Die Landschaft Angeln – eine Region, wie geschaffen für entspannten Urlaub. Blühende Rapsfelder, Steilküsten und Strände, idyllische Schleihäfen begeistern die Touristen. Doch Angeln ist auch ein Lebensraum, und der braucht eine gesunde wirtschaftliche Grundlage. Dafür steht, was für Besucher vielleicht nur pittoresk den Wegesrand ziert: das Angler Rind. Dessen Entwicklung, Probleme und mögliche Zukunft sind jetzt in einem Film dokumentiert: „Quo vadis, Angeln?“ – auf Deutsch: „Wohin gehst du?“.
Die Tiere kommen noch vor den Menschen ins Bild: Kühe in Großaufnahme, Kühe am Futtertisch, Kühe auf der Weide. Die Menschen kommen danach zu Wort: Halter des Angler Rindes in allen Altersstufen von der engagierten Jungbäuerin über den erfahrenen Betriebsleiter, der alle Aspekte des Strukturwandels gemeistert hat, bis zum Altenteiler, der sich immer noch darauf freut, den Lehrling beim Melken vertreten zu können. 33 Menschen in Angeln zwischen 22 und 94 Jahren wurden befragt. Ihre Erzählungen, in kurze Sequenzen verteilt, machen die Authentizität des Filmes aus und berühren den Zuschauer.
Sieben Jahre haben sich die Initiatoren Zeit genommen. Dies sind Christina Paulsen-Schlüter aus Tolk, Claus-Peter Tordsen aus Süderbrarup und Johannes Tams aus Ausacker – alle drei Halter von Angler Rindern. Für ihr Projekt haben sie den Filmemacher Steffen König von Shortcut in Hannover als Produzenten gewonnen. Das Werk feierte Uraufführung im Schleswiger Captol-Kino vor rund 200 geladenen Gästen. Die Gewährsleute konnten sich da erstmals selbst im Fim sehen.
Es kommen Arnis an der Schlei ins Bild, die Kappelner Heringszäune, Angler Sattelschweine wuseln zwei, drei Mal durch die Szene, doch bevor es zu nostalgisch wird, treten wieder die Stars auf, die Angler Rinder.
In deren Entwicklung hat sich viel getan. Aus robusten Rassen der Wikinger wurde durch Zucht eine Kuh mit hoher Milchleistung und besonders hohem Fettanteil – eine „Butterkuh“. „Die Leistung ist heute höher, aber das Futter ist auch besser“, weiß ein Seniorlandwirt. „Die höhere Leistung sollen sie aber auch gesund erbringen“, wendet er sich gegen Überzüchtung. Und ein anderer: „Wir fühlen uns mit den roten Kühen wie Asterix und Obelix – die Schwarzbunten ringsherum sind die Römer.“ Da ist er wieder, der Stolz auf die Angler Rinder! Sie werden weltweit gehandelt, wurden schon auf einer Hochzeitsreise in Neuseeland gesichtet. Die Italiener lieben sie für die Herstellung von Parmesankäse. Bis 1982 war Süderbrarup der Auktionsplatz für Angler Rinder, später wurde die Veranstaltung den Auktionen der Rinderzucht Schleswig-Holstein in Neumünster angegliedert, heute in Dätgen. Und natürlich werden nicht nur Weidemelken und Kaltblüter am historischen Eisenpflug gezeigt, sondern auch moderne Mähdrescher mit GPS, Melkkarusselle und Herdenmanagement am Computer.
Doch der Titel „Quo vadis“ deutet schon an, dass die Zukunft Sorgen bereitet. Mag das Angler Rind durch Zucht immer besser, immer angepasster an die Anforderungen geworden sein: Die Bestandszahlen gingen immer mehr nach unten. Liefen auf Angler Weiden früher rund 25.000 dieser Tiere, so sind es jetzt etwa 10.000. „Noch mehr Weniger geht nicht!“, klagt ein Bauer.
Die Milchkrise um 2015 war für viele der „Todesstoß“ – und die Initialzündung für die Entstehung des Filmprojektes. Bis 2018 gaben 80 % der Betriebe auf. „Wenn das zehn Jahre so weitergeht, kennen unsere Kinder nicht mehr, wie es einmal hier war“, befürchtet Paulsen-Schlüter. In Rüllschau etwa gab es früher sieben landwirtschaftliche Betriebe, heute nur noch einen. Fast jedes Dorf hatte eine eigene Meierei, heute findet sich die nächste in Kappeln.
Es wird gezeigt, wie sich die Landwirte arrangieren – mit weiteren Standbeinen oder mit komplettem Wechsel zu neuen Betriebszweigen: Hühnermobile in Freiland, Sonderkulturen wie Beerenobst, Direktvermarktung, Ferienwohnungen. Aber natürlich wollen viele von ihnen weitermachen, sind motiviert und engagiert. Was aus ihnen allen spricht, ist die Freude am Bauer-Sein, die Liebe zum Tier, der lebenserfüllende Inhalt des Berufes. Was die Zukunft anbetrifft: Die Frage „Quo vadis?“ muss offen im Raum stehen bleiben.
Wer sich nicht für Rinder interessiert, mag vielleicht nicht auf seine Kosten kommen. Oder er findet gerade durch den Film sein Interesse.
Er wird weiterhin im Capitol-Kino in Schleswig gezeigt (Spielzeiten unter www.quo-vadis-angeln.de), später auch in Rendsburg, Flensburg, Kappeln und an anderen Orten.
Download des Trailers: https://t1p.de/qqd25