Ein Pferd wiehert, eine Kuh muht, ein Hahn kräht. Doch was genau hat es mit diesen Lautäußerungen auf sich? Wie kommunizieren Tiere und wie unterscheidet sich deren Sprache von denen der Menschen? Die neue „Sprachfibel der Nutztiere“ des Tierparks Arche Warder stellt am Beispiel ausgewählter Nutztierarten die wichtigsten Lautäußerungen und deren Bedeutungen in Text und Illustrationen vor – auf profund wissenschaftlicher Basis und dennoch unterhaltsam und für jeden verständlich.
„Das war uns wichtig, dass das Buch jede Altersgruppe anspricht und dennoch einen wissenschaftlichen Anspruch hat“, erklärt Tierparkdirektor, Biologe und Veterinärmediziner Prof. Kai Frölich bei der Vorstellung der Sprachfibel. Zusammen mit der Veterinärmedizinerin und Leiterin der Tiermedizin im Tierpark Arche Warder, Dr. Anabell Jandowsky, stellte er sich der Herausforderung, ein Buch so zu gestalten, dass es wissenschaftlichen Anforderungen genügt und gleichzeitig für alle gesellschaftlichen Gruppen funktioniert. „Auch damit jeder, der es liest, das Gefühl hat, es steckt mehr dahinter, und danach noch genauer hinhört und -schaut, wenn ein Tier etwas macht“, so Frölich.
Die Idee zu der Sprachfibel kam ihm, als er bei Rundgängen durch den Park immer wieder mal von Besuchern angesprochen und beispielsweise gefragt wurde: „Was meint denn das Schwein jetzt?“, oder mitbekam, wie in Tierlaute allzu Menschliches hineininterpretiert wurde. „Wisschenschaftliche Abhandlungen und Doktorarbeiten über das Verhalten und die Kommunikation von Schweinen, Hühnern oder auch Katzen und Hunden gibt es zuhauf. Doch eine allgemein verständliche Darstellung der Tierlaute und ihrer Bedeutungen gab es bislang nicht.“ Dabei sei es wichtig, dass die Menschen verstünden, warum Tiere kommunizieren und warum es nicht gut sei, diese Lautäußerungen aus menschlicher Sicht zu deuten und eigene Emotionen und Eigenschaften in die Verhaltensweisen von Tieren hineinzuinterpretieren. „Ein Nutztier ist kein Kuscheltier, sondern ein Lebewesen mit klaren Bedürfnissen und einer Sprache, die wir Menschen oft nicht richtig deuten.“
Tiere kommunizierten, um anderen Tieren etwas mitzuteilen, lautet eine Aussage im Buch: eine Warnung vor Feinden, der Hinweis auf einen Futterplatz, eine Besänftigung oder ein Kontaktlaut. Mitunter kommunizieren Tiere auch in Frequenzen, die wir gar nicht hören oder wahrnehmen können.
„Könnten Tiere wie zum Beispiel ein Löwe wirklich sprechen, wir würden ihn nicht verstehen. Ich kann nicht wie ein Löwe denken, das ist unmöglich. Wir tun den Tieren nichts Gutes, wenn wir sie vermenschlichen“, betont der Tierparkdirektor. Im Gegenteil: Fehleinschätzung aufgrund von Vermenschlichung kann dem Wohl des Tieres schaden. „Der Schlüssel zum Verständnis der Tiersprache ist auch der Schlüssel zu einem besseren Umgang mit den Tieren“, ist es in der umfassenden Einleitung der Sprachfibel beschrieben. Das Werk möchte dazu einladen, Nutztieren aktiv zuzuhören und dabei so manches über ihre Kommunikation und Empfindungen zu erfahren, was sonst im Verborgenen bleiben würde.
Foto: Iris Jaeger
Und so lernen die Leser auf 128 Seiten, was es zum Beispiel mit dem Futterruf der Henne auf sich hat, dass Ferkel beim Spielen bellen oder ein Mutterschaf bei der Geburt leise brummelt, wann und warum eine Ziege meckert oder wie die Stute ihr Fohlen ruft. Und das in kurzen, gut verständlichen Texten sowie ansprechenden Illustrationen, die die Haltungen und Mimiken der Tiere wissenschaftskonform genaustens wiedergeben. „Die Entstehung der Sprachfibel war somit kein Spaziergang, da stecken viel Arbeit, Leidenschaft und Zeit drin“, so Frölich. Die Zusammenarbeit aller Beteiligten habe dabei von Anfang an sehr gut funktioniert und zum Gelingen des Buchprojektes beigetragen. „Jeder hatte sein Spezialgebiet und konnte sich einbringen“, erzählt Frölich. Dabei galt es zu Beginn erst einmal grundsätzliche Fragen zu klären: Welche Tierrassen sollen vorgestellt werden? Welchen Umfang soll das Buch haben, was für ein Format? Welche Schriftart, was für ein Papier und wie sollen die Darstellungen erfolgen?
Mit der Illustratorin Elise Breitsprecher, der Typografin und Buchgestalterin Anja Germanova, der Journalistin Anneke Fröhlich, die auch für die Texterstellung, die Redaktion, das Lektorat und Korrektorat verantwortlich zeichnete, sowie dem Geschäftsführer des Die-Seite-Verlags in Eckernförde, Eckhard Voß, fanden sich für die beiden Autoren Kai Frölich und Anabell Jandowsky kompetente Mitwirkende, die die anfängliche Idee im Laufe von etwa zwei Jahren in ein gelungenes Buchwerk verwandelten.
Für Eckhard Voß war dies eine Premiere und die Bucherstellung Neuland, denn eigentlich ist sein Verlag auf das Publizieren von hochwertigen Magazinen spezialisiert: „Aber hier ist mit so einer Tiefe und einem Qualitätsanspruch gearbeitet worden, dass wir als Magazinverlag gesagt haben, das ist ein Produkt, das zu uns passt.“
Von Beginn an sei zudem klar gewesen, dass es keine digitalen Ergänzungen wie eine App geben werde. „Wir wollten ein Produkt, das gut anzufassen ist, das man sich gerne anschaut. Es ist schön, dass es noch Menschen gibt, die sich mit echten Büchern beschäftigen“, sagte Frölich. „Das sinnlich-ästethische Vergnügen, wenn man ein Buch aufschlägt, darin blättert, sich überraschen und hineinziehen lässt, das funktioniert im Print immer noch am besten, besser als in digitalen Medien“, so Voß. Zudem sei es in dieser Form der Zusammenstellung einzigartig und neu.
„Letztlich ist es unsere Intention, die Gesellschaft zu erreichen und damit die Sensibilität sowie den Respekt vor Tieren zu fördern“, sagt Kai Frölich.