstimmungen. Jetzt kämen auch gesellschaftlich relevante Fragen auf, wie Transportzeiten und -kosten. Allerdings könne das Land nicht eingreifen. mbw




